Franz von Assisi (eBook)

Tierschützer, Minimalist und Friedensstifter

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1., Auflage
272 Seiten
Gabriel in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
978-3-522-63075-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Franz von Assisi - Alois Prinz
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Das Leben des Franziskus vom preisgekrönten Biografen Alois Prinz erzählt. Franz von Assisi - was war er für ein Mensch? Damals gingen die Meinungen stark auseinander: Die einen hielten ihn bloß für einen verrückten Aussteiger, für die anderen war er ein beeindruckender Mensch, von dem man lernen wollte. Heute ist die Bedeutung dieses Mannes, der später sogar heilig gesprochen wurde, unstrittig. Alois Prinz reist nach Assisi und lässt uns durch seine Schilderungen in die Lebenswelt des Franziskus' eintauchen. Wir erfahren, was Franziskus prägte, aber auch, wie fortschrittlich er nicht nur für die damalige Zeit war mit seinem Bedürfnis nach Verzicht, einem einfachen Leben in Frieden und im Einklang mit der Natur und den Tieren.

Alois Prinz, geboren 1958, gehört zu den hochkarätigen und viel beachteten Autoren im Bereich Biografien. Er studierte Literaturwissenschaft, Politologie und Philosophie, parallel dazu absolvierte er eine journalistische Ausbildung. Bekannt wurde er durch seine Biografien über Georg Forster, Hannah Arendt, Hermann Hesse, Ulrike Meinhof, Franz Kafka, den Apostel Paulus und Jesus. Er wurde mehrfach ausgezeichnet u.a. mit dem Evangelischen Buchpreis für die Arendt-Biografie, dem Deutschen Jugendliteraturpreis für seine Biografie über Ulrike Meinhof sowie dem Großen Preis der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur. 2023 erhielt er den Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für sein Gesamtwerk. 

I.


Ritter Francesco


Endstation Assisi. Als der Bus am Abend auf dem großen Parkplatz ankommt, bin ich der einzige und letzte Fahrgast. Alle anderen sind schon vorher ausgestiegen, in Bologna oder Florenz. Als ich mir den Rucksack auf den Rücken schwinge, erschrecke ich ein wenig darüber, wie schwer er ist. Für die nächsten Tage ist eine Hitzewelle angesagt. An die vierzig Grad sollen es werden. Ich halte mich für ziemlich fit, aber auf den Treppen und in den steilen Gassen hinauf in die Oberstadt komme ich ins Schwitzen. Eine Steintafel auf der Mauer weist mir den Weg: »Zu den deutschen Schwestern von S. Croce«.

Die Schwestern sind Nonnen des Klarissenordens, die in Assisi ein Kloster gegründet haben und ein Gästehaus unterhalten, in dem ich mich angemeldet hatte. Sie berufen sich auf die heilige Klara von Assisi. Chiara – so ihr italienischer Name – war eine Freundin von Francesco. Die beiden kannten sich schon seit Kindertagen und manche behaupten, sie seien ineinander verliebt gewesen. Nachdem Franz sein altes Leben aufgegeben hatte und in die Wälder gezogen war, riss Klara, die einer adligen Familie entstammte, von zu Hause aus, um sich Franz anzuschließen. Ein Wanderleben wie Franz hat Klara nie geführt. Das war für Frauen undenkbar. Sie lebte zusammen mit ihren Mitschwestern bis zu ihrem Tod zurückgezogen im Kloster San Damiano vor den Toren Assisis.

An der Pforte werde ich von einer Schwester, die für das Gästehaus zuständig ist, freundlich empfangen. Sie zeigt mir mein Zimmer. Es geht hinaus auf eine Terrasse und einen kleinen Garten. Von dort hat man einen weiten Blick in die umbrische Ebene. Im Gespräch erfahre ich, dass die Schwestern von Santa Croce in Klausur leben, das heißt, sie dürfen das Areal des Klosters nur in Ausnahmefällen verlassen. Ihr Alltag besteht darin, in der Küche oder im Garten zu arbeiten und die festgelegten Zeiten für das Gebet einzuhalten. Ich gestehe der Schwester, die ich auf Mitte sechzig schätze, dass ich mir ein solches Leben für mich nicht vorstellen könne. Sie lächelt und meint, dass sie von Gästen immer wieder gefragt werde, ob das Leben, das sie und ihre Mitschwestern führen, noch zeitgemäß sei. Sie kann verstehen, dass es für Außenstehende schwer ist zu begreifen, warum die Schwestern in dieser Gemeinschaft sich nicht eingesperrt fühlen und durchaus glücklich sind. Das Kloster ist für sie ein Schutz vor den Zerstreuungen der modernen Welt draußen. Nur wer eine Berufung zu diesem Leben in der Kontemplation erfahren habe, so heißt es auf der Homepage des Klosters, könne es in seiner »tiefsten Dimension« begreifen.

