Salvador Allende (eBook)

Eine chilenische Geschichte

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
256 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3286-1 (ISBN)

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Salvador Allende - Günther Wessel
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50 Jahre nach dem Putsch in Chile: eine Neuerzählung

Am 11. September 2023 jährt sich zum 50. Mal der Militärputsch unter Augusto Pinochet gegen Chiles frei und demokratisch gewählten Präsidenten Salvador Allende. Mit Allendes Freitod endete der Versuch eines demokratischen Sozialismus, der weltweit Beachtung fand. Günther Wessel erzählt mit Rückgriff auf viele Interviews die Biografie Allendes und die Geschichte des schmalen Landes: vom Kampf um Unabhängigkeit bis zum politisch-kulturellen Aufbruch der 1960er Jahre, von der Zeit der Unidad Popular, vom Putsch bis zum mühsamen Kampf um die Rückkehr zur Demokratie und deren Entwicklung bis heute. Seit Dezember 2021 regiert erneut ein Linksbündnis das Land - und Verteidigungsministerin der Regierung von Gabriel Boric ist Maya Fernandez Allende, eine Enkelin Salvador Allendes. Steht Chile vor einem neuen Aufbruch?



Günther Wessel, geboren 1959. studierte Germanistik, Philosophie, Erziehungswissenschaft und Kunstgeschichte. Seit 1992 ist er freiberuflicher Autor, Journalist und Lektor. Arbeitsaufenthalte in zahlreichen Ländern Lateinamerikas sowie der Türkei, Ägypten und Mali. Von 1997 bis Ende 2001 war er freier Korrespondent in Washington DC, von 2002 bis 2007 lebte er in Brüssel, seither in Berlin. Wessel hat Reiseführer sowie Sachbücher und Biographien verfasst und arbeitet regelmäßig als Sachbuchrezensent für Deutschlandradio Kultur. Zudem ist er als Autor von Features für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk tätig.

Die Vorgeschichte – Chile von der europäischen Eroberung bis zur Unabhängigkeit


Chile auf einer Karte aus dem späten 16. Jahrhundert. Im Zentrum liegt Santiago (S. Iago), die Südgrenze verläuft bei der Insel Chiloé, im Norden nördlich der Stadt Coquimbo. Eingezeichnet sind auch die damals wichtigsten Häfen: Valparaíso im Zentrum der Karte und Castro im Süden. Im Osten die Anden.

In der Frühzeit der spanischen Eroberungen war Diego de Almagro, ein Mitstreiter der Brüder Hernando und Francisco Pizarro, 1533 durch Peru und das heutige Bolivien nach Süden gezogen und schließlich bis Mittelchile gelangt. Doch statt auf erhoffte Schätze stießen die Spanier zunächst auf Wüsten, schneebedeckte Gipfel und karge Hochebenen, dann in Mittelchile auf fruchtbare Landstriche. Gold und Silber hatte er gesucht, Berge und Wüsten gefunden. Ein unzugängliches Land, ein Land mit einer verrückten Geografie, wie der chilenische Gelehrte Benjamín Subercaseaux 1940 bezogen auf die Proportionen und die landschaftliche Vielfalt des Landes meinte: mehr als 4300 Kilometer in der Nord-Süd-Ausdehnung bei nur etwa 200 Kilometern in der Ost-West-Ausdehnung, dazu eine Fülle unterschiedlicher Naturphänomene, weshalb der Volksmund die Entstehung des Landes so beschreibt: Als Gott seine in sieben Tagen erschaffene Welt betrachtete, stellte er fest, dass noch einiges übrig geblieben war: Vulkane, Urwälder, Wüsten, Fjorde, Flüsse und Eis. Er gab den Engeln den Auftrag, all das hinter einem langen Gebirge aufzuschütten. Das Gebirge waren die Anden – und so entstand Chile, das vielgestaltigste Land der Erde.

