Glückstöchter - Einfach lieben (eBook)
640 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491595-1 (ISBN)
Stephanie Schuster lebt mit ihrer Familie und einer kleinen Schafherde auf einem gemütlichen Bio-Hof in Oberbayern. Sie arbeitete viele Jahre als Illustratorin, bevor sie selbst Romane schrieb - zuletzt die Bestseller-Serie »Die Wunderfrauen« und »Glückstöchter«. Sie engagierte sich in der Anti-Atomkraft- und Friedensbewegung, in einem »Eine-Welt-Laden« und setzt sich für fairen Handel ein.
Stephanie Schuster lebt mit ihrer Familie und einer kleinen Schafherde auf einem gemütlichen Bio-Hof in Oberbayern. Sie arbeitete viele Jahre als Illustratorin, bevor sie selbst Romane schrieb – zuletzt die Bestseller-Serie »Die Wunderfrauen« und »Glückstöchter«. Sie engagierte sich in der Anti-Atomkraft- und Friedensbewegung, in einem »Eine-Welt-Laden« und setzt sich für fairen Handel ein.
[...] ein wunderbar leicht geschriebener Roman, der vor allem durch die beiden Hauptprotagonistinnen besticht [...].
Stephanie Schuster hat genügend Fantasie, um selbst in der Einsamkeit der Bergwelt ausreichend Stoff für Spannung zu finden.
Eva
1977
Der Duft von gerösteten Kürbis- und Sonnenblumenkernen, Haselnüssen und Cashews erfüllte die Küche. Dazu vibrierte der Fußboden von der Musik, die aus dem Keller hinaufdrang. Reggae. Eva hatte ebenfalls das Radio auf volle Lautstärke gestellt. Als She’s always a woman erklungen war, hatte sie den Regler hochgedreht. Diesen Song mochte sie sehr, besonders die Zeile, in der es hieß, dass diese Frau ihrer Zeit voraus war, sie niemals aufgab, sie nur ihre Meinung änderte.
Galt das auch für einen Abtreibungstermin? Gegen den durchdringenden Rhythmus von Bob Marley, der das gesamte Haus an diesem frühen Freitagvormittag zum Wackeln brachte, kam Billy Joel nicht an und Eva zu keinem klaren Gedanken. Bevor ihr von der Doppelbeschallung die Ohren abflogen, schaltete sie den Radiorekorder lieber aus. Außerdem hatte es geklingelt. »Ecki, kannst du aufmachen?«, brüllte sie und stampfte auf den Boden. Wenn sie so zum Essen rief, klappte das mühelos, und ihr Mitbewohner, der eigentlich Manuel Eckberger hieß und gerade unten im Mediraum an seiner Psychologie-Hausarbeit über Selbsterkenntnis schrieb, hechtete in Sekunden die Treppe hoch. Eva rüttelte und schüttelte die verschiedenen Pfannen, die auf dem alten Wamslerherd standen, damit nichts anbrannte, und lauschte. Nichts – weder Schritte noch Geräusche im Flur. Vermutlich hatte sie sich getäuscht, und von der lauten Musik dröhnten ihr bloß die Ohren. Sie streute verschiedene Gewürze über die Nüsse, scharfe und süße. Eckis geliebtes Chilipulver, nicht zu vergessen. Eine Prise bloß, die trotzdem im Mund explodierte. Jetzt brauchte sie nur noch die Haferflocken kurz mitzurösten. Selbst gemachte aus unbehandelten Körnern. Das Quetschen hatte Milo zum Glück gestern Abend noch übernommen. Einen ganzen Sack voll. Wie sämtliche Zutaten stammte der Hafer aus ökologischem Landbau, der keine chemischen Spritzmittel einsetzte. Naturbelassen schrieb Eva mit auf die Etiketten, und genau das war auch ihr Verkaufserfolg und eine echte Alternative zu den herkömmlichen Lebensmitteln aus dem Supermarkt. Sie schüttete die Flocken in die Pfannen, rührte weiter um und schmeckte alles ab. Dabei konnte sie nicht widerstehen und naschte ein paar Löffel mehr. Köstlich. Seit sie schwanger war, hatte sie nicht nur ständig Hunger, sie roch auch intensiver denn je. Allein am Duft erkannte sie, wann die Mischung stimmte. Einatmen bedeutete, einen Geruch wahrzunehmen, doch für Eva waren Riechen und Leben schon immer eins gewesen. Beim Einatmen registrierte sie den Duft, beim Ausatmen ordnete sie ihn zu. Mittlerweile kannte sie die Rezepte für Milos Knusperknäuschen, Majas Lieblingsnektar, Udos Goldmund, Eckis Superkraft und ihre Sorte namens Evas Feigenblatt zwar auswendig, trotzdem wollte sie zur Sicherheit die Rezepte überprüfen. Die Stammkundschaft, die sie jeden Samstag auf dem Obermenzinger Wochenmarkt aufsuchte, würde sich sofort beschweren, wenn sie etwas abänderte. Mit dem Schürhaken zog sie einen Eisenring der Ofenplatte zur Seite und warf ein weiteres Holzscheit in die Glut. Dann schob sie die Pfannen an den Rand der Platte, wo es