Larsson Legacy (Crumbling Hearts, Band 3) (eBook)
480 Seiten
Loewe INTENSE (Verlag)
978-3-7320-2183-3 (ISBN)
Carolin Wahl wurde 1992 in Stuttgart geboren, fühlt sich aber in anderen Ländern genauso zu Hause wie im Schwabenländle. Egal, ob die fernen Orte zwischen zwei Buchdeckeln oder Wasserfällen inmitten von Norwegen liegen. Sie liebt romantische Geschichten genauso wie einen dicken Fantasy-Schinken und stand mit dem dritten Band ihrer Vielleicht-Trilogie auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Heute lebt die Autorin wieder mit ihrer Familie in ihrer Heimatstadt. Weitere Informationen zur Autorin auf ihrer Homepage carolinwahl.de oder auf Instagram und TikTok unter @carolinwahl_
Carolin Wahl wurde 1992 in Stuttgart geboren, fühlt sich aber in anderen Ländern genauso zu Hause wie im Schwabenländle. Egal, ob die fernen Orte zwischen zwei Buchdeckeln oder Wasserfällen inmitten von Norwegen liegen. Sie liebt romantische Geschichten genauso wie einen dicken Fantasy-Schinken und stand mit dem dritten Band ihrer Vielleicht-Trilogie auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Heute lebt die Autorin wieder mit ihrer Familie in ihrer Heimatstadt. Weitere Informationen zur Autorin auf ihrer Homepage carolinwahl.de oder auf Instagram und TikTok unter @carolinwahl_
1
THEO
Auf der Beerdigung meines Großvaters regnete es in Strömen. Melodramatisch. Seifenopermäßig. Genau wie er es bestellt hätte, damit alle seinen großen Showabgang bewundern konnten.
Ein zynisches Lächeln umspielte meine Mundwinkel, meine Hand lag fest um den Griff des Regenschirms. Der monotone Klang der peitschenden Tropfen begleitete die Rede des Pfarrers wie ein leises Sinfonieorchester. Dabei spürte ich die Blicke der unzähligen Menschen wie tausend winzige Nadelstiche im Nacken und war froh, ganz vorn zu stehen. So konnte niemand in meinem Gesicht nach einem Anzeichen von Schwäche suchen. Eigentlich war ich verdammt gut darin, mir meine Gefühle nicht anmerken zu lassen, denn in den letzten Jahren hatte ich mir eine Schutzrüstung aus Unnahbarkeit zugelegt. Aus … Gründen. Doch jetzt versteckte ich meine Trauer nicht gut genug. Vermutlich, weil die Erinnerungen und die Vergänglichkeit des Lebens mir deutlich machten, dass auch ich nicht unsterblich war. Denn heute wurde nicht nur ein Geschäftsmann und einflussreicher Mensch unter die Erde gebracht, sondern mein Großvater.
Bilder blitzten durch mein Bewusstsein, vergrabene Erinnerungen, das Gefühl einer warmen Umarmung an bedingungslose Liebe geknüpft. Die Schwere in meiner Brust schmerzte. Es tat weh, wenn aus einem vielleicht später ein nie mehr wurde.
Wenn man unbewusst eine Nummer wählte, weil man vergessen hatte, dass die andere Person nicht mehr ans Telefon gehen konnte.
Wenn man begriff, dass der Klang der Stimme nur noch im Kopf existierte, man nicht mehr den vertrauten Geruch einatmen, nie mehr einen Schulterklopfer spüren würde.
Wenn sich gelebte Augenblicke in ausgebrannte Sterne verwandelten, ihr Leuchten erlosch und sie einfach aus dem Bewusstsein der Welt verschwanden.
Tränen brannten hinter meinen Lidern. Ich räusperte mich und straffte die Schultern, schüttelte alles ab und versuchte, mich auf die Rede zu konzentrieren.
Elli, meine ältere Schwester, hakte sich bei mir unter, sodass sich unsere in Mäntel gehüllten Schultern streiften. Sie schenkte mir einen mitfühlenden Blick, als würde sie spüren, was in mir vorging. Wahrscheinlich war sie die einzige Person, die mich wie ein offenes Buch las. Etwas, das ich abgrundtief verabscheute. Kein Wunder, dass ich sie oft unnötig ruppig von mir stieß. Ich wollte nicht gesehen und verstanden werden.