Im Speisesaal des Gästehauses sitzt an dem langen Tisch eine Pilgergruppe aus der Nähe von München. Zu ihr gehört ein älteres Ehepaar, mit dem ich ins Gespräch komme. Die beiden erzählen mir, dass sie ihre Tochter im Kloster besuchen. Vor vielen Jahren hat sie als junge Frau eine Reise nach Assisi gemacht. Eines Tages rief sie zu Hause an und teilte ihren Eltern mit, dass sie nicht mehr nach Hause kommen würde und ins Kloster eintreten wolle. Seither besuchen sie die Eltern ein Mal im Jahr. Anfangs, die ersten Jahre, durften sie mit ihrer Tochter nur durch ein Gitter sprechen. Später wurde ihnen ein Treffen im klösterlichen Garten erlaubt. Die Tochter scheint ihren Entschluss nie bereut zu haben. Überhaupt haben die Schwestern von Santa Croce keine Nachwuchssorgen.

Den nächsten Tag will ich in Assisi verbringen und dann zu meiner Wanderung aufbrechen. Gleich nach dem Frühstück mache ich mich auf den Weg in die Stadt. Die Schaufenster der Läden, an denen ich vorbeikomme, sind voll mit Souvenirs, auf denen Franziskus abgebildet ist: Amulette, Teller, Aschenbecher oder Feuerzeuge. Besonders beliebt scheinen die Franziskus-Figuren zu sein. Die meisten halten Vögel auf dem Arm oder ein Wolf sitzt zu ihren Füßen. Franz, der Freund aller Tiere.

Mein erstes Ziel am Morgen ist die Chiesa Nuova, eine Kirche, die an dem Platz errichtet wurde, wo Franz Ende des Jahres 1181 oder Anfang 1182 geboren worden sein soll. Ob sein Elternhaus wirklich hier stand, weiß man nicht so genau. Sicher ist jedenfalls, dass die Bernardones, wie die Familie hieß, eine angesehene und sehr reiche Familie waren, denen mehrere Häuser in und um Assisi gehörten.

Auf dem Platz vor der Kirche stehen Statuen der Eltern: Pietro Bernardone und seine Frau Pica. Die beiden halten sich an den Händen. Über seinem Arm hängt ein Gewand. Sie hat eine zerbrochene Kette in der Hand. Beides sind Hinweise auf ein Drama, das sich in der Familie abgespielt hat und das damit endete, dass Franz mit seinen Eltern brach. Es verwundert mich ein wenig, dass man den beiden ein Denkmal gesetzt hat. Ihr Ruf ist nämlich nicht gerade der beste. Nicht nur wegen des Bruchs mit ihrem Sohn. Thomas von Celano stellt in seiner Lebensbeschreibung den Eltern ein schlechtes Zeugnis als Erzieher aus.5 Ihm zufolge übten sie einen schädlichen Einfluss auf ihren Sohn aus und Celano macht sie dafür verantwortlich, dass Francesco in seinen jungen Jahren ein verwöhnter Playboy war, der nur schöne Kleider, gutes Essen und nächtelange Feiern im Kopf hatte. Als Celano den Auftrag bekam, ein Buch über Franz zu schreiben, war der schon zum Heiligen erklärt oder – richtiger – verklärt worden. Von einem Heiligen erwartete man, dass er von Geburt an heilig ist. Wilde Partys und Luxus passten da nicht hinein. Und so hat Celano die Schuld an Francescos lasterhaftem Treiben den Eltern zugeschoben.

