Die Chronik -  Katharina Felker

Die Chronik (eBook)

eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
376 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7528-9366-3 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
0,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Aufzeichnungen von Katharina Felker aus den Jahren 1938 - 1965

Gotenhafen, d. 26.9.44


Meine liebste Karin!

Nun wirst Du lange keine Post bekommen haben, bis auf den kurzen Brief von unserer Ankunft. Den habe ich auf dem Dampfer noch im Anlegen schnell geschrieben und sofort einwerfen lassen. Da wir mit dem Platz sehr beschränkt waren, konnte ich Dir an Bord keinen Brief schreiben. Gestern wollte ich nun telephonieren, aber ich konnte nicht durchkommen. Es hieß, Telegramme dürften nicht geschickt werden. Heute Mittag bin ich aber selber zur Post gegangen, und da ging es doch. Du wirst nach kurzem Angstschock sehr froh gewesen sein, zu hören, daß ich heil rausgekommen bin. Wir haben aber auch viel Glück gehabt. Am 17. bekamen wir die erste Ankündigung unseres Stellungswechsels. Ich schrieb Dir davon schon von Baltisch-Port aus. Aber ich glaube nicht, daß der Brief ankam. Wo nun wohl Deine Post geblieben ist? Du wolltest mir noch ein Bild von Klein -Karin schicken, das ist nun auch wohl fort. Na, nun will ich erstmal weiter erzählen. Wir hatten keine Ahnung von der Lage. Die Befehle zum Abtransport wechselten. Erst dachten wir, wir kämen per Schiff fort. Dann hieß es, Landmarsch nach Pernau. Einen Teil der Geräte haben wir dann Richtung Pernau geschickt. Am Mittwochmorgen hieß es: Abtransport per Schiff. Ein Schiff für uns lag im Hafen. Wenn die Geräte nicht mehr verladen werden könnten, dann sollten nur die Mannschaften fortgeschafft werden. Den ganzen Mittwoch haben wir verladen. Abends schliefen nur noch einige wenige im Schloß. Donnerstagmorgen zogen wir alle auf´s Schiff. Die Verladung ging den ganzen Tag weiter. Es war ein etwa 1600 BT-Dampfer. Da geht ja ungeheuer viel rein. Während der Verladung kamen schon Meldungen, daß estnische SS unsere Leute, wenn sie rankonnten, entwaffneten. Soldaten wurden beschossen. Einen Schwerverwundeten brachte ich noch auf einen Zerstörer, da wir kein Lazarett mehr hatten. Dann gingen die Häuser von Baltisch-Port in Flammen auf. Ein grandioser, furchtbarer Anblick. Nachher stellte sich heraus, daß die Esten selbst Feuer angelegt hatten. plötzlich mußten Soldaten abgestellt werden zum Löschen, denn am Hafen stand ein großer Munitionsschuppen. Dazu lagen am Kai hunderte von Minen. Wenn das Feuer an den Schuppen kam, war alles hin. Dann hätte man von ganz B.P. samt Schiffen nichts mehr gesehen. Bis in die Nacht hinein wurde verladen. Wir brauchten noch etwa 2 Stunden, da kam der Iwan, der mittags schon aufgeklärt hatte. Das war eine sehr ungemütliche Situation. Ein Teil von uns sauste vom Schiff an den Strand. Da das aber doch keinen Sinn hatte, blieb ich mit anderen an Bord. Der Russe hat schlecht geworfen. Da die Stadt, das heißt, die Ansammlung von einigen Holzhäusern und wenigen Steinbauten lichterloh brannte, konnte er gut sehen. Dazu setzte er grelle Leuchtbomben. Aber er hat nichts getroffen. Viel ging ins Wasser, viel in die unbebaute Gegend. Aber schön wars doch nicht, so nahe bei gestapelten Sprengmitteln zu liegen. Als der Iwan fort war, haben wir die Verladung abgebrochen. Unsere Leute waren zu erschöpft. Morgens ging es dann in aller Frühe weiter. Da noch ein Schiff kam, wurde ein Teil dorthin abgeschoben, und wir fuhren gegen 8 Uhr aus. Nun begannen auch schon unsere planmäßigen Sprengungen. Mittags um 15 Uhr ging der ganze Hafen in die Luft. Zwei Stunden später zog Iwan ein. Nach dem Nachtangriff warteten wir mit Spannung auf den ersten Tagesangriff. Bei unserem Auslaufen war wieder ein Aufklärer da. Da wußten wir ja, daß es was geben würde. Es wurden alle Maschinenwaffen aufgestellt, die wir an Bord hatten. 