Dazu kommt, dass Chile vielleicht mehr als jeder andere Festlandstaat der Erde von seinen Nachbarn getrennt ist: Im Westen erstreckt sich der Pazifik, und im Osten trennt die bis zu fast 7000 Meter hohe Kette der Andengipfel Chile von Argentinien und Bolivien. Im Norden verläuft die Grenze zu Peru mitten durch eine unwirtliche Wüste. »Am Ende der Welt« – das bedeutet der Name Chile in der Sprache der indigenen Aymara.

Diego de Almagro zog sich enttäuscht zurück; Pedro de Valdivia hingegen, der 1540 seine Nachfolge antrat, war von Chile begeistert: »Das Leben in diesem Land ist mit nichts zu vergleichen. Nur vier Monate herrscht Winter ... und der Sommer ist so mild, mit solch angenehmem Wind, dass man den ganzen Tag in der Sonne sein kann, ohne Schaden zu nehmen. Es gibt Gras in Hülle und Fülle, jede Art Vieh und Pflanzen kann hier gedeihen; sehr schönes Holz zum Bau von Häusern ist reichlich vorhanden, ebenso viel Brennmaterial zum Heizen und Betreiben der reichen Minen. Das Land scheint wahrlich von Gott gesegnet zu sein.« Er gründete die ersten Städte in Chile: am 12. Februar 1541 Santiago de Chile, 1544 La Serena und im selben Jahr Valparaíso – Ausgangspunkte, um von dort aus das Land zu erobern. Doch das war nicht so einfach wie einst in Peru. Gegen die in Chile lebenden Mapuche musste jede neue Siedlung gesichert werden.

Vor allem im Süden kam es immer wieder zu Kämpfen, obwohl die Spanier auch hier Festungen wie 1550 die Stadt Concepción gegründet hatten. 1553 besiegten die Mapuche unter ihrem Kriegsführer (toqui) Lautaro, der, weil er Stallmeister bei Pedro de Valdivia gewesen war und die spanischen Kriegstaktiken gut kannte, die Spanier. Sie nahmen Pedro de Valdivia gefangen und töteten ihn. Dann rückten sie weiter nach Norden vor und zerstörten 1555 die Stadt Concepción. Nachdem es den Spaniern aber gelungen war, bis 1558 Lautaro und andere Kriegsführer wie Colo Colo und Caupolicán zu töten, konnten sie ihre Eroberungen immer besser sichern.

Der Widerstand der indigenen Bevölkerung ist im chilenischen Nationalepos verewigt worden: La Araucana heißt das Werk des spanischen Offiziers Alonso de Ercilla y Zúñiga (1533–1594), das voller Hochachtung den Heldenmut der Araukaner (Mapuche) besingt – sie werden hier nicht als Wilde oder Barbaren oder gar als Kannibalen beschrieben. Und die Tapferkeit des Heerführers Colo Colo führte dazu, dass sich Chiles berühmtester Fußballverein nach ihm benannte.

Endgültig wurde der Widerstand der Mapuche im Süden Chiles erst im 19. Jahrhundert gebrochen. Ab etwa 1840 versuchte der chilenische Staat mithilfe von Franziskaner- und Kapuzinermönchen die Mapuche zu missionieren, weil man hoffte, sie so in den Staat zu integrieren und zu »zivilisieren« – also auch auf ihrem Gebiet die staatliche Ordnung durchzusetzen. Denn die Mapuche wehrten sich, Land an die neuen Siedler abzutreten, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts kamen und den fruchtbaren Süden landwirtschaftlich nutzen wollten.

Aus dem edlen Wilden, der im 16. Jahrhundert noch in La Araucana gefeiert worden war, wurde nun der barbarische Wilde, den man »befrieden« müsse. Ab 1860 rückte das chilenische Militär immer weiter nach Süden vor, und ab etwa 1870 begann ein regelrechter Vernichtungskrieg gegen die Indigenen. Um 1883 waren diese endgültig geschlagen, sie hatten ihre Unabhängigkeit und ihr Land verloren.

