Mean Baby (eBook)

Wie ich Selma Blair wurde. Ein Memoir. Fesselnde Geschichte der Hollywood-Schauspielerin (Eiskalte Engel) über ihre Kindheit, Alkoholsucht, Multiple-Sklerose-Erkrankung

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
368 Seiten
mvg Verlag
978-3-96121-900-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mean Baby -  Selma Blair
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Die fesselnde Geschichte einer Frau auf der Suche nach ihrer wahren Rolle im Leben Selma Blair hat im Laufe ihrer Schauspielkarriere viele Rollen gespielt - vom unschuldigen Mädchen in »Eiskalte Engel« bis zur Brandstifterin in »Hellboy«. In ihrer Kindheit war sie mit ihrem strengen Blick und ihrem wilden Haar jedoch nur bekannt als »Mean Baby«, als »gemeines Baby«. Und mit ihrer rebellischen und unangepassten Art tat sie alles, um diesem Ruf gerecht zu werden. Selmas Geschichte ist voller Höhen und Tiefen: Trotz ihrer frühen Erfolge als gefeierte Schauspielerin und als Model erlebte sie auch viele dunkle Zeiten. Schonungslos offen berichtet Selma von ihrer Alkoholsucht, von Ruhm, Gewalt und leidenschaftlicher Liebe sowie von ihrer Multiple-Sklerose-Erkrankung. In ihrem brillanten Memoir - intelligent, witzig, tiefgründig und erschütternd zugleich - erzählt Selma Blair die packende Geschichte ihres Erwachsenwerdens und ihrer Suche nach sich selbst jenseits aller Etiketten.

Die Hollywood-Schaupielerin Selma Blair wurde dem deutschen Publikum v. a. durch ihre Rollen in Eiskalte Engel, Natürlich blond und Hellboy bekannt. 2017 wurde sie unter anderen als Silence Breaker die sich gegen sexualisierte Gewalt einsetzten vom Magazin Time zur Person of the Year ernannt. Sie war außerdem 2021 Protagonistin des Dokumentarfilms Introducing, Selma Blair, der ihr Leben mit Multipler Sklerose zeigt.

Die Hollywood-Schaupielerin Selma Blair wurde dem deutschen Publikum v. a. durch ihre Rollen in Eiskalte Engel, Natürlich blond und Hellboy bekannt. 2017 wurde sie unter anderen als Silence Breaker die sich gegen sexualisierte Gewalt einsetzten vom Magazin Time zur Person of the Year ernannt. Sie war außerdem 2021 Protagonistin des Dokumentarfilms Introducing, Selma Blair, der ihr Leben mit Multipler Sklerose zeigt.

Prolog


Im Herbst 2002 ging ich in Los Angeles zu einer Tarot-Kartenlegerin. Ich hatte gerade eine Rolle in einem Film bekommen, der sechs Monate lang in Prag gedreht werden sollte. Ich war dreißig Jahre alt, verunsichert und auf der Suche. In meinem Kopf war eine Leere, von der ich wollte, dass sie jemand füllt. Ich wollte von jemandem hören, wer ich werden würde und nach welchen Zeichen ich auf meinem Weg suchen sollte. Ich wollte einen Ausblick, wenn nicht gar eine Erleuchtung. Das ist schließlich der Grund dafür, warum wir unsere Scheckbücher für Wahrsager öffnen. Wir wollen eine Geschichte hören. Eine wilde Geschichte. Eine spannende Geschichte. Und es soll unsere eigene sein.

Die Kartenlegerin hieß T. und sie sah ein bisschen aus wie eine Berkeley-Professorin, sehr schlank, sehr intellektuell. Große Augen, umrahmt von einem schwarzen Pony, der ihr gerade über die Stirn fiel. In einer Hand hielt sie ein Taschentuch. Ihr Atem roch nach Pfefferminzbonbons. Zu ihren Füßen lag eine dünne schwarze Katze. Im Laufe unseres Gesprächs erfuhr ich, dass T. früher Anwältin gewesen war, den Beruf aber aufgegeben hatte, um ihre Gaben voll auszuschöpfen. Diese Frau schien in jeder Hinsicht eine gute Führerin auf dieser metaphysischen Reise zu sein, die richtige Person, um das Drama meines Lebens zu übermitteln.

