Spider Bunny -  Carlton Mellick III

Spider Bunny (eBook)

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2023 | 1. Auflage
176 Seiten
Festa Verlag
978-3-98676-064-9 (ISBN)
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Petey erinnert sich mit Grausen an die Werbung von Fruit Fun aus den 1980er-Jahren. Sie zeigte klumpige Cartoon-Kinder, die um einen Frühstückstisch herumsaßen und rosa Müsli aßen, das ihnen das Maskottchen Berry Bunny brachte.
Als Petey seinen Freunden erzählt, wie gruselig die Figuren waren und dass er als Kind Albträume von ihnen bekam, verstehen sie nicht, was er meint. Niemand hat die Werbung je gesehen. Es gibt nicht einmal Informationen im Internet.
Doch dann erscheint Berry Bunny erneut. Wieder wirbt sie im TV mit ihrer schrillen, bedrohlichen Stimme für Fruit Fun.
Und jetzt wird Peteys Albtraum wahr: Mitsamt seinen Freunden wird er in die surreale Werbewelt hineingesaugt, die von fleischgewordenen Zeichentrickfiguren bevölkert ist.

Eine absurde Horrorgeschichte vom König der Bizarro-Literatur. Irre genial.

Amazon.de: »Mellick III ist der Tim Burton der Literatur.«

Brian Keene: »Carlton Mellick zu lesen ist, als hättest du dein Hirn in einen Mixer gesteckt.«



Carlton Mellick III (1977 in Phoenix in Arizona geboren) schreibt Bizarro Fiction - ein Genre, das er quasi selbst erfunden hat. Bizarro Fiction ist seltsame Literatur. Man stelle sich einen bösen Roald Dahl auf Speed vor. Das sagt nicht viel aus? Hmm, vielleicht ahnt man etwas, wenn man einige Titel von CM3 hört: >Ultra Fuckers<, >Electric Jesus Corpse<, >The Menstruating Mall<, >The Haunted Vagina< oder >The Baby-Jesus Ass-Plug<. Bizarro Fiction ist wie: Franz Kafka trifft John Waters Kinderbücher nach der Apokalypse Takashi Miike trifft William S. Burroughs Alice in Wonderland für Erwachsene Japanisches Kino unter der Regie von David Lynch. Christopher Moore: »Carlton Mellick III hat die beklopptesten Buchtitel ... und die abartigsten Fans!' Cory Doctorow: »Ein Meister der surrealen Science-Fiction.« Amazon.de: »Mellick 3 ist der Tim Burton der Literatur.« Brian Keene: »Carlton Mellicks zu lesen ist, als hättest Du Dein Hirn in einen Mixer gesteckt.«

3

In der Nacht kehrte eine weitere Erinnerung in Form eines Traumes zurück. Ich war ungefähr ein Jahr älter als beim letzten Mal, sieben oder acht. Ich malte Bilder mit meinen neuen Buntstiften, die meine Väter mir zum Geburtstag geschenkt hatten, und sah mir dabei eine Pokémon-Folge auf Cartoon Network an, als eine Fruit-Fun-Werbung kam.

In der Sekunde, als ich Berry Bunnys schrille Stimme hörte, bekam ich eine Gänsehaut. Meine Haare richteten sich auf. Es war viel Zeit vergangen, seit ich das letzte Mal einen Fruit-Fun-Werbespot gesehen hatte. Ich hatte diese Werbung ganz vergessen.

Ich blickte nicht zum Fernseher auf, als die Werbung lief, sondern hielt die Augen fest auf meine Zeichnung gerichtet und versuchte, den Ton zu ignorieren.

»Esst was von meinen Fruit-Fun-Frühstücksflocken«, sagte Berry Bunny zu einer Gruppe von vier Zeichentrickkindern, die um einen Frühstückstisch saßen. »Sie sind überaus köstlich!«

Meine Hände zitterten, als ich mein Bild malte. Die Linien des Hauses wurden zu wellenförmigen Krakeln.

»Danke, Berry Bunny!«, sagte eins der Kinder. »Deine Frühstücksflocken sind die besten!«

Ich hörte, wie Frühstücksflocken in Schalen geschüttet wurden und die Kinder sich mit Genuss darüber hermachten.

»Lecker!«, rief das kleine Mädchen. »Ich liebe es, wie sie meinen Rachen hinunterzappeln!«

Als das Mädchen das sagte, blickte ich zum Fernseher hoch. Die Schüssel des kleinen Mädchens war nicht mit Frühstücksflocken gefüllt. Sie war gefüllt mit winzigen Kindern, die schrien und weinten und in rosa Milch schwammen. Die Zeichentrickkinder aßen Miniaturmenschen wie gewöhnliche Frühstücksflocken, als wären es Fruit Loops oder Cornflakes.

