Der Himmel am nächsten Morgen (eBook)

Roman

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
352 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46671-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Himmel am nächsten Morgen -  Ira Laudin
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Unsere jüngere Geschichte, dramatische Schicksale - und die zweite große Liebe Der historische Roman »Der Himmel am nächsten Morgen« erzählt authentisch und wunderbar romantisch von einer Frau, die sich ihr Glück nicht nehmen lässt. Wuppertal, 1945: Kurz vor Kriegsende entgeht die junge Lissi bei einem Bombenangriff nur knapp dem Tod. Zum Glück findet sie bei ihrer Tante und deren zwei Kindern ein neues Zuhause. Die schwere Nachkriegszeit ist geprägt von Hunger, Kälte und Wohnungsnot. Dann wird der siebzehnjährige Johann, ein Vertriebener aus Pommern, ausgerechnet in Lissis Rückzugsort einquartiert, in die versteckte Kammer unter dem Dach. Sie verliebt sich in den selbstbewussten Jungen, als dieser unerwartet an Tuberkulose erkrankt und weit weg zur Kur muss. Wuppertal, 1979: Lissis Mann Johann stirbt bei einem Verkehrsunfall. Sie bleibt allein mit ihrer achtzehnjährigen Tochter Miriam zurück. Ein Jahr darauf meldet sich ein alter Bekannter bei Lissi, erst jetzt erfährt dieser vom tragischen Tod seines Jugendfreundes Johann. Zu ihrer eigenen Überraschung ist sie von Georg und seinem unkonventionellen Lebensstil fasziniert... Ira Laudin hat sich für ihren historischen Roman von der Geschichte ihrer eigenen Familie inspirieren lassen. Ihr einfühlsamer Schreibstil macht die deutsche Nachkriegszeit erlebbar - ebenso wie den Lebensmut einer starken Frau.

Ira Laudin, geboren 1976 in Braunschweig und aufgewachsen in Wuppertal, beschäftigt sich seit früher Jugend mit der Mode und dem Leben vergangener Epochen. Nach Stationen im Musikverlag, bei Film und Fernsehen sowie als Organisatorin von Veranstaltungen, führte sie zwanzig Jahre lang ein Atelier für historische Mode. Heute schreibt sie hauptberuflich Kurzgeschichten und Romane und lebt mit Mann, Tochter und den Familienkatzen im idyllischen Lennep.

Ira Laudin, geboren 1976 in Braunschweig und aufgewachsen in Wuppertal, beschäftigt sich seit früher Jugend mit der Mode und dem Leben vergangener Epochen. Nach Stationen im Musikverlag, bei Film und Fernsehen sowie als Organisatorin von Veranstaltungen, führte sie zwanzig Jahre lang ein Atelier für historische Mode. Heute schreibt sie hauptberuflich Kurzgeschichten und Romane und lebt mit Mann, Tochter und den Familienkatzen im idyllischen Lennep.

2


Mai 1979

Am Morgen brach Johann zu einer Bekleidungsmesse nach Frankfurt auf. Er verabschiedete sich mit einem Kuss und lief mit seinem Handkoffer leichtfüßig die Treppe hinunter.

Vom weit geöffneten Fenster aus überblickte Lissi die ganze Straße. Sie blinzelte in die grelle Morgensonne, die sich in einer Fensterscheibe gegenüber spiegelte. Er winkte ihr, und sie hob die Hand. Ein letzter Blick von ihm zu ihr hoch, dann stieg er in seinen hellblauen Opel und fuhr los. Das gleiche helle Blau lag über den Häusern, dieser Himmel ließ den Sommer erahnen. Es war ein perfekter Tag, um später mit Miriam hinunter in die Stadt zu spazieren. Ihre Tochter war achtzehn und besuchte das nahe gelegene Gymnasium. Sie würden einige Besorgungen machen, Kaffee trinken, ein Eis essen. Für Johann würde sie nach einem ledernen Uhrenarmband schauen, das alte müsste dringend ausgetauscht werden.