6 2cm-Kanonen und 16 Maschinengewehre. Dazu wurde befohlen, daß bei einem Angriff alle Leute auf Deck sein sollten, mit Karabiner. Sonst ist es üblich gewesen, die Leute unter Deck zu schicken. Aber bei uns hat es sich so bewährt. Wir trafen auf einen Geleitzug von 3 Truppentransportern und 3 Torpedobooten, die aber schneller waren, als wir, dann auf 4 Frachter, die dann mit uns liefen. Um 11 Uhr ging dann der Zauber los. Wir fuhren gestaffelt. Rechts vorn ein kleiner Pott, dicht daneben wir, dann weiter zurück 2 andere Schiffe. Da gab es Alarm. Tiefflieger. Sie kamen von Osten her, flogen dann in weitem Bogen um uns herum und setzten aus der Sonne heraus zum Angriff an. Unser Kapitän machte geschickte Abwehrbewegungen. Dazu setzte ein ganz irrsinniges Feuer ein. Zwar waren noch nicht alle Maschinengewehre aufgestellt, aber es schossen auch etwa 400 Karabiner, ein ganz toller Feuerzauber. Der Russe hat darum nicht richtig zielen können. Er bog direkt vor uns ab auf den ersten Dampfer und legte ihm 2 Torpedos vor, die aber nicht trafen, da er noch im Schwenken war. 2 Bomben gingen ins Wasser. Mit seinen Bordwaffen schoß er, traf aber nichts, nur ein Seil von unserem Takelwerk war durchgeschossen, ein anderes angekratzt. Sonst ist nichts passiert. Einen kleinen Vorgeschmack von dem, was uns hätte passieren können, sahen wir kurz vorher. Da schwammen einige Rettungsringe und ein paar leere Rettungsboote herum. es hatte also vorher einen erwischt. Der Dampfer, der den Rest unserer Leute mitnahm, war an der gleichen Stelle nachmittags gegen 17 Uhr erwischt worden. Er ist mit Schlagseite kurz nach uns hier eingelaufen. 2 Tage haben die Leute nur Wasser geschöpft. Sie hatten über 40 Verwundete. Wir erlebten den 2. Anflug der Russen auch gegen 17 Uhr. Er ist aber nicht näher herangekommen. Wir haben dann einen großen Bogen gemacht, sind auf Schweden zugefahren und dann nach Süden abgebogen. Damit hatten wir die gefährliche Ecke von Libau bis Memel umgangen. So kamen wir dann auch hier unbehelligt an. Ich kann nur sagen, daß ich heilfroh war, als wir festen Boden unter den Füßen hatten. Vorläufig fahre ich nicht mehr zur See. So ein Transport ist doch bescheiden. Hier sind viele Schiffe mit Treffern eingelaufen, einige auch gar nicht angekommen. Etwa 20 LKWs haben wir auf dem Landmarsch losgeschickt. Sie sind am Freitagmorgen losgezogen, mußten erst Richtung Reval und bogen dann nach Pernau ab. Um 10 Uhr war der Russe nun schon in Reval. Hoffentlich sind sie da nicht zwischengekommen. Daß der Russe schon so weit war, hörten wir erst auf der Fahrt. Wir hatten uns vorher die meiste Sorge gemacht, wie sie durch Glogau kämen. Dort lag ein estnisches Regiment, das den Rückzug decken sollte. Diese Bande hatte aber schon am Donnerstag gemeutert (?), Wagen und Waffen von Einzelfahrern einkassiert. Den Russen haben sie ohne Widerstand die Waffen übergeben. Aber nun genug von diesem Stoff. Da könnte man noch lange