Sonnenaufgang mit Giraffen (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
432 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60373-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sonnenaufgang mit Giraffen -  Lynda Rutledge
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2 Giraffen, 12 Tage, 3000 Meilen nach Westen Journalistin Lynda Rutledge erzählt einfühlsam und inspirierend eine wahre Geschichte übers Durchhalten und Zusammenhalten. USA, 1938. Woody Nickels hat bereits viele Schicksalsschläge erlitten. Da bringt ausgerechnet ein Hurrikan, der die halbe Ostküste zerstört, ein Wunder, das ihm neuen Lebensmut geben wird: Woody findet zwei Giraffen am New Yorker Hafen, die den Sturm auf wundersame Weise überlebt haben. Zusammen mit einem ruppigen, aber gutmütigen Zoowärter und einer geheimnisvollen Fotografin begibt er sich auf einen Roadtrip quer durchs Land, um die Tiere nach San Diego in den dortigen Zoo zu bringen. Eine Reise, die ein unzerstörbares Band zwischen Mensch und Tier entstehen lässt und alles verändert!   Die perfekte Sommerlektüre mit viel Tiefgang zum Davonträumen und Mitfiebern. Wer Carsten Henns »Der Buchspazierer« verschlungen hat, wird »Sonnenaufgang mit Giraffen« lieben!  »Eine großartige Geschichte über die Kraft der Freundschaft zwischen Tier und Mensch.« Booklist »Die perfekte Mischung aus Realität und Fiktion!« -POPSUGAR

Lynda Rutledge ist seit über 25 Jahren als professionelle Autorin tätig und hat als Werbetexterin, Restaurant- und Filmkritikerin, Sachbuchautorin, Reiseschriftstellerin und freiberufliche Journalistin gearbeitet. Sie hat Nashornbabys gestreichelt, mit gefährdeten Meeresschildkröten geschnorchelt, ist mit dem Gleitschirm von einem kleinen Schweizer Berg geflogen und hat Wirbelstürmen getrotzt, um Artikel für nationale und internationale Publikationen zu schreiben.

Lynda Rutledge ist seit über 25 Jahren als professionelle Autorin tätig und hat als Werbetexterin, Restaurant- und Filmkritikerin, Sachbuchautorin, Reiseschriftstellerin und freiberufliche Journalistin gearbeitet. Sie hat Nashornbabys gestreichelt, mit gefährdeten Meeresschildkröten geschnorchelt, ist mit dem Gleitschirm von einem kleinen Schweizer Berg geflogen und hat Wirbelstürmen getrotzt, um Artikel für nationale und internationale Publikationen zu schreiben.

1


Im New Yorker Hafen

Schiffe flogen durch die Luft, Straßen strömten wie Flüsse, Stromkabel explodierten wie Feuerwerk, und Häuser voller schreiender Menschen wurden hinaus aufs Wasser gefegt – es war der 21. September, der Tag des Großen Hurrikans 1938. Die komplette Küste vom New Yorker Hafen bis Maine wurde so hart getroffen, dass der Tag in die Geschichte einging – siebenhundert Seelen, die ihrem Richter nass wie Makrelen entgegengingen.

Damals gab es noch keine Warnsysteme. Man sah etwas über dem Wasser aufziehen und stellte eben noch fest, wie düster die Wolke dort aussah, als der verheerende Sturm und der Regen auch schon einsetzten und man um sein Leben rannte. Der Pfahl am Bootssteg, um den ich meinen dürren Jungenleib geschlungen hatte, schleuderte durch die Luft. Dann weiß ich erst wieder, dass ich in einem Graben zu mir kam und ein Landstreicher an meinen Cowboystiefeln ruckte. Sowie er sah, dass ich von den Toten auferstanden war, lief er kreischend davon. Irgendwie war ich am Stück geblieben, wenn auch grün und blau und blutig, und hatte nur meine Hosenträger eingebüßt. Während der Rest der lebenden Welt anfing, um Hilfe und nach Leichenwagen zu rufen, wischte ich mir das Blut aus dem Gesicht, zog mir die Hose hoch und kam auf die Beine. Das Bootshaus, vor dem ich gestanden hatte, war verschwunden, genau wie Cuz, mein Vetter dritten Grades und Boss. Wiedergefunden habe ich ihn in einer seichten Pfütze aus Bootssplittern. Der Mast einer Slup hatte ihn durchbohrt. Ich selbst war schon vor der Abreibung durch den Hurrikan nicht gerade ansehnlich gewesen – ein zu lang geratener Farmboy mit frischen Pickelnarben im Gesicht und einem Muttermal von der Größe einer preisgekrönten Tomate am Hals –, aber besser als Cuz sah ich allemal aus. Ich würde ja sagen, dass ich Glück gehabt hatte, nur konnte ich mit dem Wort kaum etwas anfangen, sodass ich es nie benutzte. Ich würde ja sagen, dass ich Pech gehabt hatte – nur war ich über Pech schon weit hinaus, so viel stand fest. Ich hätte nie gedacht, dass ich für den Rest meines Lebens noch Größeres zu sehen bekäme als diesen Hurrikan.