»Ich mag die Geräusche, die sie machen, wenn ich sie esse!«, sagte ein anderes Kind, der ältere Junge.

Er hielt sein Ohr an die Müslischale und lauschte den Schreien der winzigen Kinder, als wäre es das Knacken-Ploppen-Knirschen von Rice Crispies.

Das ältere Mädchen sagte: »Ich mag es, wie jedes Stück Fruit Fun um Gnade fleht, bevor man es isst!«

Ein anderes Kind meinte: »Ich mag es, wie sie vor Panik schreien, wenn man sie mit dem Löffel aus der Müslischale holt!«

Das kleinste Kind sagte: »Ich mag es, wie sie in Todesqualen kreischen, wenn man sie kaut!«

Mit vor Schock erstarrten Augen verfolgte ich die Werbung. Ich wollte den Blick abwenden, war aber nicht dazu in der Lage. Wie konnte das eine Frühstücksflockenwerbung für Kinder sein? Blut und Eingeweide liefen den Kindern aus den Mundwinkeln. Ein frisch abgetrennter Kopf fiel auf den Tisch wie eine verirrte Erbse. Ein Mädchen pulte sich mit einem Zahnstocher Knochen aus den Zähnen. Es ergab überhaupt keinen Sinn. Wenn dies ein echter Werbespot war, was versuchten sie dann zu verkaufen? Es war zu grausig, zu eklig.

Und dann kam Berry Bunny auf den Bildschirm. Sie sah die Kinder an, fröhlich hoppelnd, glücklich darüber, dass sie ihre Cerealien so genossen.

»Und denkt daran: Fruit Fun ist nicht nur köstlich, es ist auch gut für euch!«, sagte das Häschen. »Mit über 13 Vitaminen und Mineralien ist es ein wichtiger Bestandteil eines ausgewogenen Frühstücks.«

Berry Bunny sah anders aus. Sie war älter. Nur ein paar Jahre. Acht oder neun, so wie ich. Vorher hatte sie kaum den Frühstückstisch erreicht, aber jetzt war sie größer. Sie war dünner, mit weniger Babyspeck. Ich verstand nicht, warum man das Alter und Aussehen des Maskottchens geändert hatte, aber Berry Bunny war definitiv gealtert, seit ich den letzten Fruit-Fun-Werbespot gesehen hatte.

Die Werbung lief noch einige Minuten weiter. Sehr viel länger als ein üblicher Werbespot. Es ging einfach immer weiter, die Kinder aßen ihre Schüsseln mit winzigen Menschen, das Hasenmädchen lächelte und hüpfte vor Aufregung, entsetzte, panische Schreie kamen von den Löffeln. Der Kamerawinkel änderte sich nie.

Noch weitere fünf Minuten lief der Werbespot, aber es wurde nicht mehr geredet. Die Kinder aßen weiter, verschlangen ein Minikind nach dem anderen, man hörte nur Grunzen und Schmatzen, Schlürfen und Stöhnen. Ich wollte den Fernseher ausschalten, konnte die Fernbedienung aber nicht finden. Ich hätte ihn per Hand abstellen können, aber dazu hätte ich zu dicht an den Bildschirm gemusst, zu nahe an den Werbespot.

Nachdem ich Berry Bunny eine volle Minute angestarrt hatte, drehte sie sich um und schaute mich direkt an. Sie lächelte.

»Was ist mit dir, Petey?«, fragte sie mich. »Möchtest du meine Fruit-Fun-Frühstücksflocken mal probieren?«

Beinahe wäre mir das Herz stehen geblieben. Sie konnte mich sehen. Sie kannte meinen Namen.

»Nimm einen Happen!«, sagte sie.

Sie hielt mir einen Löffel mit ihren Frühstücksflocken hin. Ihr Arm ging durch den Fernsehschirm in unser Wohnzimmer, sie streckte ihn so weit aus, wie sie konnte. Auf meiner Seite des Bildschirms war ihr Arm kein Zeichentrickarm mehr. Er war echt. Ihre rosa-lila Haut glänzte vor Schweiß. Ihre roten Fingernägel sahen wie Krallen aus.

Und auf dem Löffel sah ich drei Miniaturkinder. Sie waren menschlich, im gleichen Alter wie ich. Als sie mich sahen, schwenkten sie die Arme, hüpften auf und ab und versuchten meine Aufmerksamkeit zu erregen.

»Hilf uns!«, rief eins von ihnen. »Hol uns aus dieser Werbung!«

Ein Miniaturmädchen schrie: »Sie werden uns essen!«

Ich wich vor dem Löffel zurück, bevor er zu nahe an meinem Gesicht war, und krabbelte über meine Zeichnung rückwärts zur Wohnzimmerwand.

