Eifelfrauen: Das Haus der Füchsin (eBook)
480 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00754-3 (ISBN)
Brigitte Riebe ist promovierte Historikerin und arbeitete zunächst als Verlagslektorin. Sie hat mit großem Erfolg zahlreiche Romane veröffentlicht, in denen sie die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte lebendig werden lässt. Ihre Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in München.
Brigitte Riebe ist promovierte Historikerin und arbeitete zunächst als Verlagslektorin. Sie hat mit großem Erfolg zahlreiche Romane veröffentlicht, in denen sie die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte lebendig werden lässt. Ihre Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in München.
1
Trier, April 1920
Johannas Augen wurden groß, als sie die Herrlichkeiten erblickte, die auf ihrem Bett ausgebreitet waren.
«Für mich?», fragte sie überwältigt. «Das alles?»
Greta, ihre Schwägerin in spe, kicherte vergnügt.
«Mir wäre das Kleid doch viel zu eng. Und in den Girdle mit den Strapsen passt kaum meine Hand.»
«Aber das muss doch ein Vermögen gekostet haben – Greta, du hast eindeutig den Verstand verloren!»
«Papperlapapp! Onkel Jupp ist immer großzügig, weil er Mama und mich unterstützen will. Außerdem gab es in den letzten Kriegsjahren nichts Neues zum Anziehen, und du wirst schließlich nur einmal im Leben großjährig. Da sollst du deine Schönheit ruhig zeigen!»
«Und ich war schon unglücklich, dass Papa eure Verlobung und meine Geburtstagsfeier auf einen Abend zusammengelegt hat. Aber jetzt bin ich glücklich darüber, Greta, so, so glücklich!»
Johanna griff nach der hellen Stola, schlang sie sich um den Hals und tanzte ausgelassen durch ihr Zimmer.
«Da werden sie Augen machen, diese wohlhabenden Schnösel, die Papa eingeladen hat, damit sein Töchterchen bloß nicht als alte Jungfer endet.» Johanna wusste, dass einige der begehrtesten Junggesellen Triers unter den Gästen sein würden, dafür hatte ihr Vater Matthias Fuchs gesorgt: Justus Beck, der Apothekersohn, Olaf Feuerstein, dessen Vater die Maschinenfabrik gehörte, und Peter Resch, der Angeber mit der großen Ziegelei. Sie war stehen geblieben. «Staunen sollen sie, meinetwegen sogar geifern. Mir macht es nämlich Spaß, sie so richtig zappeln zu lassen. Denn soll ich dir ein Geheimnis verraten? Von denen will ich ohnehin keinen.»
«Weil du in einen anderen Mann verliebt bist?», fragte Greta schwärmerisch. «Oder vielleicht sogar schon heimlich versprochen?»
«Vergiss es. Das hieße doch nur, von der väterlichen Bevormundung in die eines Ehemanns überzugehen, und dazu habe ich wenig Lust …»
«Nicht alle Männer sind so, Johanna.» Gretas Gesicht hatte sich leicht gerötet.
Wie ein Sahnebaiser sah sie aus, alles an ihr war hell und blond und weich, nichts Hartes, Sperriges gab es an diesem jungen Frauenkörper, der wie geschaffen für die Mutterschaft schien. Ein üppiger Busen, den das lichtblaue Musselinkleid umspielte, runde Hüften, wohlgeformte Waden, dazu überraschend zarte Hände und Füße – etwas zum Kuscheln, zum Anlehnen, zum Liebhaben. Kein Wunder, dass Johannas Bruder Heinrich der Brauerstochter Greta auf Anhieb verfallen war. Nach seiner Rückkehr aus Köln vor über einem Jahr hatte es für ihn kein anderes Thema mehr gegeben. Eigentlich war er ja im Auftrag der väterlichen Tabakfabrik dorthin gereist, um den Kontakt mit den wichtigsten Gasthäusern und Bierstuben zu intensivieren, doch das trat für ihn rasch in den Hintergrund, so hoffnungslos verliebt war er. Wann immer es ihm möglich war, hatte Heinrich seitdem die quirlige Stadt am Rhein besucht, bei Familie Sünner Kaffee und Likör getrunken und schließlich bei Gretas Onkel Jupp formvollendet um Gretas Hand angehalten.
