Im Herzen der Wildnis (eBook)
719 Seiten
beHEARTBEAT (Verlag)
978-3-7517-5022-6 (ISBN)
Unbändige Naturgewalten, große Gefühle und eine starke Frau - auf in das wilde Alaska!
1899. Nach vier Jahren in der Fremde kehrt Shannon nach San Francisco zurück. Ihre Großmutter erwartet sie sehnsüchtig, denn Shannon soll den reichen Firmenerben Rob heiraten. Aus Pflichtgefühl willigt sie ein. Auf dem Weg zu ihrem zukünftigen Schwiegervater begegnet sie jedoch dem geheimnisvollen Jay, in den sie sich Hals über Kopf verliebt. Eine leidenschaftliche Affäre beginnt, doch Shannon folgt der Vernunft und entscheidet sich letztendlich für Rob. Mit einem gebrochenen Herzen verlässt Jay die Stadt, um sein Glück in Alaska zu finden. Doch dann entdeckt Shannon, dass sie schwanger ist, und macht sich auf, Jay im Herzen der Wildnis zu suchen ...
Romantik pur vor der beeindruckenden Kulisse Alaskas - für Fans von Sarah Lark und Sofia Caspari. Lass dich von Norah Sanders mit 'Im Land der Mitternachtssonne' erneut von der rauen Schönheit Alaskas verzaubern!
eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.
<p>Norah Sanders hat auf ihren Reisen viel gesehen und war besonders von der Landschaft und den Menschen an der amerikanisch-kanadischen Westküste zwischen Kalifornien und Alaska fasziniert. Ihre Leidenschaft fürs Schreiben entdeckte sie während einer Kalifornien-Reise. Wenn Norah Sanders nicht unterwegs war, lebte sie in Süddeutschland.</p>
1
Tief in Gedanken ließ das Mädchen das Buch sinken, um die Dame gegenüber zu betrachten. Das Cable Car auf seiner Fahrt durch die California Street hinunter zur San Francisco Bay schwankte und warf die Fahrgäste auf den Holzsitzen hin und her. Aber die Lady hielt sich sehr gerade. Die Beine unter dem langen Rock zusammengepresst, klammerte sie sich mit beiden Händen an einen kleinen, ein wenig abgestoßenen Koffer.
Was für eine Anmut! Fasziniert schloss das Mädchen Henry James’ Porträt einer Dame und musterte die Lady. Das schöne Gesicht wurde von einem Trauerschleier verhüllt. Der schwarze Hauch, der die Augen verbarg, die vollen Lippen jedoch betonte, verlieh ihr eine besondere Würde. Oder war es gar nicht der Spitzenschleier, sondern ihre beherrschte Haltung, mit der sie sich gegen das Schlingern des Cars stemmte? Ihr Schweigen inmitten des munteren Geplappers rundum? Ihr leises Lächeln? Die Lady hatte Eleganz und Stil. Sie trug keinen Ring. Wie alt mochte sie sein – Ende zwanzig? Was mochte sie schon alles erlebt haben? Welche Erfahrungen hatten ihr Gesicht geformt, das von innen heraus zu leuchten schien?
Nur mit Mühe bewahrte Shannon Tyrell ihre Haltung, während das Cable Car an diesem strahlend schönen Tag im Januar 1900 zum Hafen hinunterrumpelte. Die bewundernden Blicke des Mädchens waren ihr nicht entgangen. Als sie ihm freundlich zulächelte, sah es verlegen aus dem Fenster. Shannon folgte dem Blick. Der Himmel schimmerte wie ein bleicher Opal, die Wolken leuchteten wie Goldflitter. Die Luft duftete schon ein wenig nach Frühlingsblüten.
Sie schloss die Augen und lauschte der Sinfonie von San Francisco. Dem Rattern des Cable Cars, dem Rasseln der Scheiben, dem Kreischen des Zugkabels, dem Donnern, Scheppern, Klappern und Quietschen der Fahrt hinunter zum Ferry Building. Der Wagen vibrierte dröhnend, als fiele er gleich auseinander. Wie lange hatte sie diese Melodie nicht mehr gehört?
Vier Jahre Exil. Wie ein Flüchtling, der seine Familie und seine Heimat verließ, hatte sie erst zurückkehren wollen, wenn sich die Umstände geändert hatten. Doch dann hatte sie in Hawaii ein Telegramm ihres Vaters bekommen. Skip musste ihm verraten haben, wo sie sich aufhielt. Ihr Adoptivbruder war der Einzige, dem sie in all den Jahren geschrieben hatte. »Bitte komm nach Hause«, hatte ihr Vater sie gebeten. »Wir müssen reden.« Lange hatte sie gezögert, obwohl sie das Flehen, ja sogar die Bitte um Vergebung in seinen Worten sah. Dann hatte sie ihm telegrafiert: »Ich komme an Weihnachten nach Hause, Sir.«
Vier Jahre Exil. Vier Jahre Selbstbestimmung und Freiheit. Sie hatte geglaubt, sie hätte ihre Vergangenheit hinter sich gelassen und ihr Leben in den Griff bekommen. Kein Blick zurück! Kein Bedauern! Keine Reue! Aber in San Francisco erwartete sie die Vergangenheit – in Gestalt ihrer Großmutter.
