Dinner mit Schnabels (eBook)

Roman

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
360 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60432-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dinner mit Schnabels -  Toni Jordan
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Die Dinge sind in letzter Zeit nicht besonders gut gelaufen für Simon Larsen. Er liebt seine reizende Frau Tansy, die mit ihren Apfelbäckchen noch immer wie ein Mädchen aussieht, und auch seine beiden wunderbaren Kinder, die ernsthafte Mia und den kleinen Raufbold Lachie. Aber seit sein Architekturbüro während der Corona-Pandemie pleite ging und die Familie aus ihrem schönen Haus in Melbourne in eine beengte Wohnung umziehen musste, ist Simon sprichwörtlich nicht mehr von der Wohnzimmercouch hochgekommen. Während Tansy wieder angefangen hat, zu arbeiten, kümmert er sich mehr recht als schlecht um die Kinder und möchte ansonsten in Ruhe gelassen werden. Nur dass die omnipräsente Familie seiner Frau ihn einfach nicht in Ruhe lässt. Die Schnabels - bestehend aus Tansys furchteinflößender Mutter Gloria, ihrer älteren Schwester Kylie und dem jüngeren Bruder Nick - wünscht er sich zum Kuckuck. Doch als die Idee an ihn herangetragen wird, den verwilderten Garten eines alten Schulfreunds seiner Frau neu zu gestalten, den dieser den Schnabels für eine Familienfeier zur Verfügung stellen will, ahnt er nicht, dass die sieben Tage, die er dafür Zeit hat, die alles entscheidende Woche in seinem Leben werden. Denn nicht nur taucht mit der nervigen und bis dato unbekannten jüngeren Halbschwester seiner Frau ein unerwarteter Hausgast auf - auch Tansy selbst scheint ihm etwas zu verheimlichen, das Simons Welt völlig auf den Kopf stellt ...

Toni Jordan, geboren 1966 in Brisbane, landete mit ihrem ersten Roman »Tausend kleine Schritte« einen internationalen Überraschungserfolg. In Australien nominiert für den Miles Franklin Award und den Barbara Jefferis Award, wurde er mit überwältigender Mehrheit als Bestes Debüt des Jahres ausgezeichnet. Auf ihren zweiten Roman »Die schönsten Dinge« folgte »Neun Tage«, für den Toni Jordan unter anderem den Fiction Award der unabhängigen australischen Buchhändler erhielt.

3


»Monica, die mysteriöse Frau«, sagte Simon. »Du bist ihr doch nie begegnet, oder?«

»Nie«, entgegnete Tansy. Sie war verdutzt. »Aber das kann sie doch nicht sein. Sie ist so … jung.«

»Und dich hat sie auch nie gesehen?«

»Nie begegnet, nie gesehen, nie gesprochen. Sie kann unmöglich wissen, wie ich aussehe.«

Und trotzdem hüpfte diese fremde junge Frau genau auf sie zu, während sie wie versteinert mitten auf dem Bahnhof standen.

»O mein Gott!!! Du bist es wirklich!«, quietschte sie. Dann schien ihr aufzugehen, dass sie zu laut, zu begeistert war, und sie beruhigte sich wieder. Aufgrund der kurzrasierten Haare wirkten ihre braunen Augen riesig, wie die von Bambi. Sie justierte ihr Gesicht neu, ließ die Schultern fallen. »Ich meine, hey«, sagte sie, nun ganz entspannt, als hätte sie nicht eben noch lauthals gekreischt.

Simon sah zu Tansy. Auf ihrem Gesicht war ein Lächeln aufgeklebt, als würde ein 5G-Verschwörungstheoretiker mit einem Flugblatt sie ansteuern.

Simon stellte sich vor, wie es sie in den Fingern juckte, Kylie und Nick anzurufen.

»Tansy, richtig? Du bist es, oder?«, sagte die Frau. »Ich kann’s einfach nicht glauben, du bist wirklich gekommen.«

»Wir sind gekommen«, kam es aus Tansys Mund, obwohl sich ihre Lippen kaum bewegten.

»Danke. Ich meine, wirklich, danke.« Sie schüttelte ungläubig den Kopf.