Das Ja von Jupp Sünner, seit dem frühen Tod seines Bruders Ersatzvater für Greta, war prompt erfolgt, gepaart mit der Zusage einer stattlichen Mitgift, die die Trierer Fabrikantenfamilie Fuchs ihrerseits erfreut zur Kenntnis genommen hatte. Eine gute Partie, die ihren Sohn zudem glücklich machte – so etwas hatten sich Matthias und Dorothea für ihren schüchternen Zweitältesten immer gewünscht, der so lange im Schatten seines großen Bruders Severin gestanden hatte. Dass Greta mehr als einverstanden war, hatte Heinrich längst gewusst. Seine starke Kurzsichtigkeit, mit der er als Heranwachsender gehadert hatte, weil sie ihn anderen gegenüber scheu und unsicher machte, war ihm im Großen Krieg zugutegekommen. Ausgemustert, da ungeeignet für den Dienst an der Waffe, waren Heinrich die zermürbenden Grabenkämpfe an der Westfront erspart geblieben. Severin, den strahlenden Erstgeborenen der fünf Geschwister, hatten sie das Leben gekostet und die jüngeren Zwillinge Georg und Christoph körperlich wie auch seelisch schwer versehrt. Immerhin hatten die beiden überlebt – zwei Söhne von vieren, zusammen mit Heinrich, der nicht gekämpft hatte, sogar drei, das war mehr, als die meisten Trierer Familien für sich verbuchen konnten.
Aber hatte das Haus Fuchs nicht seit jeher zu den Gewinnern gezählt? Schon vor dem Großen Krieg waren die Geschäfte gut gelaufen, weil Seniorchef Matthias Fuchs die Produktion von Zigarren und Pfeifentabak rechtzeitig auf die modernen Zigaretten umgestellt hatte. Dann wurden die jungen Männer reihenweise eingezogen, und es gab kaum einen deutschen Soldaten, der nicht die preiswerte Hausmarke Ponte geraucht hatte. Die Umsätze waren damit auch in den Kriegsjahren konstant geblieben, während andere Gebrauchsgüter schwere Einbußen verbuchen mussten. Rauchen beruhigte und entspannte und, was wohl am wichtigsten war, es vertrieb den Hunger, zumindest eine Zeit lang. Zigaretten waren damit als Tauschware ideal.
«Ich weiß, Greta», lenkte Johanna ein. «Du heiratest ja schließlich meinen sanften, gewissenhaften Bruder Heinrich, der dir sicherlich jeden Wunsch von den Augen ablesen wird – vorausgesetzt, er hat nicht wieder seine Brille verlegt, denn ohne die ist mein Bruder leider blind wie ein Maulwurf.»
«Habe ich schon selbst erlebt. Und dann finde ich meinen Henry immer ganz besonders süß.»
«So nennst du ihn – Henry?» Jetzt schmunzelte Johanna.
«Henry, so hieß ein schottischer Dudelsackspieler der britischen Besatzungssoldaten, der wohl ein Auge auf mich geworfen hatte. Heinrich hat mich vom ersten Moment an an ihn erinnert – aber das darfst du ihm natürlich niemals verraten.»
«Ich schweige wie ein Grab», versicherte Johanna. «Aber jetzt halte ich es kaum noch aus – darf ich endlich deine wunderbaren Mitbringsel anprobieren?»
«Kumm, loss mer fiere», sagte Greta. «Jetzt feiern wir – also nix wie runter mit deinen Plünnen!»
Johanna war prüde erzogen worden, Sittsamkeit sei wichtig für das einzige Mädchen unter einer stattlichen Brüderschar, wie ihre Mutter Dorothea stets betont hatte. Sich jetzt vor Heinrichs Zukünftiger auszuziehen, machte ihr jedoch nichts aus, denn bei deren freundlicher Natürlichkeit fühlte es sich ganz selbstverständlich an. Also legte Johanna zunächst ihr blaues Kleid mit dem weißen Matrosenkragen ab, dann die Baumwollstrümpfe, schließlich auch das Hemdhöschen, bis sie nackt vor ihr stand.
«Erst den Seidenslip», kommandierte Greta, und Johanna gehorchte. «Darüber kommt dann der Girdle – obwohl du den ja eigentlich gar nicht bräuchtest, so rank und schlank, wie du bist.»
