Am Horizont wartet die Sonne (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
432 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-30091-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Am Horizont wartet die Sonne -  Meike Werkmeister
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Der große neue Sommerroman der SPIEGEL-Bestsellerautorin
Es gibt keine Zufälle, es gibt nur Zeichen. Davon ist die Hamburger Autorin Katrin überzeugt. Doch während sie Bücher schreibt, die anderen Orientierung geben sollen, steckt sie selbst in einer Lebenskrise. Bis das Schicksal auch ihr ein Zeichen gibt: Als sie einen Liebesbrief findet, adressiert an einen Filipe in Portugal, beschließt sie, dem Empfänger die Botschaft persönlich zu überbringen. Mit ihrer Freundin Julia reist sie auf eine idyllische Halbinsel an der Atlantikküste, die Heimat des geheimnisvollen Filipe. Bei der Suche nach ihm gerät Katrin unversehens in ein Familiendrama. Und findet etwas, wonach sie gar nicht gesucht hat ...

Meike Werkmeister ist Buchautorin und Journalistin. Ihre Romane stehen regelmäßig auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Sie lebt mit ihrer Familie in Hamburg. Wann immer sie Zeit hat, fährt sie an die Nordsee, wo sie oft auch die Ideen für ihre Geschichten findet.

1


Vier Tage zuvor


Meistens passieren Dinge, die dein Leben verändern, dann, wenn du am wenigsten damit rechnest. An Montagen, an denen du es nicht geschafft hast, deine Haare zu waschen, bevor du deine Cousine vom Flughafen abholst, zum Beispiel.

Ich stand zwischen anderen Wartenden in der Ankunftshalle von Terminal 1 und blickte mich nach Julia um. Hoffentlich treffe ich heute niemanden, dachte ich und sah an mir herunter. Die Camouflage-Leggings, die ich übergezogen hatte, gingen hoffentlich noch als einigermaßen modisch durch. In Kombination mit meinen uncoolen Sandalen und der Mütze, für die es eigentlich zu mild war, wirkte das Ganze jedoch eindeutig verzweifelt. Frau Mitte dreißig versucht sich in Streetstyle und scheitert. Egal, gleich würde Julia durch die Schiebetüren schreiten und von ihrem Fortbildungswochenende berichten, wir würden in ein Carsharing-Auto steigen und zu ihr nach Hause fahren. Duschen und etwas Ordentliches anziehen konnte ich später. Wie hatte ich es nur wieder geschafft, beim Nichtschreiben komplett die Zeit zu vergessen?

Eine Gruppe Businessfrauen in Hosenanzügen kam mit Rollkoffern auf mich zu, gefolgt von einem älteren Herrn mit einem Malteser, der sichtlich empört oben aus einer Hundetasche schaute. Neben mir wartete eine Familie, die ein Plakat vorbereitet hatte. Willkommen zu Hause, Matti! stand in Regenbogenfarben darauf. Vermutlich das Wiedersehen nach einem Austauschjahr in Kanada oder den USA. Ich konnte nur hoffen, dass Julia vor Matti rauskam, sonst würde ich unter Garantie heulen müssen, wenn der Teenager seine Eltern und Geschwister erstmals seit Monaten wieder in die Arme schloss.

Murmel fiepte zu meinen Füßen. Der Hund hatte offenbar auch keine Lust mehr zu warten. Er zog an der Leine und schnupperte am Boden. Ich fasste die Leine enger und sah, dass er an etwas nagte.

»Murmel, aus!« Ich bückte mich und zog ihm etwas aus dem Maul, was sich als Papier entpuppte. Leicht angewidert suchte ich nach einer Möglichkeit, es zu entsorgen, als ich erkannte, dass es sich um einen Briefumschlag handelte. Am oberen linken Eck, wo vermutlich der Absender gestanden hatte, zierten Murmels Zahnabdrücke das Papier. Die Tinte war komplett verlaufen, die Briefmarke halb weggefressen. Auch bei der Empfängeradresse war die Schrift verwischt, der Name nicht mehr zu entziffern.

Da stand nur noch:

Rua das Pedras, gefolgt von einer kaum leserlichen Hausnummer, und darunter:

2520-006 Ilha do Marial

Portugal

Portugal, dachte ich interessiert. Ein Brief, der weit reisen sollte. Wieso lag er hier auf dem Boden des Hamburger Flughafens?

