Honigland (eBook)
576 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60511-3 (ISBN)
Hanni Münzer ist eine der erfolgreichsten Autorinnen Deutschlands. Mit den Romanen ihrer »Honigtot-Saga«, der »Seelenfischer«- und »Schmetterlinge«- Reihe sowie der »Heimat-Saga« erreichte sie ein Millionenpublikum und eroberte die Bestsellerlisten. Mit den Romanen »Honigland« und »Honigstaat« (Am Ende der Nacht 1 und 2), setzt sie ihre erfolgreiche »Honigtot-Saga« ebenso spannend wie bewegend fort. Nach Stationen in Seattle, Stuttgart und Rom lebt Hanni Münzer heute mit ihrem Mann in Oberbayern.
Hanni Münzer ist eine der erfolgreichsten Autorinnen Deutschlands. Mit den Romanen ihrer »Honigtot-Saga«, der »Seelenfischer«- und »Schmetterlinge«-Reihe erreichte sie ein Millionenpublikum und eroberte die Bestsellerlisten. Nach Stationen in Seattle, Stuttgart und Rom lebt Hanni Münzer heute mit ihrem Mann in Oberbayern. Ihr Roman »Heimat ist ein Sehnsuchtsort« ist der Auftaktband einer zweibändigen Saga, die von ihrer eigenen Familiengeschichte inspiriert ist.
Kapitel 2
August 1928
Kein Ding sieht so aus, wie es ist. Am wenigsten der Mensch, dieser lederne Sack voller Kniffe und Pfiffe.
Wilhelm Busch
Franz-Josef, wissen Sie, wo meine Schwester Daisy steckt?«, erkundigte sich Louis beim Butler seiner Großmutter Sybille.
»Sie wollte mit ihrer Staffelei zur Obstwiese, Herr Graf.«
Louis hatte es schon längst aufgegeben, den vornehmen Butler seiner Großmutter darauf hinzuweisen, dass er kein Graf war. Franz-Josef verharrte eisern in seiner Rolle als ehemaliger Haushofmeister in der Wiener Hofburg, und er trat ebenso standesbewusst auf wie sein Namensvetter, der verstorbene österreichische Kaiser. Mit derselben Entschlossenheit hielt er daran fest, seine Herrschaft Sybille von Tessendorf mit »Durchlaucht« anzureden, und im Gegensatz zu ihrem Enkelsohn hatte die nichts daran auszusetzen. Darüber hinaus fungierte Franz-Josef als Sybilles drittes Auge und Ohr. Es entging ihm nichts. Sei es ein nächtlich umherschleichender Diener auf dem Weg zum Stubenmädchen, ein Fleck auf der Silberplatte oder das Geschwisterpaar Louis und Daisy, das einen Streich ausheckte.
Louis bedankte sich für die Auskunft und verließ das Haus über die Terrasse. Am Fuß der Treppe zum Garten lief er seiner Schwester Violette in die Arme. Sie trug ihr weißes Tenniskleid und schwang einen Schläger. »Louis! Spielst du eine Partie mit mir?«
»Das geht gerade nicht. Ich muss mit Daisy reden.«
»Immer hast du Zeit für Daisy, aber nie für mich«, schmollte die Zwölfjährige.
»Na schön.« Er gab nach, denn so ganz unrecht hatte sie nicht. »In einer halben Stunde, in Ordnung? Bis dahin kannst du ein paar Aufschläge üben.« Ein strahlendes Lächeln war seine Belohnung.
Daisy hatte ihre Staffelei in den Schatten eines Apfelbaums gerückt. »Also wirklich, Nereide«, hörte Louis sie mit ihrem Pferd schimpfen. »Kannst du nicht wenigstens eine Minute ruhig stehen?« Aber die hübsche Trakehner Stute fand das Fallobst weitaus interessanter, als ihrer Herrin Modell zu stehen. Emsig stöberte sie im Gras umher, so weit es ihre Schleppleine erlaubte.
