Wie Spuren am See - Die Rückkehr (eBook)

Bodensee-Saga
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
368 Seiten
Gmeiner-Verlag
978-3-8392-7784-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wie Spuren am See - Die Rückkehr -  Sibylle Baillon
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Frisch verliebt und endlich in der geerbten Villa am Bodensee vereint, sehnen sich Isabella und Chris nach ihrem ersten gemeinsamen Urlaub. Doch vorerst mu?ssen die beiden noch berufliche Hu?rden meistern. Alles la?uft nach Plan, bis plo?tzlich die 70-ja?hrige Gudrun - eine gute Freundin von Isabellas verstorbener Go?nnerin - vor der Tür steht und bei ihnen Zuflucht vor ihrem Mann sucht. Ohne zu zo?gern, nimmt sich das Pa?rchen der verzweifelten Frau an, nicht ahnend, dass diese Entscheidung nicht nur ihr junges Glu?ck in Gefahr bringen wird ...

Sibylle Baillon wurde 1966 in Frankfurt am Main geboren. Nach einer erfolgreichen Ausbildung zur Bürokauffrau folgte sie dem Ruf der Ferne und zog nach Frankreich, wo sie als Leiterin der Exportabteilung im Blumengroßhandel Karriere gemacht hat und später Ausbilderin wurde. Seit jeher von Geschichten vergangener Epochen fasziniert, arbeitet sie heute als freie Autorin und hat bereits zahlreiche Romane veröffentlicht. Wenn sie also nicht gerade in Büchern schmökert, gilt ihre Leidenschaft dem Schreiben romantischer, historischer sowie kriminalistischer Geschichten.

Sibylle Baillon wurde 1966 in Frankfurt am Main geboren. Nach einer erfolgreichen Ausbildung zur Bürokauffrau folgte sie dem Ruf der Ferne und zog nach Frankreich, wo sie als Leiterin der Exportabteilung im Blumengroßhandel Karriere gemacht hat und später Ausbilderin wurde. Seit jeher von Geschichten vergangener Epochen fasziniert, arbeitet sie heute als freie Autorin und hat bereits zahlreiche Romane veröffentlicht. Wenn sie also nicht gerade in Büchern schmökert, gilt ihre Leidenschaft dem Schreiben romantischer, historischer sowie kriminalistischer Geschichten.

Kapitel 2 – Zwischenspiel


Am Vorabend in Friedrichshafen

Ihr war kalt. Bitterkalt. Fröstelnd zog sie den Umhang fester um sich. Doch das änderte nichts. Die Kälte kroch durch alle Ritzen, durch jede Masche ihrer Kleidung und durchdrang die Haut bis auf die Knochen und sickerte tief in ihre Seele. Oder vielmehr: ins letzte Zipfelchen Seele, das noch in ihr übrig geblieben war. Das bisschen Seele, das wie eine zusammengeschrumpelte Rosine irgendwo in ihrem Schädel verweilte. Gemartert, zertreten, von der Welt vergessen …

Jetzt war es also vollbracht. Endlich hatte sie sich aus dem jahrzehntelangen Joch befreit, war aus dem Käfig ausgebrochen, der sich wie eine Zange immer enger um sie herum geschlossen hatte. So lange hatte sie auf diesen Moment gehofft, darauf gewartet, ihn sich herbeigesehnt. Hatte nach ihrer Freiheit gelechzt wie eine Verdurstende nach einem Schluck Wasser.

Die Angst war ihr ewiger Begleiter gewesen. Die Angst, nie wieder das pulsierende Leben mitzuerleben. Nie wieder eine belebte Straße entlangzulaufen, nie wieder unbekümmert zu sein. Die Angst, in alldem sich selbst zu verlieren. Und die Angst, dass es keine Gerechtigkeit geben könnte. Denn während sie jahrelang dahingesiecht war, hatten sich andere auf ihre Kosten ein schönes Leben gemacht.

So lange hatte sie sich diesen Tag herbeigeträumt, ihn sich in allen Nuancen ausgemalt, ihn verherrlicht. Wie oft hatte sie am Fenster gestanden und den Menschen da draußen zugeschaut? So oft, dass sie es nicht zu sagen vermochte. Die Male, die Jahre, die düsteren Gedanken, die sie dabei immer wieder aufs Neue gepackt hatten. So lange war sie eingesperrt gewesen. So lange hatte sie sich selbst aufgegeben, hatte nicht mehr wirklich daran geglaubt, hatte in den Abgrund der Menschlichkeit geschaut.