Ich sah mich um. Nicht weit von Murmel und mir stand ein Mülleimer. Hatte ihn jemand dort hineinwerfen wollen und sein Ziel verfehlt? Oder war er verloren gegangen? Und was sollte ich nun damit machen? In den nächsten Briefkasten stecken konnte ich ihn nicht, schließlich waren weder Frankierung noch Empfängeradresse vollständig. Ihn einfach wegzuschmeißen brachte ich aber auch nicht übers Herz. Kurzerhand beschloss ich, zu Hause noch mal in Ruhe mit Lesebrille und bei guter Beleuchtung zu schauen, ob ich etwas retten konnte, und schob den Umschlag in meine Tasche.

Murmel zog erneut an der Leine, diesmal heftiger, und sein nervöses Fiepen verwandelte sich in hysterisches Bellen. Ich blickte auf und sah, warum. Julia hatte die Schiebetüren passiert und steuerte energisch auf uns zu. Ihr akkurat geschnittenes, kinnlanges Haar wippte bei jedem Schritt, der offene Windbreaker wehte hinter ihr her. Kurz vor uns machte sie halt und hockte sich zu meinem Hund auf den Boden. Murmel führte ein Freudentänzchen auf, wobei er mit seinen Krallen einen Faden aus Julias Dreiviertel-Cargohose zog, was sie großzügig ignorierte.

Als die zwei sich einigermaßen beruhigt hatten, richtete sich meine Cousine auf und umarmte mich. »Danke, dass du gekommen bist! Ich hätte echt auch ein Taxi nehmen können.«

»Kein Ding, du weißt ja, dass mir jede Ausrede lieb ist, die mich von der Arbeit abhält.«

»Wirklich, immer noch?« Sie klang ruppig, aber ich wusste, dass sie es nicht so meinte. Als ich leise stöhnte, zog sie die Augenbrauen zusammen. »Alles eine Frage der Zeit, Süße.«

»Bestimmt.« Ich bemühte mich um einen zuversichtlichen Gesichtsausdruck. »Wie ist es bei dir gelaufen?«

»War interessant.« Sie schnappte sich ihren Koffer, und wir machten uns auf den Weg.

»Erzähl mal, was hast du gelernt?«

»Och!« Sie winkte mit der freien Hand ab. »Ich erspare dir die medizinischen Details, nur so viel: Ich habe Unmengen Kaffee getrunken.«

Schade, dachte ich. So war das bei Tim auch immer gewesen. Wenn man selbst kein Medizinstudium absolviert hatte, war man für manche Themen offenbar keine geeignete Gesprächspartnerin. Und wurde abgespeist mit Floskeln wie Das ist schwer zu erklären oder Glaub mir, das willst du gar nicht so genau wissen. Dabei wollte ich genau das.

»Und die anderen?«, versuchte ich es erneut. »Nette Leute dabei?«

Julia warf mir einen strengen Blick zu. »Ich war da zum Arbeiten.«

»Ich weiß, ich will nur etwas teilhaben an deinem Wochenende.«

»Glaub mir, das willst du gar nicht so genau wissen.« Da war es wieder. Ich merkte, wie sie mich von der Seite musterte. »Du siehst … interessant aus. Muss ich mir Sorgen machen?«

Augenzwinkernd schob ich die Mütze zurecht. »Das trägt man jetzt so.«

Sie knuffte mich in die Seite. »Na ja, die Schuhe …«

»Ich weiß. Die Wahrheit ist: Ich war spät dran und hab mir nur schnell was übergeworfen.«

Sie schnupperte in meine Richtung. »So wie du möchte ich ungeduscht auch mal riechen.«

Nachdem ich Julia und ihr Gepäck nach Hause gebracht hatte, ging ich ausgiebig duschen und setzte mich mit nassen Haaren aufs Sofa. Murmel sprang zu mir und rollte sich zu meinen Füßen zusammen. Ich stopfte mehrere Kissen um mich herum, nahm den Laptop vom Couchtisch und zog ihn auf meinen Schoß. Mehrere Mails waren in meiner Abwesenheit angekommen – unter anderem von meiner Mutter, die bedauerte, es nicht zu meiner Buchpremiere zu schaffen, weil sie mit ihrem Mann Ulf auf La Palma war, und von meiner Agentin Franzi, die von meiner Idee, nach der Scheidung wieder unter meinem Mädchennamen zu schreiben, sehr wenig hielt. Ich sei mit Tims Namen erfolgreich geworden, man kenne mich nun mal als Katrin Lehmann.

