Mord auf der Insel Gokumon (eBook)
384 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3327-1 (ISBN)
Der nächste Fall der erfolgreichen klassischen Krimiserie aus Japan - »Japans Antwort auf Agatha Christie.« The Guardian
Der Privatermittler Kosuke Kindaichi reist auf die abgelegene Insel Gokumon, um einer der wichtigsten Familien dort eine tragische Nachricht zu überbringen: Einer ihrer Söhne ist auf einem Truppentransportschiff, das ihn nach dem Zweiten Weltkrieg zurück in die Heimat bringen sollte, gestorben. Doch Kindaichi ist nicht nur als Bote gekommen - mit seinen letzten Worten warnte der Sterbende, dass nun das Leben seiner drei Stiefschwestern in Gefahr sei. Der Ermittler ist entschlossen, dieser mysteriösen Prophezeiung auf den Grund zu gehen und die drei Frauen zu schützen - wenn er kann. Dann beginnt auf der Insel eine Serie grausamer Morde, und auch Kosuke Kindaichi selbst ist in Gefahr.
Seishi Yokomizo (1902-1981) ist einer der berühmtesten und beliebtesten japanischen Autoren von Kriminalromanen. Er wurde in Kobe geboren und las als Junge unzählige Detektivgeschichten, bevor er selbst mit dem Schreiben begann. Allein seine Serie um Kosuke Kindaichi besteht aus 77 Büchern. »Die rätselhaften Honjin-Morde« war der erste Band dieser Reihe und gewann sogleich den ersten Preis für Kriminalautoren Japans, »Mord auf der Insel Gokumon« ist Kosuke Kindaichis zweiter Fall.
PROLOG
Kosuke Kindaichi trifft auf der Insel Gokumon ein
Mitten in der Inlandsee, etwa dreißig Kilometer südlich der Hafenstadt Kasaoka, liegt die nur wenige Quadratkilometer große Insel Gokumon. Ihr Name bedeutet Höllentor.
Unter einheimischen Historikern sind schon lange verschiedene Theorien über den Ursprung dieses unheilvollen Namens im Umlauf. Am plausibelsten erscheint die Vermutung, dass die Insel ursprünglich Hokumon – Tor zum Norden – hieß. Die Wandlung zu Gokumon, dem Höllentor, erklärt sich aus der Geschichte der Insel.
Seit der Zeit des für seine Verwegenheit berühmten Piratenkapitäns Sumitomo Fujiwara war die Inlandsee etwa tausend Jahre lang berüchtigt für die Seeräuber, die ihr Unwesen dort trieben und regelmäßig die Handelsschiffe auf dem Weg vom asiatischen Festland durch die Kanmon-Straße nach Zentraljapan überfielen. Schon in der Nara-Zeit im 8. Jahrhundert gab es Piraten, und ihre abenteuerliche Geschichte reicht bis ins frühe 17. Jahrhundert hinein. Besonders während der fast sechzig Jahre andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen um die kaiserliche Thronfolge zwischen der Nördlichen und Südlichen Dynastie im 14. Jahrhundert beherrschten Piraten die Inlandsee.
Damals hielt eine Bande namens Iyo mehrere Inseln besetzt. Ihr Einflussgebiet reichte von der Iyo-Küste bis Hiuchi-nada und Bingo-nada. Die heutige Insel Gokumon war ihr nördlicher Hauptstützpunkt, und angeblich hatten sie ihr seinerzeit den Namen Hokumon – Nordtor – gegeben, woraufhin er irgendwann zu Gokumon wurde.
Es existiert allerdings eine weitere Legende, die nicht historisch belegt ist. Ihr zufolge hauste zu Beginn der Edo-Zeit ein nahezu zwei Meter großer Mann namens Goemon auf der Insel. Nachdem die Kunde von seiner Größe sich in ganz Japan verbreitet hatte, erhielt die Insel den Namen Goemon, was schließlich zu Gokumon wurde.
Es war mir nicht möglich, herauszufinden, welcher der Namen – Hokumon oder Goemon – der ursprüngliche war, aber es herrscht allgemeine Einigkeit darüber, wie es zu der schaurigen Verballhornung »Höllentor« kam.