T. war nicht meine erste Begegnung mit dem Spirituellen, denn ich suche schon so gut wie mein Leben lang nach solchen Geschichten, sei es von Mystikern und Chakra-Heilern, Medien und Numerologen, Rückführungstherapeuten und Astrologen. Meine Faszination geht weit zurück in die Zeit meiner Kindheit, als ich in Southfield, Michigan, aufwuchs. Bei einer Geburtstagsfeier in der zweiten Klasse verkleidete sich die elegante Mutter meiner Freundin Melissa Stern als Wahrsagerin – eine glitzernde Erscheinung mit Kopftuch und vielen Ketten und Armbändern. Melissas Mutter war wunderschön und wohnte in einem riesigen Haus, was als Beweis dafür ausreichte, dass sie in die Zukunft sehen konnte, oder zumindest, dass ihre Worte einen gewissen Wert haben mussten. Als ich an der Reihe war, blickte sie in eine Kristallkugel, zeichnete die Linien auf meinen Handinnenflächen nach, schloss die Augen, hielt meine kleinen Hände und verkündete mir, dass ich eine wunderschöne Schauspielerin werden würde, wenn ich groß wäre.

»Im Laufe deines Lebens wird es so viele Jungs geben, dass sie Schlange stehen werden«, sagte Mrs Stern, während sie mit dem Finger in der Luft eine lange Schlange von Männern andeutete, die darauf warteten, mich zu erobern. Ich war sieben Jahre alt und konnte mir überhaupt nicht vorstellen, wie sie auf so etwas kam. Ich hatte dichte Augenbrauen und strähniges Haar und hielt mich nicht für ein besonders attraktives Kind. Und obwohl ich zu dramatischen Ausbrüchen neigte, machte mir die Vorstellung, vor einem Publikum aufzutreten, Angst. Aber ich wollte es so verzweifelt gerne glauben. Ich war von Mrs Sterns Fähigkeiten, die Zukunft vorherzusagen, so überzeugt, dass ich jedes Wort regelrecht in mich aufsaugte. Und ich konnte es kaum erwarten, es meiner Mutter zu erzählen, die sich bestimmt über die Nachricht freuen würde.

Als meine Mutter zu dröhnendem Evita-Soundtrack in ihrer marineblauen 1979er Corvette vorfuhr, kletterte ich auf den Rücksitz. Unser süßer Nachbar Todd, etwas älter als ich, ließ sich vorn auf den weißen Ledersitz plumpsen, der vom Zigarettenrauch gelb gefärbt war. Ich wollte, dass die beiden erfuhren, was mir prophezeit worden war, also erzählte ich ihnen alles. »Mrs Stern hat meine Zukunft vorhergesagt, und sie hat gesehen, dass ich eine wunderschöne Schauspielerin werde«, prahlte ich. Ich wollte, dass meine Mutter beeindruckt war. Ich wollte, dass Todd mich bemerkte. Schon mit sieben Jahren wusste ich, dass Schönheit eine seltene Kostbarkeit war.

»Ja, klar«, spottete Todd.

»Das ist lächerlich«, sagte meine Mutter, als sie aus der langen Einfahrt der Sterns herausfuhr. Sobald wir außer Sichtweite waren, nahm sie einen Zug von ihrer Vantage-Zigarette, atmete in Richtung des Armaturenbretts aus und füllte das Auto mit Rauchschwaden. »Warum sollte sie dir das sagen? Außerdem. Falls du einmal schön« – Betonung auf »falls« – »und groß wirst,« – Betonung auf dem »und« – »wirst du Model. Oder du heiratest einen Ölmagnaten und verbringst deine Tage auf dessen Jacht.« Damit war es entschieden. Das Wort meiner Mutter war Gesetz. Ende der Diskussion. Ich schaute aus dem Fenster.

Dennoch sollte Mrs Sterns Vorhersage sich für mich erfüllen, zumindest teilweise: Ich wurde Schauspielerin. Und hatte zu jenem Zeitpunkt bereits eine ganze Reihe von Männern verschlissen. Sogar einen Ölmagnaten, der mir irgendwann nicht mehr zusagte. Aber ich war noch immer auf der Suche, noch immer unzufrieden, noch immer ruhelos und festgefahren, und ich war immer noch krampfhaft bemüht, allen zu gefallen, und wurde immer wieder von Phasen der Verzweiflung überwältigt. Ich betrank mich, wenn ich nicht wusste, was ich als Nächstes tun sollte, oder wenn ich meinem Körper entfliehen musste. Ich suchte überall nach Hinweisen, nach Zeichen, nach Glück. Ich wollte, dass mir jemand sagte, wie meine Geschichte weiterging. Ich wollte, dass mir jemand weissagte, was als Nächstes kam.

