Das Bücherschiff des Monsieur Perdu (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman | Von der Autorin des Weltbestsellers »Das Lavendelzimmer«

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
400 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-44067-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Bücherschiff des Monsieur Perdu -  Nina George
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Das schönste Buch des Jahres kommt von Nina George: die Fortsetzung des Weltbestsellers 'Das Lavendelzimmer'!  Vier Jahre sind vergangen, seit der Buchhändler Jean Perdu sein Bücherschiff, die 'Pharmacie Littéraire' verließ, und den Aufbruch in eine neue Liebe mit der Bildhauerin Catherine in der Provence wagte. Doch die in einer Zeitkapsel aufbewahrte letzte Bitte des Schriftstellers José Saramago an Monsieur Perdu lockt ihn zurück, in das Herz seiner Leidenschaft: Bücher und Menschen zusammen zu bringen, und für jede Seelen-Maladie die wirksamste Lektüre zu empfehlen. Auf der gemeinsamen Reise mit Max Jordan über die Kanäle Frankreichs nach Paris wird das Bücherschiff des Monsieur Perdu bald zu einer Arche, auf der sich Menschen, Kinder, Tiere - und Bücher! - begegnen, die einander für immer verändern. Und das große Abenteuer Leben hält für jeden von ihnen einen zweiten Anfang bereit - auch für Monsieur Perdu...  EXTRA IM BUCH: Die Große Enzyklopädie der Kleinen Gefühle - das Handbuch für Literarische Pharmazeut:innen von Jean Perdu, Pauline Lahbibi und Jean Bagnol.

Die mehrfach ausgezeichnete internationale Bestsellerautorin Nina George, geboren 1973 in Bielefeld, schreibt seit 1992 Romane, Sachbücher, Essays, Reportagen, Kurzgeschichten, Blogs und Kolumnen. Ihr Roman Das Lavendelzimmer wurde in 36 Sprachen übersetzt und eroberte weltweit die Charts, so etwa die New York Times-Bestsellerliste in den USA. Mit ihrem Ehemann, dem Schriftsteller Jens J. Kramer, schreibt Nina George als Jean Bagnol Provencethriller. Sie lebt in Berlin und in der Bretagne. Seit Juni 2019 ist Nina George Präsidentin des European Writers' Council, dem Dachverband von 40 europäischen Schriftstellerinnen- und Schriftstellerverbänden.

Die mehrfach ausgezeichnete internationale Bestsellerautorin Nina George, geboren 1973 in Bielefeld, schreibt seit 1992 Romane, Sachbücher, Essays, Reportagen, Kurzgeschichten, Blogs und Kolumnen. Ihr Roman Das Lavendelzimmer wurde in 36 Sprachen übersetzt und eroberte weltweit die Charts, so etwa die New York Times-Bestsellerliste in den USA. Mit ihrem Ehemann, dem Schriftsteller Jens J. Kramer, schreibt Nina George als Jean Bagnol Provencethriller. Sie lebt in Berlin und in der Bretagne. Seit Juni 2019 ist Nina George Präsidentin des European Writers' Council, dem Dachverband von 40 europäischen Schriftstellerinnen- und Schriftstellerverbänden.

Kapitel 1


Oft, wie eben jetzt, saß Jean Perdu in der Sommerküche des mas, zerpflückte Rosmarin und Lavendelblüten, roch mit geschlossenen Augen an diesen innigsten aller Provencedüfte und arbeitete an der Großen Enzyklopädie der Kleinen Gefühle.

Unter K trug er gerade ein: »Küchentrost. Das Gefühl, während auf dem Herd etwas Köstliches vor sich hin simmert, die Scheiben beschlagen und die Geliebte sich gleich mit dir an den Tisch setzen und dich zwischen zwei Löffeln zufrieden anschauen wird (auch bekannt als: Leben) …«, als er in der Ferne das charakteristische Geräusch eines Scooters hörte, der tapfer und entschlossen im ersten Gang den steilen Hang in Angriff nahm. Gleichzeitig klingelte das Telefon.