weniger heiß war, und nahm die Zettel, die gleich neben dem WG-Plan hingen, von der Pinnwand. Auch Majas Rezept war darunter. Obwohl sie nicht mehr dabei war, verlangten die Kunden nach wie vor auch ihre Sorte – und überhaupt stieg die Nachfrage. Deshalb boten sie seit neuestem zusätzlich den 13ner Traumbeutel an. Dieses Müsli hatten Eva, Milo und Ecki zusammen entwickelt. Benannt nach den dreizehn Zutaten, die es enthielt. Die Anspielung auf Sigmund Freuds Traumdeutung war Eckis Idee. Es enthielt nicht einfach nur von allen anderen Sorten ein bisschen, sondern darüber hinaus noch einen großen Anteil an Kokosflocken und ölhaltigem Bitterkakao, den Eva mit Honig abmilderte. Sie strich über Majas Zettel und ihre sich gleichmäßig nach rechts neigenden Buchstaben, die wirkten, als hätte ihre liebste Freundin es immer noch auf ein Fleißbildchen in Schönschrift abgesehen. Eva holte Luft, um den Schmerz in ihrer Brust zu dämpfen. Sie sehnte sich so sehr nach Maja, vermisste sie mit jeder Minute mehr. Wäre sie hier, würde sie ihr bestimmt bei dem, was ihr bevorstand, beistehen und auch bei all den anderen Sorgen, die Eva sich machte. Aber Maja war fort. Und Eva noch immer traurig und wütend zugleich. Doch auch wenn es schmerzte, es half nichts, sie musste ohne sie zurechtkommen. Wenn Lieben doch einfacher wäre!
Tun zu können, was man gerne tut, bedeutet Freiheit. Das gerne zu tun, was man tut, bedeutet Glück. Zu ihrem Lieblingsnektar-Rezept hatte Maja ein Zitat geschrieben – von Henry David Thoreau, einem der ersten bekannten amerikanischen Aussteiger des neunzehnten Jahrhunderts. Sein Buch Walden war Kult und in ihrer WG als zerfleddertes Exemplar durch die Zimmer gewandert. Als Eva es fertig gelesen hatte, war sie sofort nach unten gelaufen, um mit Udo und Maja darüber zu diskutieren, die beim wöchentlichen Hausputz gewesen waren.
Für Udo dachte Thoreau nicht radikal genug. »Von wegen, Selbstversorger im Wald. Der hat’s doch recht bequem gehabt.« Er ließ den Schwamm ins Waschbecken fallen, schlüpfte aus den rosa Gummihandschuhen, schnappte sich das Buch, das Eva in der Hand hielt und faltete den Zeitungsausschnitt auf, den jemand reingelegt hatte. Eva liebte solche Ergänzungen in Büchern. Eine Abbildung zeigte das Innere eines Blockhauses mit den typisch amerikanischen Schiebefenstern. Ein Ofen, ein Schaukelstuhl, ein Schreibpult und ein Bett standen darin.
»Was spricht dagegen, es sich in der Natur gemütlich einzurichten?« Maja rollte den langen Flurteppich ein. »Ich finde es sehr radikal, wenn man sich aus der Gesellschaft mit ihren Erwartungen rauszieht und ein Leben in Einsamkeit wagt.«
»Was hat das mit der Natur zu tun?«, warf Udo ein. »Wenn der Ami wenigstens im Freien oder von mir aus in einem Zelt oder einem Baumhaus gelebt hätte.« Er widmete sich wieder den Badezimmerarmaturen.
»Er hat das Haus selbst gebaut, listet sogar alles auf, was er dafür gebraucht hat«, wandte Eva ein. Hatte Udo das Buch überhaupt gelesen? »Außerdem geht es um eine erfundene Figur, die nicht mit dem Autor gleichzusetzen ist.« Gern hätte sie ein paar Lieblingsstellen vorgelesen, hatte sich einiges markiert, was gar nicht so leicht gewesen war, da bereits andere vor ihr Sätze unterstrichen und Anmerkungen an den Rand geschrieben hatten. Sie setzte sich auf die unterste Treppenstufe. »Das Buch ist mehr ein Gedankenspiel, eine Utopie.«
»Du sagst es, Eva, doch wie wäre es zur Abwechslung mal mit etwas Konkretem, etwas, das wirklich etwas verändert? Nicht immer bloß ein Was-wäre-wenn oder Stell-dir-vor …«
»Du meinst so etwas wie ein sauber glänzendes Badezimmer?« Maja zog Udo auf und besänftigte ihn wieder. Normalerweise steigerte er sich bei solchen Gesprächen so weit rein, bis er alles in Frage stellte, und nur Maja schaffte es jedes Mal, ihn wieder zu beruhigen. »Ich mag solche Utopien aus Büchern. Man kann sich rauspicken, was einem gefällt, und damit seine eigene Erfahrung machen. Auch wenn wir nie so stark wie Pippi Langstrumpf sein werden, so können wir es doch versuchen. Oder, Eva?«
»Du willst ein Pferd hochheben?« Zuzutrauen wäre es ihrer einen Meter dreiundsechzig großen Freundin. Sie half ihr, den schweren Teppich zum Ausklopfen in den Garten zu schleppen, wo sie ihn im Schnee ausbreiteten.