Und nun, viele Jahre und viele Wahrsager später, war ich wieder hier. T. betrachtete die Karten lange und ordnete sie dann zu einem sauberen Stapel. Sie legte ihre Fingerspitzen zusammen, sodass sich ihre unlackierten Nägel berührten, und sagte mit der Art von Überzeugung, die man von einer Tarot-Kartenlegerin erwartet: »Dein Leben wird sich in Prag verändern.« Die Katze zu ihren Füßen sah zu mir auf, als würde sie zustimmen.

Ich lächelte. Da war es: Mein Leben würde sich in Prag verändern. Sie fuhr fort und prophezeite, dass ich einen kleinen Mann treffen würde, der für mich wichtig werden würde. Und dass sich der wahre Sinn meines Lebens offenbaren würde. Auch das hörte sich gut an. Dieser Besuch lief deutlich besser als mein letzter Besuch bei einer Hellseherin, die mir mitgeteilt hatte, dass ich in meinem früheren Leben von meinem Vater gefangen gehalten und in einem Steingrab im Wald eingeschlossen worden war, wo ich bei lebendigem Leibe verbrannt wurde, ohne dass dies jemals jemand erfuhr.

Nach Prag fuhr ich für die Dreharbeiten zu dem Film Hellboy, in dem ich die Rolle der Liz Sherman spielen sollte – eine Frau, die über pyrokinetische Fähigkeiten verfügt und in einem Wutanfall versehentlich ihre Familie verbrannt hat und nun lernen muss, ihre Kräfte zu kontrollieren. Der Regisseur, Guillermo del Toro, hatte mich in einem Indie-Film namens Storytelling gesehen und fand, dass mein Gesicht einen Ausdruck von großem Verlust annehmen konnte. Und Verlust sei Liz’ Kern, sagte er. Sie konnte niemanden berühren, weil sie sich bei jeder Gefühlsregung entzündete. Es war eine passende Rolle für mich, denn seit meinen Zwanzigern hatte ich oft das Gefühl, dass meine Arme in Flammen standen. Das Gefühl kam und ging ohne Grund: ein Kribbeln bis in die Fingerspitzen, wie winzige Stromstöße, dann ein so intensives Brennen, dass ich befürchtete, ich könnte in Flammen aufgehen, bis es plötzlich wieder verschwand. Obwohl es mich quälte, sprach ich nie mit jemandem darüber, nicht einmal mit meiner Mutter. Es war nur ein weiteres Geheimnis meines Körpers, das ich nicht verstand.

Also ging ich nach Prag, wo ich auf den magischen, lebensverändernden Moment wartete, den T. vorhergesagt hatte. Ich begegnete einem kleinen Mann – damit hatte T. recht –, einem Flüchtling aus dem ehemaligen Jugoslawien, und wir verbrachten jeden Abend zusammen, tranken Sliwowitz und Champagner in Bars. Wir stritten uns, versöhnten uns, knutschten, betranken uns, stritten uns, versöhnten uns, machten rum und tranken noch mehr. Ich fühlte mich, als würde ich in einem Bukowski-Roman leben. Am Morgen wachte ich auf und fragte mich, wer dieser kleine, tätowierte, jähzornige, blauäugige Mann neben mir war. Nur um festzustellen, dass er jetzt zu mir gehörte. Das war nicht die Veränderung, die ich wollte.

Als der Film abgedreht war, kehrte ich nach L. A. zurück und war wieder einmal am Boden zerstört. Mein Leben hatte sich in Prag nicht verändert, außer dass ich noch mehr Alkohol vertragen konnte und entsprechend noch mehr trank – eine Fähigkeit, in der ich mich ohnehin schon auszeichnete. Rückblickend erkenne ich jedoch, dass ich dort einiges gelernt habe. Ich habe gelernt, wie man die Rolle einer Frau spielt, die versucht, die Kontrolle über ihren eigenen widerspenstigen Körper zu erlangen. Wie ich mich von den Schmerzen in meinen Armen ablenken konnte, wenn ich spürte, wie sie zu brennen begannen. Wie ich lange, einsame Nächte in Bars verbringen und irgendwie...

Erscheint lt. Verlag 19.3.2023
Übersetzer Simone Fischer
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte Alkoholkonsum • Alkoholsucht • Aufmerksamkeit gewinnen • Autobiografie • Einsamkeit • Eiskalte Engel • Erwachsenwerden • familiäre Beziehungen • Gewalt • Hellboy • Hollywood-Schauspielerin • Karl Lagerfeld • Lebensbericht • Lebensgeschichte • Liebe • Model • Multiple Sklerose • Mutter-Tochter-Beziehung • Schicksal • schwierige Kindheit
ISBN-10 3-96121-900-1 / 3961219001
ISBN-13 978-3-96121-900-1 / 9783961219001
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