Sie waren hier in den Bergen der Drôme so weit ab von der eilenden Welt, dass die Briefträgerin Francine Bonnet zehn Minuten zu ihnen herauf brauchte, auf ihrem gelben Roller der La Poste. Und sie kam nur, wenn sie Pakete brachte, die nicht in den Briefkasten unten im Tal passten.

Er hatte folglich Zeit, ans Telefon zu gehen; er kannte die Nummer aus Paris.

»Madame Gulliver«, sagte er in den Hörer.

»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, und Sie bekommen Post von José Saramago«, antwortete sie statt einer Begrüßung.

»Der Geburtstag ist morgen, und es würde mich wundern, wenn Monsieur Saramago mir schrübe. Er ist zurzeit leider tot.«

»Ach, schrübe, Rübe! Das konnte ihn offenbar nicht davon abhalten, Ihnen zu schreiben!«

Bitte sehr, dachte Perdu, in der Ewigkeit des Todes hat die Zeit keine Bedeutung mehr, folglich werden Tote auch nicht älter und können selbstverständlich noch Briefe schreiben.

»Und was schreibt Monsieur Saramago?«

»Sie werden zur Geheimhaltung verpflichtet. Niemand darf von Ihnen erfahren, dass es nach Stadt der Blinden und Stadt der Sehenden eine Fortsetzung gibt: Stadt der Träumer

»Aha. Das mit der Geheimhaltung hat ja offenbar ganz prima geklappt.«

»Wieso, Sie haben es mir doch gar nicht erzählt, Monsieur Perdu. Möchten Sie wissen, was noch in dem Brief steht?«

»Sie meinen, in dem Brief, der an mich persönlich adressiert ist? Ja, das wäre ganz reizend.«

Für Ironie war Claudine Gulliver mindestens genauso unempfänglich wie für Melancholie. Perdus Nachbarin in Paris liebte das Leben inniglich, sie durchklackerte es tänzelnd auf ihren bunten, hochhackigen Pantoletten, griff beherzt nach Lust und Zerstreuung, gab ungebeten Wärme und Großzügigkeit. Und liebte es, gut informiert zu sein. Vor allem, was ihre Nachbarn der Rue Montagnard No 27, Paris, und jenen kostbaren Rest der Welt anging, der sie ebenso nichts anging.

Neben ihren Vorlieben für papageienbunte Absatzschuhe und galante Liebhaber hatte sich Madame Gulliver in den vergangenen Jahren die Angewohnheit zugelegt, Monsieur Perdus Post anzunehmen und das, was ihrer Ansicht nach nicht allzu privat erschien, selbstverständlich zu lesen, bevor sie es in die Drôme weitersandte. Über die Feingranulation von »nicht allzu privat« sollte er sich womöglich doch noch mal mit ihr unterhalten, wenn er das nächste Mal nach Paris kam, um seine zunehmend wackeligeren Eltern zu besuchen.

Auf der anderen Seite: Claudine Gulliver war die Verbündete, die er brauchte, um die Schätze vergangener Zeiten zu heben: Manuskripte. Manchmal kam es dazu, dass einst berühmte Schriftstellerinnen und Autoren an einen Punkt im Leben gelangten, wo es über sie hieß: »Sie war mal gut … in seinen jungen Jahren war er überragend …«, und eines Tages wurden sie nicht mehr nachgedruckt und verschwanden aus den Läden, aus dem kollektiven Lese-Gedächtnis, ihre Arbeit wurde unsichtbar. Aber das Leben war noch lang, und der Kontoauszug bedrückend, die Kinder oder Enkel hatten Pläne, es musste folglich Geld her.

