Jetzt sind wir eins (Jetzt-Trilogie, Band 2) (eBook)
416 Seiten
Loewe INTENSE (Verlag)
978-3-7320-2042-3 (ISBN)
Gabriella Santos de Lima, geboren 1997 in São Paulo, studiert Kreatives Schreiben genau wie Gregor. Am liebsten arbeitet sie mit Aussicht auf pulsierende Innenstädte und laut aufgedrehter Musik. Sie war Flugbegleiterin, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Mit ihrem Roman Flaming Clouds stand sie auf der Bestsellerliste. Weitere Informationen zur Autorin auf Instagram unter @gabriellasantosdelimaa oder auf TikTok unter @gabriellasantosdelima
Gabriella Santos de Lima, geboren 1997 in São Paulo, studiert Kreatives Schreiben genau wie Gregor. Am liebsten arbeitet sie mit Aussicht auf pulsierende Innenstädte und laut aufgedrehter Musik. Sie war Flugbegleiterin, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Mit ihrem Roman Flaming Clouds stand sie auf der Bestsellerliste. Weitere Informationen zur Autorin auf Instagram unter @gabriellasantosdelimaa oder auf TikTok unter @gabriellasantosdelima
Tillie
POV: Du glaubst an alles, aber nie an dich selbst
»Tut mir leid, meine Liebe.« Die Frau auf meinem Handydisplay schüttelte den Kopf. »Die Karten zeigen mir eine Eiszeit an. Erst im Herbst sehe ich eine Besserung. Hast du noch Fragen dazu?«
Meine Finger verharrten über der Tastatur, während es sich hinter meiner Stirn drehte. Natürlich hatte ich noch Fragen. Gibt es jetzt wirklich keine Besserung? Wie kann ich meine Eiszeit umgehen? Könnte das Universum nicht ein wenig netter zu mir sein, nachdem mich meine letzte Affäre vor nicht einmal einer Stunde vor dem gesamten Kurs mit einem selbst geschriebenen Text bloßgestellt hat?
»Es reicht.« Lucy schnappte mir das Handy aus der Hand. »Du hast keine Fragen mehr dazu. Das war die dritte Kartenlegerin, die du innerhalb von zehn Minuten auf TikTok befragt hast und …«
»Und es war die dritte in Folge, die mir prophezeit hat, dass es momentan keine Besserung gibt«, unterbrach ich sie.
Zugegeben: Wenn ich Fremden erzählen würde, dass ich mich in eine Toilettenkabine auf dem Campus sperrte, damit ich TikTok-Wahrsagerinnen um Ratschläge bitten konnte, würden sie mich für noch komischer als so schon halten. Aber ich war verzweifelt.
»Ich weiß nicht, was ich machen soll«, flüsterte ich, doch es war zu leise. Gegen die blechern verzerrte Stimme von @alana_legung kam ich nicht an. In einer Tour beantwortete sie Fragen, die sich nur um die eine Sache drehten:
Betrügt Timo (23) mich? Liebt Olcan (31) mich? Wird Erik (27) mich wieder anschreiben? Haben Serkan (22) und ich (20) eine Zukunft?
Meine Fragen stachen stets als einzige hervor. Schließlich handelten sie nie von Männern. Liebesprognosen und mögliche Seelenverwandtschaften interessierten mich nicht. Ich wollte meinen Erfolg kalkulieren, wissen, wie lange und wie hart ich noch für meine Träume kämpfen musste, bis ich sie erreichte. Denn ich hatte Träume. So, so, so viele. Ich war die Hauptperson in meinem Leben, mir egal, wie sehr das nach einem Nullachtfünfzehn-Selbstratgeber klang.
Schade nur, dass besagtes Leben gerade ziemlich den Bach runterging.
»Tut mir leid«, seufzte Lucy und betätigte den Knopf an der Seite meines Handys, sodass Alanas Gesicht erlosch. »Ich muss das leider ausmachen, weil ich diese Betrügt-er-mich-mit-einer-blonden-Frau-Fragen nicht mehr ertrage.«
Eigentlich hatten wir uns erst für später zu einem Redaktionstreffen verabredet, nachdem ich dann endlich mal in der Gruppe geantwortet hatte. Gemeinsam mit Manda wollten wir zu Lucy und unsere nächsten Beiträge planen. Bis ich eine panische Nachricht abgeschickt und um ein Spontantreffen gebeten hatte. Leider saß Manda gerade in einem Seminar, also waren Lucy und ich jetzt allein. Manda studierte Grafikdesign und zeichnete ständig auf ihrem iPad. Eigentlich war sie Künstlerin. Wenn jemand sie fragte, wieso sie nicht Kunst studiere, lautete ihre Antwort: Sicherheit. Daran war nichts verwerflich. Wir alle verstanden das. Nur den seltsamen Ausdruck, der dabei in ihre Augen trat, durchschauten die anderen nicht.