Aber da lag ich falsch.

Weil zwischen gekenterten Booten und brennenden Hütten und herabbaumelnden Leichen und heulenden Sirenen zwei Giraffen das Letzte sind, womit man rechnet.

Ich war keine sechs Wochen hier gewesen, der Staub der Dust Bowl lag noch immer auf meiner Halbstarkenlunge – denn trotz einer gottesfürchtigen Ma war ich genau das: ein Halbstarker von irgendeiner Farm, ursprünglich wie ein Kuhfladen, abgefeimt wie ein Keiler und bereits gut mit dem County Sheriff bekannt, und der Staub über jedem Atemzug ließ dem Heiligen Geist nur wenig Raum, sich mir einzuhauchen. In Cuz’ Schiffsrattenfalle von einem Bootshaus war ich nur deshalb gelandet, weil die Dirty Thirties so heftig über unser Eckchen des nördlichen Texas hinweggefegt waren, dass meilenweit jeder Siedler und Pächter einfach von der Landkarte gewischt worden war. Einige – wie meine Ma, mein Pa und meine kleine Schwester – endeten auf die harte Tour, sechs Fuß tief unter der Erde. Andere nahmen mit den Okies die Straße nach Kalifornien. Der Rest – wie ich beispielsweise – zog weiter zu jeder Art von Verwandtschaft, die einen noch bei sich aufnehmen wollte. Nun war die einzige Verwandtschaft, die mir geblieben war, ein Ostküstenfremder namens Cuz, der für einen Siebzehnjährigen aus Nordtexas ebenso gut der Mann im Mond hätte sein können. Aber es ist nun mal eine Sache, allein zu sein, und eine andere, in der vernichteten Ödnis eine gottverdammte Waise zu sein und Gräber für alle auszuheben, die man je geliebt hat, ohne dabei irgendjemand anderen um Hilfe bitten zu können als den Sheriff – was ich mich nicht traute, aus Gründen, die ich noch nicht weiter ausführen will.

Während ich noch an den Gräbern meiner Ma, meines Pa und meiner kleinen Schwester saß, ging der Abend irgendwann in den Morgen über. Immer noch mit dem tödlichen Staub bedeckt, der uns den Garaus gemacht hatte, buddelte ich das Einmachglas meiner Mutter mit den Münzen aus dem verkümmerten Beet und stolperte mit tränentrockenen Augen in Richtung Highway. Erst als ein Pritschenwagen hielt und der Fahrer mich fragte, wo ich hinwolle, fand ich heraus, dass ich stumm war.

»Bist’n Okie?«

Ich versuchte zu antworten. Ich brachte nichts heraus.

»Hast deine Zunge verschluckt, was?«

Immer noch bekam ich kein Wort heraus. Er musterte mich, wies mit dem Daumen auf die leere Ladefläche und ließ mich am Bahnhof Muleshoe raus – genau gegenüber vom Sheriff’s Office. Mit der Tür im Augenwinkel wartete ich auf den nächsten Zug. Ich wusste genau, dass ich dem Sheriff keine der Fragen beantworten könnte, die er sicher hätte, wenn er mich entdeckte, und gerade als der Zug einfuhr, kam er tatsächlich herausgeschlendert und sah mir in die Augen.