Und da versetzten die Autoren etwas Kostbares: ihre Vorläufermanuskripte. Die ungekürzten, unlektorierten Schriften, mal handschriftlich, mal schreibmaschinengetippt, mal ausgedruckt und mit unleserlichen Anmerkungen versehen, denen man anlas, dass sich zwischen den Sätzen und Kapiteln und halb entwickelten Figuren, den Ausschweifungen, Abdriftungen und Werkstatt-Fragmenten zum Warmwerden ein Jahrhundertwerk verbarg. Kein Buch der Welt wurde so gedruckt, wie es das erste Mal geschrieben wurde. Schriften zu stellen, bedeutete Absätze umheben, Wörter umschieben, löschen. Und die Lektorinnen und Lektoren dieser Welt waren die Co-Bildhauer, die dabei assistierten, dass aus dem Wortgestein ein David wurde und nicht nur ein Brocken Druckerschwärze.

In Monsieur Perdus Obhut verblieben die unbekannten Vorwerke, Notizen, biografischen Studien, bis sich ein Verehrer fand, der bereit war, Stillschweigen zu beschwören und außerordentlich viel Geld an den Autor dafür zu zahlen, niemandem verraten zu dürfen, dass er oder sie ein einzigartiges Werk einer Literaturlegende besaß. So waren die Regeln. Es gab auch Menschen, die sich einen Gauguin ins Klo hängten, oder solche, die von ferne jemanden liebten und diese Liebe stumm mit ins Grab nahmen. Etwas Einzigartiges zu besitzen, es zu lieben, ohne sich damit wichtigzutun – das vermochten nur wenige Menschen.

Und erstaunlicherweise war es den Autorinnen und Schriftstellern lieb, wenn ein Teil ihrer Seele bei jemandem wohnte, der sie wahrhaftig liebte, mitunter verstand. Es war allerdings nicht nötig, diese Beziehung mit einem direkten Kennenlernen zu ernüchtern. Dafür gab es Jean Perdu und Madame Gulliver: Er war ein diskreter Makler geheimer Manuskripte geworden.

Begonnen hatte Perdus Handel mit einem Faksimile des handgeschriebenen Manuskripts von Sanary, das auf verschlungenen Wegen in seinen Besitz gelangt war. Bald hatte sich, mit der Hilfe der Auktionsprotokollantin Claudine Gulliver aus dem dritten Stock der Rue Montagnard No 27, ein solventer Sammler für die Vorversion von »Südlichter« gefunden. Und als Perdu so weit gegangen war, ihm das Skript erst nach einer Herzensprüfung zu verkaufen – einem sehr langen Gespräch, wie er seine Bibliothek ordnete, wie er mit Kindern, Katzen und Geheimnissen umzugehen pflegte –, verfestigte sich Perdus Ruf als exzentrischer Manuskripthändler. Manchmal bewarben sich Dutzende Sammler um ein Originalmanuskript, aber Perdu wählte jenen aus, der ihm als Geliebter, Gefährtin, Freund und Vertraute, als Lehrling oder Patientin des jeweiligen Werkes am geeignetsten erschien.

Madame Gulliver informierte Perdu nun, dass José Saramago, der große Utopist mit einer Abneigung gegen konventionelle Interpunktion, eine Zeitkapsel hinterlegt habe. Das war nicht unüblich. Auch das Cervantes-Institut in Madrid, untergebracht im Gebäude der ehemals größten Bank Spaniens, hatte den Tresorraum und seine Bankschließfächer in eine Manuskript-Schatzkammer verwandelt; ausgesuchte Schriftstellerinnen und Schriftsteller deponierten unveröffentlichte Texte und andere Erbstücke, die erst Jahrzehnte später das Licht der südlichen Sonne wieder erblicken durften. Auch in Norwegen übergaben Autorinnen und Autoren wie Margaret Atwood unveröffentlichte Manuskripte an die »Zukunftsbibliothek«; diese Werke sollten im Jahr 2114 das erste Mal gedruckt werden – auf Papier, dessen Bäume über hundert Jahre in einem geschützten Wäldchen heranwuchsen.

