Donnervögel und die Bedeutung der Farbe Grün -  Christina Quest

Donnervögel und die Bedeutung der Farbe Grün (eBook)

Kurzgeschichten, die das Leben schreibt
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
108 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7578-9946-2 (ISBN)
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Manchmal ist der Alltag voller Missgeschicke und Peinlichkeiten. Doch wenn man es mit etwas Abstand betrachtet, ist er voller Komik. So wie in diesen aus dem Leben gegriffenen Kurzgeschichten über die Wahl der langsamsten Supermarktkasse, neue Trendsportarten oder plötzlich zu eng gewordene Jeans. Mit genauem Blick berichtet Christina Quest pointensicher über skurrile Kleinigkeiten und amüsante Katastrophen, also das, was wir unser Leben nennen.

Einmal hin, alles drin


Einkaufen ist eine notwendige Sache, je nach persönlicher Verfassung und der des Geldbeutels, ist es mitunter auch mit großer Freude verbunden. Es gibt allerdings Einkäufe der Kategorie »notwendig«, die meines Erachtens nicht unbedingt zu den erfreulichen gehören. Hierzu zählen die Dinge, die man braucht, um nicht zu verhungern, zu verdursten oder gar im Dreck zu ersticken. Große Discounter machen es mittlerweile möglich, dass neben Obst und Gemüse auch alle anderen – mehr oder weniger – lebensnotwendigen Dinge in ein und demselben Geschäft preisgünstig erworben werden können. Sollte noch etwas Scheibenfrostschutzmittel fürs geliebte Auto fehlen, so ist auch das kein Problem, denn dort gibt es alles. Sehr praktisch also, so spart man sich den Weg auf den Markt und in verschiedene Geschäfte. Die Industrie hat sich auf ihre Kunden gut vorbereitet und bietet einen XXL-Einkaufswagen an. Und damit es kein lästiges Eintauschen in 1-Euro-Münzen mehr geben muss, lassen diese Luxuswagen dem Kunden nunmehr die Wahl zwischen einem 1- oder 2-Euro-Münzen-Schlitz oder, für den schmalen Geldbeutel, auch einem 50-Cent-Eingang. Toll! Auch an die jüngsten Kunden wird gedacht, neben den klassischen Kindersitzen gibt es extra Maxi-Cosi-Aufsätze, so dass das Baby sich ebenfalls von Anfang an wohlfühlt. Den älteren Kindern, die sich weder in den Einkaufswagen zwängen noch bei Mutti an der Hand laufen wollen, steht ein Auto-Wagen zur Verfügung. Prima!

Ich gehöre nicht zu den klassischen Nach-Einkaufsliste-Käufern, sondern gehe grundsätzlich dann, wenn es notwendig ist. Leider passiert es dann schon mal, dass ich, während ich meinen Einkaufswagen durch die Gänge schiebe, an kulinarischen Köstlichkeiten vorbeikomme, auf die ich ganz plötzlich großen Appetit bekomme – und zack, sind sie im Wagen. Der ist ja XXL und bietet viel Platz. Wenn sich dummerweise dann auch noch mein Magen mit einem ohrenbetäubenden Hungersignal meldet, sind auch Schokolade, Fertigpizza, Chips und Cola ganz plötzlich darin. Man sollte also besser »satt« einkaufen gehen.

