Die Löwin vom Tafelberg. Catharina Ustings' kühner Weg in die Freiheit (eBook)

Roman

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
448 Seiten
Emons Verlag
978-3-98707-009-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Löwin vom Tafelberg. Catharina Ustings' kühner Weg in die Freiheit -  Inès Keerl
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Nominiert für den Literaturpreis Goldener HOMER 2024 - ein mitreißender Roman um Liebe, Mut und Abenteuer. 1662: Um einer Zwangsheirat zu entgehen, begibt sich die junge Catharina Ustings von Lübeck aus auf eine abenteuerliche Reise. Als Mann verkleidet versteckt sie sich auf einem Schiff der Vereinigten Ostindischen Kompanie und gelangt ans Kap der Guten Hoffnung. Doch in der brutalen Männerwelt der ersten Siedlungsjahre Kapstadts muss sie ihren Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung fortsetzen - an der Seite starker Frauen wie Krotoa, die als Urmutter Südafrikas und Begründerin der Sprache Afrikaans gilt, aber auch getragen von der Liebe.

Inès Keerl studierte Betriebswirtschaft in Koblenz. Nach neun Jahren in der Wirtschaft begann sie eine Ausbildung zur Drehbuchautorin an der Drehbuchwerkstatt München. Seit über 20 Jahren stammen zahlreiche TV-Serien und Filme aus ihrer Feder. Mit »Die Löwin vom Tafelberg« legt sie ihren ersten historischen Roman vor.

Inès Keerl studierte Betriebswirtschaft in Koblenz. Nach neun Jahren in der Wirtschaft begann sie eine Ausbildung zur Drehbuchautorin an der Drehbuchwerkstatt München. Seit über 20 Jahren stammen zahlreiche TV-Serien und Filme aus ihrer Feder. Ihr erster historischer Roman »Die Löwin vom Tafelberg« ist für den Goldenen HOMER 2024 nominiert.

2. KAPITEL


»Hört, ihr lieben Herren, lasst euch sagen, vom Turm die Glock hat zwei geschlagen!« Schon wieder zog der Nachtwächter singend durch die kleine Hartiengrove.

Den Kopf seitlich auf die Hände gebettet, stierte Catharina auf den langsam verlöschenden Kerzenstumpf vor ihr auf dem Boden. Ihr Kopf war leer, genau wie ihr Magen.

»Zwei Wege hat der Mensch vor sich«, sang der Wächter sich entfernend weiter, »Herr, den rechten führe mich!«

Zwei Wege, von wegen! Für sie gab es nur die Heirat mit Hinrich.

Einige Halme ihres Strohsacks hatten sich durch den groben Stoff gebohrt und piksten sie in die Seite. Dennoch blieb sie regungslos liegen, hatte nicht einmal ihre Decke über sich gezogen. Sollte sie doch krank werden oder, noch besser, erfrieren. Das war möglicherweise der zweite, der rechte Weg. Sterben! Solange sie denken konnte, bestimmte Magda darüber, was sie zu tun und zu lassen hatte. Catharinas alleiniges Aufbegehren lag darin, ans Grab ihrer Mutter zu laufen oder Gott anzuflehen, ihr zu helfen. Gott hatte ihr nie geholfen und würde es gewiss auch jetzt nicht tun. Er musste eine Erfindung der Reichen und Mächtigen sein, um Seelen wie sie zu knechten. Wie gern würde sie weggehen. Weit weg. Sie holte tief Luft. Noch nie hatte sie Lübeck verlassen, wusste nichts von der Welt draußen vor den Mauern.

Ein letztes Aufflackern, dann erlosch die Kerze.

Die Dunkelheit lockerte die Fesseln in ihrem Kopf. Sie streckte sich, erhob sich von ihrem Lager, zwang sich zu einem Schritt, zu einem weiteren. Sie ging durch die beiden Wäschereihen, ließ ihre Hände an den leicht klammen Stoffen entlanggleiten. Ides Hose hing als letztes Wäschestück in der Reihe. Magdas Lieblingsknecht besaß zwei Beinkleider und bekam von Magda drei Mahlzeiten am Tag, ganz im Gegensatz zu Berne mit seinem steifen Knie und ihr, Catharina.

Diese rieb den festen schwarzen Wollstoff zwischen ihren Fingern. Warum wartete sie stets, dass etwas mit ihr geschah? Sei es, ob Magda in der Laune war, ihr Essen zu geben oder sie loszuwerden. Sie spürte noch die rauen Fasern von Ides Hose in den Fingerspitzen, da durchzuckte sie ein Gedanke. Flucht! Fliehen, um der Ehe mit Hinrich zu entkommen. Nicht als Frau – sie wäre augenblicklich Freiwild. Sondern als – Mann. Unmöglich, schalt sie sich. Wirklich? Warum? War es nicht der zweite Weg? Einer, den sie einschlagen konnte?