Damit war jetzt Schluss. Jetzt würde sie sich holen, was ihr schon immer zugestanden hatte. Diesmal würde sie schlauer vorgehen. Aus und vorbei mit der Gehorsamkeit. Aus und vorbei mit der Untertänigkeit. Aus und vorbei mit der Hörigkeit. Die freundliche Version ihrer selbst gab es nicht mehr, hatte sich in Ätze verwandelt. Brennende, brodelnde und dampfende Ätze. Gefährlich, unsichtbar und alles durchdringend. Rache! Ja, sie wollte Rache. Vergeltung. Wollte, dass ihr langes Siechen gesühnt wurde. Wollte den Verantwortlichen endlich die Rechnung präsentieren. Nein, besser noch: Sie wollte, dass die Schmach zehnfach vergolten wurde.

Ihr früheres Ich, das schwache, existierte nicht mehr. Jetzt gab es nur noch diejenige, die sich ihre Freiheit zurückholte, diejenige, die Gerechtigkeit für all das erlittene Leid verlangte. Diejenige aber, die all die verfluchten Jahre klein beigegeben hatte, um unauffällig zu bleiben, die gab es nicht mehr.

Die ganze Zeit über hatte sie sich dumm und unwissend gestellt, hatte den Schutzschleier der Naivität bewahrt. Jahrelang hatte sie eingesteckt, erduldet, erlitten. Die Demütigungen, die Gewalt, die scheußliche Behandlung. Jahrelang hatte sie geschluckt, gebetet, beschworen … Nichts hatte genützt!

Egal, wie laut es in ihr geschrien, wie sehr sie geweint hatte, egal, mit welcher Wucht ihr Herz nach der Desillusion in tausend Stücke gerissen wurde: Sie hatte überlebt! Sie hatte eine Mauer um sich herum gebaut und sich dahinter verschanzt. Sie hatte das Grausame ausgeschlossen, sich wie ein Igel eingerollt und hatte erduldet. Sie hatte überlebt, ja verdammt, überlebt!

Tief einatmend verfolgte sie ihren Weg, den sie in den Jahren der Gefangenschaft in- und auswendig gelernt hatte. In Wirklichkeit schien alles größer und beängstigender, aber sie kannte ihn wie ihre Westentasche. Trotzdem fühlte sie sich in den Gassen dieser Stadt wie ein verletztes Tier, dem man vor langer Zeit die Freiheit geraubt hatte, und das nach vielen Jahren durch einen winzigen vergessenen Spalt im Zaun ihres Gefängnisses hatte fliehen können. Ein armes Geschöpf, das mit einem Schlag in eine Welt eintauchte, die nichts mehr mit der zu tun hatte, die es einmal gekannt hatte. Da, wo früher Bäume gestanden hatten, ragten riesige Betonklötze in den Himmel, wo früher Felder und Weiden das Auge verwöhnt hatten, war jetzt alles zugepflastert.

Kaleidoskopartig nahm sie die Einzelheiten ihrer Umgebung wahr. Einzelheiten, die wie Glasstücke in der Spielzeugröhre kullerten und stetig neue Muster bildeten. Es wirkte alles so anders, viel bunter, als es ihr in Erinnerung geblieben war. Und es waren nicht die kurzen, bespitzelten Ausflüge, die ihr ab und an vergönnt gewesen waren, die etwas an dieser Fremde, die sie beim Anblick all dieser Neuerungen empfand, geändert hätten.

Überall schienen ihr dunkle Schatten zu folgen, riesige schemenhafte Gestalten, die mit gierigen Krallen nach ihr griffen, um sie in die Welt des Grauens zurückzuholen. Sie keuchte leise und lief weiter. Nur fort. Nur fort, aber bedacht. Der kleinste Fehltritt könnte alles über den Haufen werfen, ihren so lange ausgeklügelten Plan mit einem Schlag zunichtemachen, sie wieder an den Nullpunkt zurückzwingen, in Gefangenschaft, ins Dunkle, ins ewige Nichts …

Sie würde schlau vorgehen müssen, so, wie sie es bis jetzt gehalten hatte. Schadenfroh lächelte sie vor sich hin. Eigentlich war sie zu alt für solche Strapazen. Zu alt und zu eingerostet. Und genau dieser Glaube hatte ihr für die Umsetzung ihres Plans einen gewaltigen Vorteil verschafft, denn wer konnte sich vorstellen, dass eine 70-Jährige von heute auf morgen ein solches Unterfangen wagen würde? Wer hätte ihr zugetraut, müde und zerbrechlich und leicht dement, wie sie sich immer gegeben hatte, dass sie in der Lage sein würde, ein so gewitztes Fluchtvorhaben umzusetzen? Wer hätte auch nur im Geringsten ahnen können, dass sie in ihrem Alter bereit war, noch solche Risiken auf sich zu nehmen?

Niemand. Und genau das war ihr Vorteil.