Es ist Mittwoch und ich stelle fest, dass ich unbedingt Kaffee, Milch und Toilettenpapier benötige, also setze ich mich in mein Auto und fahre zum Discounter. Ich entscheide mich für den 2-Euro-Münzen-Schlitz und schiebe die XXL-Wuchtbrumme ins Geschäft. Eigentlich bräuchte ich sie nicht, denn die paar Dinge könnte ich auch so tragen, aber man weiß ja nie, was einem noch so ins Auge fällt. Schon am Eingang steht die nette Frau von der Wursttheke und offeriert Rauchendchen zum Schnäppchenpreis von 2 Euro das Stück. Sie sieht mich und ich kann mich ihrem Blick nicht entziehen. Sie hält mir einen Teller mit kleinen Wurstproben unter die Nase. »Probieren Sie«, fordert sie mich bestimmt auf. Ich schaffe es nicht, dankend weiterzugehen, und greife beherzt zu. »Köstlich und nur 2 Euro das Stück«, sagt sie. Ich denke mir: »Lecker, aber warum eigentlich so teuer?« Eigentlich würde ich gern zwei bis drei weitere Stückchen probieren, doch das gehört wohl nicht zum Konzept, denn die Verkäuferin hat den Teller wieder hinter ihre kleine Kühltheke gestellt. »Und? Schmeckt es Ihnen?«, will sie von mir wissen. Schon befinden sich sechs Rauchenden im meinem Wagen, denn sechs gibt es zum Preis von fünf. Ich schiebe weiter. Im Obst- und Gemüse-Abteil bekomme ich plötzlich beim Anblick einer Kokosnuss Heißhunger und packe sie in meinen Einkaufswagen. Weiter schiebe ich durch die Gänge, vorbei an den Backwaren. Es duftet nach frischen Brötchen, denn der Discounter ist nun auch Bäcker und backt seine Brötchen selbst auf. Nur die Verkäuferin wird eingespart, dafür kann sich der Kunde selbst bedienen. Ich greife mir mit der Zange drei Körnerbrötchen raus, schließlich kosten die hier nur halb so viel wie beim örtlichen Bäcker. Dann schiebe ich an der Mediaabteilung vorbei und entdecke ein absolutes Schnäppchen. Der Wasserkocher einer namhaften Marke wurde von 69,90 Euro auf 19,90 Euro reduziert. So ein Angebot kann ich mir nicht entgehen lassen. Im Gang mit den Süßigkeiten versuche ich mich nur auf das Schieben meines Wagens zu konzentrieren, stelle mir dabei vor, ich hätte Scheuklappen auf. Puh, ich schaffe es tatsächlich, an der Schokolade und den Weingummis vorbeizugehen, denn ich habe sie einfach nicht gesehen – auch wenn ich genau weiß, dass sie da waren. Ich bin stolz auf mich.

In der Tiefkühlabteilung fällt mein Blick auf die Fertigpizzen. Wieder ein Schnäppchen, drei Pizzen und eine davon gratis. Ich greife zu. »Nun aber schnell zur Kasse«, befehle ich mir und schiebe mit meinem »Scheuklappenblick« auf die Kassen zu. Praktisch, an Kasse eins stehen nur zwei Leute, eine ältere Dame und eine Frau mit Kleinkind, das fluppt ja. An Kasse zwei stehen fünf Leute, unter anderem Nachbarin Frau Siepler aus der Wohnung gegenüber, die bei jeder Gelegenheit ihre Nase am Fenster plattdrückt. Gut, dass ich an Kasse eins stehe, sonst würde sie mir wieder Löcher in den Bauch fragen. Ich nicke ihr freundlich zu. Schon bald kann ich meinen Einkauf aufs Band legen und zusehen, wie er sich gen Kasse bewegt. Auch Frau Siepler begutachtet meinen Einkauf. Doch plötzlich stockt das Fließband. »Frau Mogge, bitte an Kasse eins, Frau Mogge bitte«, ertönt es über den Supermarktlautsprecher. »Sie müssen den Blumenkohl abwiegen und den Aufkleber ankleben«, erklärt die Kassiererin der alten Frau. Die ist mit der Situation sichtlich überfordert und fragt höflich, ob die Verkäuferin nicht einfach 2,50 Euro für den Kohl berechnen könne. Mittlerweile ist Frau Mogge da, schnappt sich den Kohl und verschwindet im Laden – alle warten auf Frau Mogges Rückkehr. Plötzlich sehe ich, dass neben dem Laufband Schokoriegel und Weingummis im Regal liegen. Ich kann nicht widerstehen und lege sie mit aufs Band, obwohl sie einzeln viel teurer sind als in der Großverpackung. Meine Scheuklappen sind eben nur auf Gänge programmiert. Kurze Zeit später kommt Frau Mogge mit dem abgewogenen Kohl zurück. Die alte Dame bedankt sich, bezahlt, schiebt ihren Wagen zur Seite und kontrolliert ihren Kassenbon.

