Faule Fische fängt man nicht (eBook)
288 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01622-4 (ISBN)
Christiane Franke wurde an der Nordseeküste geboren und lebt immer noch gerne dort. Neben ihren gemeinsamen Projekten mit Cornelia Kuhnert schreibt sie eine weitere Krimiserie um die Wilhelmshavener Kommissarinnen Oda Wagner und Christine Cordes, die im Emons Verlag erscheint. Gemeinsam mit Cornelia Kuhnert hat sie bei rororo bereits elf Bände ihrer Ostfriesland-Krimireihe um Dorfpolizist Rudi, Postbote Henner und Lehrerin Rosa veröffentlicht.
Christiane Franke wurde an der Nordseeküste geboren und lebt immer noch gerne dort. Neben ihren gemeinsamen Projekten mit Cornelia Kuhnert schreibt sie eine weitere Krimiserie um die Wilhelmshavener Kommissarinnen Oda Wagner und Christine Cordes, die im Emons Verlag erscheint. Gemeinsam mit Cornelia Kuhnert hat sie bei rororo bereits elf Bände ihrer Ostfriesland-Krimireihe um Dorfpolizist Rudi, Postbote Henner und Lehrerin Rosa veröffentlicht. Cornelia Kuhnert lebt in Hannover und hat dort als Lehrerin gearbeitet. Sie hat bereits zahlreiche Kriminalromane veröffentlicht und Anthologien herausgegeben. Gemeinsam mit Christiane Franke hat sie bei rororo bereits zehn Bände ihrer Ostfriesland-Krimireihe um Dorfpolizist Rudi, Postbote Henner und Lehrerin Rosa veröffentlicht.
Samstag
Es ist noch verdammt früh, als Rosa auf dem Steffens-Hof ankommt. Vorsichtshalber hat sie sich im Zwiebel-Look angezogen. Untenrum schützen eine wattierte Hose und dicke Schuhe vor der Kälte, obenrum ein Norwegerpulli, eine Steppweste, die blaue Wachsjacke, und den Abschluss bilden die hellblaue Strickmütze, der dazu passende Schal und gestrickte Pulswärmer, die bis zu den Fingern gehen und ein Loch für den Daumen haben. Auch wenn die Sonne schon am Himmel steht, sind es noch längst keine frühlingshaften Temperaturen.
In der gemütlichen Hofdiele ist schon ordentlich was los. Auf dem Holztisch stehen drei Thermoskannen, benutzte Becher, Frühstücksbrettchen, Brot, Aufschnitt und Marmelade. Barbara Hövelkamp klappt gerade eine Stulle zusammen, packt sie in eine Tupperdose und steckt sie in ihre Tasche. Karin sieht blass aus. «Ich hab wahnsinnige Kopfschmerzen», sagt sie, geht vor die Tür und zündet sich eine Zigarette an.
Als Conrad Rosa sieht, klatscht er zufrieden in die Hände. «Dann sind wir ja komplett. Fein! Ihr lauft zum Strand, Jette und ich fahren mit dem Wagen und bringen die Ausrüstung und die Staffeleien zum Parkplatz am Hafen. Von dort müsst ihr die Sachen nur noch über den Deich und an den Strand tragen. Übrigens: Frau Steffens wird uns gegen elf Uhr belegte Brote und Kaffee bringen, ihr braucht also keine Angst haben, dass ihr verhungert.»
Obwohl die Strecke zum Strand ein netter Spaziergang ist, mosert Mechthild schon wieder, aber selbst Verena hat heute keine Lust, sich das anzuhören, und unterhält sich lieber mit Karin, wie Rosa bemerkt. Sie haben den Weg über den neu gestalteten Campingplatz zum Deich eingeschlagen, damit sie gleich schon aufs Meer und hinüber nach Spiekeroog schauen können, während sie Richtung Strand laufen. Und tatsächlich kann man eine der weißen Fähren auf der Fahrt zur Insel im Sonnenlicht glänzen sehen.
Conrad und Jette erwarten sie bereits, als sie ankommen. Jette steht auf dem Weg zwischen Wasser und Strand, die Staffeleien sind aufgebaut, was sogar Mechthild ein zufriedenes «Na bitte, geht doch! Da tut Conrad wenigstens etwas für sein Geld» entlockt. Als sie jedoch das Bild von Karins Oma entdeckt, tippt sie sich an die Stirn. «Was soll denn der Scheiß?»
Erst da sieht Rosa, dass das gerahmte Bild in durchsichtige Folie eingewickelt ist. Verdutzt blickt sie Conrad an.
«Ich merke schon, ihr habt noch sehr viel zu lernen. Dieses Bild», er deutet darauf, «gehört uns nicht, und ich habe Karin versprochen, darauf aufzupassen. Es wird Wind und Sonne nicht schutzlos ausgeliefert sein. Der Wind trägt das Salz des Meeres mit sich und wirbelt ab und zu auch Sandkörner durch die Luft.»