»Du möchtest nicht?«, fragte Berry Bunny. »Meinetwegen. Wie du meinst.«

Sie steckte sich den Löffel mit den Kindern in den Mund. Mit einem lauten Schlucken schlang sie sie herunter und stieß dann einen zufriedenen Seufzer aus.

»Mehr für mich«, sagte sie.

Das war zu viel. Vor Entsetzen schreiend rannte ich aus dem Wohnzimmer und ins Zimmer meiner Väter. Sie hatten keine Ahnung, was mit mir los war. Ich war so panisch, dass ich kein Wort herausbrachte. Sobald sie mich beruhigt hatten und ich erklärt hatte, was passiert war, gingen sie mit mir zurück ins Wohnzimmer. Sie mussten mich praktisch dort hineinschleifen. Ich versteckte mich hinter meinem größeren Vater Oskar und schlang die Arme um sein Bein.

»Da ist nichts im Fernsehen«, sagte mein anderer Vater Tyler. »Sieh nur.«

Ich lugte hinter Oskar hervor und sah, dass Berry Bunny nicht mehr da war. Der Fernseher zeigte nur weißes Rauschen.

Tyler schlug mit der Hand gegen den Fernseher. Er sah Oskar an. »Hast du vergessen, die Kabelrechnung zu bezahlen?«

Oskar zuckte mit den Achseln. »Ähm …«, grunzte er mit seiner tiefen Truckerstimme. Dann nickte er. »Kann sein …«

Tyler schüttelte den Kopf, schaltete den Fernseher aus und kam zu mir. Er hob mich auf seine Arme.

»Es war nichts«, sagte er. »Nur deine Fantasie.«

Er trug mich in mein Zimmer.

»Lass uns eine Partie Candyland spielen, damit du auf andere Gedanken kommst.«

Als ich am nächsten Morgen erwachte, erinnerte ich mich ganz deutlich. Es war kein Traum gewesen, sondern eine Erinnerung, die wieder aufgetaucht war, etwas, das ich für viele Jahre verdrängt hatte. Aber wie konnte es real gewesen sein? Die Zeichentrickfigur hatte ihren Arm aus dem Fernseher herausgestreckt. Zeichentrickfiguren können das im wirklichen Leben nicht. Es musste ein Traum gewesen sein.

Ich beschloss, meine Eltern anzurufen und zu fragen, was sie dazu meinten. Wenn das damals wirklich passiert war, dann mussten sie sich daran erinnern, wie sie mich getröstet hatten. Wenn dein Kind sagt, dass es gesehen hat, wie ein Arm aus dem Fernseher kommt, ist das etwas, das man nicht so schnell vergisst.

Ich rief meinen Vater Tyler an, der immer zu Hause war. Er war selbstständiger Porträtmaler und so was wie der Hausmann der Familie.

»Hey Petey«, sagte Tyler, als er ans Telefon ging. »Was geht ab?«

Tyler nannte mich immer Petey.

»Hi Dad-T.« Ich nannte ihn immer Dad-T, was meistens wie Daddy klang. Oskar nannte ich Dad-O, woraus gewöhnlich Daddio wurde.

»Was macht die Schule?« Er war offensichtlich gerade am Malen und hielt das Telefon zwischen Schulter und Wange.

»Alles prima …«, sagte ich.

Ich wusste nicht, wie ich ihn fragen sollte. Plötzlich fühlte ich mich dumm und unbeholfen.

»Was ist los?«, fragte Tyler.

Dad-T konnte schon immer gut spüren, wenn bei mir irgendwas nicht in Ordnung war.

»Na ja, es ist ein bisschen albern …«, meinte ich.

»Was denn?«

»Ich habe diese verrückten Träume.«

»Träume?« Tyler klang besorgt.

»Über einen Fruit-Fun-Werbespot«, sagte ich. »Kannst du dich erinnern, ob ich schon mal was von einem Fruit-Fun-Werbespot gesagt habe?«

Tyler schwieg. Er sprach kein Wort.

»Ich habe Erinnerungen, die plötzlich wieder aufgetaucht sind«, fuhr ich fort. »Ich hatte sie völlig vergessen. Es gibt da diesen Zeichentrickhasen namens Berry Bunny. Ich hatte früher große Angst davor.«

Tylers Stimme klang ernst, als er mich fragte: »Siehst du wieder Fruit-Fun-Werbespots?«

Ich zögerte. Offenbar wusste er ganz genau, wovon ich redete.

»Ähmm …«, begann ich, etwas aus dem Konzept gebracht von seinem ernsten Ton. Tyler sprach sonst fast immer mit...

Erscheint lt. Verlag 13.3.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-98676-064-4 / 3986760644
ISBN-13 978-3-98676-064-9 / 9783986760649
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