Wieso nur habe ich damals nicht meinen Namen behalten, dachte ich verärgert. Weil ich jung und naiv war, gab ich mir selbst die Antwort. Zu jung und zu naiv, um voraussehen zu können, dass ich den Namenswechsel im Nachhinein aus Emanzipationsgründen unmöglich finden würde. Ganz abgesehen davon, dass er im Fall einer Scheidung unpraktisch war. Aber wer denkt bei der Hochzeit schon an so etwas?

Ich justierte ein Kissen hinter mir. Auf Dauer konnte ich so nicht arbeiten. Das würde mein Rücken nicht mitmachen. Ich brauchte einen Schreibtisch, am besten ein richtiges Arbeitszimmer. Es gab doch überall diese Co-Working-Spaces oder privaten Bürogemeinschaften, gerade unter freiberuflichen Kreativen. Ich sollte mich mal umschauen, dann käme ich auch mehr unter Leute, das würde mir sicher guttun.

Als ich diese Wohnung gefunden hatte, war sie als Übergangslösung gedacht gewesen. Als Rückzugsort, an dem ich in Ruhe mein Buch fertig schreiben konnte, fernab von den Spannungen zu Hause. Das war nun fast anderthalb Jahre her. Das Buch sollte in wenigen Tagen erscheinen, aber ich war trotzdem nicht nach Hause zurückgekehrt. Stattdessen saß ich noch immer hier: dreißig Quadratmeter, alles in einem Raum – ein Sofa, ein französisches Bett, eine Schrankwand, eine Küchenzeile mit zwei Herdplatten, ein kleiner Esstisch, auf dem sich die Post stapelte.

Tim sagte, er habe es nicht kommen sehen, als ich den ersten kleinen Koffer aus der Wohnung trug. Habe niemals damit gerechnet, dass noch viele Kofferladungen folgen würden, bis in unserem gemeinsamen Nest nichts mehr von mir übrig blieb außer Erinnerungen. Und auch ich hatte anfangs wirklich noch geglaubt, dass es sich nur um eine vorübergehende Krise handelte.

Mein Handy vibrierte in der Tasche, die neben mir auf dem Boden stand. Ich setzte meine neue Brille auf, die ich seit Kurzem brauchte. Ungewöhnlich früh für eine Lesebrille, hatte mir die Augenärztin bescheinigt. Als wäre es eine Auszeichnung. Ich hatte in einem Anflug von Übermut gegen den Rat der Optikerin eins dieser XXL-Modelle gewählt, in der Hoffnung, dass ich damit aussehen würde wie die coolen jungen Bloggerinnen, die sich mit meinen Büchern fotografierten. Stattdessen wirkte ich eher wie eine Figur aus einer Neunziger-Sitcom, der man ein überdimensioniertes Gestell auf die Nase gesetzt hatte, damit auch der oder die letzte Zuschauende kapierte, dass sie schlau, aber schräg war.

Ich holte mein Handy hervor. Als ich sah, wer mir geschrieben hatte, pochte mir das Herz mit einem Mal bis zum Hals. Was für ein merkwürdiger Tag. Manchmal saß ich wochenlang um Worte ringend hier auf dem Sofa, und niemand meldete sich, außer vielleicht Julia, die mir auf dem Weg zu ihrer Schicht im Krankenhaus eine Sprachnachricht schickte. Und heute wollten plötzlich alle was von mir. Mit ihm hatte ich trotzdem nicht gerechnet.

Felix hatte sich seit Monaten nicht bei mir gemeldet. Seit wir uns darauf geeinigt hatten, dass es besser war, wenn wir den Kontakt ganz abbrachen. Seit er mal wieder beschlossen hatte, dass seine Ehe im Gegensatz zu meiner noch zu...

Erscheint lt. Verlag 3.5.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2023 • Atlantikküste • eBooks • Familiendrama • Frauenromane • Liebesbrief • Liebesroman • Liebesromane • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2023 • Portugal • Romane für Frauen • Sommerbuch • Sommerfeeling • Spiegel-Bestseller-Autorin • Spiegel Bestsellerliste aktuell
ISBN-10 3-641-30091-6 / 3641300916
ISBN-13 978-3-641-30091-3 / 9783641300913
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