Unterwegs rechnete ich bei jedem Halt mit dem Schlimmsten, doch ich schaffte es mit den Münzen meiner Ma bis Chattanooga. Dort kletterte ich in einen Güterwaggon, bis ich ein paar Tramps einen Landstreicher aus dem Zug werfen sah, nachdem sie ihm zuvor die Schuhe geklaut hatten. Als Nächstes stibitzte ich ein Motorrad, fuhr, bis der Sprit verbraucht war, und stahl unterwegs Essen wie ein Straßenköter, bis irgendein Lump mit einer scharfen Rasierklinge es mir seinerseits stahl. Daraufhin trampte ich auf direktem Wege zu Cuz, wo ich mich mehr Wasser gegenübersah, als meine ausgedörrten Augen fassen konnten. Als Cuz mich fragte, wer zur Hölle ich sei, musste ich meinen Namen mit einem Stück Kohle auf den Kai schreiben. Er schnaubte. »War ja klar«, schnaubte er bloß, »von der Seite der Familie war nur zurückgeblieben zu erwarten«, und ließ mich als Erstes für mein Abendbrot schuften. Vierzig stumme Tage und Nächte lang nannte ich ein muffiges Feldbett ganz hinten im Bootshaus mein neues Zuhause.

Und jetzt hatte ich nicht mal mehr das. Es war niemand mehr da, um nach mir zu suchen, und es war niemand gestorben, um den ich noch hätte trauern wollen, weil Cuz ein derart hartherziger Dreckskerl gewesen war, dass ich schon überlegte, mir sein Geld unter den Nagel zu reißen und das Weite zu suchen.

Inmitten der Trümmer zog ich mir also die Hose hoch und stand auf wackligen Beinen vor den Überresten des Mannes, dessentwegen ich durch die halbe USA gereist war. Dann griff ich um den blutigen Mast herum und tastete Cuz’ tote Taschen ab. Als ich nichts weiter als seine Hasenpfote fand, fing ich in meiner Hurrikanwut an, auf ihn einzutreten, bis ich mit einem Mal die Sprache wiederfand – ich trat auf Cuz ein und verfluchte ihn, den grauen Himmel, das schwarze Meer, die Verwesung in der Luft, den ach so lieben Herrn Jesus meiner Ma und seinen grausamen allmächtigen Vater, bis ich ausrutschte und mit zum verregneten Himmel gerichtetem Blick auf dem Allerwertesten landete. Und damit war die Blockade in mir gelöst: Ich lag nur noch da und heulte wie der einsame Junge, der ich ja auch war.

Irgendwann kam ich wieder auf die Sohlen, knotete mir mit einem triefenden Stück Bootsleine die Hose und schlurfte zurück zum Kai.

Dort saß ich wie ein Häuflein Elend und sah zu, wie ein Schiff nach dem anderen in den Hafen trudelte.

Bis ich die Giraffen entdeckte.

Am Kai wurde ein sturmgebeutelter Frachter entladen. Ich kann mich weder erinnern, aufgestanden noch hingelaufen zu sein. Ich weiß nur noch, dass ich plötzlich inmitten von Seeleuten in blauen Kattununiformen stand und glotzte. Und unter dem baumelnden Kettenzug eines Schiffskrans, mit dem sie wie eine Ladung Reifen umgesetzt worden waren, sah ich zwei Giraffen: Eine war noch am Leben und schwankte in ihrer ramponierten, aber intakten Kiste, und der Kopf des riesigen Tiers ragte baumhoch über allem auf, während die zweite leblos der Länge nach auf der Kaimauer lag. Die Transportkiste war wie ein Akkordeon um den Giraffenleib zusammengequetscht. Damals wussten wir noch nicht viel über Giraffen, aber in der kurzen Zeit, in der ich zur Schule gegangen war – bevor der Staub kam –, hatte ich mal ein Foto von ihnen gesehen, deshalb konnte ich dieses Wunder zumindest benennen. Als ich das niedergestreckte Tier anstarrte, war ich mir sicher, den echten Kadaver einer echt toten Giraffe vor mir zu sehen … bis der Kadaver ein kastanienbraunes Auge aufschlug und zu mir...

Erscheint lt. Verlag 1.6.2023
Übersetzer Leena Flegler
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abenteuer historisch • Abenteuer und Reise • Belle Benchley • Buch über Tiere • Buch USA • Dust Bowl • Freundschaft mit Tier • Giraffen • Giraffenbuch • historisch • Historische Reise • Hurrikan • Kalifornien • Lynda Rutledge • New York • Phoenix • Reise • San Diego • Texas • Truck • zoo
ISBN-10 3-492-60373-4 / 3492603734
ISBN-13 978-3-492-60373-7 / 9783492603737
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