Die Magie der kleinen Dinge (eBook)

Roman | Der internationale Megabestseller | Vorlage zur Mini-Serie »The Miniaturist«

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
400 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-77644-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Magie der kleinen Dinge - Jessie Burton
Systemvoraussetzungen
11,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen

Die junge Nella wird mit dem Amsterdamer Kaufmann Johannes Brandt, den sie kaum kennt, verheiratet. Als sie sein herrschaftliches Haus an der Herengracht zum ersten Mal betritt, schlägt ihr Kälte und Ablehnung vonseiten ihrer neuen Familie entgegen, selbst Johannes scheint sich nicht für sie zu interessieren. Nur ihr Hochzeitsgeschenk freut sie: ein Puppenhaus, das eine exakte Nachbildung ihres neuen Zuhauses ist. Doch bald werden Nella mysteriöse Miniaturen ihrer neuen Familienmitglieder geschickt - und Hinweise auf das, was diese verbergen. Nella beginnt zu ahnen, dass sich hinter der perfekten Fassade der Brandts tiefe Abgründe verbergen - sowie dunkle Geheimnisse, die sie alle in ihren Bann ziehen werden ...

Jessies Burtons fulminantes, atmosphärisch dichtes Debüt um eine junge Frau im Amsterdam des Goldenen Zeitalters hat weltweit Millionen Leserinnen und Leser begeistert.



<p>Jessie Burton, 1982 in London geboren, hat Englisch und Spanisch in Oxford sowie Schauspiel an der Central School of Speech and Drama studiert. Ihr erster Roman <em>Die Magie der kleinen Dinge</em> (2014) wurde mehrfach ausgezeichnet, derzeit wird er von BBC One fürs Fernsehen verfilmt. 2016 erschien ihr neuer Roman <em>Das Geheimnis der Muse</em>. Ihre Bücher wurden in 38 Sprachen übersetzt und sind internationale Bestseller. Jessie Burton lebt in London.</p>

Verkehrte Welt


Nella Oortman steht auf der Vortreppe des Hauses, hebt den delphinförmigen Türklopfer an, lässt ihn fallen und zuckt unter dem lauten Geräusch verlegen zusammen. Nichts rührt sich, obwohl sie doch erwartet wird. Der Zeitpunkt wurde vereinbart, Briefe wurden gewechselt. Das Briefpapier ihrer Mutter war so dünn, verglichen mit dem teuren Pergament der Brandts. Nein, das ist keine schöne Begrüßung, wenn man bedenkt, dass die Trauung erst letzten Monat stattfand, denkt sie. Keine Girlanden, kein Hochzeitstrunk, keine Hochzeitsnacht. Nella stellt ihren kleinen Koffer und den Vogelkäfig auf die Treppe. Sie weiß schon jetzt, dass sie die Szene für die Daheimgebliebenen wird ausschmücken müssen, wenn sie endlich oben in einem Zimmer ist und an einem Schreibtisch sitzt.

Als sich am anderen Ufer das Gelächter von Kahnführern erhebt, dreht Nella sich um. Ein magerer Junge hat eine Frau angerempelt, die einen Korb voller Fische an der Hüfte trägt. Nun rutscht ein halbtoter Hering den weiten Rock der Fischhändlerin hinab. Ihre raue bäuerliche Stimme fährt Nella bis ins Mark, als sie zu schimpfen anfängt. »Idiot! Idiot!«, kreischt die Frau. Der Junge ist blind. Seine flinken Finger tasten ohne Scheu die Erde ab. Rasch hebt er den entflohenen Hering vom Boden auf wie einen silbrigen Glücksbringer und rennt, hämisch lachend und den freien Arm suchend ausgestreckt, mit seiner Beute den Kanal entlang.

Nella beglückwünscht ihn insgeheim und dreht sich zu der für den Oktober ungewöhnlich warm scheinenden Sonne hin, um sie so lang wie möglich zu genießen. Dieser Teil der Herengracht wird auch der Goldene Bogen genannt. Die Häuser, die über dem schlammfarbenen Kanal aufragen, sind wahre Wunderwerke. Beeindruckend und prachtvoll, bestaunen sie das Spiegelbild ihrer eigenen Schönheit im Wasser. Juwelen, die das Zentrum der Stadt schmücken. Über ihren Dächern tut die Natur ihr Bestes, um mitzuhalten. Safrangelbe und aprikosenfarbene Wolken wetteifern mit den bunten Fassaden.

Nella wendet sich wieder der Tür zu, die nun einen Spalt offen steht. War das vorhin auch schon so? Sie ist nicht sicher. Sie schiebt die Tür auf und späht in die Dunkelheit, während kühle Luft vom Marmor aufsteigt. »Johannes Brandt?«, ruft sie – laut und ein wenig ängstlich. Soll das ein Scherz sein?, fragt sie sich. Dann stehe ich ja im Januar noch hier. Peebo, ihr Wellensittich, reibt die Spitzen seines Gefieders an den Käfigstäben. Sein leises Zwitschern wird vom Marmor verschluckt. Selbst der inzwischen stille Kanal hinter ihnen scheint den Atem anzuhalten.

