Die Violinistin von Auschwitz (eBook)
464 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60453-6 (ISBN)
Ellie Midwood ist USA Today-Bestsellerautorin und wurde für ihre historischen Romane ausgezeichnet. Ihr Interesse an der Geschichte des Zweiten Weltkriegs verdankt sie ihrem Großvater, der selbst in Russland gekämpft hat und ihr schon als kleines Mädchen von seinen Erlebnissen an der Front erzählte. Nach ihrem BA-Abschluss in Linguistik beschloss Ellie Midwood, das Schreiben zu ihrer Hauptbeschäftigung zu machen. Die Autorin erweitert ihre Bibliothek ständig um neues Forschungsmaterial und stillt ihr Interesse an der Geschichte des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts durch das Sammeln seltener Erinnerungsstücke und Dokumente. In ihrer Freizeit ist Ellie Midwood eine gesundheitsbesessene Yoga-Enthusiastin, Ordnungsfanatikerin, Abenteurerin, Expertin für die Geschichte Nazideutschlands, Vielsprachlerin, Philosophin, stolze Jüdin und Hundemutter. Die Autorin lebt in New York.
Ellie Midwood ist USA Today-Bestsellerautorin und wurde für ihre historischen Romane ausgezeichnet. Ihr Interesse an der Geschichte des Zweiten Weltkriegs verdankt sie ihrem Großvater, der selbst in Russland gekämpft hat und ihr schon als kleines Mädchen von seinen Erlebnissen an der Front erzählte. Nach ihrem BA-Abschluss in Linguistik beschloss Ellie Midwood, das Schreiben zu ihrer Hauptbeschäftigung zu machen. Die Autorin erweitert ihre Bibliothek ständig um neues Forschungsmaterial und stillt ihr Interesse an der Geschichte des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts durch das Sammeln seltener Erinnerungsstücke und Dokumente. In ihrer Freizeit ist Ellie Midwood eine gesundheitsbesessene Yoga-Enthusiastin, Ordnungsfanatikerin, Abenteurerin, Expertin für die Geschichte Nazideutschlands, Vielsprachlerin, Philosophin, stolze Jüdin und Hundemutter. Die Autorin lebt in New York.
Kapitel 1
Auschwitz, Juli 1943
Still und heiß war es in Block 10 an diesem diesigen Nachmittag. Gelegentlich machte eine Krankenschwester, selbst ein Häftling, ihre Runde, um nachzusehen, wer in der Zwischenzeit verstorben war. Fast jeden Tag gab es ein paar Tote. Alma zählte sie nicht – sie war mit ihrem eigenen Fieber beschäftigt –, aber im Halbschlaf bekam sie manchmal mit, wenn die Schwestern die Verstorbenen aus den Betten zogen. Einige waren bereits krank gewesen, als man sie in Drancy, dem französischen Durchgangslager, zusammen mit Alma in den Zug gescheucht hatte, andere hatten sich auf der Reise angesteckt. Das war auch kein Wunder, denn sie hatten so dicht aufeinandergesessen wie Sardinen in der Dose, sechzig Menschen in jedem Viehwaggon. Und wieder andere waren erst hier in Auschwitz durch medizinische Versuche zu Tode gekommen.
Langsam ließ Alma ihren Blick durch den Saal wandern. Er war ziemlich groß, und die Betten standen so nahe nebeneinander, dass die Pflegerinnen Mühe hatten, sich dazwischen durchzudrängen. Aber am schlimmsten war der Gestank, ein abstoßendes, durchdringendes Gemisch aus altem Schweiß, verbrauchter Luft, brandigem Fleisch und besudelter Kleidung, das einem den Magen umdrehte.
Im Gegensatz zu den anderen war Almas Gruppe nach der Ankunft nicht in Quarantäne geschickt worden oder sofort in die Gaskammer gewandert. Stattdessen hatte sie das zweifelhafte Glück ereilt, in Block 10 zu landen, dem Block für medizinische Versuche – einem zweistöckigen Ziegelbau, dessen Fenster stets fest geschlossen blieben, um seine teuflischen Geheimnisse vor Neugierigen zu verbergen.