Saramagos Zeitkapsel in einem feuerfesten Safe war zu dem von ihm vorgegebenen Tag geöffnet worden und enthielt ein fest verschnürtes Packpapierpaket, in dem es nach Seiten raschelte, und die Notiz, das enthaltene Manuskript – ungeöffnet, ungelesen, unkopiert – an Jean Perdu, Buchhändler, Paris auszuhändigen. Die Saramago-Stiftung in Lissabon hatte Jean Perdu an seine private Adresse in der Rue Montagnard im Marais geschrieben – am Champs-Élysées-Hafen konnte nichts mehr ankommen; die »Literarische Apotheke«, der von Perdu zur Buchhandlung umgebaute Frachtkahn Lulu, lag dort nicht mehr vor Anker. Seine Freunde Samy und Cuneo hatten das Bücherschiff vor einigen Jahren in Aigues-Mortes in der Camargue vertäut.

Jean Perdu, Buchhändler, Paris.

Genau das hatte sein Leben dreißig Jahre beschrieben. Vier Wörter, die in einer Faust Platz hatten. Und er hatte die Faust geöffnet und die Wörter verstreut, und sich hinterher.

»Sie haben eine Fotografie beigelegt, von Monsieur Saramagos handschriftlicher Verfügung. Mein Lieber, der Unterschwung seiner g und diese leuchtturmartigen l – ausnehmend vielversprechend für eine Frau, die wüsste, was sie mit einem solchen Mann anfangen könnte. Wie schade, dass dieser Monsieur José zurzeit tot ist, ich hätte ihn gern auf ein Gläschen Portwein getroffen.« Claudine Gulliver seufzte, das Seufzen eines Menschen mit spektakulären Fantasien und deutlich zu wenig Zeit, sie alle gebührend auszuleben.

»Dann hätten Sie Monsieur Heinrich Heine wohl am Tresen stehen lassen«, merkte Perdu an. »Er krakelte.«

»Ach du lieber Himmel«, rief Madame Gulliver, »krakelnde Männer! Die wissen in der Tat selten, wo bei einer Dame oben und unten ist. Habe ich Ihnen mal von dem Professor an der Sorbonne erzählt? Er wusste alles über Gravitation, aber hatte keine Ahnung, wie Anziehung zwischen zwei Körpern …«

»Pardon? Ich glaube, da war gerade ein Funkloch.« Perdu klopfte auf den Hörer in der Hoffnung, Madame Gulliver zu bremsen, bevor es einen Konversationsunfall gab. Auch nach allem, was ihm das Leben die vergangenen Jahre geschenkt hatte – Catherine, Max, Victoria, Cuneo, Samy –, lebte in ihm immer noch jener halb versteinerte Mann zur Untermiete, der es...

Erscheint lt. Verlag 3.4.2023
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte besondere Bücher • Bestseller-Autorin • Bibliophilie • Bücherschiff • Buchhändler • Buchhändlerin • Buchhandlung • Catherine • Das Lavendelzimmer • Drôme • Fortsetzung Lavendelzimmer • Französische Romane • Frauenromane Bestseller • gebrochenes Herz • Große Enzyklopädie der Kleinen Gefühle • Hausboot • Hausboot-Reise • Jean Perdu • Lavendel • Lavendelzimmer Fortsetzung • Lavendelzimmer Nina George • Liebesgeschichten Bücher • Literarische Apotheke • Literarische Pharmazeuten • Literarische Pharmazie • Literatur • Little Paris Bookshop • Lulu • Manon • Max Jordan • Monsieur Perdu • Nina George • Nina George Bücher • Paris • Pauline Freudenreich • Pharmacie litteraire • philosophische Romane • poetische Romane • Provence • Reise • Reise zu sich selbst • romane frankreich • Romane für Frauen • Romane Liebe • Romantische Bücher • Schriftsteller • Seine • Selbstfindung Roman • Spiegel-Bestseller-Autorin • Südlichter • tiefgründige Bücher • Vater werden • Victoria • was tun gegen liebeskummer • Weisheit Romane • Welt-Bestseller
ISBN-10 3-426-44067-9 / 3426440679
ISBN-13 978-3-426-44067-4 / 9783426440674
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