Meine Nachbarin an Kasse zwei ist nun schon fast gleichauf mit mir. »Und ich werde vor dir fertig sein«, denke ich beschwörend und verfolge, wie sich das Band wieder in Bewegung setzt. Eine große Menge Babykost, Windeln und Milch fahren vor mir her. Plötzlich fällt mir ein, dass ich ja Milch kaufen wollte. Ich überlege kurz, doch entscheide mich dagegen, denn ich bin ja jeden Moment dran. Der Scanner piept. Das Kleinkind fängt an zu weinen, denn es soll den Riegel zum Bezahlen aufs Band legen. Die TV-Super-Nanny hätte es sicherlich nicht besser als die Mutter erklären können, nur leider will dieses Kind seine Beute nicht mehr hergeben und schreit sich in Ekstase. »Kein Problem, lassen Sie nur«, entgegnet die Kassiererin, »ich gebe den Code von Hand ein.« Der jungen Mutter ist es peinlich, dass sie sich nicht gegen ihren rebellierenden Zwerg durchsetzen kann, und sie rakt die Ware mit dem Unterarm rasch in den Wagen. Leider auch die Gläser mit der Babynahrung und es kommt, was kommen muss – das Huhn mit Möhrchen landet auf dem Boden, platzt auf und spritzt in alle Richtungen. Das Kind schreit lauter. Die Mutter flucht. Frau Siepler bezahlt und ruft mir noch einen schönen Abend zu. Hilfsbereit wie ich bin versuche ich zusammen mit der jungen Frau die Reste von Huhn und Möhrchen vom Boden zu kratzen. Dabei verbrauchen wir Unmengen an Haushaltspapier, das uns die Kassiererin freundlich zur Verfügung stellt. Endlich ist alles sauber. »Möchten Sie sich ein neues Gläschen holen?«, fragt sie und ich denke gerade, dass die Gute das unmöglich ernst meinen kann. »Natürlich will sie das nicht, ihr Kind brüllt wie ein Löwe und hinter uns staut es sich bis zur Kühltheke«, denke ich entsetzt. »Wenn es nicht allzu große Umstände macht«, entgegnet die junge Frau. »Könnten Sie vielleicht kurz auf meinen Sohn aufpassen?«, fragt sie mich und rennt zurück zum Regal mit der Babynahrung. Ich gebe mir derweil Mühe, das schreiende Kind nicht zu hassen. Es gelingt mir nicht. Die Mutter kommt zurück und bedankt sich. »Das macht 68,98 Euro«, fordert die Kassiererin mit professioneller Gelassenheit. Hektisch beginnt die junge Frau in ihrer Jacke zu kramen. »Wo ist denn nur mein Portemonnaie«, flucht sie und läuft rot an – wie ihr Kind. Die Leute hinter mir beschließen, sich nun an Kasse zwei anzustellen. »Weise Entscheidung«, denke ich. Endlich hat die junge Frau es gefunden. »Oh Mist«, flucht sie ein zweites Mal. »Das ist mir jetzt aber peinlich, ich habe nur noch 50 Euro im Portemonnaie, normalerweise habe ich meine EC-Karte immer zur Sicherheit dabei«, versucht die junge Frau noch zu retten, was nicht mehr zu retten ist. »Frau Mogge, bitte an Kasse eins, Frau Mogge bitte, Storno!«, tönt es...

Erscheint lt. Verlag 3.5.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-7578-9946-6 / 3757899466
ISBN-13 978-3-7578-9946-2 / 9783757899462
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