Aber in diesem Moment ließ ich es zu. Ihre Nähe. Ihre beschützende Geste. Vielleicht, weil ich in ihren wolkengrauen Augen ebenso die Tränen registrierte und sich ein Funke Mitleid in meiner Dunkelheit regte. Vielleicht auch, weil ihr Freund Lucas nur zwei Reihen hinter uns stand und ich mir auch seiner Aufmerksamkeit überdeutlich bewusst war. Lucas war niemand, dem ich ans Bein pinkeln wollte. Dafür respektierte ich ihn zu sehr. Seit er mit Elli zusammen war, hatte er KOSGEN den Rücken zugewandt und sich wieder seiner Kunst gewidmet. Er war zu einem wesentlichen Bestandteil in Ellis Leben geworden und ließ nichts über sie kommen.
Erst recht nicht meine Arschlochart, die ich mir molekülartig aufgebaut hatte. Es war besser, wenn die Leute einen respektierten – und seltsamerweise hatten sie mehr Respekt, wenn man ihnen direkt klarmachte, dass man sich nicht verarschen ließ.
Ein Schluchzen unterbrach meinen Gedankenstrom und ich schielte zu meinem Onkel und dessen Frau hinüber. Sogar meine beiden Cousins waren gekommen, obwohl wir kaum Kontakt hatten. Schnee im Sommer war nur eine der vielen Headlines gewesen, die vor einigen Jahrzehnten für Skandale um meinen Onkel gesorgt hatten. Klar, der heutige Auftritt auf der Beerdigung würde medienwirksam ausgeschlachtet werden, um möglichst viel Profit daraus zu schlagen. Keine Ahnung, was dann noch alles in der Presse landen würde, weil jemand aus dem Familienzweig meines Onkels ein Exklusivinterview gab. Ein Grund mehr, nicht mit ihnen zu sprechen.
Elli folgte meinem Blick und seufzte leise, während ihre Mundwinkel sich wie ein Halbmond nach unten bogen. »Wie oft hat Großvater die anderen gesehen? Fünf Mal?«
»Sechs. Wenn du diese eine Hochzeit und die Beerdigung von Oma mitzählst«, brummte ich angewidert.
»Glaubst du, es hätte ihm gefallen?«
»Er hätte es gehasst«, erwiderte Sander, mein großer Bruder, der auf Ellis anderer Seite stand, ohne uns anzusehen. Wie auch ich trug er einen schwarzen Anzug, einen Wollmantel und dazu passend Schal und Mütze. Er sagte es leise genug, damit nur wir ihn hörten. »Jede Sekunde davon«, fügte er hinzu. »Und genau deswegen hätte er sich den Regen gewünscht. Die perfekte Inszenierung für seinen Abgang.«
The crown must always win.
Ich warf einen Blick über die Schulter auf die anderen Trauergäste, die eher teilnahmslos als bedrückt oder traurig wirkten. Als wären sie Statisten in einem Theaterstück. Mehr nicht.
Dabei war es beinahe ein Staatsbegräbnis, wenn man die Sicherheitsvorkehrungen, die Security, die versteckten Presseleute an den Zäunen des Friedhofs und die Persönlichkeiten aus der Finanz- und Wirtschaftswelt betrachtete. Sogar die norwegische Präsidentin hatte es sich nicht nehmen lassen, persönlich aufzukreuzen und nicht nur eine anteilnehmende Trauerkarte zu schicken.
Eine Scharade für die Öffentlichkeit.
Aasmund Skogen hatte sich sein Leben lang darum bemüht, alle Menschen auf eine Armlänge Abstand zu halten.
Kein Wunder. Kein Wunder, dass es ihnen nicht um den Menschen Aasmund Skogen ging, sondern um das, was er dargestellt hatte.
Von uns Enkeln war ich derjenige mit der engsten Bindung zu ihm gewesen. Weil ich ihm vermutlich am ähnlichsten war. Ich sah zu Elli und Sander, die ich in den letzten Monaten so gut wie gar nicht zu Gesicht bekommen hatte, da ich für meinen Master in den USA gewesen war. Ivy League. Die perfekte Vorbereitung für den Job, der bei KOSGEN auf mich wartete.
Als die Rede endete und die Totengräber den Sarg in die Tiefe gleiten ließen, spürte ich kaum noch meine Fingerspitzen. Alles war taub und kribbelte, als hätte ich während eines Schneesturms keine Handschuhe angehabt.
Konsterniert starrte ich auf den edlen Sarg und fragte mich, wann ich meinen Großvater das letzte Mal bewusst gesprochen hatte. Weihnachten? Da war er schon ein Schatten seiner selbst gewesen, wortkarg und zurückgezogen, die fortschreitende Demenz im Nacken, der verklärte Blick, die geistige Abwesenheit als ständiger Begleiter. Nein, es war letzten Sommer gewesen, in einem seiner klaren Momente, als ich extra hergeflogen war, weil Ellis Nachricht mich beunruhigt hatte. Ich hatte niemandem davon erzählt, dass ich fast zehn Tage bei ihm gewesen war, um ein wenig Zeit mit ihm zu verbringen.