Manchmal hatten die Schwestern Mitleid mit ihnen und öffneten für ein paar herrliche Momente die Fenster, um den Saal durchzulüften. Allerdings schadete dies in den meisten Fällen mehr, als es nützte, denn dabei drangen Schwärme von Fliegen und Mücken herein, stürzten sich hungrig auf die ausgemergelten Körper und verbreiteten weitere Krankheiten. Die Frauen stöhnten, gequält von den Stichen und dem unablässigen Summen. Noch mehr infizierte Wunden, noch mehr Leichen, die von den kahl geschorenen Pflegerinnen abtransportiert werden mussten. Und immer notierte eine davon die Anzahl der Toten in ihren Listen, um diese später ihrem Vorgesetzten, dem SS-Arzt Dr. Clauberg, vorzulegen. Die berüchtigte deutsche Ordnung, durchgesetzt von jüdischen Häftlingen. Schnell begriff Alma die Ironie dieses traurigen Sachverhalts.
An ihrem ersten Tag im Block hatte sie voller Naivität um ein Medikament gegen ihr Fieber gebeten und war ausgelacht worden. Mit so viel Würde, wie sie angesichts der Umstände zusammenkratzen konnte – schließlich hatte man ihr gerade den Kopf geschoren und ihr eine Nummer anstatt des Namens gegeben –, erkundigte sie sich nach den Röntgengeräten, die sie in zwei Räumen im Erdgeschoss erspäht hatte. Aber auch diese Frage wurde von den Pflegehäftlingen ignoriert.
»Kümmere dich um deinen eigenen Kram«, war alles, was sie von der Blockältesten Hellinger hörte, einer blonden Frau mit strengem Gesicht und einem Band zur Kennzeichnung ihres Rangs am linken Oberarm. Es schien so, als hätten die Krankenschwestern, obgleich selbst Gefangene, kein Interesse daran, sich mit den Neuankömmlingen anzufreunden.
»Mir ist schon klar, dass ich hier nicht im Hotel Ritz bin, aber an der Gastfreundlichkeit könnte man trotzdem noch arbeiten«, gab Alma kühl zurück.
Mit verblüfftem Blinzeln blickte die Pflegerin von ihrem Klemmbrett auf. Im ganzen Block war es still geworden, aller Augen waren auf Alma gerichtet. Ihr dämmerte, dass Widerspruch hier wohl nicht häufig vorkam.
»Transport aus Frankreich?« Hellinger musterte Alma eisig. Sie sprach ein vorzügliches Deutsch, aber mit einem starken ungarischen Akzent. »Hätte ich mir denken können. Von dort kommen immer die hochnäsigsten Weiber.«
Alma lächelte. »Ich bin Österreicherin.«
»Noch besser. Die Arroganz des Kaiserreichs. Die SS wird Ihnen den Kopf schon zurechtrücken, Eure Hoheit.«
»Das würde Ihnen wohl gefallen, oder?«
Zu Almas Überraschung zuckte Hellinger nur mit den Schultern. »Mir ist das egal. Als Blockälteste bin ich für Ordnung zuständig und nicht dafür, mir über euch den Kopf zu zerbrechen. Die Hälfte von euch kratzt in ein bis zwei Wochen ohnehin ab, und die andere Hälfte wird im Lauf der nächsten drei Monate durch den Schornstein gejagt, aber auch nur, wenn ihr nach der Prozedur lange genug durchhaltet.«
Die Prozedur.
Alma wusste, dass sich neben ihrem Saal der Raum mit den Frischoperierten befand, doch der Zutritt dort war verboten.
»Dann melde ich mich gleich mal an«, sagte sie aus purem Trotz. Wie ein in die Ecke getriebenes Tier biss sie in nutzloser Selbsttäuschung ein letztes Mal um sich – nicht so sehr, um den Feind zu verletzen, sondern um sich selbst weiszumachen, dass sie keine Angst hatte. »Es spielt ohnehin keine Rolle. Je früher es vorbei ist, umso besser.«
Alma rechnete mit einem Wutausbruch – hier wurden die Insassen schon für die leiseste Provokation geschlagen –, Hellinger blieb jedoch seltsam still. Die Blockälteste schien eine Weile nachzudenken, dann bedeutete sie Alma, ihr zu folgen. Den Blick misstrauisch auf den Rücken der Frau gerichtet, ging Alma durch einen schwach beleuchteten Flur bis zur Tür des anderen Krankensaals, die Hellinger für Alma aufhielt. Als Alma zögernd näher trat, machte die Blockälteste eine spöttische Geste: nach Euch, Eure Hoheit.