Eines weiß Nella genau, als sie weiter in die Dunkelheit starrt. Sie wird beobachtet. Los, Nella Elisabeth, sagt sie sich und tritt über die Schwelle. Wird ihr Mann sie nun umarmen und küssen oder ihr wie einem Geschäftspartner die Hand schütteln? Während der Trauung, bei der nur ihre kleine Familie und kein einziges Mitglied von seiner anwesend war, hat er nichts von alldem getan.

Um zu zeigen, dass auch Mädchen vom Land gute Manieren haben, bückt sie sich und zieht die Schuhe aus – zierlich, aus Leder und natürlich ihre besten. Allerdings ist sie nicht sicher, warum sie sie überhaupt angezogen hat. Würde, meinte ihre Mutter, aber Würde ist so unbequem. Sie knallt die Schuhe auf den Boden, in der Hoffnung, dass das Geräusch Aufmerksamkeit erregen oder vielleicht jemanden verscheuchen wird. Eine blühende Phantasie hat das Mädchen, pflegt ihre Mutter zu sagen, Nella-guck-in-die-Luft. Jetzt liegen die Schuhe reglos da und haben den Schwung verloren. Nella kommt sich einfach nur albern vor.

Draußen rufen zwei Frauen einander etwas zu. Nella dreht sich um, kann aber durch die offene Tür nur die eine Frau von hinten sehen. Sie trägt keine Haube, hat goldenes Haar und ist hochgewachsen. Sie schreitet in die untergehende Sonne hinein. Nellas Frisur hat sich auf der Reise von Assendelft hierher aufgelöst. In der leichten Brise haben sich Strähnchen gelockert. Sie zu richten würde sie nur noch nervöser machen, was sie nicht ertragen könnte. Darum lässt sie sich weiter von ihnen im Gesicht kitzeln.

»Wird hier demnächst eine Menagerie eröffnet?«

Nella bekommt eine Gänsehaut. Sie sieht, dass eine Gestalt aus den Schatten auf sie zugleitet. Eine Hand hat sie ausgestreckt – ob abwehrend oder zur Begrüßung, ist schwer festzustellen. Es ist eine Frau, schlank mit kerzengerader Haltung. Sie ist tiefschwarz gekleidet, die Haube auf ihrem Kopf ist gestärkt und mit dem Bügeleisen zu einem weißen Meisterwerk geglättet. Kein Haarsträhnchen ist verrutscht, und es haftet ihr ein ganz leichter und sonderbarer Hauch von Muskatduft an. Ihre Augen sind grau, ihr Mund ist schmal. Wie lange beobachtet sie sie schon? Peebo krächzt wegen der Störung.

»Das ist Peebo«, erwidert Nella. »Mein Wellensittich.«

»Das sehe ich selbst«, entgegnet die Frau und mustert sie. »Und hören kann ich es auch. Muss ich davon ausgehen, dass Sie noch mehr Tiere mitgebracht haben?«

»Ich habe einen kleinen Hund, aber der ist zu Hause …«

»Sehr gut. Der würde hier nur Unordnung machen. Und die Möbel zerkratzen. Außerdem sind diese Hündchen etwas für affektierte Franzosen und Spanier«, stellt die Frau fest. »So frivol wie ihre Besitzer.«

»Und sie sehen aus wie Ratten«, ruft eine zweite Stimme irgendwo im Flur.

Die Frau runzelt die Stirn und schließt einen Moment die Augen. Während Nella sie betrachtet, fragt sie sich, wer sonst noch dieses Gespräch beobachtet. Ich bin bestimmt zehn Jahre jünger als sie, denkt sie, auch wenn ihre Haut sehr glatt ist. Als die Frau an Nella vorbei zur Tür geht, um sie zu schließen, sind ihre Bewegungen anmutig, selbstbewusst und raumgreifend. Sie wirft einen kurzen beifälligen Blick auf die ordentlich an der Tür abgestellten Schuhe und mustert dann mit fest zusammengepressten Lippen den Käfig. Peebo sträubt ängstlich das Gefieder.

Nella beschließt, sie abzulenken, indem sie ihr die Hand schüttelt, doch die Frau zuckt bei der Berührung zusammen. »Kräftige Knochen für siebzehn«, sagt sie.

»Ich bin Nella. Und ich bin achtzehn«, erwidert Nella und zieht die Hand zurück.