Louis musste schmunzeln und schaute Daisy über die Schulter. Die gespannte Leinwand zeigte zwar kaum mehr als eine vage Skizze, und trotzdem war es eindeutig Nereide, die darauf Gestalt annahm.
»Heute naturalistisch unterwegs? Hast du dem Expressionismus abgeschworen?«
»Wenn sie nicht aufpasst, male ich ihr ein drittes Auge auf die Stirn wie bei einem Zyklop. Und ein fünftes Bein«, grummelte Daisy. Sie steckte ihr Zeichengerät weg. »Komm, das wird heute nix mehr, und allmählich wird es zu warm. Gehen wir einen Happen essen? Ich bin halb verhungert.«
»Wie kann das sein? Wir haben gerade erst gefrühstückt.«
»Aber das war um sieben Uhr!«
»Eben, und jetzt ist es halb zehn.«
Daisy seufzte. »Meinem Magen zufolge ist es längst Mittagszeit.« Sie ging zu ihrem Pferd und band es los. »Du hattest genug, du Vielfraß. Ab auf die Koppel.« Nereide protestierte mit einem leichten Schnauben, folgte ihr jedoch willig.
Louis packte Daisys Staffelei zusammen und schlenderte neben ihr her. Sie blickte schräg zu ihm rüber. »Warum hast du mich gesucht?«
»Wegen Hugo, ich …«
»Was? Ist er da?« Daisy blieb abrupt stehen.
»Nein. Und wenn du mich ausreden ließest, hättest du dir den Schreck erspart. Ich möchte dir einen Vorschlag machen.«
***
Zehn Tage später lag Daisy mit der Flinte im Anschlag im Schilf und wartete darauf, dass ihr das Mittagessen vor die Kimme geriet. Seit einer Woche waren Louis und sie nun mit ihren Faltbooten auf der Havel unterwegs, ihr Proviant ging zur Neige, und sie hatte mittlerweile so viel angelfrischen Fisch konsumiert, dass es sie wenig gewundert hätte, wären ihr Flossen gewachsen. Sie hatte nie vorgehabt, Louis auf seiner lange geplanten Tour durch die Brandenburger Seenlandschaft zu begleiten. Gewiss, sie mochte frische Luft, den Wald und die freie Natur, zog es jedoch in der Regel vor, all diese Annehmlichkeiten auf dem Rücken ihres Pferdes zu genießen. Nach dem Skandal um die gelöste Verlobung mit Hugo Brandis zu Trostburg hatte Louis sie jedoch zu dieser Bootstour überreden können. Tatsächlich taten ihr der Tapetenwechsel und die räumliche Distanz wohl. Es lüftete ihren Kopf aus. Trotzdem hielt Hugo noch einen großen Teil davon besetzt, sie musste nur seinen Namen denken, und ihr Magen verschlang sich zu einem Knoten.
Außerhalb der Familie hätte niemand von ihrer Ver- und Entlobung erfahren müssen, doch Hugo hatte es kaum erwarten können, die Verlobung überall hinauszuposaunen. Anders als von Daisy angenommen, dachte ihre Großmutter gar nicht daran, ihr aus der Patsche zu helfen.
»Bist du deppert?«, hatte die gebürtige Wienerin angemerkt, die rechte Augenbraue hochgezogen. »Wer Ja sagt, kann auch Nein sagen. Entweder du heiratest den Mann, oder du erklärst ihm, dass du ihn nicht willst. Du hast dir dein Problem selbst geschaffen, Marguerite. Löse es auch selbst. Servus.« Servus bedeutete stets Rauswurf, und Daisy hatte sich wohl oder übel getrollt.