Im 16. Jahrhundert lebten die spanischen Eroberer überwiegend in den wenigen Städten, die festungsähnlich gesichert waren. Das an sie verteilte Land wurde in einer Mischung aus Lehnsystem und Sklaverei, die Spanier nannten es encomienda, von Indigenen bestellt. Der spanische König anempfahl (spanisch encomendar) einem seiner Konquistadoren ein Stück Land mit den dort lebenden Menschen. Der Eroberer sollte als Schutzherr (encomendero) für die Verteidigung, die Sicherheit sowie die politische und religiöse Unterweisung seiner Anvertrauten sorgen. Dafür musste er natürlich belohnt werden. Er durfte nun im Gegenzug im Namen des Königs von den ihm anvertrauten Indigenen Zahlungen verlangen: Sklavenarbeit, Nahrungsmittel, Gold. Der encomendero hatte das lebenslange Nutzungsrecht an dem Land, ein Recht, das später auch vererbbar wurde. Der uruguayische Intellektuelle Eduardo Galeano schrieb in seinem Buch Die offenen Adern Lateinamerikas: »Von 1536 an wurden die Indianer im ›Encomienda‹-Verhältnis (d. h. als ›Anvertraute‹) zusammen mit ihrer Nachkommenschaft für die Dauer von zwei Lebensaltern, nämlich dem des ›encomendero‹ und dem seines unmittelbaren Erben, zugeteilt; von 1629 an wurde das System auf drei und von 1704 an auf vier Lebensalter ausgedehnt. Im 18. Jahrhundert sicherten die Indianer bereits, soweit sie am Leben blieben, ein bequemes Leben für vier Generationen.« Erst 1791 wurde die encomienda offiziell abgeschafft.

So entstanden schon kurz nach der spanischen Eroberung große Latifundien. Der Großgrundbesitz hemmte die wirtschaftliche Entwicklung in den Kolonien: De facto wurde das Land nicht entwickelt. Dank Sklavenarbeit und großer Landflächen ließen sich leicht Gewinne erwirtschaften. Der Gutsherr lebte allerdings nicht auf dem Gut, sondern in der Stadt und führte dort ein Leben, das sich an dem der europäischen Oberschicht orientierte. »Die Landbesitzer residierten wie kleine Könige auf ihren Gütern«, schrieb der Wirtschaftswissenschaftler Edward Boorstein, »sie gaben den Untergebenen die Erlaubnis zur Hochzeit und waren oft ihre Taufpaten. Sie teilten das Erbe der verstorbenen Untergebenen unter den Hinterbliebenen auf; sie entschieden bei Disputen und urteilten bei Verbrechen, und viele Güter besaßen Zellen oder Verliese, um Aufrührer dort einzukerkern.«

Ein Augenzeuge namens Willi Ule notierte noch 1924: »Der Betrieb der Feldwirtschaft ist hier in Chile anders eingerichtet als bei uns. Das Bestellen und Ernten führt nicht der Besitzer selbst aus, das Ackerland wird vielmehr an Landleute vergeben. Diese erhalten zugleich das Saatgut und müssen dafür das Feld bestellen und abernten. Den Ertrag der Ernte müssen sie dem Besitzer abgeben, der ihn verkauft und die Gewinne mit den Landleuten teilt. Um Ordnung halten zu können, stehen dem Besitzer polizeiliche Rechte zu. Er kann über die Landleute, wenn sie ihre Pflichten vernachlässigen, Strafen verhängen.«

Dennoch: Chile war damals eine der ärmeren Kolonien der Spanier. Man fand weder Gold noch Silber. Stattdessen exportierte die Oberschicht landwirtschaftliche Produkte in die anderen, reicheren Kolonien, wie Getreide, Obst und Wein nach Peru und...

Erscheint lt. Verlag 15.8.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte 11. September 1973 • carabineros • Diktatur • Gabriel Boric • Isabel Allende • Kupfer • Maya Fernández Allende • Michelle Bachelet • Militärputsch • moneda • Neruda • Osvaldo Puccio • Pinochet • Präsident • Salpeter • Santiago • Suizid • Unidad Popular • Valparaiso • venceremos
ISBN-10 3-8412-3286-8 / 3841232868
ISBN-13 978-3-8412-3286-1 / 9783841232861
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