Jetzt zuckte ich mit den Schultern. »Man gewöhnt sich schnell daran. Deshalb werden meine Fragen auch meistens rausgepickt.«
»Lass mich raten.« Lucy lächelte mich unter ihrem dunkelblonden Pony an. »Du willst nicht wissen, wie lange dein Langzeitfreund eine Affäre hat, und an der Antwort festmachen, ob du dich nun trennst oder nicht?«
»Lucy-Lu«, begann ich, doch sie hob schon die Hände.
»Ja, ja, ja«, entgegnete sie belustigt. »Ich weiß natürlich, dass das so nie passieren würde, weil du niemals den Fehler begehen würdest, in einer richtigen Beziehung zu landen.«
»Richtig«, bestätigte ich halb grinsend, trotz allem.
»Dann … erzählst du mir, was falsch gelaufen ist?«
Ich zögerte, also sprach sie weiter.
»Schließlich muss es einen Grund dafür geben, dass du mich hierherbestellt hast. Du wusstest doch, dass ich eigentlich noch bei Mila wegen der Übergabe für Campuskitsch vorbeischauen wollte. Außerdem sind die Toiletten in der dritten Journalismus-Etage unsere Notfallorte. Was ist passiert, hm?« Sie ging in die Hocke, während sie die Hand tröstlich auf meinen Oberschenkel legte. Die Ärmel ihrer übergroßen Cordjacke rutschten dabei nach oben. Lucy war heute schlicht gekleidet, helle Leggings mit Flare und ein weißes Top, darüber die Jacke. Die Lippen hatte sie dunkel geschminkt und ihre Wimpern schienen endlos lang. Alles an Lucy war Lucy, klang nach Lucy und sah aus wie Lucy. Selbst ihre journalistischen Texte. Sie waren minimalistisch, durchdacht und liebevoll perfektioniert. Die Sohlen ihrer Boots quietschten nun, weil sie mir auf dem versifften Kloboden näher rückte.
Diese Toilette war seit ein paar Monaten tatsächlich unser Notfallort. Genau genommen seit Lucy hier wegen Gregor Samsa zusammengebrochen war. Na gut. Gregor Samsa hieß eigentlich Gregor Beck und war Lucys große Liebe. Normalerweise vermied ich solche abgedroschenen Formulierungen, aber bei Lucy und Gregor stimmte es. Beide hatten schon immer die stärksten Gefühle füreinander. Lucy war Gregors Erste gewesen. Erster Kuss, erster Sex, Erstes-Mal-sein-Herz-verlieren-und-an-Gefühlen-ertrinken. Leider hatte nach dem Schreibworkshop in Berlin, wo die beiden sich kennengelernt hatten, Funkstille geherrscht. Bis Gregor im Wintersemester mit seinem Master hier begonnen hatte. Gemeinsam hatten sie die letzten beiden Semester Campuskitsch moderiert, den hauseigenen Podcast unserer Kunsthochschule, bevor ihn nach einem Jahr jemand anderes bekam. Lucy hatte es gehasst, weil sie Gregor geliebt und er sie so verletzt hatte. Vermutlich stimmte es wirklich, dass Liebe und Hass nah beieinanderlagen. Obwohl Gregor immer nur Ersteres für Lucy empfunden hatte.
Als ihre Finger jetzt begannen, sanft über den Stoff meiner Hose zu streichen, brannte es hinter meinen Lidern. Es war derselbe Moment, in dem ich mir wünschte, ein Spiegel hätte hier gehangen. Der Grund war simpel. Ich erkannte mich nicht wieder und hätte mich gern vergewissert, dass ich immer noch ich war.
Denn eigentlich war ich nicht so.
So leise, so zögernd.
Ich schickte ohne Umschweife minutenlange Sprachnachrichten in unsere WhatsApp-Gruppe thegirlnextdoor, wenn mich etwas zur Weißglut trieb. Am liebsten nahm ich sie gleich auf der Straße auf, wobei es mir gleichgültig war, wenn Leute mich anstarrten. Mir unverschämt unverfroren in die Augen zu schauen, war besser, als mir den Rücken zuzukehren und dann über mich herzuziehen. Blickduelle konnte ich gewinnen, Lästerrunden nicht.
Reiß dich zusammen, Tillie. Es ist okay, es ist okay, es ist okay.
