Babysitter - Joyce Carol Oates

Babysitter (eBook)

Roman | Von der internationalen Bestsellerautorin von »Blond« | »Beunruhigend, geheimnisvoll, gewandt, düster und auf unheimliche Weise glaubhaft.« Margaret Atwood
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2024 | 1. Auflage
512 Seiten
Ecco Verlag
978-3-7530-0092-3 (ISBN)
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»Babysitter« ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau - als Ehefrau, Mutter oder Sexobjekt. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen.

In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander - mit tragischen Folgen: Hannah, Ehefrau und Mutter, beginnt eine Affäre mit einem geheimnisvollen Fremden; Mikey, der sich mit zwielichtigen Aufträgen durchschlägt, beschließt, sich endlich seiner Vergangenheit in Detroits Waisenhaus zu stellen; und dann ist da dieser Serienkiller, der als Mörder kleiner Kinder unter dem Namen Babysitter Berühmtheit erlangt - eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam. Während Hannah dem Mann, den sie nur unter dem Namen Y. K. kennt, zunehmend verfällt, scheint auch der Babysitter immer näher zu kommen.

»Gewagt und unvergesslich.« The Guardian

»Joyce Carol Oates lässt einem wie immer den Atem stocken.«Mail on Sunday



Joyce Carol Oates wurde 1938 in Lockport, New York geboren. Sie zählt zu den bedeutendsten amerikanischen Autorinnen der Gegenwart. Für ihre zahlreichen Romane und Erzählungen wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem National Book Award. 2019 erhielt sie den Jerusalem Prize. Joyce Carol Oates lebt in Princeton, New Jersey, wo sie Literatur unterrichtet.

Die erste Berührung


Die erste Berührung war wohl ein Versehen. So legte sie es sich zurecht.

Die Finger eines Fremden strichen über ihr Handgelenk, wollten ihre Aufmerksamkeit. Plötzlich, verstohlen, eine eindeutige sexuelle Erregung.

Wie unter Wasser, ungesehen. Nur gespürt.

Vielleicht ein Raubtier, das auf Beute aus war. Ein Hai, der gekonnt durch Flachwasser zog.

Denn es war ein festlicher Anlass, eine Zusammenkunft mehrerer Hundert Gäste in opulentem Rahmen (der Riverview Ballroom des Renaissance Grand Hotel in Detroit), eine jährlich stattfindende Benefizveranstaltung (die March Madness Gala) zugunsten des chronisch unterfinanzierten Detroit Institute of Arts und damit so etwas wie ein Feuchtbiotop, in dem Lebensformen schwimmen, die erwartungsvoll Ausschau nach anderen Lebensformen halten.

Sie wandte sich, ohne nachzudenken, demjenigen zu, der sie am Handgelenk berührt hatte, ein strahlendes leeres Lächeln zu seinem Gesicht erhoben (er war groß, überragte sie deutlich), das Lächeln einer Frau, die sich sicher ist, dass sie in diesem Milieu keinen folgenschweren Fehler machen kann, es war schließlich ihr Milieu – für den Besuch der Gala benötigte man eine Eintrittskarte, die sechshundert Dollar pro Person kostete, und Hannah war ja eine von mehreren Co-Vorsitzenden des Abends. Und so wandte sie sich also um in der Erwartung, ein bekanntes Gesicht zu sehen, doch nein: Das Gesicht war ihr nicht bekannt, war das eines Fremden mit schweren Lidern und stark gewölbter Stirn, kein attraktives Gesicht, keines, das Vertrauen einflößt, ein Gesicht, einzigartig, wie aus Stein gemeißelt, aber – lächelte der Mann sie an? Er trug keine dem Anlass angemessene Garderobe, keinen Abendanzug, sondern eine Krawatte aus einem silbrig seidenen Stoff, einen dunklen Nadelstreifenanzug aus leichter Wolle, ein weißes Hemd mit Manschettenknöpfen aus Onyx. Sein Haar war dicht wie ein Pelz, schwarz, von Grau durchzogen, streng nach hinten gebürstet und an den Schläfen etwas zurückweichend. Seine Augen von Nahem glänzend schwarz wie Murmeln, das Weiß sehr fein geädert; die Lider erinnerten sie an die von Falken oder Adlern – Raubvögeln …

Da hatten sich seine Finger auch schon um ihr Handgelenk geschlossen, umfassten und hielten es, als wollten sie ihr Halt geben, Sicherheit, und das verborgen vor allen, die womöglich herschauten. Und was auch immer dieser Mensch zu Hannah sagte, als er sich vertrauensvoll zu ihr beugte, versonnen, ironisch, sie aufforderte, mit ihm zu lachen, sie bemühte sich, es zu hören, noch immer mit dem leeren strahlenden Lächeln, hörte es aber nicht, nicht genau, hörte nur sich selbst lachen vor körperlichem Erschrecken, als wäre etwas Protoplasmisches, Bakterielles in ihren Blutkreislauf eingedrungen.