Während der Edo-Zeit gehörte Gokumon zum Herrschaftsgebiet des Lehensherrn von Chugoku, der Region im Westen der japanischen Hauptinsel. Auf dem von der Außenwelt abgeschnittenen, dicht mit Rotkiefern bewachsenen Graniteiland fristeten mittlerweile nur noch einige Abkömmlinge der früheren Seeräuber ein kärgliches Dasein als Fischer. Also beschloss der Feudalherr, eine Sträflingsinsel daraus zu machen. Von da an wurden sämtliche Verbrecher dorthin verbannt, und der unselige Name Gokumon, was neben Höllentor auch Gefängnistor heißen kann, setzte sich rasch durch.
Niemand weiß, wie viele arme Seelen in den folgenden nahezu dreihundert Jahren nach Gokumon geschickt wurden. Womöglich wurden sogar einige begnadigt, so dass sie am Ende in ihre Heimat zurückkehren konnten. Die meisten jedoch verbrachten ihr ganzes Leben auf der Insel und wurden dort begraben. Viele hatten Kinder mit Fischerstöchtern, das heißt, den Nachfahrinnen der Iyo-Piraten. Wurde ein Verurteilter begnadigt, ließ er Frau und Kinder für gewöhnlich auf der Insel zurück.
Nach der Meiji-Restauration in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Verbannungsstrafen abgeschafft, wodurch sich jedoch auf Gokumon kaum etwas änderte. Die dreihundert dort lebenden Familien blieben engstirnig und stur wie eh und je und heirateten weiter ausschließlich untereinander. Somit floss in den Adern der etwa tausend Inselbewohner ausschließlich Piraten- und Sträflingsblut.
Der Grundschullehrer K., der auf einer Nachbarinsel unterrichtete, erzählte mir, wie mühsam sich die Ermittlungen gestalteten, wenn es auf einer der Inseln zu einer Straftat kam. Die Bewohner hatten seit zwei oder drei – schlimmstenfalls seit fünf oder sechs – Generationen untereinander geheiratet, so dass praktisch jede Insel aus einer einzigen Großfamilie bestand. Polizeibeamte aus anderen Landesteilen waren völlig machtlos, weil die Inselbewohner sich stets unweigerlich gegen sie verschworen. Im Falle von Streitigkeiten oder Diebstählen riefen sie zwar die Polizei, doch kaum hatte diese einen Verdächtigen im Visier, einigten die Parteien sich urplötzlich, so dass die Geschichte in der Regel einen unerwarteten Verlauf nahm. »Ach, das Geld wurde mir gar nicht gestohlen!«, hieß es auf einmal. »Ich hatte nur vergessen, dass es hinten im Schrank versteckt war.«
In gewisser Hinsicht erleichterte diese Strategie den Beamten das Leben, auch wenn ihre Ermittlungen unter diesen Umständen beinahe immer im Sande verliefen. Wenn sich die Leute auf den gewöhnlichen Inseln in der Inlandsee schon so verhielten, galt dies umso mehr für Gokumon, wo nur Nachfahren von Piraten und Sträflingen lebten. Zudem wurden diese von den Bewohnern der umliegenden Inseln geächtet, was ihre Feindseligkeit und ihren Argwohn gegenüber Außenstehenden noch verstärkte. Somit war es beinahe aussichtslos für die Polizei, auf Gokumon begangene Verbrechen aufzuklären.
Eines Tages ereignete sich dort eine Reihe ganz besonders abscheulicher und heimtückischer Morde, die ein alptraumhaftes Grauen verbreiteten. Die systematisch geplante Mordserie war derart teuflisch, dass sie dem Namen der Insel alle Ehre machte.
An dieser Stelle sollten wir uns noch einmal vor Augen halten, dass Gokumon keineswegs einsam inmitten der Weiten eines Ozeans lag, sondern nicht allzu weit entfernt von der Küste der Inlandsee. Die Insel verfügte über Elektrizität und ein eigenes Postamt, außerdem verkehrte täglich eine Fähre nach Kasaoka.
