Dunkel wie die Flut (eBook)

Ein bewegender Roman über das Glück der selbstlosen Liebe
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
301 Seiten
beHEARTBEAT (Verlag)
978-3-7517-5494-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dunkel wie die Flut -  Patti Callahan Henry
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Wird sie sich jemals verzeihen können?

Ein unbeschwerter Sommertag am Seaboro River endet mit einer Katastrophe: Der kleine Sam ertrinkt im Fluss. Ein Unfall, für den die zwölfjährige Catherine sich verantwortlich fühlt. Viele Jahre später muss sie an den Ort des Geschehens zurückkehren, den ihre Familie nach Sams Tod fluchtartig verlassen hat. Catherine fürchtet sich vor ihren Erinnerungen. Doch die Begegnung mit ihrer Vergangenheit bereitet nicht nur Schmerz. Sie enthüllt Catherine ein Familiengeheimnis, das ihr Leben grundlegend verändern wird ...

Ein bewegender Roman über Schuld und Sühne, Vergessen und Verzeihen - und das Glück der selbstlosen Liebe.

»Wunderschön. Alle Leser, die poetische Stimmungen lieben, werden von Patti Callahan Henry verzaubert sein.« BOOKLIST

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.




<p>Patti Callahan Henry lebt mit ihrem Ehemann und drei Kindern in der Nähe von Atlanta, Georgia, in einer malerischen Landschaft, die sie in den stimmungsvollen Bildern ihrer Romane eingefangen hat. </p> <p>Besuchen Sie die Autorin unter www.patticallahanhenry.com.</p>

Eins


»Ich hatte im Leben immer vor allem
eine Erzählung gesehen …«

G.K. Chesterton

Achtzehn Jahre später

Ich weiß, dass ich total bescheuert aussah, als ich noch vor Sonnenaufgang im Schlafanzug auf der vorderen Verandatreppe stand und Thurman nachschaute, der im grauen Licht der Morgendämmerung davonfuhr. Widerspenstige Strähnen hatten sich aus dem strubbligen Pferdeschwanz gelöst, ein Träger rutschte mir von der Schulter. Die Rücklichter von Thurmans Wagen glitten die Straße entlang, wie zwei Augen starrten sie mich an, und ich hoffte, auch die Bremslichter aufleuchten zu sehen, aber vergeblich. Ich wünschte mir, er möge anhalten, umkehren und sich daran erinnern, dass ich heute Geburtstag hatte. Er sollte mich in die Arme nehmen und lachend sagen: »Ach, Catherine, wie konnte ich bloß vergessen, dass du heute dreißig wirst?« Ich hätte ihn an mich gedrückt, hätte ihn geküsst und wäre ihm mit der Hand über den Nacken und durch sein blondes Haar gefahren, bevor er wieder aufgebrochen wäre.

Aber klar, er kehrte nicht um. Er war spät dran und durfte seinen Flug nach Alabama nicht verpassen. In den vier Jahren, die wir jetzt zusammen waren, hatte er zum ersten Mal nicht an meinen Geburtstag gedacht. Ich betrachtete seine Vergesslichkeit als ein schlechtes Omen, auch wenn ich mir einzureden versuchte, dass sie wahrscheinlich schlicht und einfach das Resultat seiner Übermüdung und seiner intensiven Beschäftigung mit anderen Dingen war.

Ich setzte mich auf die Veranda, und während ich beobachtete, wie über den Berggipfeln South Carolinas der Morgen heraufzog, räkelte und gähnte ich mich wach. Dann schloss ich die Augen und suchte nach dem flüchtigen, aber deutlichen Gefühl von ungeahnten Möglichkeiten, an das ich mich von den Geburtstagsmorgen meiner Kindheit her erinnerte.

Früher hatte ich geglaubt, mit jedem neuen Lebensjahr käme ich meinem Ziel einen Schritt näher: Ich wollte den schönen, mutigen Heldinnen in den Romanen, die stapelweise in meinem Zimmer lagen, ähnlich werden. In diesem Jahr, dachte ich als Kind, werde ich so neugierig wie Lucy in Narnia, so mutig wie das Mädchen Scout in Wer die Nachtigall stört oder so clever wie die junge Detektivin Nancy Drew.

In jenem schicksalhaften Sommer meines zwölften Lebensjahres jedoch musste ich einsehen, dass diese von der Lektüre inspirierten Phantasien niemals Wirklichkeit werden konnten. Kein Atticus Finch würde mich retten, kein Geheimnis in einer alten Uhr würde mir helfen, eine Familie wieder zusammenzuführen, kein Aslan mich von meiner Schuld erlösen. Manchen Menschen werden wichtige Erkenntnisse ganz plötzlich zuteil, mit einem einzigen Atemzug; ich jedoch hatte diese Überzeugung gewonnen, weil ein kleiner Junge keinen Atemzug mehr machte.

