Mord im Filmstudio (eBook)

Historischer Kriminalroman

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
256 Seiten
Emons Verlag
978-3-98707-082-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mord im Filmstudio -  Beate Maly
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Ein feinsinniger Wohlfühlkrimi aus dem Wien der goldenen 20er Jahre. Wien, 1925: Im Schönbrunner Schlosstheater wird »Der Rosenkavalier« gedreht. Die Filmmusik stammt von Richard Strauss, das Libretto von Hugo von Hofmannsthal. Für die aufwendige Produktion werden Tausende Statisten benötigt - auch Ernestine und Anton sind mit von der Partie. Als am zweiten Drehtag die Hauptdarstellerin mit einem Seidenschal erdrosselt in ihrer Garderobe aufgefunden wird, machen sich die beiden am Set auf Spurensuche - und kommen dem Täter dabei näher, als ihnen lieb ist.

Beate Maly wurde 1970 in Wien geboren, wo sie bis heute lebt. Ihre drei Kinder zieht es immer wieder in die weite Welt. Zum Schreiben kam sie vor rund 20 Jahren. Sie widmet sich dem historischen Roman und dem historischen Kriminalroman. 2019 war sie mit »Mord auf der Donau« für den Leo-Perutz-Preis nominiert. www.beatemaly.com

Beate Maly wurde 1970 in Wien geboren, wo sie bis heute lebt. Ihre drei Kinder zieht es immer wieder in die weite Welt. Zum Schreiben kam sie vor rund 20 Jahren. Sie widmet sich dem historischen Roman und dem historischen Kriminalroman. 2019 war sie mit »Mord auf der Donau« für den Leo-Perutz-Preis nominiert. www.beatemaly.com

ZWEI


Mit der Straßenbahn fuhren sie die Mariahilfer Straße hoch bis zur Gumpendorfer Straße, wo die Filmfirma Listo ihren Sitz hatte. Listo war vor sechs Jahren vom jüdischen Kaufmann Heinrich Moses Lipsker und dem Zigarettenhülsenfabrikanten Adolf Stotter gegründet worden. Der Name setzte sich aus den Initialen der beiden Besitzer zusammen. Obwohl es für viele Filmfirmen aufgrund der starken Konkurrenz aus Übersee immer schwieriger wurde zu überleben, gelang es Listo, sich weiterhin am Markt zu behaupten. Das Unternehmen verfügte über ein gut ausgebautes Atelier. Listo setzte auf Filme, in denen die jüdische Identität eine tragende Rolle spielte. »Der verbrannte Jude« oder »Die gekreuzigt wurden« hatten zahlreiche Zuschauer in die Lichtspieltheater gelockt. Mit dem Rosenkavalier wollte man Operette und Film würdig miteinander verbinden. Gedreht werden sollte im Studio in der Gumpendorfer Straße, im Schlosstheater in Schönbrunn und an Schauplätzen in Niederösterreich. Für die aufwendige Produktion wurden weder Kosten noch Mühen gescheut. Die Premiere würde in der Semperoper in Dresden stattfinden mit Beteiligung eines großen Orchesters. Mit all diesen Informationen fütterte Ernestine Anton, während sie neben ihm auf der hölzernen Bank saß.

Die Bim hielt nur wenige Meter vom Filmgebäude entfernt. Es war ein dreistöckiger rotbrauner Backsteinbau mit einer frisch renovierten Fassade und einem verglasten Dachgeschoß, wo sich die Studios befanden. Vor dem Eingang des Gebäudes hatte sich eine lange Schlange Wartender gebildet. Menschen in allen Altersgruppen hofften darauf, eingelassen zu werden. Ernestine und Anton reihten sich am Ende ein.

»Gibt es hier etwas gratis?«, fragte Anton. Seine Laune sank auf einen Tiefpunkt. »Es kann Stunden dauern, bis wir drankommen.«

»Aber nein«, beruhigte ihn Ernestine. »Sieh nur, die Menschen geben ihre Einladungen ab und gehen ins Gebäude. Ich bin so aufgeregt. Wie es wohl im Inneren aussehen wird?«

Sie drückte Antons Hand. Sosehr er sich auch bemühte, seine Begeisterung hielt sich in Grenzen.

»Haben Sie auch eine Einladung bekommen?« Die junge Frau, die sich hinter ihnen anstellte, wirkte gehetzt. Sie hatte einen hochroten Kopf, ihr orange gefärbtes Haar hatte sich unter ihrem Hut gelöst und hing ihr strähnig ins schmale Gesicht. Sie schien das letzte Stück des Weges gelaufen zu sein.

»Ja«, sagte Ernestine.