«Und die Seidenstrümpfe halten wohl von selbst, ganz ohne Strapse?»
«Auch wieder wahr. Das edle Satin steht dir, ich muss schon sagen, oh, là, là! Richtig schade, dass es außer mir keiner zu sehen bekommt …»
«Du bist mir ja vielleicht eine!» Johanna drohte ihr spielerisch. «Bislang dachte ich, Heinrichs Braut sei züchtig und sittsam.»
«Von wegen!», sagte Greta bedeutungsvoll.
«Soll das heißen, ihr habt bereits …»
«Haben wir», flüsterte sie, und ihre Augen begannen zu funkeln.
Johanna hatte inzwischen auch den Büstenhalter angezogen, ein zartes Gebilde aus cremefarbener Spitze.
«Und – ist es wirklich so schön, wie sie in den Romanen schreiben?», fragte Johanna leise und wurde ein wenig rot dabei. «Mama ist mir die Antwort schuldig geblieben, als ich sie danach gefragt habe. Das hat Zeit bis zu meiner Hochzeit, hat sie gesagt – als ob wir noch im achtzehnten Jahrhundert leben würden!»
«Ja, wunderbar», erwiderte Greta mit Nachdruck. «Manchmal nahezu überwältigend. Aber es muss eben der Richtige sein. Achte darauf, wie ein Mann küsst, daran erkennst du schon eine ganze Menge. Es ist wie bei einer guten Bonbonniere: Du fängst ganz bescheiden mit einer Praline an, dann kommt die zweite, schließlich die dritte – und auf einmal würdest du am liebsten die ganze Schachtel leer essen.» Sie lächelte verschmitzt. «Pass bloß auf, Johanna: Liebe kann richtig süchtig machen …»
«Und jetzt das Kleid?» Johannas Stimme bebte.
«Unbedingt!»
Cremefarbene Seide glitt über ihre Haut, fühlte sich kühl und leicht an. Ihre Hände tasteten über die goldenen Pailletten, die unter der Brust zu einer Art Mandala zusammenliefen. An den Knien spürte sie die weichen Fransen, die bei jeder Bewegung mitschwangen.
Der mannshohe Ankleidespiegel warf ein Bild zurück, das Johanna vollkommen unbekannt vorkam. Der großzügige V-Ausschnitt ließ ihren Hals länger wirken, zartes Lamégespinst umhüllte die Oberarme. Creme und Gold harmonierten perfekt mit ihrer hellen Haut und den rotblonden Haaren, ließen sie feminin und elegant zugleich aussehen. Das war nicht mehr das dürre Mädchen, das vor Kurzem mit Ach und Krach die private Wirtschaftsschule absolviert hatte – mit leicht provokantem Lächeln starrte ihr eine schlanke junge Frau entgegen, attraktiv und selbstbewusst, bereit, ins Leben zu tanzen …
«Hinreißend!», kommentierte Greta, die lässig aus dem Sessel aufgestanden war, um alles aus der Nähe zu betrachten. «Und wie für dich gemacht. Onkel Jupp hat einfach Geschmack! Jetzt die hellen Mary-Jane-Schuhe, auf diesen Absätzen kannst du die ganze Nacht durchtanzen. Ich hätte da übrigens noch eine weitere Überraschung – sozusagen als Tüpfelchen auf...
Erscheint lt. Verlag | 13.6.2023 |
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Reihe/Serie | Eifelfrauen | Eifelfrauen |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | 1920er Jahre • Bauernhof • Carmen Korn • Deutsche Autorin • Die Schwestern vom Ku'damm • Dodenburg • Eifel • Familiengeheimnis • Familiengeschichte • Familienroman • Familiensaga • Frauenschicksal • Fuchs • Generationenroman • Geschenke für Frauen • Geschenk für Frauen • Geschenk für Mutter • historienromane • Historische Bücher • historische Romane Neuerscheinungen 2024 • Historischer Roman • Historisch Romane • kleine geschenke für frauen • Liebe • Luxemburg • Mosel • Romane für Frauen • Roman Frauen • Roman für Frauen • Roman historisch • Roman historisch Frauen • Roman in Deutschland • Saga • Starke Frauen • Trier |
ISBN-10 | 3-644-00754-3 / 3644007543 |
ISBN-13 | 978-3-644-00754-3 / 9783644007543 |
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