Thomas von Celano hat später eine zweite Lebensgeschichte verfasst und darin sein hartes Urteil über die Eltern abgemildert. Das tat er gezwungenermaßen, weil Francescos ehemalige Gefährten inzwischen ihre eigenen Erinnerungen niedergeschrieben hatten und ihre Sicht auf die Eltern eine ganz andere war. Sie »liebten ihren Sohn mit Zärtlichkeit«, heißt es in ihren Aufzeichnungen.6

Man darf Francescos Freunden mehr Glauben schenken als dem Biografen Celano. Demnach war das Verhältnis von Franz zu seinen Eltern lange Zeit ein sehr liebevolles. Und »lange Zeit« heißt, bis Franz fünfundzwanzig Jahre alt war. Das ist mehr als die Hälfte seines Lebens! Franz war in diesen Jahren kein schwieriger Sohn, der gegen seine Eltern rebellierte. Im Gegenteil, alles spricht dafür, dass er sich mit seinen Eltern bestens verstand, seinen Vater bewunderte und seine Mutter liebte. Wie konnte es dann zum Bruch kommen?

Wenn ich durch die engen Gassen Assisis gehe, versuche ich mir vorzustellen, wie es hier zur Zeit von Francesco ausgesehen haben mag. Sicher, es fuhren keine Autos und Vespas herum, die Leute waren anders angezogen und es gab keine Touristen und Souvenirläden. Aber am Straßenbild hat sich so viel nicht verändert. Wie auch andere Städte in Italien war Assisi in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen. Man schätzt, dass in und um die Stadt etwa zwanzigtausend Menschen gelebt haben. Die sozialen Unterschiede waren groß. In der Unterstadt lebte die arme Bevölkerung, Tagelöhner, Landarbeiter, Bedienstete. In der Oberstadt hatten die Bessergestellten und Wohlhabenden ihre Häuser. Zu ihnen gehörten die Adligen, die nicht arbeiten mussten, und die Handwerker wie Metzger, Schuhmacher oder Bäcker. Ihre Läden gingen teilweise auf die Straße hinaus, weswegen es dort sehr lebhaft zugegangen sein muss.

Die Welt, in die Francesco hineingeboren wurde, war eine Welt im Umbruch. Das Feudalsystem, in dem es Herren und Leibeigene gab, und die Gesellschaft, die nach einer festen, gottgegebenen Ordnung gestaltet war, wurden erschüttert. Etwas Neues bahnte sich an. Frei gewordene Bauern, arbeitslose Ritter und verarmte Adlige strömten in die Städte, die nun aufblühten und nach Unabhängigkeit von Kaiser und Papst strebten. Die Städte wurden zu Zentren des sozialen und wirtschaftlichen Lebens.

Eine neue Klasse entstand: das Bürgertum. Die Angehörigen dieser Klasse ließen sich nicht mehr auf einen durch Stände festgelegten Platz in der Gesellschaft verweisen, sondern produzierten eigene Waren und trieben damit einen freien Handel. »Was jetzt zählt«, so beschreibt es der Theologe Leonardo Boff, »ist weder Landbesitz noch feudale Titulatur, sondern Arbeit, Geld, Gold, Handel und materieller Wohlstand.«7 Was sich hier in ersten Ansätzen entwickelte, sind die Kennzeichen einer modernen Welt, wie sie sich in den kommenden Jahrhunderten voll entfaltete und wie wir sie bis heute kennen. Pietro Bernardone war ein typischer Vertreter dieses neuen Bürgertums.

In einer Gasse neben der Chiesa Nuova gibt es eine Kammer, die als Verkaufsraum zum Laden des Kaufmanns Bernardone gehört haben soll. Das lässt sich nicht beweisen, ist aber durchaus möglich. Man kann sich jedenfalls gut vorstellen, wie solche Läden, die zur Gasse hinausgingen, ausgesehen haben. Unbestreitbar ist dagegen, dass Bernardone ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann war. Er handelte mit Tüchern und Kleidern und es war nur Ware der besten Qualität, die man bei ihm kaufen konnte. Es gibt Dokumente, nach denen Bernardone einer Kaufmannsfamilie aus der Stadt Lucca entstammt, die nach Umbrien umsiedelte.8 Demnach konnte er die Tradition seiner Familie fortführen. Dass er aber...

Erscheint lt. Verlag 24.2.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte Aussteiger • Einfach leben • Franziskaner • Franziskus • Franziskusweg • Gaukler Gottes • heilige glaubensvorbilder • konfirmation geschenk • Konsumverzicht • minimalistisch leben • Papst • Sonnengesang • sonnengesang franz von assisi • Tierschutz • Verzicht • Weniger ist mehr
ISBN-10 3-522-63075-0 / 3522630750
ISBN-13 978-3-522-63075-7 / 9783522630757
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