Shannon gab sich ruhig und gelassen. Aber in ihrem Innersten war sie aufgewühlt, als sie sich ihr künftiges Leben vorstellte. Elegante Abendgesellschaften, prunkvolle Diners im Palace Hotel, Segeltörns in der Bay, Polospiele im Golden Gate Park, Bärenjagden im Yosemite Valley, Grillpartys in der Lodge in San Rafael. Immer dieselben Leute aus dem Geldadel von San Francisco und dieselben Gespräche über Gewinne aus dem Alaskahandel und aus den Investitionen in Eisenbahnen und Zuckerrohrplantagen.
Sie atmete tief durch.
Und Rob? Würde ihr künftiger Ehemann sich an diesem endlosen Kampf um noch mehr Geld, Prestige und Macht beteiligen? Nach Tom Conroys Worten während der Silvesterparty vor einigen Tagen war sein Sohn ein ganzer Kerl, hart wie die Opale, die er im australischen Outback fand. Ein Siegertyp eben. Ein millionenschwerer Sieger in einem verschwitzten, mit rotem Staub bedeckten Hemd und verwaschenen Jeans. So jedenfalls sah er auf dem Foto aus, das Tom ihr gezeigt hatte. Robs strahlendes Lächeln und Toms unverstellte Art versöhnten sie ein wenig mit der unvermeidlichen Heirat. Rob Conroy war immer noch besser als Lance Burnette, der Erbe eines Eisenbahntycoons aus New York, den sie mitsamt Verlobungsring hatte sitzen lassen. Der Brillant war bemerkenswert gewesen – im Gegensatz zu Lance.
Rob also. Der charmante Aussie, der noch gar nicht wusste, dass er eine Yankee heiraten sollte, würde vermutlich genauso begeistert sein wie sie – nämlich gar nicht. Sollte er wider Erwarten dieser arrangierten Heirat zustimmen, was erwartete er dann von ihr? Die perfekte Inszenierung einer glücklichen Ehe? Die Rolle der ergebenen Frau an seiner Seite? Der Mutter seines Sohnes und Erben? Der First Lady eines gewaltigen Finanzimperiums, das sich von Australien über Südafrika, Hongkong und Hawaii bis nach San Francisco erstreckte?
Langsam atmete sie aus. Ein zweites Mal würde sie sich der Ehe vermutlich nicht entziehen können, wie vor vier Jahren, als sie einfach ihre Koffer gepackt hatte. Auf der Flucht vor gesellschaftlichen Zwängen und einem Mann, den sie nicht liebte, war sie um die ganze Welt gereist. Nur um bei ihrer Rückkehr festzustellen, dass die Menschen, die sie ins Exil getrieben hatten, noch immer dieselben waren. Sie begriffen nicht, welches Leid sie über andere brachten, die nicht so waren wie sie, und welche Schuld sie auf sich luden, weil sie ohne Einsicht und Reue handelten.
»Nob Hill«, rief der Schaffner von der hinteren Plattform. »Ladies and Gentlemen, bitte festhalten! Es geht abwärts!«
Mit kreischenden Bremsen rumpelte das Cable Car die steile Straße hinunter zum Financial District. Ein Fahrradfahrer überholte mit wehender Jacke. Ein Zeitungsjunge verkaufte den San Francisco Examiner durch die offenen Fenster. Ein Straßenmusiker sprang auf das Trittbrett des Wagens. Seine sehnsuchtsvollen Melodien versetzten Shannon in eine träumerische Stimmung, aus der sie schließlich der Schaffner riss: »Financial District, Tyrell Tower. Umsteigen zu den Linien Sacramento, Sutter und Market Street.«
An der nächsten Kreuzung, California Street Ecke Sansome, ragte der Sitz des Familienunternehmens in den Himmel. TYRELL & SONS, ALASKA TRADING COMPANY stand auf dem Messingschild über dem Portal. Shannon blickte an der fünfzehnstöckigen Prachtfassade hinauf zur Kuppel. Der Tyrell Tower war ein Symbol des Reichtums und der Macht von Caitlin Tyrell, der Gründerin von Tyrell & Sons. Shannon lehnte sich auf ihrem Sitz zurück, lockerte die verspannten Schultern und schloss die Augen.