»So ein Glück«, schnaufte die Frau. »Ich hatte schon Angst, dass ich zu spät bin.« Sie verzog entschuldigend den hübschen Mund. »Wäre nicht das erste Mal, dass ich einen Termin verschlafe.«

»Haben Sie schon öfter als Statistin gearbeitet?«, erkundigte sich Ernestine.

Die Frau lachte und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich kann gar nicht mehr mitzählen.«

»Wirklich?« Ernestines Augen weiteten sich in Bewunderung.

Die Frau nickte. »Jedes Mal hoffe ich, dass ich diesmal entdeckt werde. Ich bin Schauspielerin und trete in kleinen Rollen im Carltheater auf. Aber mein großer Traum ist der Film. Leider hilft es hier nichts, wenn man eine klare Artikulation und eine kräftige Stimme hat. Beim Stummfilm ist ausdrucksstarke Mimik gefragt.«

»Nun, vielleicht gelingt es eines Tages, den Ton mit auf die Leinwand zu bringen«, meinte Anton. »Dann wird es auch beim Film echte Schauspieler geben.« Es war kein Geheimnis, dass er die übertriebene Mimik der Künstler im Lichtspieltheater in der Komödie schätzte. Er mochte Filme mit Charly Chaplin oder Buster Keaton, aber Liebesfilmen und Monumentalaufnahmen konnte er nichts abgewinnen.

Die junge Frau stellte ihre Umhängetasche auf den Boden und holte einen zusammenklappbaren Hocker heraus. »Wollen Sie?« Sie hielt das praktische Utensil, das für Maler gedacht war, Ernestine entgegen. »Das Warten kann mitunter sehr lange dauern.«

Ernestine winkte dankend ab. Sie schaute zu Anton. »Aber mein Freund nimmt ihn sicher gern.«

»Willst du damit andeuten, ich wäre alt und klapprig?«, brummte er beleidigt.

»Nein, ich will dich bloß an dein Knie erinnern«, entgegnete sie fürsorglich.

»Dann nehme ich den Hocker gern«, sagte er.

Die junge Schauspielerin klappte den Hocker auf und reichte ihn Anton. »Mein Name ist übrigens Minna Meisel.« Sie streckte zuerst Ernestine, dann Anton die Hand entgegen. Ihr Händedruck war für eine so kleine, zierliche Frau ungewohnt kräftig.

»Freut mich. Ich bin Ernestine Kirsch, Lateinlehrerin im Ruhestand.«

»Anton Böck, Apotheker im Ruhestand.«

»Oh, wie schön, und jetzt gönnen Sie sich ein bisschen Filmluft. Wie aufregend.« Fräulein Meisel schulterte ihre leere Tasche wieder. »Hoffentlich werden wir alle drei genommen.«

»Ist das denn noch nicht sicher?«, fragte Ernestine.

»Heute findet bloß die Auswahl der Laienschauspieler statt«, erklärte Fräulein Meisel. »Die Regieassistenten wählen die Statisten aus, die ihnen passend erscheinen. Die Gesichter, die ihnen nicht zusagen, müssen wieder gehen.«

»Ach ja?« Antons Stimmung hellte sich auf. Ein Lichtblick tat sich am Horizont auf. Er währte nicht lange, denn Ernestine durchschaute ihn sofort.

»Mach dir keine Hoffnung, Anton. Dein Gesicht ist ausdrucksstark, hübsch und sympathisch. Du wirst mit Sicherheit genommen.«

Selten hatte er sich über ein Kompliment so wenig freuen können. Er ließ sich auf dem Hocker nieder. Gerade als er es sich bequem machen wollte, musste er wieder aufstehen und seine Sitzgelegenheit verrücken.

Eine Frau drängte ungeduldig an ihm vorbei. »Gehen Sie doch aus dem Weg.« Ungehalten wedelte sie mit einem Federfächer vor seiner Nase. Anton musste niesen. Ein Raunen ging durch die Wartenden. Alle bis auf Anton sprangen zur Seite.

Die Frau trug ein silbernes Paillettenkleid mit langen Ärmeln, was angesichts der Temperaturen erstaunlich war. Mit dem Kleid hätte sie bei jeder Abendveranstaltung ein passendes Bild abgegeben. Sie sah hinreißend aus. Ihr Gesicht war geschminkt, was ihre ohnehin attraktiven Züge noch weiter hervorhob. Die Augen umrahmten dunkle Striche, die Wangen waren leicht gerötet. Gerade so viel, dass es aussah, als hätte sie eben eine Stunde an der frischen Luft verbracht. Ihre Lippen glänzten verführerisch. Ihr kinnlanges Haar war streng nach hinten gekämmt und mit einem zum Kleid passenden Stirnband fixiert. Eine Feder, die farblich zum Fächer passte, steckte seitlich darin.