Simon konnte nur dabeistehen und die beiden sich musternden Frauen beobachten. Das Gesicht der Jüngeren sah aus wie das Herzaugen-Emoji, so als hätten sich ihre Pupillen beim Anblick von Tansy tatsächlich in zwei Herzchen verwandelt.

Die Jüngere ergriff auch als Erste wieder das Wort. »Du bist im wirklichen Leben noch viel hübscher. Schau dich an! Eine Immobilienmaklerin. Im Ernst, Respekt.«

»Ich … ich mache nur Vermietungen«, sagte Tansy.

»Und die Schuhe! Trägst du die den ganzen Tag? Was für hohe Absätze, wow!«

Tansys Blick flog zu Simon, obwohl sich ihr restliches Gesicht nicht bewegte. »Man gewöhnt sich daran.«

Jetzt, aus der Nähe, sah Simon, dass sie sehr groß war. Eine große sehr junge Frau. Anfang zwanzig, wenn nicht sogar noch jünger, mit grell-pinkem Lidschatten, schwarzem Spitzenkleid und schweren bunten Stiefeln. Ein silbernes Piercing steckte am Ende einer Augenbraue, und über einen Arm zog, rankte sich eine … na ja, nach Stiel und Blättern hätte es eine Rose sein sollen, aber aus irgendeinem Grund waren die Blüten die einer lila Petunie. Ihre Wimpern waren so hell, dass es aussah, als gäbe es sie gar nicht, ihre Augen sanft und klar wie die eines neugierigen Kaninchens. An ihrem anderen Arm hingen drei vollgestopfte Supermarkt-Plastiktüten. Waren Einwegplastiktüten überhaupt noch erlaubt? Höchstwahrscheinlich waren es illegale, eingeschmuggelte Einwegplastiktüten. Hätte Simon auf einer Polizeidienststelle über mehrere Wochen hinweg erkennungsdienstliche Fotos von allen Personen auf der Erde durchsehen müssen, um unter ihnen Tansys, Kylies und Nicks Halbschwester zu finden, wäre diese Monica ganz unten auf der Liste aufgetaucht, hinter Edwina Chee, sogar noch hinter Christos vom Fischladen, und der war ein fünfzigjähriger Grieche, dem die Haare aus den Ohren wucherten.

»Du bist Simon, stimmt’s?«, meinte sie jetzt. »Ich bin Monica.«

»Wer sonst«, sagte Tansy.

Monica ging etwas in die Hocke, spreizte die Knie, stopfte sich das Kissen zwischen die Beine, als würde sie auf einem winzigen Pferd reiten, und streckte Simon ihre Faust hin. Kurz starrte er darauf, machte es ihr schließlich nach, und sie stießen ihre Fäuste gegeneinander. Dann beugte sie sich vor und umarmte Tansy, indem sie nur den Oberkörper abwinkelte, ihre Köpfe berührten sich, die Körper blieben wegen des Kissens getrennt.

»Wie schön, dich kennenzulernen«, meinte Tansy mit einem kaum merklichen Zögern, aber dem breitesten Lächeln der Welt – einem Lächeln, bei dem Simon immer noch das Herz aufging, selbst nach so vielen Jahren.

Manchmal, wenn Simon mitten in der Nacht wach lag, sah er zu der neben ihm schlafenden Tansy, und ihm war, als würde sie tatsächlich glühen. Sein Verstand sagte ihm, dass der Schein der Straßenlaterne von draußen durch die kaputte Lamelle der Jalousie fiel und von dort auf die Ikea-Lampe geworfen wurde, die auf dem Karton stand, den sie als Nachttisch benutzten. Simon wusste natürlich, dass seine Frau keine Aureole um sich hatte. Aber in Zeiten wie diesen dachte er, wenn irgendjemand auf der Welt eine Aureole haben sollte, dann sie. Monica gehörte nicht zur Familie. Monica war noch nicht mal eine Freundin, aber Tansy hatte beschlossen, sich als edelmütig zu erweisen. Die Liebenswürdigkeit, die sie an den Tag legte, kam von Herzen, und Simon musste nichts anderes tun, als ihrem Beispiel zu folgen.

Andererseits wäre es durchaus verlockend gewesen, dieses Geschöpf mit der Stoppelfrisur in Tansys Namen zu hassen.

Auf jeden Fall aber – und das war das Wichtigste – musste man cool bleiben. Sich nicht überrascht zeigen, schon gar nicht wegen ihres Alters.