Mit einem Ruck zog sie Ides Hose von der Leine und schlüpfte hinein, stopfte ihr wollenes Unterkleid in den Bund. Sie passte zweimal in das Beinkleid. Kurz entschlossen knotete sie eine leere Wäscheleine ab, band sie sich um die Hüfte, krempelte die viel zu langen Hosenbeine bis zu den Knöcheln hoch. Sie sprang zweimal auf und ab. Die Hose rutschte nicht. Dafür wippten ihre Brüste. Flugs entledigte sie sich ihres Unterkleides, nahm Bindentücher von der Leine und wickelte ihren Busen fest an ihren Körper. Es tat gut zu handeln. Alles war besser, als Hinrichs Frau zu werden. Sie streifte ihr Wollkleid wieder über, raffte es erneut in den Bund, blickte an sich herab und war noch nicht zufrieden. Sie nahm Ides Hemd von der Leine, zog es an. Es war wie die Hose zu weit und zu lang, aber es verbarg ihre weiblichen Formen. Als sie nach ihrem Bündel griff, fielen ihr die langen Haare über die Schultern. Sie nahm eine Locke in die Hand. Sie mussten ab, wenn sie als Mann fliehen wollte. Seit jeher verdeckten Haare ihre leicht abstehenden Ohren und waren laut Magda das einzig Ansehnliche an ihr. Unentschlossen zwirbelte sie eine Locke zwischen ihren Fingern, überlegte: Ihre Haare würden nachwachsen. Ihr Mut, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, kehrte vielleicht nie wieder.

Sie brauchte eine Schere. Dafür musste sie in die Küche, da die einzige des Hauses dort in Magdas Banktruhe lag. Hastig legte sie sich ihren Wollumhang um und schulterte ihr Bündel. Ihre Holzschuhe in der Hand, schlich sie im Dunkeln auf Zehenspitzen die Treppe hinab. Stieg über die Stufen hinweg, von denen sie wusste, dass sie knarzten. Sie lebte hier schon lange genug, um zu wissen, welche das waren.

Im Erdgeschoss angekommen, wandte sie sich zur Küche, öffnete leise die Tür. Im fahlen Mondlicht sah sie die Truhe neben dem Kamin, ging auf sie zu, hob den Deckel hoch. Gerade steckte sie die Schere in ihr Bündel, da spürte sie hinter sich eine Bewegung. Catharina wirbelte herum.

Da stand Ide. »Was machst du hier?«, knurrte er sie an. Sein Blick glitt über ihren Oberkörper. »Wieso trägst du das?« Er hatte sein Hemd erkannt.

Mit einem Satz wollte sie an ihm vorbei aus der Küche stürzen. Seine Handkante traf sie brutal ins Gesicht, ließ sie gegen eine Steinkante des Kamins stürzen. Schmerz durchfuhr ihren Rücken und nahm ihr den Atem. Einen Herzschlag zu lang, denn Ides Blick glitt über das Hemd zur Hose, erkannte auch diese. Außer sich packte er sie am Arm. Sie riss sich los, stolperte nach vorn. Ihre Hand bekam den Schürhaken zu fassen. Sie schleuderte ihren Arm nach hinten und knallte Ide den Eisenstab an die Schläfe. Der Knecht taumelte, fiel vornüber. Dabei krachte seine Stirn gegen die Tischkante, und er sackte in sich zusammen. Dann rührte sich Ide nicht mehr. Aus der Stirnwunde sickerte Blut. Bange beugte sich Catharina über ihn. Zu ihrer Erleichterung hob sich in diesem Moment sachte sein Brustkorb. Er lebte. Noch. In ihrem Kopf pochte nur ein einziger Gedanke: Nichts wie weg hier! Weg! Weg! Weg!

»Catharina! Bist du das?«

Mit dem Schürhaken in der Hand drehte sie sich zur Tür. Zu ihrer Erleichterung stand allein Berne im Türrahmen.

»Was machst du? … Und wie siehst du denn … Oh mein Gott.« Berne entdeckte Ide auf dem Boden, hinkte zu ihm.

»Ich wollte das nicht«, stammelte sie, »ich hab seine Sachen gestohlen, wollte fliehen. Er hat mich überrascht.«

Mit zwei Fingern prüfte Berne Ides Puls. Dann drückte er ein Tuch auf die Wunde, um die Blutung zu stoppen. Er sah sie ernst und besorgt an. »Du musst weg. Und zwar schnell.«

»Aber wohin denn?« Catharina schluchzte auf. »Ich wollte fliehen, aber es ist doch unmöglich. Eigentlich.«

»Das hättest du dir vorher überlegen müssen.« Berne rappelte sich hoch, nahm sie in die Arme. »Du musst raus aus Lübeck. Was ist, wenn er stirbt?«

Catharina begann leise zu weinen. Berne drückte sie fest. »Du hast keine andere Wahl.« Er ließ sie los, nahm seine Wollmütze aus dem Hosenbund und zog sie ihr über den Kopf. »Geh!«

»Ide soll nicht sterben.«

»Darum kümmer ich mich, sobald du weg bist.«

»Was wird mit dir?«

»Ich komm klar«, versicherte er ihr.