»Theodor?« Die Stimme meiner Mutter riss mich aus meinen Gedanken und ich trat einen Schritt zur Seite, damit die nächsten Trauernden Abschied nehmen konnten.
Anschließend reihte ich mich neben meinen Geschwistern ein, um die Beileidsbekundungen entgegenzunehmen. Hände schütteln, kollektives Seufzen, Nicken.
Meine Füße waren eiskalt, mein Handgelenk schmerzte. Aber ich behielt eine neutrale Miene bei, bis sich auch der letzte Wegbegleiter meines Großvaters verabschiedet hatte. Mit einer kleinen Verschnaufpause gelang es mir besser, meine Gefühle zu verbergen.
»Kommst du?«, fragte mich Elli leise, aber ich schüttelte den Kopf. »Fahrt schon mal vor, Gustav soll mich später abholen.«
»Sicher?«
Ich nickte. »Ja. Ich möchte noch einen Moment allein sein.«
Voller Zuneigung sah mich meine Schwester an und kurz fragte ich mich, womit ich ihre Liebe verdient hatte.
»Wie du magst. Schön, dass du wieder da bist.« Zu meiner Überraschung klang Elli aufrichtig.
»So schnell werdet ihr mich nicht wieder los«, erwiderte ich und legte den Kopf schief. »Ich freue mich auf die anstehenden Herausforderungen.«
»Ich bin froh, dass du dich fürs Sponsoring entschieden hast. Ich glaube, das könnte dein Ding sein. Aber lass uns später darüber reden. Bis nachher, ja?« Liebevoll drückte Elli meinen Arm, dann hakte sie sich bei Lucas unter, der mir über ihren Kopf hinweg einen durchdringenden Blick zuwarf. Tu ihr weh und ich bring dich um, schien er zu sagen, aber ich war nicht mit der Absicht nach Oslo zurückgekehrt, um die Familienharmonie zu zerstören, sondern um ernsthaft etwas zu bewegen. So wie ich mich in den letzten Jahren verhalten hatte, war seine Reaktion auf meine Anwesenheit jedoch nicht verwunderlich.
Nachdenklich beobachtete ich, wie die Trauergemeinschaft zum Ausgang des Friedhofs ging, wo bereits eine Kolonne schwarzer Limousinen mit laufenden Motoren darauf wartete, sie zur Location für den Leichenschmaus zu fahren.
Als ich mich wieder dem Grab zuwandte, regnete es noch stärker. Ich spürte die Anspannung in meinem Nacken und den Schultern. Meine Muskeln fühlten sich an, als hätte es mich auf dem Eis zerlegt, und in meiner Brust dröhnte ein dumpfes Gefühl von Trauer. Wie das fern verklingende Donnergrollen eines Gewitters.
Seltsam.
Müde wischte ich mir einmal über das Gesicht, schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter und dachte an die Worte meines Großvaters aus seinem letzten Brief an mich: Theo, mach nicht den gleichen Fehler wie ich. Vertreibe nicht alle, die dich lieben. Ich werde bald einschlafen und nicht mehr aufwachen. Und wenn ich das tue … ist es okay. Ich hatte ein langes Leben. Aber für dich würde ich mir vor allem eine Sache wünschen: dass du glücklich bist. Glücklich.
Ich war mir nicht sicher, ob ich dazu fähig war.
Aber hier stand ich. Und...
Erscheint lt. Verlag | 13.11.2024 |
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Reihe/Serie | Crumbling Hearts | Crumbling Hearts |
Verlagsort | Bindlach |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Bestsellerautorin Carolin Wahl • Booktok Empfehlung New Adult • Bücher wie Vielleicht Reihe • Carolin Wahl Bücher • Crumbling Hearts Band 3 • Crumbling Hearts Trilogie • Liebesgeschichte für junge Erwachsene • Liebesromane ab 16 Jahren • Loewe Intense • new adult liebesroman • Skogen Dynasty Reihe • Slow Burn Romance ab 16 Jahren • Spiegel Bestseller New Adult • tiktok made me buy it • Young Adult Liebesroman |
ISBN-10 | 3-7320-2183-1 / 3732021831 |
ISBN-13 | 978-3-7320-2183-3 / 9783732021833 |
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