«Ach nee, aber bei unseren Bildern macht es nichts, wenn da Sand draufgewirbelt wird?», fragt Mechthild spöttisch, kassiert jedoch eine scharfe Antwort des Kursleiters.
«Bei euren Bildern, die bewusst hier am Meer entstehen, gehört das sogar dazu! Mikrofeine Salzkristalle, winzige Sandkörner, sie geben euren Bildern das Authentische, das Lebendige, sie gehören zu den Elementen, die ihr für euch und die Nachwelt einfangt.»
Rosa muss schmunzeln. Conrad nun wieder. Er übertreibt gern, das hat er in Hannover schon getan. Andrea hingegen hängt hingebungsvoll an seinen Lippen, die Hövelkamps nicken und stellen die Rucksäcke neben ihre Staffeleien, nur Karin scheinen seine Worte nicht weiter zu beeindrucken. Stattdessen kämpft sie gegen den Wind, um sich ihre Zigarette anzuzünden. Rosa überlegt noch, wo sie ihre Staffelei hinstellen will, da kommt Rudi schnaufend angelaufen.
«Moin, Rosa!» Er trägt Joggingklamotten, Mütze, Handschuhe, Stöpsel in den Ohren und läuft auf der Stelle, als er neben ihr steht, um in Bewegung zu bleiben. «Nun geht’s also los mit deinem Malkurs?» Er grinst fast schon unverschämt. «Henner hat mir gestern Abend erzählt, dass euer Kursleiter ein echter Künstler ist.» Bei dem Wort «Künstler» malt er Anführungszeichen in die Luft.
«Gestern Abend?»
«Jo. Bei Berthold im Dattein an der Theke.» Wieder grinst er breit.
«Hab ich tatsächlich nicht dran gedacht», sagt sie und ärgert sich über sich selbst. «Wir hatten eben noch einiges für heute zu besprechen. Ist schließlich kein Anfängerkurs.»
«Conrad, kannst du mir mal helfen?», ruft Andrea in genau diesem Moment. «Ich hab das noch nie gemacht.»
Prompt steigt Rosa die Röte ins Gesicht.
«Na dann, viel Erfolg, du Meisterschülerin!» Rudis Grinsen geht von einem Ohr zum anderen, als er losläuft und wieder Tempo aufnimmt.
Emsig sind alle bei der Sache. Manche zeichnen mit dem Bleistift dünne Linien vor, andere legen bereits mit Pinsel und Farbe los, doch nach einer halben Stunde gibt Karin auf. «Tut mir leid, mir geht’s nicht so gut. Ich muss mich hinlegen.»
Strammen Schrittes läuft Karin nach Hause. Ihr Kopf fühlt sich an, als würde er in einem Schraubstock stecken. Der Druck hinter den Augen ist unerträglich. Außerdem jagt eine Hitzewallung die nächste. Sie schließt die Haustür auf, zieht Jacke und dicken Pullover aus und lehnt ihre Schläfe an die kühle Wand. Diese verdammten Kopfschmerzen kann sie nun gerade überhaupt nicht gebrauchen. Im Badezimmer nimmt sie die Schachtel mit den Schmerztabletten aus der Medikamentenschublade, drückt zwei aus dem Blister und schluckt sie trocken herunter. Sie hat sich so auf diesen Malkurs gefreut, und jetzt das. Zurzeit geht wirklich alles schief. Sie beugt sich zu ihrem Kater Elvis herunter und streichelt seinen Kopf. In diesem Moment klingelt es an der Tür.
Vermutlich bringt der Postbote die bestellten Turnschuhe. Sie schaut durch das Guckloch und öffnet die Tür. «Was machst du denn hier?»
Um kurz nach zwölf steuert Henner den elterlichen Hof an und radelt mit Schwung die Auffahrt hoch. Schon von Weitem sieht er Hühni, das älteste Huhn der Steffens, das gemächlich über den Weg trippelt. Als es Henners quietschende Bremsen hört, nimmt es Reißaus in die mit Perlhyazinthen gesäumten Rabatten.
Vaddern sitzt auf der Bank vorm Haus und schmökt seine Selbstgedrehte, Hofhund Butscher liegt zu seinen Füßen. Es ist ein Bild, an dem sich seit Jahr und Tag kaum etwas geändert hat. Außer dass Muddern jetzt immer eine leere Dose ans Bankende stellt, damit Vadderns Kippen nachher nicht auf der Erde liegen.
«Moin, Vadder! All up Stee?»
«Muss ja.» Vaddern nickt und nimmt einen letzten Zug. Bedächtig stößt er den Rauch aus, bevor er den Stummel in die Dose fallen lässt.
«Is was?»