Unsere Geschichte beginnt Mitte September 1946, also etwa ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Der Weiße Drache, so der Name der Fähre, hatte soeben den Hafen von Kasaoka verlassen. Alle Plätze waren besetzt. Die Hälfte der Fahrgäste waren kürzlich zu Wohlstand gekommene Bauern, unterwegs zur Insel Shiraishi, um dort Fisch zu essen. Die andere Hälfte bestand aus Inselbewohnern, die auf dem Festland eingekauft hatten, die meisten von ihnen Fischer oder Fischersfrauen. Die Inseln in der Inlandsee waren mit Fischreichtum gesegnet, aber es fehlten Anbauflächen für Reis, so dass sie regelmäßig zum Festland hinüberfuhren, um Fisch gegen den begehrten Reis einzutauschen.
Der Rumpf der Fähre mit den verdreckten, abgewetzten Tatami war buchstäblich gestopft voll mit Passagieren und ihren Einkäufen. Der Gestank nach Schweiß und Fisch, gemischt mit dem von Farbe, Benzin und Abgasen hätte bei zarteren Gemütern gewiss Brechreiz hervorgerufen, aber die unverwüstlichen Fischersleute waren sowohl seelisch als auch körperlich gegen derartige Anfechtungen gefeit. Unbekümmert hockten sie im Schmutz, schrien und lachten durcheinander und amüsierten sich insgesamt prächtig.
Im hinteren Teil der Fähre saß ein Mann, der mit seiner Aufmachung völlig aus dem Rahmen fiel. Er trug einen traditionellen Hosenrock und einen zerbeulten Filzhut. Zu jener Zeit war selbst bei den Bauern westliche Kleidung gang und gäbe, noch dazu auf einem Ausflug in die Stadt. Auf der Fähre trug nur noch ein weiterer Mann japanische Kleidung, nämlich ein buddhistischer Priester. In jenen Tagen gehörte ein gewisser Eigensinn dazu, sich traditionell zu kleiden, obwohl der Fahrgast mit dem Hut nicht eigensinnig aussah. Seine Haut war schön gebräunt, dennoch wirkte er nicht besonders robust. Er mochte Mitte dreißig sein.
An ein Fenster gelehnt blickte er unverwandt aufs Meer hinaus, ohne auf den Trubel ringsum zu achten. Die von hübschen Inseln übersäte smaragdgrüne Inlandsee bot einen malerischen Anblick, aber die Schönheit der Aussicht schien den Mann nicht zu berühren. Er wirkte schläfrig.
Auf den Inseln Shiraishi und Kitagi gingen zahlreiche Passagiere von Bord, und nur wenige stiegen ein. Drei Stunden nach dem Auslaufen der Fähre und nach einem Halt auf Manabe befanden sich nur mehr drei Fahrgäste auf dem eben noch lärmerfüllten Unterdeck.
Die Unterhaltung zwischen den beiden außer ihm verbliebenen Passagieren weckte offenbar die Aufmerksamkeit des schläfrigen Mannes.
»Oh, Hochwürden!«, rief der eine. »Ich hatte Sie gar nicht bemerkt. Sie haben den Tempel wohl mal allein gelassen. Wo waren Sie denn?«
Plötzlich hellwach, wandte der Mann mit dem Filzhut sich um. Der...
Erscheint lt. Verlag | 15.8.2023 |
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Reihe/Serie | Kosuke Kindaichi ermittelt | Kosuke Kindaichi ermittelt |
Übersetzer | Ursula Gräfe |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | 獄門島 [Gokumontou] |
Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Historische Kriminalromane | |
Schlagworte | Agatha Christie • Bestseller • Detektiv Conan • die beste Krimis aller Zeiten • Japan • Klassischer Kriminalroman • Kosuke Kindachi • Krimiklassiker • Kriminalliteratur • Krimis Japan • Literatur aus Asien • Miss Marple • Reihe • Romane auf Inseln • Sherlock Holmes • Showa • Whodunit |
ISBN-10 | 3-8412-3327-9 / 3841233279 |
ISBN-13 | 978-3-8412-3327-1 / 9783841233271 |
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