»Verdammte Scheiße«, sagte er. »Wie alt bist du eigentlich, zwölf?«

»Lol, nein«, erwiderte Monica. »Es ist so cool, dass ihr da seid. Mum hat gesagt, dass mich bestimmt keiner sehen will, aber ich hab gewusst, ihr wollt mich sehen. Also bin ich mit der Rolltreppe rauf und runter, rauf und runter, und hab nach euch Ausschau gehalten. Die Leute in der Stadt haben kein Benehmen, weil sie so unglaublich busy sind, sagt Mum. Immer geht es nur um sie. Das sind alles Wichser, sagt sie.«

»Wir sind keine Wichser«, stellte Simon klar.

»Ich weiß! Und ihr seid auch keine Arschlöcher. Mum hat total danebengelegen«, fuhr Monica fort. »Ich hab es einfach gespürt, dass ihr kommt. Meine Geschwister würden mich doch nicht in einer fremden Stadt ankommen lassen, wo ich niemanden kenne und ganz allein den Weg zum Hostel finden muss. Sind Kylie und Nick auch hier?«

»Sie konnten sich nicht von der Arbeit freimachen«, antwortete Tansy rasch.

»Klar«, erwiderte Monica. »Zu viel zu tun. Und Kylie, die ist Apothekerin und so. Apothekerinnen sind superschlau. Und der berühmte Nick! Als Grundschullehrer, verantwortlich für Kids und so. Schon kapiert.«

»Genau«, sagte Tansy. »Du scheinst ja eine Menge über uns zu wissen.«

»Wir haben übrigens auch zu tun«, meinte Simon. »Wir sollten eigentlich in der Arbeit sein.«

»Simon!«, sagte Tansy.

Aber Monica sah nicht so aus, als ob sie gekränkt wäre. »Oh, tut mir voll leid. Ich kann auch allein zum Hostel, absolut kein Drama.« Sie zog das Kissen zwischen den Knien hervor und jonglierte mit den Plastiktüten, deren Tragegurte auf ihren Unterarmen rote Abdrücke hinterlassen hatten.

»Na dann, wenn du es selbst so willst … jetzt haben wir hallo gesagt, dann können wir ja eigentlich gehen«, sagte Simon.

Monica zog ein Handy aus einer der Tüten und schüttelte es, als wäre es die Verlängerung ihrer Hand. »Das will ich, absolut. Hab’s schon gefunden auf Google Maps. Ist nur sieben Blocks entfernt. Und eine Großstadt ist doch auch nur eine große Stadt, oder? Außerdem sieht es nicht danach aus, als ob es regnen würde. Obwohl es schon möglich wäre. Dass es regnet, meine ich. Wie auch immer, wenn es regnet, werde ich bestimmt nicht nass. Nicht sehr nass jedenfalls. Gehört alles zum Abenteuer, was?« Monica musterte sie. »War jedenfalls sehr nett, dass ihr gekommen seid.«

Simon nickte.

Das war der Vorteil einer so langen und so engen Beziehung wie der zwischen ihm und Tansy – ihr Einverständnis war stillschweigend. Sie waren in simpatico, als kommunizierten sie in Ultraschallgeschwindigkeit, wie verheiratete Fledermäuse. Simon konnte nicht den ganzen Tag in der City rumhängen. Sie kamen schon jetzt zu spät zur Arbeit. Und sie hatten alles erreicht, was sie sich vorgenommen hatten: Sie hatten Monica gesehen, die Halbschwester, die Tansy nie kennengelernt hatte, mehr noch, sie hatten sich mit ihr unterhalten. Mission erfüllt, konnte Tansy an Kylie und Nick berichten, dachte sich Simon. Mehr war jetzt wirklich nicht nötig.

»Wir fahren dich hin«, sagte Tansy. »Wir bestehen darauf.«

 

Nach einigem Hin und Her – Ernsthaft, ich schaff das schon versus...

Erscheint lt. Verlag 23.2.2023
Übersetzer Karl-Heinz Ebnet
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Familiengeschichte • Familienroman • Gegenwartsliteratu • Literatur • Roman • roman australien • Tausend kleine Schritte
ISBN-10 3-492-60432-3 / 3492604323
ISBN-13 978-3-492-60432-1 / 9783492604321
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