Was für eine bist du?, fragte er sie ihrer Erinnerung nach, vielleicht aber auch, sie weiß es nicht mehr genau, Welche von denen bist du?, oder sogar: Wer bist du? Fragen, die Hannah komisch fand, urkomisch, auch wenn sie das (vielleicht) nicht waren, sondern vielmehr aggressiv und anmaßend, und Hannah Jarrett – in dieser besonderen Situation außerdem erhitzt von dem zu schnell getrunkenen Glas Weißwein und dem aufregenden Anlass, den sie gemeinsam mit anderen so viele Wochen lang vorbereitet hatte, wofür ihr vom Podium herab gedankt und sie mit anderen Freiwilligen, als der Applaus ertönte, zum Aufstehen aufgefordert worden war – überraschte sich selbst mit ihrem verblüfften Lachen, das klang wie das wilde Flügelschlagen eines Prärievogels, der sich in Panik aus dem schützenden Präriegras in die Lüfte erhebt, verzweifelt versucht, den Jägern und ihren Hunden zu entkommen, die ihn töten wollen.

Doch nein. Er war ihr Freund. Würde ihr Freund sein. Ihr Freund.

Lachte nicht über sie, sondern mit ihr, anteilnehmend. Als kenne er sie wirklich. Von seiner Warte eine abgepresste Zärtlichkeit, wie ein Älterer sie einem Kind gegenüber empfinden mag. Als wären sie alte Freunde, die sich durch außergewöhnliche Umstände in einem lärmenden Haufen Fremder wiederbegegneten.

Freunde, deren enge Verbindung nach Jahren der Trennung sofort wieder auflebt, was vor anderen geheim gehalten werden muss.

Es hätte eine Szene aus einem Film sein können, in dem aus dem Blick, den eine überrumpelte Frau und der Mann, der sie überrumpelt hat, tauschen, sofort eine intime/erotische/schicksalhafte Verbindung entsteht: Unterlegenheit, Verwunderung und Unbehagen bei der Frau, sexuelle Arroganz und Sicherheit beim Mann.

Wie in einem Film hörte man im Hintergrund Musik, schroffe, abgehackte Noten: Ein Jazzquintett spielte eine nicht identifizierbare Melodie, Töne wie grell aufblitzende Glasscherben, wodurch Gespräche in dem Festsaal mit der hohen Decke und dem harten glänzenden Holzboden praktisch unmöglich waren.

Schwierig für Hannah, zu wissen, was zu ihr gesagt/von ihr erbeten wurde.

Sie selbst, hört sie, spricht leichthin, besonders geistreich. Ihr Ton ist spielerisch, kapriziös, ausweichend – obwohl sie, wie sie sich später erinnert, ihren Namen und ihre Identität arglos preisgibt, mit Gattinnenstolz oder – eitelkeit dem begierig lauschenden Fremden den Namen ihres Mannes nennt. Sie konnte auch nicht widerstehen, sich als »eine Co-Vorsitzende« des Abends vorzustellen.

Sein Name bloße Initialen: Y.K.

Das genügte Hannah fürs Erste.

Sie protestierte zaghaft, lachend. »Aber warum denn? Kennt hier niemand deinen Namen?«

Merkte allerdings, dass es ihm nicht gefiel, ausgefragt zu werden. Einer der Männer, die nur widerwillig, häppchenweise Informationen über sich preisgeben.

Von sich aus sagte Y.K.: Er sei zu der Veranstaltung gekommen, weil jemand ihm eine Eintrittskarte geschenkt habe.

Und – das Museum liege ihm am Herzen. Alle Museen. Die Kunst.

Außerdem übernachte er in dem Hotel. In seinem Detroiter Lieblingshotel, in seiner gewohnten Suite in einer der obersten Etagen.

Er komme oft nach Detroit, geschäftlich. Logiere im Renaissance Grand, das über einen Hubschrauberlandeplatz verfüge. Von Detroit könne er mit dem Heli nach East Lansing gebracht werden.