Lissi räumte den Tisch ab und spülte das Geschirr vom Frühstück, im Radio lief Blondies Heart Of Glass. Sie summte mit und stapelte Teller und Tassen auf dem Abtropfgestell.

Die Vorfreude auf Italien stieg erneut in Lissi auf. Sie erinnerte sich an das Gefühl nackter Füße im sonnenwarmen Sand. An enge Gassen, durch die der Duft von Olivenöl und Fisch zog. Beim Frühstück hatte sie im Katalog des Reisebüros geblättert. Vor lauter Fernweh hätte sie am liebsten gleich die Koffer gepackt.

Die Nudelsuppe für den Abend könnte sie vorbereiten, bis Miriam aus der Schule nach Hause kam. Sie setzte einen Topf mit Wasser auf, schnippelte Gemüse und ließ es zugedeckt köcheln.

Zeit für eine Kaffeepause. Mit dem heißen Becher in der Hand, schlenderte sie zum Sofa, ließ sich im Schneidersitz nieder, nahm das Telefon auf den Schoß und wählte die Nummer ihrer Freundin Anna. Eine halbe Stunde lang plauderten sie ungestört über Kindersorgen und Arzttermine.

 

Am Mittag klingelte es an der Haustür. Zwei Polizisten schleppten sich die knarrenden Stufen des Treppenhauses zu ihr in den zweiten Stock hinauf. Der eine hager mit Schnurrbart, der andere schnaufend mit fülliger Körpermitte. Lissi stand in der Tür, ihre heitere Stimmung gefror augenblicklich. Sie sah die ernsten Mienen und straffte sich innerlich.

»Guten Tag, sind Sie Frau Sander? Die Ehefrau von Johann Sander? Dürfen wir eintreten?«, fragte der Dünne.

Sie nickte stumm und bat beide ins Wohnzimmer.

Der rundliche Beamte wandte sich ihr zu und sagte kurzatmig: »Es tut uns leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihr Mann mit seinem Auto tödlich verunglückt ist.«

Watte, in ihrem Kopf nur Watte, die Stimmen wie aus weiter Ferne.

»Setzen Sie sich … etwas Wasser … frische Luft … jemanden anrufen?« Man griff nach ihrem Arm, sie ließ sich auf einem Stuhl am Esstisch nieder.

Das konnte nicht sein, sie sprachen von einem anderen Mann. Ihrer war vorhin gut gelaunt in sein Auto gestiegen. Sie würden in den Urlaub fahren. Hinter ihren Schläfen pochte es, ihr war schwindelig. Der hagere Polizist reichte ihr eines der gespülten Gläser mit Leitungswasser, es war noch feucht. Sie trank einen Schluck, und schon stiegen ihr Tränen in die Augen. Sie tastete auf dem Tisch nach der blau-weißen Packung mit den Taschentüchern und zog an der offenen Seite eines heraus. Das war sicher alles ein Irrtum. Nur langsam begriff Lissi die ungeheure Nachricht, die ihr die Luft abschnürte. Ohne Johann war alles sinnlos, ein Leben ohne ihn – undenkbar.

Die beiden Polizisten redeten beruhigend auf sie ein, berichteten von einem hellblauen Opel, und ihr wurde klar, dass sie von Johanns Wagen sprachen. Doch die Worte ließen sich nicht in einen vernünftigen Zusammenhang bringen. Das wollte sie alles nicht hören, sich keine Bilder dazu im Kopf ausmalen müssen.

Waren Stunden, Minuten oder nur Sekunden vergangen? Vom Flur her hörte sie das vertraute Geräusch des Schlüssels im Türschloss. Miriam. Ihr Gesicht erschien im Türrahmen. Sie erstarrte in der Bewegung, als sie die Beamten bemerkte. »Mama, was ist passiert?«

Lissi schüttelte den Kopf, keine Worte. Die Polizisten wiederholten ihren Text, als hätten sie ihn vorher einstudiert. Wie auf einer Bühne, sie war eine Marionette. Ohne Fäden. Nicht in der Lage, sich zu rühren. Alles vorbei. Eine banale Fahrt zu einer Messe an einem sonnigen Maitag. Lächeln, winken, fahren. Doch er würde nie mehr wiederkommen.