«Ach, Jung.» Bevor Vaddern weitersprechen kann, geht das Küchenfenster auf, und Muddern steckt ihren Kopf heraus. «Essen ist fertig.» Ihr Blick fällt auf Henner. «Schön, dass du schon da bist. Hab heute was ganz Besonderes gekocht. Kommt rin.» Schon schließt sie das Küchenfenster.
Schwerfällig steht Vaddern auf.
Henner mustert ihn beim Reingehen von der Seite. «Also, was is?»
«Was soll sein?»
«Du guckst so muksch.»
«Die Pensionsgäste. Werden immer mehr.» Vaddern bleibt stehen. «Ich hätt dieser spinnerten Idee nicht zustimmen sollen. Man hat ja kaum noch seine Ruhe. Die Gäste machen sich überall breit.»
Stimmt. Auf solche überdrehten Typen wie den Kursleiter kann man gut verzichten. Aber es war nun mal Mudderns Wunsch, und sie müssen ja auch nicht dauerhaft vermieten. Das spielt sich schon ein.
Im Flur schnuppert Henner. Verlockender Bratenduft steigt ihm in die Nase. Aber da ist noch ein anderer Geruch. Scharf und unangenehm.
«Mit was für Zeugs hantiert ihr denn rum? Das stinkt ja wie die Pest.» Zügig schließt Henner die Küchentür hinter sich.
«Du redest doch nicht von meinem Braten?» Empört deutet Muddern auf das Blech mit dem großen Stück Rindfleisch. Knusprig braun, belegt mit Kräutern und Lorbeerblättern. Als besondere Zutat gibt Muddern einen ordentlichen Schuss Glühwein zum Schmoren dazu. Dadurch kriegt die Soße einen ganz eigenen Geschmack.
«Nee», wiegelt Henner gleich ab. «Draußen riecht es, als wenn ihr Türen gestrichen hättet.»
«Ach das … Das kommt von unseren Künstlern.» Muddern greift zum Messer und schneidet den Braten an. «Die haben gestern Abend wohl schon angefangen. Und heute Morgen sind die um halb acht mit Sack und Pack los zum Strand. Malen.»
«Das war vielleicht ein Getrampel, als die durch die Diele gelaufen sind. Rücksicht darauf, dass in diesem Haus vielleicht noch jemand schlafen will, nehmen die nicht.» Vaddern gibt einen Schlag Rotkohl auf den Teller.
Henner tut es ihm gleich und angelt sich anschließend ein besonders dickes Stück Braten mit der Gabel von der Platte. «Braten mit Glühweinsoße vor Ostern. Das gibt’s wohl nur bei uns.» Er grinst breit.
«Ist doch wurscht! Der schmeckt immer.» Vaddern schiebt sich ein großes Stück Fleisch in den Mund und kaut genüsslich.
Muddern tätschelt liebevoll seine Hand. «Man muss nicht alles in Stein gemeißelt sehen. Das hat Conrad auch gesagt, als er mich nach dem Rezept gefragt hat. Traditionen sind nicht gottgegeben, hat er gesagt. Sie müssen sich uns anpassen und nicht umgekehrt. Wir haben nur dieses eine Leben, da sollten wir jeden Tag feiern, als wäre es der letzte.»
Bei Mudderns Worten verzieht Vaddern unwillig das Gesicht. Henner muss ihm recht geben. Seit sie Pensionsgäste haben, ist Muddern wie ausgewechselt. Überhaupt: Conrad. Jetzt ist sie mit dem auch schon per Du. Henner räuspert sich. «Also ich finde den Typen ein bisschen zu abgedreht», sagt er.
«Das ist ein Schwafelheini», sagt...
Erscheint lt. Verlag | 13.2.2024 |
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Reihe/Serie | Henner, Rudi und Rosa | Henner, Rudi und Rosa |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Cosy Crime • cosy crime deutsch • Dattein • deutsche Kriminalromane • Deutsche Krimis • Dorfpolizist Rudi • Ermittler-Trio • Gemälderaub • Hannover • humorvoller Krimi • just one • Ketamin • Krimineuerscheinungen 2024 • Kunstexperte • Kunstfälschung • Kunstsammler • Küste • Küstenkrimi • Lehrerin Rosa Moll • lustige Urlaubsbücher • Malen am Meer • Malkurs • Neuharlingersiel • Nordsee • Nordseeinseln • Ostfriesenkrimi • Ostfriesen-Krimi • Ostfriesland • Ostfrieslandkrimi • Postbote Henner Steffens • Spannung aus Deutschland • spiegel bestseller • Spiegel Bestseller 2024 • Spiegel Bestseller-Autorin • Van Gogh |
ISBN-10 | 3-644-01622-4 / 3644016224 |
ISBN-13 | 978-3-644-01622-4 / 9783644016224 |
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