Am Heiligabend, dem Todestag ihres Vaters, war sie von ihrer Großmutter Caitlin ins Arbeitszimmer beordert worden. Der Raum im Empire-Stil mit dem Marmorkamin und den hohen Fenstern mit Blick über die Bay wirkte ausgesprochen herrschaftlich. Die Porträts an den Wänden sollten den Eindruck erwecken, bei der Sammlung handele es sich um eine ehrwürdige Ahnengalerie. Die meisten Geschäftspartner von Caitlin O’Leary Tyrell wussten jedoch, dass die Firmengründerin während der Großen Hungersnot aus Irland geflohen war, weil ihrem Vater Rory O’Leary die Kartoffelernte auf dem Feld verfault war. Caitlin wäre verhungert, wenn sie nicht verzweifelt genug gewesen wäre, zu stehlen und zu betrügen, um die Passage nach New York bezahlen zu können.
Caitlin erhob sich nicht, um Shannon zu begrüßen, sondern winkte sie zu sich heran. Ihr Gesicht, trotz ihrer vierundsiebzig Jahre noch erstaunlich glatt, war wie aus Stein gemeißelt. Nur die zusammengepressten Lippen und der matte Blick ihrer Augen verrieten die Trauer über den Tod ihres ältesten Sohnes an diesem Morgen.
»Sie wollten mich sprechen, Ma’am?« Shannon blieb vor dem Schreibtisch stehen.
Caitlin deutete auf einen Stuhl. »Setz dich.«
Shannon schlug die Beine übereinander.
Ihre Großmutter runzelte unwillig die Stirn. »Dein Vater ist tot. Mit Sean habe ich heute den zweiten Sohn nach Kevin verloren. Nur Reámon ist mir geblieben.«
Die beiden Frauen schwiegen einen Augenblick, aber auch das stille Gedenken an den verstorbenen Sohn und Vater brachte sie einander nicht näher. Caitlin sah schließlich wieder auf. »Du hast dich verändert, Shannon. Nicht nur äußerlich … deine Haare, dein Stil, dich zu kleiden, deine Haltung. Du bist reifer … abgeklärter … selbstbewusster.«
Wortlos zog Shannon ein Etui hervor, steckte eine Zigarette in den schwarzen Fume-Cigarette, den sie in Paris gekauft hatte, und riss ein Streichholz an. Sie nahm den ersten Zug.
Unwillig presste Caitlin die Lippen aufeinander. »Du weißt genau, dass ich es nicht mag, wenn du rauchst, Shannon.«
Shannon blies den Rauch in Richtung der Decke.
»Du hast dich verändert.«
Shannon lachte leise.
»Kaffee?«
»Nein, danke.«
»Jack Daniel’s?«
Shannon schüttelte den Kopf. »Ich denke, wir haben schon genug Trinker in der Familie. Großvater Geoffrey starb nach endlosen Affären ohne einen Cent in der Tasche. Er hat sich zu Tode getrunken. Und Onkel Reámon hält das Andenken seines Vaters in Ehren. Mit einem Glas Whiskey in der Hand.«
Ihr Cousin Skip, den ihr Vater nach dem Tod von Onkel Kevin an Sohnes statt angenommen hatte, ertränkte seinen Kummer in Absinth. Shannon war erschrocken gewesen, als sie an jenem Morgen nach vierjähriger Abwesenheit zurückgekehrt war. Skip, dem der Tod seines Adoptivvaters sehr nahegegangen war, hatte besinnungslos im kalten Wasser der Badewanne gelegen, neben ihm eine halbleere Flasche Absinth und ein Fläschchen mit Laudanum. Der Butler Mr Wilkinson hatte ihr geholfen, ihren Adoptivbruder ins Bett zu stecken. Hatte Skip versucht, sich im Rausch zu ertränken? War die dramatische Inszenierung im Bad ein...
Erscheint lt. Verlag | 1.12.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Abenteuer • Afrika • Alaska • Australien • Auswanderer • Auswandererroman • Beziehung • Cable Cars • Caspari • Cornwall • dramatisch • Erdbeben • Europa • Familienroman • Familiensaga • Ferne Länder • Fernweh • Freiheit • Gauteng • gefühlvoll • Haran • Im Land der Mitternachtssonne • Jack London • Jahrhundertwende • Kalifornien • Kauri • Landschaftsbild • landschaftsroman • Landschaftsromane • Lara Myles • Lark • Liebe • Liebe / Beziehung • Liebesroman • Liebesroman / Schmonzette • Love & Landscape • Love and Landscape • Maori • Monterey • Natur • Neuseeland • Nome • Nordamerika • Orange • Roman für Frauen • romantisch • Sacramento • San Francisco • Sarah Lark • Schmöker • Sehnsucht • Südafrika • USA • Vernazza • Wildnis |
ISBN-10 | 3-7517-5022-3 / 3751750223 |
ISBN-13 | 978-3-7517-5022-6 / 9783751750226 |
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