Wenn sie wüsste (eBook)
400 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-30526-0 (ISBN)
Millie kann ihr Glück kaum fassen, als die elegante Nina ihr die Stelle als Haushaltshilfe inklusive Kost und Logis bei ihrer Familie auf Long Island anbietet. Schließlich hat sie eine Vergangenheit, von der niemand etwas wissen soll. Doch kaum ist Millie eingezogen, zeigt Nina ihr wahres Gesicht: Sie verwüstet das Haus und unterstellt ihr Dinge, die sie nicht getan hat. Ihre verwöhnte Tochter behandelt Millie ohne jeden Respekt. Nur Ninas attraktiver Mann Andrew ist nett zu ihr. Wäre da nur nicht Ninas wachsende Eifersucht. Hat sie Millie nur eingestellt, um ihr das Leben zur Hölle zu machen? Oder hat auch sie ein dunkles Geheimnis, von dem niemand etwas erfahren darf?
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Freida McFadden ist im Hauptberuf Ärztin. Spannende Plots sind ihre Leidenschaft. Mit »Wenn sie wüsste« gelang ihr über Nacht der internationale Durchbruch als Autorin. Die Begeisterung der Leserinnen und Leser über die unglaublichen Twists in ihrem Thriller war so groß, dass das Buch innerhalb kürzester Zeit sämtliche Rekorde brach, und weltweit zum gefeierten Bestseller wurde. Mit ihrer Familie und einer schwarzen Katze lebt Freida McFadden in einem jahrhundertealten Haus mit knarzenden Treppen und Blick auf das Meer.
1
Millie
»Erzählen Sie etwas über sich, Millie.«
Nina Winchester beugt sich auf dem karamellfarbenen Sofa vor und schlägt die Beine übereinander, sodass der Saum des weißen Seidenrocks knapp ihre Knie freilegt. Ich kenne mich mit Marken nicht besonders gut aus, aber es ist offensichtlich, dass alles, was Nina Winchester anhat, sündhaft teuer ist. Am liebsten würde ich die Hand ausstrecken, um den Stoff ihrer cremefarbenen Bluse zu befühlen, obwohl ein solcher Schritt bedeuten würde, dass ich keine Chance hätte, den Job zu bekommen.
Offen gesagt habe ich ohnehin keine Chance, den Job zu bekommen.
»Na ja …«, beginne ich, nach Worten suchend. Selbst nach all den Ablehnungen versuche ich es weiter. »Ich bin in Brooklyn aufgewachsen. Wie Sie meinem Lebenslauf entnehmen können, habe ich schon oft als Haushaltshilfe gearbeitet.« Mein sorgfältig frisierter Lebenslauf. »Und ich liebe Kinder. Und …« Ich blicke mich im Zimmer um und suche nach einem Hundespielzeug oder einem Katzenklo. »Ich liebe auch Tiere?«
In der Online-Stellenanzeige für eine Haushälterin war von Haustieren nicht die Rede. Aber lieber auf Nummer sicher gehen. Wer schätzt es nicht, wenn jemand Tiere mag?
»Brooklyn!« Mrs. Winchester strahlt mich an. »Ich bin auch in Brooklyn aufgewachsen. Wir sind praktisch Nachbarinnen!«
»Das sind wir!«, bestätige ich, obwohl nichts der Wahrheit ferner sein könnte. Es gibt viele begehrte Gegenden in Brooklyn, wo man ein Vermögen für ein winziges Reihenhaus zahlt. Da bin ich nicht aufgewachsen. Nina Winchester und ich könnten nicht verschiedener sein, aber wenn sie glauben möchte, dass wir Nachbarinnen sind, werde ich gerne zustimmen.
Mrs. Winchester schiebt eine Strähne ihrer goldblonden Haare hinters Ohr. Ihr Haar ist zu einem modischen Bob geschnitten, der ihr Doppelkinn kaschiert. Sie ist Ende dreißig und würde mit anderer Frisur und anderer Kleidung recht gewöhnlich aussehen. Aber sie hat ihren beträchtlichen Reichtum dazu genutzt, das Beste aus sich zu machen. Das muss ich unumwunden anerkennen.
Ich habe genau das Gegenteil getan, was mein Äußeres angeht. Ich bin ungefähr zehn Jahre jünger als die Frau, die mir gegenübersitzt, aber ich will auf keinen Fall, dass sie mich als Bedrohung ansieht. Deshalb habe ich für das Vorstellungsgespräch einen langen, dicken Wollrock gewählt, den ich in einem Secondhandladen gekauft habe, dazu eine weiße Polyesterbluse mit Puffärmeln. Meine dunkelblonden Haare sind am Hinterkopf zu einem strengen Knoten geschlungen, und auf der Nase habe ich eine viel zu große, völlig unnötige Hornbrille. Ich sehe professionell und extrem unattraktiv aus.