Miriam fiel ihrer Mutter um den Hals und weinte fassungslos. Die beiden Beamten standen eine Weile mit betretenen Gesichtern herum, dann sprachen sie ihnen erneut ihr Beileid aus und verabschiedeten sich endlich.

Mutter und Tochter blieben zurück, hielten sich fest, gaben sich Halt. Weinten stumm. Zwei verlassene Seelen. Zusammen und doch allein.

So saßen sie lange beieinander, wie von dichtem Nebel umgeben. Am Abend kam Anna vorbei, nahm Lissi wortlos in den Arm. Reglos standen sie da, im Türrahmen, halb im Treppenhaus. Es brauchte keine Erklärungen. Ihre Freundin bugsierte sie auf das Sofa und sah kurz nach Miriam, die inzwischen in ihrem Zimmer auf dem Bett lag, Musik hörte und niemanden sehen wollte.

Die Freundinnen saßen nebeneinander, sprachen kaum, aber es war tröstlich, Anna bei sich zu haben. Später gestand sie, dass sie vier zeternde Kinder und einen erstaunten Mann zu Hause am Abendbrottisch zurückgelassen hatte.

»Du musst doch etwas essen.« Anna reichte Lissi einen Teller mit bunter Brühe.

Richtig, der Nudeleintopf vom Mittag. Um zwölf hatte sie es noch nicht gewusst. Da hatte noch nicht alles in Scherben gelegen. Lissi rührte mit dem Löffel in der Suppe, bis sie kalt war, und stellte sie vor sich auf dem Couchtisch ab. Was waren seine letzten Worte an sie gewesen? Hatte sie ihm wie üblich zum Abschied gesagt, dass sie ihn liebte? Sie war sich diesmal nicht sicher.

Es war schon nach Mitternacht, als Anna sich mit einer langen Umarmung und tröstenden Worten verabschiedete. »Du weißt, du brauchst nur anzurufen.«

Wie betäubt blieb Lissi im Wohnzimmer zurück. Es gab in ihr keine Tränen mehr. Sie goss den letzten Rest der dunkelroten Flüssigkeit aus der Flasche in das bauchige Glas und nippte. Es schmeckte fruchtig herb und tröstlich. Sie war unfähig, in das leere Schlafzimmer hinüberzugehen. Eine dumpfe Schwere breitete sich in ihrem Körper aus. Irgendwann in der Nacht erhob sie sich, ohne zu wissen, wie spät es war.

Ein kurzer Blick in Miriams Zimmer, sie schlief, ein zusammengeknülltes Taschentuch in der Hand. Ihr Schmusetier aus Kinderzeiten fest an sich gedrückt. Sie wirkte wieder wie das kleine Mädchen damals, zart und zerbrechlich. Leise schloss Lissi die Tür. Im Bad mied sie den Blick in den Spiegel, wusch sich und putzte die Zähne. Das leere Bett ertrug sie jetzt nicht. Auf dem Sofa legte sie sich unter die Wolldecke, die Stehlampe ließ sie brennen. Sie fürchtete sich davor, allein in der Dunkelheit zu liegen. Der Kopf schmerzte, ihre Lider wurden schwer, die Müdigkeit erfasste sie wie eine Welle und zog sie hinunter in eine finstere Tiefe.

Als sie in den frühen Morgenstunden erwachte, drang trübes Licht von der Straße durch die hohen Wohnzimmerfenster. Lissi erinnerte sich an keinen einzigen Traum. Benommen knipste sie die Lampe aus und setzte sich auf. Die Schläfen pochten, ihr Mund war wie ausgetrocknet. Dann fiel es ihr wieder ein. Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Johann war fort. Seine Stimme hatte sie im Ohr. Seine Bartstoppeln kratzten sie am Kinn, wenn er sie morgens mit einem Kuss weckte. All das war mit ihm verschwunden. Unvorstellbar. Ein nicht enden wollender Albtraum.