Die Angelegenheit in Ordnung zu bringen erwies sich jedoch als weit schwieriger als angenommen. Denn Hugo Brandis zu Trostburg weigerte sich, Daisys Sinneswandel hinzunehmen. Jegliches Argument, welches sie gegen ihre Heirat ins Feld führte, wischte er sogleich vom Tisch. Brachte sie vor, sie fühle sich noch zu jung, um jetzt schon eine Ehe einzugehen, lächelte er und sagte, da müsse sie sich nicht sorgen, älter würde sie schließlich von allein, und deshalb sei es klug, sie überließe ihm, dem Erfahreneren, die Entscheidung, da sie selbst so unentschlossen sei. Wandte sie ein, sie liebe ihn nicht, erwiderte er, die Liebe würde mit der Zeit entstehen, sobald sie ihn und seine Vorzüge besser kennenlerne. Erklärte sie, das würde nicht geschehen, weil Liebe niemals ein Umstand von Vorzügen sei, entgegnete er, in diesem Falle würde seine Liebe für sie beide genügen. Daisy brandete gegen eine Mauer aus männlicher Arroganz und Ignoranz, die in einer Verlobungsanzeige in der auflagenstarken Berliner Illustrierten Zeitung gipfelte, die Hugo ohne ihr Wissen in Auftrag gegeben hatte.
Noch am selben Tag trudelten erste Glückwünsche von Verwandten und Bekannten zu dieser Verbindung ein. Daisy konnte es nicht fassen. Als Hugo gut gelaunt erschien, im Glauben, alles stehe zum Besten und seine Verlobte sei ihm dafür dankbar, dass er klare Verhältnisse geschaffen habe, ging ihm Daisy fast an die Gurgel.
Selbst Hugo dämmerte es dann, dass Daisy sich nicht nur ein wenig zierte. Sein Gleichmut fiel von ihm ab.
»Du hysterische Ziege! Du hast mich mit der Verlobungsanzeige der Lächerlichkeit preisgegeben!«
»Ach, jetzt bin ich schuld?«, entgegnete Daisy hitzig. »Ich bin es schließlich nicht gewesen, die zum Anzeiger gerannt ist! Schon allein, wie du dich jetzt aufführst, zeigt mir, dass ich gut beraten bin, dich nicht zu heiraten. Du bist kein nobler Mann.«
»Ach, und wer berät dich in dieser Frage? Etwa dein verzärtelter Dichter-Bruder?«
Sie warfen sich noch vieles an den Kopf. Auch eine venezianische Vase fiel dem Streit zum Opfer. Daisys Temperament kannte viele Ausprägungen.
Allerdings konnte auch diese hässliche Szene nicht an Hugos Überzeugung rütteln, dass er der beste Mann für sie sei und Daisy das mit der Zeit schon noch begreifen würde. So einfach wurde sie ihn nicht los, und die nächsten Wochen verfolgte er sie regelrecht.
Hätte Daisy es nicht besser gewusst, sie hätte vermutet, Hugo habe in Hagen von Tessendorf, Louis’ und ihrem Halbbruder aus der ersten Ehe ihres Vaters Kuno, einen Verbündeten. Aber Hagens primäres Interesse galt seinem eigenen hohlen Ich. Wahrscheinlich verdiente sich einer der zahlreichen Dienstboten etwas dazu, indem er Hugo mit Informationen über sie fütterte. Unangemeldet kam Hugo nach Tessendorf,...
Erscheint lt. Verlag | 27.7.2023 |
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Reihe/Serie | Am Ende der Nacht | Am Ende der Nacht |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | 3. Reich • Albert Speer • Architektur • Bauhaus • Belletristik Neuerscheinung • Belletristik Neuerscheinung 2022 • Bestsellerautorin • Bücher Bestsellerautorin • Bücher historisch 2022 • Deutsche Autorin • deutsche Familiengeschichte • Deutsche Geschichte • Deutsche Historie • Hanni Münzer • Heimat-Saga • Historie • Historienroman • historisch • Honigtot • Marlene • Nationalsozialismus • NS-Zeit • Pommern • Roman Architektin • Romane Bestsellerautorin • Roman Frauen • Roman Frauenemanzipation • Roman Frauengeschichte • Roman Frauenschicksal • Roman Frauen zwischen Kunst und Liebe • Roman historisch • Roman historisch Neuerscheinung 2022 • Roman Neuerscheinung 2022 • Roman Neuerscheinungen |
ISBN-10 | 3-492-60511-7 / 3492605117 |
ISBN-13 | 978-3-492-60511-3 / 9783492605113 |
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