Anton schob den Hocker weg und trat zur Seite. »Bitte schön!« Er machte eine einladende Geste.

»Danke, mein Bester.«

Ihre Stimme klang unangenehm hoch. Sie passte nicht zu ihrem atemberaubenden Aussehen. Sobald sie genug Platz hatte, schwebte sie förmlich an Anton vorbei. Jeder ihrer Schritte erinnerte an einen Tanz, so präzise und geschmeidig bewegte sie sich. Eine betörende Duftwolke blieb zurück. Das blumige Parfüm kratzte in Antons Nase. Erneut nieste er.

»Gesundheit«, sagte Ernestine.

»Das war Louise Toupie«, flüsterte Fräulein Meisel ehrfurchtsvoll. »Sie spielt die Hauptrolle im Film.«

Ernestine sah der Frau nach. »Ich wusste, dass Louise Toupie schön ist. Aber in Wirklichkeit gleicht sie einer Göttin.«

»Einer Göttin mit schriller Stimme«, ergänzte Anton. In seinen Ohren hallte der Ton immer noch nach.

»Ist es nicht aufregend, dass wir die Diva kennenlernen werden?« Ernestine war entzückt.

»Machen Sie sich nicht zu viel Hoffnungen.« Fräulein Meisel bremste ihre Begeisterung. »Frau Toupie ist sehr wählerisch. Für gewöhnlich lässt sie sich nicht dazu herab, um mit Statisten zu sprechen.«

»Nun, wir werden sehen«, sagte Ernestine. Sie reihte sich wieder in die Warteschlange ein.

Anton nahm leidend wieder auf dem Hocker Platz und fragte sich, warum er sich das hier antat, wenn er doch zu Hause im Garten Zeitung lesen oder Heide in der Apotheke helfen könnte. Ernestine legte ihm liebevoll die Hand auf die Schulter, und er hatte die Antwort auf seine Frage. In seinem Innersten hoffte Anton, dass sein Gesicht den Filmemachern nicht ins Konzept passte.

Seine Wünsche wurden vom Universum ignoriert. »Sie da, wie heißen Sie?« Der Mann mit der Zigarette in der einen und dem Klemmbrett in der anderen Hand zeigte auf Anton. Er war einer der Regieassistenten und zuständig für die Statisten. Anton drehte sich um. Sicher meinte er eine andere Person weiter hinten. Aber der Mann kam direkt auf ihn zu. »Können Sie tanzen?«

Noch bevor Anton antworten konnte, kam ihm Ernestine zuvor. »Mein Freund ist ein hervorragender Tänzer. Wir haben gemeinsam einen Tangotanzkurs absolviert.«

Mit Schrecken erinnerte sich Anton an die gemeinsamen Tanzstunden am Semmering. Sosehr er Ernestine verehrte und schätzte, auf der Tanzfläche fanden sie einfach nicht zusammen. Ernestine hatte ein anderes Verständnis vom Takt als er. Auch beim Rundtanzen am Eis war es besser gewesen, wenn sie sich mit anderen Partnern zur Musik bewegt hatten.

»Tango interessiert mich nicht, können Sie sich zum Walzer drehen?«, wollte der Assistent wissen.

»Ich, also –«

Ernestine unterbrach Antons Stottern. »Wir sind begnadete Walzertänzer.«

Fassungslos starrte Anton sie an. Hatte sie das wirklich eben gesagt? Ernestine lächelte entschuldigend. Sie wünschte sich die Statistenrolle so sehr, dass sie bereit war zu lügen, ohne dabei mit der Wimper zu zucken.

Der Filmmensch musterte sie mit zusammengekniffenen Augen, machte einen Schritt rückwärts, um beide in voller Größe anzusehen. »Ja, das kann passen«, meinte er. »Tragen Sie Ihre Namen in der Liste bei meiner Kollegin ein und gehen Sie zur Kostümanprobe. Wir werden Sie bei den Dreharbeiten im Schlosstheater in...

Erscheint lt. Verlag 10.10.2023
Reihe/Serie Ernestine Kirsch und Anton Böck
Ernestine Kirsch und Anton Böck
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte Cozy Crime • Ernestine Kirsch und Anton Böck • historischer Krimi • Krimi Wien • Krimi zwanziger Jahre • Mord • Rosenkavalier • Schönbrunn • Spannung • Wien
ISBN-10 3-98707-082-X / 398707082X
ISBN-13 978-3-98707-082-2 / 9783987070822
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