Voller Zuversicht lief sie über die große Rasenfläche, die mit wunderschönen Beeten aus lilafarbenen, gelben und weißen Veilchen verziert war, in Richtung Bahnhofsplatz. Es duftete nach Frühling, nach Unbekümmertheit. Aber noch durfte sie sich davon nicht ablenken lassen. Jetzt galt es, einen kühlen Kopf zu bewahren und methodisch vorzugehen. Erst, wenn sie ihr Vorhaben vollständig umgesetzt hatte, würde sie nachts wieder ruhig schlafen können. Jemand würde zahlen müssen. Und solange das nicht der Fall war, solange sie nicht wieder den ihr zustehenden Platz eingenommen und die Ordnung der Dinge herbeigeführt hatte, würden die Blumen, die Gerüche, der Frühling und die lieblichen Gefühle warten müssen.

In all der Modernität, die sie von allen Seiten anzuspringen schien, bildete das imposante längliche Bahnhofsgebäude mit der gelben Fassade, den weißen Rundbogenfenstern und den zwei großen Seitenflügeln einen angenehmen Kontrast. Unter dem abendlichen Wolkenhimmel und dank des schwachen Laternenlichtes wirkte dieses Bauwerk aus dem 19. Jahrhundert wie ein verwunschenes Schloss einer anderen Epoche. Der Anblick strahlte eine gewisse Geborgenheit aus; eine ältliche, vertraute Atmosphäre, die sie fast ein wenig nostalgisch stimmte. Wären da nicht die Busse und Autos, hätte sie sich im Schein der hell beleuchteten Fenster sogar eine Ballnacht ausmalen können. Fast meinte sie, das Gelächter der Feiernden zu vernehmen, sich nur auf die Zehenspitzen stellen zu brauchen, um einen Blick auf die eleganten Roben zu erhaschen. Komm, schien der helle Glanz sie zu rufen. Komm, hab keine Angst und tritt ein. Sie zögerte. Fast war es zu verlockend, um wahr zu sein. Befand sie sich hier wirklich in Sicherheit? Die Antwort lautete ganz deutlich: Nein! Nirgends bist du mehr in Sicherheit!

Prompt holte sie sich in die Gegenwart zurück. Sie würde höllisch auf der Hut sein müssen. Sofort warf sie einen Blick auf die Uhr, die über dem Eingang hing. Es war 23 Uhr. Gut! Genug Zeit, um noch schnell eine Fahrkarte zu kaufen und in den letzten Zug zu steigen. Je schneller sie hier fortkam, desto besser.

Als sie die Bahnhofshalle betrat, schien es, als wollte sie selbst der Geruch, der ihr entgegenschlug, in die Irre führen. Hätte sie in diesem Moment die Augen geschlossen, wäre die Illusion vergangener Tage perfekt gewesen. Eine Mischung aus Kohle, verbranntem Grafit und Teer vermengte sich mit dem üblichen Mief von Holzbänken, staubigen Böden und den zahlreichen Ausdünstungen der vielen Reisenden, die hier tagein, tagaus passierten. Es war beruhigend, dass sich manche Dinge trotz des unaufhaltsamen Voranschreitens der Zeit nicht änderten, und wenn es auch nur das Innenleben einer veralteten Bahnhofshalle war.

Doch sie zwang sich zur Wachsamkeit, nahm selbst das kleinste Detail so intensiv wahr, dass es sie schier unermessliche Kraft kostete, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Da war der Barmann in der Bahnhofs-Gaststätte, der seinen ohrenbetäubenden Milcherhitzer zur Säuberung rauschen ließ, die Stimme der Ansagerin, deren vermeintlich letzte Nachricht aus den Lautsprechern dröhnte, oder der Schaffner, der in seine schrille Pfeife blies. Neben ihr holte ein eiliger Passant im Vorbeigehen ein Kaugummi aus einem laut knisternden Alupapier heraus. Das rhythmische Quietschen der kleinen Rädchen eines Gepäckwagens zerrten an ihren Nerven, und die grellen Neonleuchten schienen sie geradezu mutwillig anzukreischen.

Mit einem Mal brach ihr der Schweiß aus. Ruhig Blut, mahnte sie sich. Schau nicht drein wie eine Schuldige. Zeige keine Angst. Gib dich unauffällig, lächele.

Die Mobilitätszentrale war wie erwartet bereits geschlossen, und so begab sie sich direkt zu einem...

Erscheint lt. Verlag 14.2.2024
Reihe/Serie Bodensee-Saga
Fotografin Isabella Lampert
Romane im GMEINER-Verlag
Verlagsort Meßkirch
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1960er Jahre • Affäre • Betrug • Bodensee • Ehe • Erbe • Erbschaft • Frankfurt • Gewalt • LGBTQ+ • Liebesroman • Lindau • Malerin • romantisch • Romanze • Schauspielerin • Vernissage • Villa
ISBN-10 3-8392-7784-1 / 3839277841
ISBN-13 978-3-8392-7784-3 / 9783839277843
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