Durst trieb sie in die Küche, sie trank ein Glas Wasser, setzte Kaffee auf, alle Handgriffe liefen ab wie ferngesteuert. Es war völlig unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen.

Ihr Blick fiel auf den Esstisch, auf dem der Reisekatalog lag. Unter der Garderobe im Flur standen seine abgetragenen Hausschuhe, die er nicht mitgenommen hatte. Er lächelte ihr aus dem Bücherregal zu. Den Bilderrahmen für das Familienfoto hatten sie damals zusammen ausgesucht. Miriams breites Kinderlachen gab den Blick auf eine Zahnlücke frei. Wohin Lissi sah, überall strömten Erinnerungen auf sie ein. Die Verzweiflung lag auf ihr wie ein schwerer Stein, der jedes Fünkchen Energie zermalmte. Jegliche Lebensfreude war ausgelöscht. Der Schmerz nahm ihr die Luft zum Atmen. Was war sie denn ohne Johann? Es kamen wieder Tränen, und sie liefen hemmungslos.

 

Freitag. Drei Tage war es her. Heute wäre er zurückgekommen aus Frankfurt. Pfeifend hätte er den Flur betreten, seine Frau geküsst und seine Tochter in den Arm genommen. Nie wieder würde er das tun. Lissi schlich durch die Wohnung wie ein Geist, blass und körperlos.

Miriams Augen waren rot und verquollen wie zuletzt vor einem halben Jahr, da hatte sich ihr erster Freund von ihr getrennt. Es gab keine Messlatte für Trauer. Doch im Gegensatz zu ihrer Mutter hatte sie sich besser im Griff: »Mama, ich weiß, du willst darüber nicht nachdenken, aber ich kann das nicht allein entscheiden. Welchen sollen wir nehmen?«

Der Prospekt des Beerdigungsinstituts lag aufgeschlagen auf dem Esstisch. Auf Hochglanz polierte Holzkisten. Lissi drehte sich der Magen um. Ein Hotel mit Strand hatte sie aussuchen wollen und keinen widerwärtigen Sarg.

Miriam stand auf und sagte: »Ich mach uns einen Kaffee.« Die alltäglichen Geräusche gaben Sicherheit. Das Sprudeln des Kranwassers in die Kanne mit Plastikdeckel, das Zischen und Gurgeln. Der Duft von Kaffee. Alles war wie immer. Denke nicht dran, Lissi, alles ist gut. Die Nächte waren schlimm, die Tage grässlich, denn da musste sie...

Erscheint lt. Verlag 3.7.2023
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1945 • 1979 • 70er Jahre • Audiokassetten • Autounfall • Bomben • Bombenangriff • BRD • Chance • Der Mann fürs Leben • Deutschland • Dramatische Liebesromane • dramatische Romane • Entscheidung • Familie • Familiengeschichten Romane • Familienroman Nachkriegszeit • Familiensaga • Frauenheld • Frauenroman • Frauenromane • Frauenunterhaltung • Große Liebe • Hamburg • Herzklopfen • Historischer Liebesroman • Hunger • jung verwitwet • Kälte • Leben nach dem Krieg • Liebe 50+ • Liebe auf den zweiten Blick • Liebe nach dem Krieg • Liebesbriefe • Liebesgeschichte • Liebesgeschichten Bücher • Liebesroman • Nachkriegsdeutschland • Nachkriegszeit • Nachkriegszeit Romane • Nationalsozialismus • Neuerscheinung Frauenunterhaltung • neues Glück • Nordrhein-Westfalen • Patchwork • Post Nationalsozialismus • Romane für Frauen • Romane Liebe • Romane Nachkriegszeit • ruf des herzens • Schicksal • Schmetterlinge im Bauch • Spätes Glück • Trauer • Tuberkulose • Versteck • Vertrauen • wahre Liebe • Waisen • Widerstände • Witwe • Wohnungsnot • Wuppertal • Zeitgeschichte Roman • Zweite Chance • zweite große Liebe • Zweite Hälfte des Lebens • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-426-46671-6 / 3426466716
ISBN-13 978-3-426-46671-1 / 9783426466711
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