Oder der Gouverneur des Staates könne per Hubschrauber nach Detroit kommen, sie sähen einander manchmal zum Abendessen, hätten eine alte Verbindung. Sie seien zusammen Kadetten in Colorado gewesen.

Was meint er damit?, fragte sich Hannah. Kadetten, Colorado?

Später ging Hannah auf, dass Y.K. wohl die Luftwaffenakademie in Colorado Springs gemeint hatte.

Wenn Y.K. (seinem Aussehen nach) Anfang vierzig war, war er wahrscheinlich Pilot in Vietnam gewesen.

Dieser gedankenverlorene Blick, wie von ferne. Der Blick eines Piloten, der überlegt, wann er seine Bomben ausklinkt.

Hannah wurde ganz flau, als sie sich den Männerkörper unter der Abendgarderobe vorstellte, überzogen von Narben. Und die Hände einer Frau, die diese Narben lasen wie Brailleschrift. Gespreizte Finger, die sich an seine Seiten klammerten, an seinen muskulösen Rücken.

Diese Vision kam einfach über sie. Und auch das wie im Film, völlig unvermittelt.

Seltsamerweise aber weniger eine Vision als vielmehr eine Erinnerung.

Und während sie sich unterhielten – es zumindest versuchten bei dem Lärm –, hielten seine Finger sie am Handgelenk fest, auf Höhe ihres Oberschenkels. Und drückten gegen ihr Bein. Als hätten ihre Stimmen sich separiert von der seltsamen Intimität, die zwischen ihnen entstanden war, einer Intimität, die die Sprache ausschloss.

Allein hierauf kommt es an, das ist real.

Bilde dir nicht ein, dass ich dir schmeichele. All das in deinem Leben, der Schwindel, die Scheinheiligkeit – der Selbstbetrug –, ist nun vorbei.

Es gibt nur eine Frage: Wozu bin ich fähig?

Keins dieser Worte wurde laut ausgesprochen, und doch verstand Hannah vollkommen. Röte stieg ihr ins Gesicht vor Erregung und Unruhe.

Ganz still stand sie da, kerzengerade. Wie angenehm das Blut in ihr Herz strömte!

Es hatte den Anschein, als unterhielten sie sich, ganz zwanglos. Nicht anders als die anderen im Raum, und es waren so viele, die sich hier wie in einer Unterwasserwelt bewegten. Der Lärm war ohrenbetäubend, doch die Münder formten lautlos Worte. Die Gesichter wirkten verzerrt, fratzenhaft, als gingen sie unter.

Hannah blickte sich um. Ob jemand sie erkannte? Sie rettete? Sie hatte viele Freunde hier, wusste ihre Namen nicht mehr. Einen Ehemann?

Sie entdeckte kein bekanntes Gesicht. Wo war der Mann?

Heimlich hielt Y.K. Hannahs Handgelenk immer noch fest umklammert. Seine Knöchel drückten an ihren Oberschenkel.

Y.K.s Worte ließen direkt oder indirekt darauf schließen, dass er Geld hatte. Oder zu denen gehörte, die mit den schnellen Strömen schwammen, die Geld ermöglicht. Falls es einen Unterschied zwischen einem Kaufmann und einem Unternehmer gibt, war Y.K. vielleicht Letzteres, schwer fassbar, vage. Hannah würde Wes fragen, ob er ihn kannte.

Nein, das würde Hannah nicht tun. Dieses Thema konnte sie bei Wes nicht anschneiden, ohne zu erröten und damit Verdacht zu erregen.

Y.K. sagte, wenn er das nächste Mal in Detroit sei, könnten sie sich vielleicht treffen.

Etwas zusammen trinken, hier im Hotel, würde dir das gefallen? Hannah lachte nervös, bestürzt von der Frage,...

Erscheint lt. Verlag 19.3.2024
Übersetzer Silvia Morawetz
Sprache deutsch
Original-Titel Babysitter
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Amerikanische Literatur • Angst • Bestseller-Autorin • blond • Detroit • Feministische Literatur • für Fans von Margaret Atwood • für fans von Meg Wolitzer • für Fans von Siri Hustvedt • literarischer Roman • Oakland County Kindermorde • Rassismus • Report der Magd • Serienmörder • Soziale Gerechtigkeit • Spannungsroman • Vorstadt • weibliche Perspektive
ISBN-10 3-7530-0092-2 / 3753000922
ISBN-13 978-3-7530-0092-3 / 9783753000923
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