»Was die Arbeit angeht«, sagt sie, »die besteht hauptsächlich aus Putzen, und wenn Sie dazu bereit sind, etwas Leichtes zu kochen. Sind Sie eine gute Köchin, Millie?«
»Ja«. Mein Händchen fürs Kochen ist das Einzige in meinem Lebenslauf, bei dem ich nicht gelogen habe. »Ich bin eine gute Köchin.«
Ihre blassblauen Augen leuchten. »Das ist wundervoll! Ganz ehrlich, wir bekommen fast nie ein selbst gekochtes Essen.« Sie kichert. »Wer hat schon Zeit dafür?«
Ich verkneife mir eine Antwort. Nina Winchester arbeitet nicht, hat nur ein Kind, das den ganzen Tag in der Schule ist, und stellt jemanden zum Putzen ein. In dem riesigen Vorgarten sehe ich einen Mann, der die Gartenarbeit macht. Wie kann es sein, dass sie keine Zeit hat, Essen für ihre kleine Familie zu kochen?
Aber ich sollte nicht über sie urteilen. Ich weiß nichts über ihr Leben. Nur weil sie reich ist, muss sie nicht verwöhnt sein.
Ich würde jedoch hundert Dollar darauf wetten, dass Nina Winchester völlig verwöhnt ist.
»Und hin und wieder brauchen wir auch Hilfe mit Cecelia«, sagt Mrs. Winchester. »Sie müssten sie vielleicht mal zum Nachmittagsunterricht bringen oder zu einer Verabredung zum Spielen. Sie haben doch ein Auto, oder?«
Bei der Frage muss ich beinahe lachen. Ja, ich habe ein Auto – es ist alles, was ich im Moment besitze. Mein zehn Jahre alter Nissan verschandelt die Straße vor ihrem Haus, und ich wohne zurzeit darin. Alles was ich besitze, befindet sich im Kofferraum, und die letzten Monate habe ich auf dem Rücksitz geschlafen.
Wenn man einen Monat lang im Auto geschlafen hat, beginnt man die kleinen Dinge im Leben zu schätzen. Eine Toilette. Ein Waschbecken. Die Möglichkeit, beim Schlafen die Beine auszustrecken. Letzteres vermisse ich am meisten.
»Ja, ich habe ein Auto«, bestätige ich.
»Wunderbar!« Mrs. Winchester klatscht in die Hände. »Sie bekommen natürlich einen Autositz für Cecelia von mir. Sie braucht nur eine Sitzerhöhung, weil sie noch nicht ganz die Größe und das Gewicht hat, um ohne zu fahren. Der Berufsverband der Kinderärzte empfiehlt …«
Während Nina Winchester weiter über die Anforderungen an Autositze redet, sehe ich mich im Wohnzimmer um. Die Möbel sind supermodern, der größte Flachbildfernseher, den ich je gesehen habe, sicher hochauflösend, mit Surround-Sound-Lautsprechern in allen Ecken und Winkeln des Raumes, für ein optimales Hörerlebnis. In einer Ecke des Zimmers befindet sich ein anscheinend funktionierender Kamin, dessen Sims mit Fotos der Winchesters auf Reisen in alle Ecken der Welt übersät ist. Wenn ich aufschaue, sehe ich, wie die hohen Decken im Licht des funkelnden Kronleuchters glühen.
»Finden Sie nicht, Millie?«, sagt Mrs. Winchester gerade.
Ich blinzle sie an, versuche mich zu erinnern, was sie gerade gefragt hat. Aber es ist weg. »Ja?«, sage ich.
Worin auch immer ich ihr zugestimmt habe, es hat sie sehr erfreut. »Ich bin so froh, dass Sie derselben Meinung sind.«
»Absolut«, sage ich, diesmal mit mehr Entschiedenheit.
Sie stellt ihre etwas stämmigen Beine kurz nebeneinander, dann schlägt sie sie wieder übereinander. »Und natürlich«, fügt sie hinzu, »ist da noch die Frage der Bezahlung. Sie haben das Gehaltsangebot in meiner Anzeige gesehen, oder? Sind Sie damit einverstanden?«
Ich schlucke. Die Zahl in der Anzeige ist mehr als akzeptabel. Wenn ich eine Comicfigur wäre, dann wären in meinen Augäpfeln Dollarzeichen erschienen, als ich die Anzeige las. Das Gehalt hielt mich beinahe davon ab, mich für den Job zu bewerben. Niemand, der so viel bezahlen will und in einem Haus wie diesem lebt, würde auch nur im Traum daran denken, mich einzustellen.