Inzwischen, mit dreißig, hatte ich alles, was ich brauchte, in der freundlichen, realen Welt des Städtchens Cedar Valley gefunden, in dem ich lebte. Die Berggipfel ringsherum bildeten einen zerklüfteten Horizont wie die zinnengekrönten Mauern einer Burg, und ich fühlte mich geborgen in dem Talgrund mit dem übersichtlichen Netz von Straßen, die von soliden Einfamilienhäusern und alten Bäumen gesäumt waren. Bestiegen hatte ich die Gipfel in der Umgebung noch nie. Die weite Fernsicht, von der andere mir nach ihren Bergtouren vorschwärmten, lockte mich nicht. Nein, ich war in meinem lauschigen Tal vollkommen zufrieden.

Seit ich vor achtzehn Jahren mit meinen Eltern hergezogen war, hatte ich Cedar Valley nur zu Ferienreisen nach Disney World oder an die Strände Floridas verlassen oder wenn wir Dads Eltern in Sarasota besuchten. Aber selbst bei diesen seltenen Familienausflügen hatte ich mich nie richtig wohlgefühlt: Erst nach unserer Rückkehr war die Welt für mich wieder in Ordnung. Unterwegs beeindruckten Begegnungen und Erlebnisse mich stärker, und es kam mir so vor, als könnten sie mich eher verletzen als zu Hause, in meinem sicheren Heimattal.

Träumend saß ich auf meiner Veranda, atmete die unverbrauchte Luft meines neuen Lebensjahres ein und überlegte, wie ich diesen Geburtstag verbringen könnte. Thurman, mein Freund, der an der Southern University Cheftrainer für Basketball war, hatte sich gerade aufgemacht, um einen neuen Spieler anzuwerben. Im Augenblick allerdings vermisste ich Dad mehr als Thurman.

Mein Vater, ein Büchernarr, dessen ganzes Dasein mit den Themen und Metaphern von Romanen verwoben gewesen war, der das gesamte Leben für eine Geschichte gehalten hatte, war seit neun Monaten tot. Ich brauchte ihn mir bloß vorzustellen, wie er vor mir stand – mit dem breiten Grinsen und dem weißen Bart, ein Buch in der Hand –, schon musste ich lächeln.

Er war der Leiter der Englischen Abteilung an der Southern University gewesen und hatte im letzten Jahr für die Erstsemester einen Kurs über die Literatur der Südstaaten gehalten. Er behandelte gerade die literarischen Zwischentöne von Faulkners Schall und Wahn, als er einen Herzinfarkt erlitt. Mitten im Vortrag, während er den Studenten auseinandersetzte, dass Faulkners Worte viele Bedeutungen haben können, griff er sich plötzlich an die Brust. Seine Zuhörer glaubten, er spiele Theater und seine dramatische Geste sei eine Antwort auf die dämliche Bemerkung eines jungen Mannes aus der letzten Reihe.

Selbst als er zusammenbrach, lachten sie noch.

Ich war mir sicher, dass Daddy sich seinen Abgang haargenau so gewünscht hätte: während der Vorlesung, lachend vor seinen Studenten, in seinem Tweedjackett mit den aufgesetzten Flicken auf den Ellbogen, ein Stück Kreide in der einen, ein Buch in der anderen Hand und neben sich Forrest Anderson, seinen Juniorprofessor.

Bald jedoch sollte ich entdecken, dass ich mich nicht nur in diesem, sondern auch in vielen anderen Punkten geirrt hatte. Aber in der ersten Zeit nach Dads Tod tröstete mich die Vorstellung, dass er sich ganz in seinem Element befunden hatte, als er starb, und dass der Mann, den er zehn Jahre lang als Mentor betreut hatte, an seiner Seite gewesen war.

Nach Dads Tod war mir klar geworden, dass ich als Einzelkind das Haus in Cedar Valley geerbt hatte – in dem ich jetzt lebte – und dazu alles andere, darunter auch Murphy, unsere geliebte Hündin. Außerdem sollte ich seine letzte Bitte erfüllen, die er handschriftlich in einem Brief niedergelegt hatte, der an sein Testament geheftet war: Ich möge seine Asche in den Seaboro River streuen. Diese Aufgabe hatte ich immer noch nicht erledigt.