davon erzählen. Was aus uns wird, wissen wir noch nicht. Es heißt vorläufig, daß wir in den mitteldeutschen Raum sollen. Genaues ist noch nicht raus. In den nächsten Tagen geht es los. Waggons sind bestellt. nun setze Du Dich hin und schreibe mir schön weiter. Aber diese Briefe sende ich erst ab, wenn ich Dir unseren festen Standpunkt sagen kann. Vorläufig wird uns keine Feldpost erreichen. Das ist mir sehr bitter, aber es hilft ja alles nichts. Ich bin erstmal froh, da oben heil rausgekommen zu sein. Wo mag Josef Happe stecken? Er wird wahrscheinlich Richtung Pernau oder Riga abgedreht haben. Von Mitteldeutschland aus werde ich auf jeden Fall versuchen, ein paar Tage zu Euch kommen zu können. Wenn das nicht geht, mußt Du kommen. Hierher zu kommen hat keinen Sinn da wir zwar 8 Tage bleiben können, aber auch plötzlich den Befehl zum Verladen bekommen können. Wir warten täglich darauf. Unterkunft haben wir in einer Marine-Kaserne gefunden. Das ist mal eine gute Schlafstätte für uns. Ich habe soviel Zeug zu schleppen, da müßte ich unbedingt was nach Haus bringen. Ich brauchte 2 Mann zum Tragen. Wenn man doch schicken dürfte. Danach muß ich mich noch erkundigen. Nun ist der Brief aber lang geworden. Wenn ich nochmal in die Lage käme, einen Seetransport durchmachen zu müssen, hätte ich Dir seine Gefahren nicht so einzeln und ausführlich geschildert. Jetzt brauchst Du ja nur noch Gott zu danken, daß es noch so gut ging. Drei von unseren Kameraden, darunter der Kommandeur haben schon ihre Frauen getroffen. Da ist meine Sehnsucht sehr, sehr quälend geworden. Als gestern zum Ausladeplatz die Frau eines Wachtmeisters kam, und die beiden sich einen Begrüßungskuß gaben, kamen in mir doch Gefühle hoch, die fast an Neid grenzten. Da wir wieder im Reich sind, hat man doch so das Gefühl, man müßte sich bald sehen. Wir werden es ja auch, mein Liebstes, nicht wahr? Angeblich soll Wittenberge bei Berlin unser Ziel sein. wenn wir in 8 Tagen hier fort sind, haben wir uns in 14 Tagen schon gesehen, so oder so. Mein Gott, das kann man kaum fassen. Ich habe oft daran gezweifelt, ob wir herauskämen. Aber nun ist ja alles gut. Grüß mir meine lieben, prächtigen Kleinen. Der Papa ist wieder im Land. Grüße auch alle anderen dort, bes. Mutter. Sei Du, mein geliebtes Herz, ganz innig und voll brennender Sehnsucht geküßt von Deinem Bernhard.

Nun hoffen wir, daß wir uns bald mal für ein paar Tage wiedersehen werden. Am 10. Okt. wird es ein Jahr, seit B. zuletzt in Urlaub kam. Wie hart und schwer ist doch solch lange Trennung, doppelt schwer, wenn man sich so umeinander sorgen muß. Und was hat sich alles ereignet, was hat ein Jeder an Schwerem getragen, ohne es dem Anderen mitteilen zu können....

Erscheint lt. Verlag 19.9.2018
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
ISBN-10 3-7528-9366-4 / 3752893664
ISBN-13 978-3-7528-9366-3 / 9783752893663
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Ohne DRM)
Größe: 2,0 MB

Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopier­schutz. Eine Weiter­gabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persön­lichen Nutzung erwerben.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Kurzgeschichten

von Katrin Sobotha-Heidelk

eBook Download (2023)
Lehmanns Media (Verlag)
9,99

von Bram Stoker

eBook Download (2022)
Steidl Verlag
24,99
Prosa

von Michel Tapión

eBook Download (2023)
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
8,99