»Ich weiß, wer Sie sind.«

»Eigentlich heiße ich ja Petronella, aber zu Hause nennen mich alle …«

»Ich habe Sie schon beim ersten Mal verstanden.«

»Sind Sie die Haushälterin?«, fragt Nella. Aus dem dunklen Flur ist ein kaum unterdrücktes Kichern zu hören. Die Frau achtet nicht darauf und blickt an Nella vorbei in die flirrenden Schatten. »Ist Johannes da? Ich bin seine Frau.« Die Frau schweigt weiter. »Wir haben vor einem Monat in Assendelft geheiratet«, beharrt Nella. Offenbar die einzige Methode, die bei dieser Frau wirkt.

»Mein Bruder ist nicht zu Hause.«

»Bruder?«

Wieder ein Kichern aus der Dunkelheit. Die Frau schaut Nella direkt in die Augen. »Ich bin Marin Brandt«, verkündet sie, als wolle sie Nella etwas damit mitteilen. So hart Marins Gesichtsausdruck auch sein mag, hört Nella aus ihrer Stimme ein leichtes Zittern heraus. »Er ist nicht da«, wiederholt sie. »Wir hatten es eigentlich anders geplant, aber er ist nicht da.«

»Wo ist er denn?«

Als Marin nun mit der linken Hand wedelt, treten zwei Gestalten aus den Schatten neben der Treppe. »Otto«, sagt sie. Ein Mann nähert sich. Nella schluckt und stemmt die kalten Füße in den Boden. Ottos Haut ist überall dunkel. Am Hals, der aus dem Kragen ragt, an den Handgelenken und Händen, die aus seinen Ärmeln schauen – nichts als dunkelbraune Haut. Seine hohen Wangenknochen, sein Kinn, seine breite Stirn, jeder Zentimeter. Noch nie im Leben hat Nella so einen Mann gesehen.

Offenbar will Marin sie auf die Probe stellen. Dem Ausdruck in Ottos großen Augen ist nicht zu entnehmen, ob er Nellas unverhohlene Neugier bemerkt hat. Als er sich verbeugt, macht sie einen Knicks und beißt sich auf die Lippe, bis der Geschmack nach Blut sie mahnt, die Ruhe zu bewahren. Nella stellt fest, dass seine Haut glänzt wie poliertes Nussholz und dass sein schwarzes Haar von der Kopfhaut absteht. Es erinnert an eine Wolke aus weicher Wolle und ist nicht glatt und fettig wie bei anderen Männern. »Ich …«, setzt sie an.

Peebo fängt an zu zwitschern. Als Otto die Hände ausstreckt, liegt ein Paar Pantoffeln auf seinen breiten Handflächen. »Für Ihre Füße«, sagt er.

Er hat einen Amsterdamer Akzent, rollt die Wörter aber so, dass sie warm und fließend klingen. Als Nella die Pantoffeln entgegennimmt, berühren ihre Finger seine Haut. Unbeholfen streift sie sich die Schuhe über die angehobenen Füße. Sie sind zu groß, doch sie wagt nicht, das anzumerken. Wenigstens trennen sie ihre Fußsohlen von dem kalten Marmor. Die Lederbänder wird sie später schließen, wenn sie oben ist. Das heißt, falls man ihr jemals gestatten wird, diese Vorhalle zu verlassen.

»Otto ist der Diener meines Bruders«, sagt Marin und durchbohrt Nella weiter mit Blicken. »Und das hier ist Cornelia, unser Hausmädchen. Sie wird sich um Sie kümmern.«

Cornelia tritt vor. Sie ist ein wenig älter als Nella, vielleicht zwanzig oder einundzwanzig, und ein Stückchen größer. Cornelia bedenkt sie mit einem verkniffenen Lächeln. Ihre blauen Augen wandern über Nellas Körper und bemerken wohl auch ihre zitternden Hände. Nella lächelt. Das unverfrorene Starren des Hausmädchens empfindet sie als kränkend, und sie zermartert sich das Hirn nach einer unverfänglichen Dankesfloskel. Als Marin...

Erscheint lt. Verlag 12.3.2023
Reihe/Serie Herengracht-Saga
Herengracht-Saga
Übersetzer Karin Dufner
Sprache deutsch
Original-Titel The Miniaturist
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte aktuelles Buch • Amsterdam • bücher neuerscheinungen • Die Magie der kleinen Dinge • Familiengeheimnis • Goldenes Zeitalter • Haus in der Herengracht • insel taschenbuch 4981 • IT 4981 • IT4981 • jessie burton • Mini-Serie • Mistery • Neuerscheinungen • neues Buch • Puppenhaus • Roman Amsterdam • Roman Puppenhaus • the miniaturist • The Miniaturist deutsch • Weltbestseller
ISBN-10 3-458-77644-3 / 3458776443
ISBN-13 978-3-458-77644-4 / 9783458776444
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,6 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20,99