Da saß ich nun, an meinem ersten Geburtstag ohne Dad, und dachte reuevoll daran, dass ich seine letzte Bitte noch nicht erfüllt hatte. Dabei war er immer derjenige gewesen, schon seit meiner Kindheit im Lowcountry, an der Küste South Carolinas, der meine Geburtstage zu etwas ganz Besonderem gemacht hatte: eine rosarote Schleife in der Magnolie vor unserem Haus, ein Geburtstagskuchen mit so viel Zuckerguss, dass der Kuchen darunter kaum zu finden war, ein großer Karton, aus dem ich immer kleinere Kartons auspacken musste, bis ich schließlich ein winziges Geschenk fand. Mutter, die damals ja noch lebte, war der Ansicht, mit solchem Schnickschnack verwöhne man ein Kind bloß. Doch, davon war sie überzeugt, aber Dad zuliebe duldete sie diese Überraschungen.

Dass ich seine Asche noch nicht verstreut hatte, bedeutete keineswegs, dass ich ihn nicht geliebt hätte oder seine Wünsche nicht respektieren würde. Ich konnte mir nur einfach nicht vorstellen, an den Ort meiner Kindheit zurückzukehren, um den ich noch immer trauerte und den meine Familie meinetwegen hatte verlassen müssen. Ich hatte keine Ahnung, was Dad sich dabei gedacht hatte, mich nach Seaboro zurückzuschicken.

Ich rieb mir die Augen, stand auf, reckte und streckte mich, bis ich bereit war für meinen Arbeitstag im Sportbüro der Southern University, wo ich in der PR-Abteilung angestellt war.

»Happy Birthday, liebe Catherine«, sagte ich zu dem Kastanienbaum vor mir, der schon Früchte angesetzt hatte. Ich ahnte nicht, dass die Geschenke, die ich an diesem Geburtstag erhalten sollte, mich dazu bewegen würden, widerwillig an die schmerzgetränkte Stätte meiner Kindheit zurückzukehren, an den Seaboro River, um heilige Geheimnisse zu bewahren.

Als ich am Feierabend zurückkam, war mein mit Zedernschindeln verkleidetes Haus nicht abgeschlossen. Das hatte ich offensichtlich vergessen, weil ich mit Verspätung ins Büro geeilt war. Den ganzen Tag über hatte mich die Arbeit schier aufgefressen, sodass ich es nicht geschafft hatte, zwischendurch heimzufahren, um mit Murphy Gassi zu gehen. Bestimmt war sie den ganzen Tag im eingezäunten Garten umhergestreunt und hatte ab und zu durch ihre Hundeklappe einen Abstecher ins Haus unternommen, um nach mir zu suchen. Beim Eintreten sog ich den vertrauten Duft ein: eine Mischung aus Toast, warmen Decken und dem herbstlichen Geruch nach trockenen Blättern, der selbst im Sommer den Wald erfüllte.

Vater und Mutter hatten dieses Haus vor achtzehn Jahren gekauft, als wir nach Cedar Valley umzogen. Hier hatte ich bis zum Beginn meines Studiums an der Southern University mit ihnen gewohnt. Nach Dads Tod war ich wieder eingezogen, und obwohl ich es nun ohne meine Eltern bewohnte, schlief ich nach wie vor oben in meinem alten Mädchenzimmer, zu dem ein in rosarot-weißem Karomuster gefliestes Badezimmer und ein Bett mit hohen Holzpfosten gehörten.

Murphy sprang aus dem Wohnzimmer herbei und schob die Schnauze in meine ausgestreckte Hand. »Hallo, bester Hund der Welt«, sagte ich und kraulte das Tier hinter den Ohren. »Willst du spazieren gehen? Ja?«

Meine Hündin war vierzehn. Ihr Kopf war weiß, ihr rötlichbraunes Fell lockig und rau. Dad und ich hatten...

Erscheint lt. Verlag 1.1.2024
Reihe/Serie Die bewegendsten Romane von Patti Callahan Henry
Übersetzer Sabine Schulte
Sprache deutsch
Original-Titel Between the Tides
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Beziehung • Delphinsommer • Dunkel wie die Flut • Familie • Familienbande • Ferne Länder • Fernweh • Frauenroman • Freundschaft • Frühlingslicht • Gefühle • Gegenwartsliteratur • Geheimnis • Haran • Herbstmond • herzkino • Katastrophe • Landschaftsbild • landschaftsroman • Landschaftsromane • Leuchtend wir der Horizont • Liebe • Liebesgeschichte • Liebesroman • Love and Landscape • Natur • Nordamerika • Romantik • Schicksal • Schmöker • Unser Sommer in Georgia • Unterhaltung • USA • Vergangenheit • Versöhnung • Vertrauen • Verzeihen • Zwischenmenschliche Beziehung
ISBN-10 3-7517-5494-6 / 3751754946
ISBN-13 978-3-7517-5494-1 / 9783751754941
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