»Ist gerade keins da zum Ausprobieren.« Maja lachte. »Dafür kann ich wie Pippi beim Wischen tanzen.« Sie schlüpfte aus den Birkenstockpantoffeln und den selbst gestrickten bunten Socken, kippte den Eimer mit dem Putzwasser auf den Boden. Eva sprang auf die Treppe. Sofort stand der gesamte Flur unter Wasser. Maja stieg auf zwei Wurzelbürsten und zog einen großen Kreis wie eine Schlittschuhläuferin. Das ließ sich Udo nicht entgehen, und auch er tänzelte mit dem Schrubber samt Wischlappen durch den Flur. Barfuß war er sowieso das ganze Jahr über. Und schwupp war auch Eva dabei, schnappte sich die Rückenbürste aus dem Bad und versuchte, über den Boden zu skaten. Der Vorteil einer WG – sie konnten tun und lassen, was sie wollten! Zumal sie noch in einem frei stehenden Haus wohnten und zwischen ihnen und den nächsten Nachbarn ein großer Garten lag. Leider war es nicht nur beim Spaß geblieben. Kurz danach setzten Maja und Udo ihre Vorhaben in die Tat um. Ohne Eva einzuweihen, zogen sie ihr eigenes Ding durch und entglitten ihr. Udo hatte sein Leben mit einer Protestaktion riskiert, und Maja war vor über einem Monat über den Landweg nach Indien aufgebrochen. Zuletzt hatte sie ihr Anfang Januar geschrieben:
Du solltest die Gesichter der Leute sehen, die wunderschönen Frauen, wie sie riesige Mengen an Brennholz auf dem Kopf tragen und welche Schicksale sich hinter ihren Augen abzeichnen. Nirgends spüre ich das Leben so deutlich wie hier.
Das klang, als wäre es ihr mit Eva langweilig gewesen. So reimte sie es sich beim Lesen jedenfalls zusammen. Laut des Datums und im Vergleich mit dem Stempel auf den vielen Marken, hatte der Brief aus Delhi zwei Wochen gebraucht.
Seither waren noch mal zwei Wochen vergangen, ohne dass sie wieder etwas von Maja gehört hatte. Rasch verdrängte Eva den Gedanken an ihre Liebste, und auch Udos Zustand versuchte sie auszublenden. An dem, was er getan hatte, fühlte sie sich mitschuldig. Besser, sie konzentrierte sich wieder auf das Müslimachen, schnitt für ihre eigene Sorte die getrockneten Feigen klein, verrührte sie...
Erscheint lt. Verlag | 1.1.2024 |
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Reihe/Serie | Glückstöchter-Dilogie |
Glückstöchter-Dilogie | Glückstöchter-Diologie |
Zusatzinfo | 12 s/w-Zeichnungen der Autorin |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | 70er Jahre • Adoption • Alm • Anti-Atmomkraft-Bewegung • Apotheke • Berge • Bestsellerautorin Wunderfrauen • Bio-Bewegung • Bio-Müsli • Botaniker • Die Wunderfrauen • diy garten • Düfte • Emanzipation • Erster Weltkrieg • Fair Trade • Franziska von Reventlow • Franz Marc • Frauen-Schicksal • Friseursalon • Gutshof • Hierbei handelt es sich um eine Vorabmeldung. In Kürze werden wir an dieser Stelle aktuelle Schlagwörter zur Verfügung stellen. • Homefarming • Käthe Kollwitz • Keramikkünstlerin • Kochelsee • Lebenssinn • Loisach • Louis Pasteur • Monte Verità • Natur • Naturerleben • Naturforscherin • Naturkosmetik • Naturkost • Öko-Bewegung • Paragraph 218 • Pharmazie • Schloss • Selbstversorgung • Siebziger Jahre • Studenten-Leben • Töpfern • Tuberkulose • Umwelt-Bewegung • Umweltbewusstsein • Unterhaltung • Urban Gardening • Voralpenland • zwei Zeitebenen |
ISBN-10 | 3-10-491595-4 / 3104915954 |
ISBN-13 | 978-3-10-491595-1 / 9783104915951 |
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