Immer noch stand sie reglos da, weinte.

»Verschwinde endlich«, drängte er sie, »ich will dich nicht am Pranger sehen. Oder gar am Galgen.«

Catharina stierte ihn an. Er hatte recht. In seinen Augen sah sie die Verzweiflung, die sie selbst fühlte. Das Leben hatte für sie entschieden. Die Flucht, zuvor der zweite Weg, war der erste geworden. Sie musste gehen. Jetzt.

Im Schutz der Häuser rannte sie durch die menschenleeren Gassen. Dabei klapperten ihre Pantinen verräterisch laut auf den Pflastersteinen, und sie blieb stehen, um sie auszuziehen. Barfuß hastete sie weiter. Catharina kannte einen verlassenen Schuppen bei der Bäckerei hinter der Marienkirche. Dort wollte sie sich verstecken, bis die Stadttore am Morgen geöffnet wurden. Sie konnte nur hoffen, dass bis dahin weder Ide zu sich gekommen war noch Magda ihn gefunden hatte. Ansonsten würde der Büttel sie an den Toren erwarten.

Und wenn Ide sterben würde oder gar schon tot war? Sie zwang sich durchzuatmen. Ruhig musste sie bleiben. Einen Schritt nach dem nächsten machen.

Sie erreichte den Schuppen. So leise es ging, drückte sie die schiefe Holztür auf, schlüpfte hinein. Es stank zwar nach Urin, aber er war wie erhofft leer. Mit zitternden Fingern entnahm sie ihrem Bündel die Schere, zog die Mütze ab, strich sich über die dicken Haare und umfasste zögerlich eine ihrer braunen Locken. Es musste sein, so schwer es ihr fiel, sich von ihren Haaren zu trennen. Sie nahm einen tiefen Atemzug, hielt die Strähne hoch, setzte die Schere kurz oberhalb ihres Kopfes an. Beherzt schnitt sie sie ab, dachte dabei an Berne. Sie sehnte sich nach dem Freund, den sie im besten Fall nie wiedersehen würde. Ein klägliches Stöhnen entrang sich ihrer Kehle. Was nur hatte sie getan? Sie griff zur nächsten Strähne, um ihr begonnenes Werk zu vollenden. Locke um Locke fiel lautlos auf den Boden. Als sie fertig war, fuhr sie sich mit den Händen durch die igelstachelkurzen Haare. Dann klaubte sie ihre Locken vom Boden und stopfte sie in ihr Bündel. Sie würde sie vor der Stadt entsorgen, um unnötige Spuren zu vermeiden.

Wohin sollte sie gehen? Sie wusste es schlicht nicht und wollte darüber jetzt nicht nachdenken. Sie nahm die Schere und kürzte stattdessen ihr Unterkleid. Erst einmal musste sie aus der Stadt raus. Dazu mussten sich die Tore öffnen, und kein Büttel durfte sie an denselben erwarten.

Catharina hatte den Gesang des Nachtwächters noch dreimal vernommen und war vor Angst und Kälte ganz zittrig, als endlich die kalte Winternacht in einen ebenso frostigen Morgen umschlug. Leben kam in die eben noch ruhige Gasse. Ein Hahn krähte, und Holzschuhe klapperten auf dem Pflaster. Catharina öffnete die Tür des Schuppens einen Spaltbreit, sah einen Laufjungen die kleine Gasse hinabgehen. Sie schaute noch mal nach links, um sicherzugehen, dass niemand sie beobachtete, dann wagte sie sich aus dem Schuppen hinaus. Immer nah an den Häuserwänden entlang ging sie Richtung Markt. Zwei Mägde, ihre Wolltücher eng um sich geschlungen, bogen vor ihr in die Gasse ein. Sie passte ihren Schritt den beiden an, blieb hinter...

Erscheint lt. Verlag 23.3.2023
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte Abenteuerroman • Catharina Ustings • Freundschaft • historische Person • Historischer Roman • Historisches Epos • Kapstadt • Kolonialisierung • Kolonialzeit Südafrika • Liebe • Roman Afrika • Schmökerkrimi • spannend • Starke Frauen • Südafrika • Südafrikanischer Wein
ISBN-10 3-98707-009-9 / 3987070099
ISBN-13 978-3-98707-009-9 / 9783987070099
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