»Ja«, bringe ich hervor. »Es ist in Ordnung.«
Sie zieht eine Augenbraue hoch. »Und Sie wissen, dass die Stellung inklusive Unterkunft ist, oder?«
Fragt sie gerade, ob es okay für mich ist, den Luxus meines Autorücksitzes aufzugeben? »Ja, ich weiß.«
»Wunderbar!« Sie zupft an ihrem Rocksaum und steht auf. »Sind Sie bereit für eine komplette Führung durchs Haus? Um sich anzusehen, worauf Sie sich einlassen?«
Ich stehe ebenfalls auf. Selbst mit ihren Absätzen ist sie nur ein paar Zentimeter größer als ich in meinen flachen Schuhen, aber es kommt mir vor, als wäre sie viel größer. »Klingt großartig!«
Sie führt mich durchs Haus und zeigt mir jedes kleinste Detail. Das geht so weit, dass ich mir Sorgen mache, die Anzeige falsch verstanden zu haben; vielleicht ist sie ja eine Maklerin und denkt, dass ich es kaufen will. Es ist ein schönes Haus. Wenn ich vier oder fünf Millionen Dollar übrig hätte, würde ich es mir schnappen. Außer dem Erdgeschoss mit dem riesigen Wohnzimmer und einer kürzlich renovierten Küche gibt es noch den ersten Stock mit dem Schlafzimmer der Winchesters, dem Zimmer ihrer Tochter Cecelia, Mr. Winchesters Homeoffice und einem Gästezimmer, das sich auch im besten Hotel Manhattans befinden könnte. Vor der nächsten Tür hält sie dramatisch inne.
»Und hier ist …« Sie reißt die Tür auf. »Unser Heimkino!«
Zusätzlich zu dem übergroßen Fernseher unten haben sie ein richtiges Kino in ihrem Haus. Mehrere Reihen von Klappsitzen sind auf eine Leinwand gerichtet, die von der Decke bis zum Fußboden reicht. In einer Ecke des Raumes befindet sich sogar eine Popcornmaschine.
Ich bemerke, dass Mrs. Winchester mich ansieht und eine Reaktion erwartet.
»Wow!«, sage ich, hoffentlich mit genügend Begeisterung.
»Ist es nicht wunderbar?« Sie zittert vor Freude. »Und dazu gibt es eine große Filmsammlung. Natürlich haben wir auch die normalen TV-Sender und Streamingdienste.«
»Natürlich«, erwidere ich.
Nachdem wir den Raum verlassen haben, kommen wir zur letzten Tür am Ende des Flurs. Nina zögert, die Hand am Türknauf.
»Ist das mein Zimmer?«, frage ich.
»Sozusagen …« Sie dreht den Knauf, der laut knarrt. Unwillkürlich bemerke ich, dass diese Tür viel dicker ist als die anderen. Dahinter befindet sich ein enges dunkles Treppenhaus. »Ihr Zimmer ist oben. Wir haben noch einen ausgebauten Dachboden.«
Die schmale Treppe ist nicht so glamourös wie der Rest des Hauses – und würde es sie umbringen, hier eine Glühbirne anzubringen? Aber natürlich bin ich nur die Hausangestellte. Ich erwarte nicht von ihr, dass sie so viel Geld für mein Zimmer verwendet wie für das Heimkino.
Am oberen Ende der Treppe liegt ein kleiner, schmaler Flur. Anders als im Erdgeschoss des Hauses ist die Decke hier gefährlich niedrig. Ich bin nicht groß, aber ich habe fast das Gefühl, ich müsste mich ducken.
»Sie haben ein eigenes Badezimmer.« Sie zeigt mit dem Kopf zur Tür links. »Und das hier wäre Ihr Zimmer.«
Schwungvoll öffnet sie die letzte Tür....
Erscheint lt. Verlag | 1.5.2023 |
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Reihe/Serie | The Housemaid |
Übersetzer | Astrid Gravert, Renate Weitbrecht |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | The Housemaid |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 2023 • Amazon-Bestseller • Bestseller • Bestsellerliste • Dachboden • Die Nanny • ebook-Bestsellerautorin • eBooks • Gilly Macmillan • grüner Thriller • Grünes Buch • Haushälterin • Hausmädchen • Joy Fielding • Julie Clark • neue Bücher 2023 • Neuerscheinung • Neue Thriller 2023 • New York • Pageturner • Psychothriller • ruth ware • Spannung für Frauen • spiegel bestseller • Spiegelbestseller • SPIEGEL-Bestseller • Spiegel Bestsellerliste aktuell • Thriller • Thriller neu 2023 • unglaubliche Twists |
ISBN-10 | 3-641-30526-8 / 3641305268 |
ISBN-13 | 978-3-641-30526-0 / 9783641305260 |
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