In diesem Saal roch die Luft noch ekelhafter. Hellinger blieb am ersten Bett stehen, eine Frau lag darin. Ihr Gesicht war leichenblass und so sehr mit Schweißtropfen übersät, dass es einer Totenmaske aus schmelzendem Wachs glich.
Mit erschreckender Selbstverständlichkeit schlug Hellinger das Nachthemd der Frau nach oben, und Alma wurde übel. Sie brauchte all ihre Kraft, um zu verhindern, dass man ihr sämtliche Gefühle vom Gesicht ablesen konnte. Schwarzer Schorf bedeckte die entzündete rote Haut am Unterleib der Frau, wo die Blasen aufgegangen waren. Unmittelbar über ihrem Schambein befand sich ein langer, grob und mit hässlichen Beulen zusammengenähter Schnitt, aus dem ein übler Geruch aufstieg.
»Unblutige Sterilisation«, erläuterte Hellinger mit der leidenschaftslosen Stimme einer Professorin. »Die Eierstöcke werden einer extrem hohen Dosis Röntgenstrahlung ausgesetzt und dann chirurgisch entfernt, um festzustellen, ob die Prozedur erfolgreich war. Die Strahlung ist so stark, dass sie heftige Verbrennungen hervorruft. Und die Operation selbst wird weitgehend ohne Betäubungsmittel vorgenommen. Wie Sie sehen können, ist in diesem Fall eine massive Infektion aufgetreten, aber das spielt für Dr. Clauberg keine Rolle. Sie versuchen, die richtige Dosis zu finden, um Verbrennungen zu vermeiden, bisher sieht es jedoch hinterher immer noch so aus.« Sie bedeckte den Unterleib der Patientin wieder und warf Alma einen bedeutungsvollen Blick zu.
Eine ganze Weile rührte Alma sich nicht. Als sie endlich ihre Stimme wiedergefunden hatte, fragte sie: »Gibt es da ein bestimmtes System? Ich meine, wie sie die Gefangenen aussuchen.«
»Es sind Deutsche.« Hellinger zeigte zum ersten Mal ein Lächeln, auch wenn es in Almas Augen eher einer Grimasse glich. »Alles ist perfekt durchnummeriert. Bisher sind sie bei der Prozedur mit Nummer 50204 bis 50252 durch.«
Alma sah auf ihren linken Unterarm, auf dem in blauer Tinte ihre eigene Nummer eintätowiert war: 50381.
Hellinger blickte ebenfalls darauf, und ihre Gesichtszüge wurden ein wenig sanfter.
Alma hob den Kopf, in ihren schwarzen Augen stand eine neue Entschlossenheit. »Dürfte ich Sie vielleicht um einen Gefallen bitten?«
Hellinger zuckte mit einer Schulter.
»Ist es möglich, hier irgendwo eine Geige aufzutreiben?«
»Eine Geige?«
Offensichtlich war die Frage nach einem Musikinstrument in Auschwitz ebenso ungewöhnlich wie der Widerspruch...
Erscheint lt. Verlag | 31.8.2023 |
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Übersetzer | Uta Rupprecht |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Alma Rosé • Auschwitz Buch • Der Tätowierer von Auschwitz • Geigerin • Heather Morris • historischer Roman 20. Jahrhundert • Holocaust-Biografie • Holocaust-Memoir • Holocaust-Roman • Holocaustüberlebende • Judentum • Judenverfolgung • Konzentrationslager in Polen • KZ Auschwitz • Musikerfamilie Mahler • Musikerin • mutige Frauen • Nationalsozialismus • Nazis • Österreich • Polen • Starke Frauen Buch • Violinistin • Wiener Walzermädeln • Zweiter Weltkrieg |
ISBN-10 | 3-492-60453-6 / 3492604536 |
ISBN-13 | 978-3-492-60453-6 / 9783492604536 |
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