Keine Ahnung, wieso es mir so schwerfiel, den Mund aufzubekommen. Lucy war meine beste Freundin. Sie wusste von Leander und dem Drama. Sie wäre auf meiner Seite. Für mich würde sie ihn sogar hassen, wenn sie erfuhr, was er gerade in der Schreibwerkstatt gebracht hatte, obwohl sie das eigentlich nicht konnte: hassen.
Das konnte nur ich.
Also beschwor ich mich zu tiefen Atemzügen, richtete mich auf dem Klodeckel auf, und gerade als ich mit der Sprache herausrücken wollte, verstummte ich.
Schritte.
Klackernde Absätze polterten über den Fliesenboden. Lucy und ich lauschten, wie die Tür neben uns aufgezogen, der Klodeckel nach oben geklappt und ein Gürtel klimpernd geöffnet wurde. Dann Stille. Meine Freundin und ich sahen uns an. Lucy blies die Wangen auf, ich unterdrückte ein Seufzen. Es war eine Patt-Situation. Unsere Toilettennachbarin wartete mit heruntergezogener Hose darauf, dass wir den Raum verließen. Wir hingegen warteten darauf, dass sie welches Geschäft auch immer erledigte und wir danach weiter ungestört reden konnten. Zwei, drei, vier, fünf viel zu lange unangenehme Sekunden vergingen. Es war so still, dass wir jede Regung hörten. Wie Lucy sich an der Nase kratzte, wie die Fremde sich auf der Kloschüssel bewegte und schon einmal ein Stück Klopapier abriss. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus.
»Gehen wir?«, formte ich lautlos mit den Lippen.
Lucy reckte erleichtert den Daumen in die Höhe, bevor wir keine Minute später die Toilettentür hinter uns zuzogen.
»Oh Mann«, stöhnte sie, doch ich war schon dabei, die Gegend abzuscannen. In der dritten Etage von Lucys Fakultät war stets wenig los. Es gab ausschließlich Büros, die nur selten besetzt waren – meistens dann nicht, wenn man dringend eine Antwort auf seine Mail brauchte. Deshalb waren die Toiletten so beliebt. Man war ungestört. Außer man wollte zur selben Zeit ungestört sein.
Ich grübelte gerade über einen Platz, an dem wir wirklich ungestört wären, als ich bemerkte, dass Lucy mir ihr Handy vor die Nase hielt.
»Ähm?« Sie schluckte. Lucy, die direkte und klare Fragen kanonenartig formulierte. »Wieso zum Teufel fragt Gregor mich, ob ich es schon gehört habe?«
Ich unterdrückte ein Fluchen. Natürlich hatte es schon die Runde gemacht.
»Tillie?« Plötzlich klang sie ganz besorgt. »Was meint er damit?«
»Es ist nicht so schlimm, wie es sich gerade anhört«, wiegelte ich hastig ab, wie um mich selbst davon zu überzeugen. »Brenner, der mich angeblich so geliebt hat, hasst mich jetzt, weil ich ihn nicht liebe, und hat sich mit einem Text in der Werkstatt an mir gerächt. Vielleicht ist es sein Sternzeichen, Skorpione sind immer so rachsüchtig. Na ja, ist auch eigentlich egal. Ich habe nämlich ein noch größeres Problem.«
Der Mund meiner Freundin öffnete sich, ohne dass Worte ihn verließen. Sie wollte wissen, was Leander genau über...
Erscheint lt. Verlag | 16.8.2023 |
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Reihe/Serie | Jetzt-Trilogie | Jetzt-Trilogie |
Verlagsort | Bindlach |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Autorin Spiegel Bestseller New-Adult • Bestsellerautorin Gabriella Santos de Lima • BookTok Bücher • Bücher Liebe Beziehung • Bücher Lyx Verlag • Bücher Second-Chance-Love • Bücher wie Flaming Clouds • Bücher wie Lonely Hearts • Bücher wie What if we Drown • Bücher wie Worlds Collide • Buch über Beziehungen und Liebe • Buch über toxische Beziehungen • Feministische Liebesromane • Jugendbücher Liebe • Liebesroman ab 16 Jahren • Liebesroman für Jugendliche • Liebesroman Ghosting • Liebesroman mit Spice • Loewe Intense • New Adult Romane mit Spice • Roman New-Adult ab 16 Jahren • spiegel-bestseller Autorin • Spiegel Bestseller Gabriella Santos de Lima • Spiegel Bestseller New Adult Roman • TikTok Empfehlungen Spice Romane |
ISBN-10 | 3-7320-2042-8 / 3732020428 |
ISBN-13 | 978-3-7320-2042-3 / 9783732020423 |
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