Roxy (eBook)

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2023 | 1. Auflage
336 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01409-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Roxy -  Johann von Bülow
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«Eine packende Geschichte über Freundschaft und Liebe.» WAZ Marc und Roy waren einmal beste Freunde. Bis sie sich in dieselbe Frau verliebten. Jahre später muss Marc zurück nach München, zu Roys Beerdigung. Er blickt zurück auf sein halbes Leben, Freundschaften, Lieben. München, Achtzigerjahre: Marc wächst in der Doppelhaussiedlung auf. Er will ausbrechen, Schauspieler werden, die Welt erobern. Die liegt seinem Freund, dem Industriellensohn Roy - eigentlich Robert -, schon zu Füßen. Die beiden träumen und hoffen, wachsen aneinander, aber auch hinein in eine Glamourwelt, die sich in der Edeldisco «Roxy» trifft. Sie feiern das Dasein. Sie lernen die umwerfende Carolin kennen, die alles verändert. Und sie merken: die Linien zwischen Freundschaft und Rivalität sind manchmal dünn. Packend und zugleich mit großer Leichtigkeit erzählt der Schauspieler Johann von Bülow in seinem vom Leben inspirierten Roman von Schicksal und Zufall, von Jugend und Freundschaft, vom luxuriösen Unglück des Reichtums und der Wucht echter Entscheidungen - kurz: davon, was wirklich zählt. 

Johann von Bülow, geboren 1972 in München, zählt zu den bekanntesten deutschen Schauspielern seiner Generation. Nach einem Studium an der Otto-Falckenberg-Schule spielte er an wichtigen Theatern wie dem Schauspielhaus Bochum; darüber hinaus ist er in zahlreichen deutschen und internationalen Kino- und Fernsehfilmen zu sehen und arbeitet mit Regisseuren wie Oliver Hirschbiegel und François Ozon. «Roxy» ist sein erster Roman.

Johann von Bülow, geboren 1972 in München, zählt zu den bekanntesten deutschen Schauspielern seiner Generation. Nach einem Studium an der Otto-Falckenberg-Schule spielte er an wichtigen Theatern wie dem Schauspielhaus Bochum; darüber hinaus ist er in zahlreichen deutschen und internationalen Kino- und Fernsehfilmen zu sehen und arbeitet mit Regisseuren wie Oliver Hirschbiegel und François Ozon. «Roxy» ist sein erster Roman.

Die Gegend am Stadtrand von München, in der er aufgewachsen ist, besteht zu einem Teil aus Villen, die um die Jahrhundertwende erbaut wurden, umgeben von altem Baumbestand und riesigen Gärten. Und zum anderen Teil aus der angrenzenden «Parkstadt». Einer Großwohnsiedlung, errichtet in den Sechziger- und Siebzigerjahren. Zweitausend Wohneinheiten in klassenloser Blockbauweise, die Geschosszahl vom Rand her ansteigend, um den Kontrast zu den älteren Einfamilienhäusern der Nachbarschaft nicht zu krass aussehen zu lassen. Ein Hauch von Marzahn bei München. Dazwischen befanden sich Reihenhäuser, einfache Nachkriegshäuser und eine Doppelhaussiedlung.

Marcs Elternhaus lag gerade noch so am Rande des Villenviertels, aber schon ziemlich nah an den Hochhäusern. Genau auf der Grenze zweier Schuleinzugsgebiete. Auf seiner Straßenseite begann der Bereich der neuen Grundschule mit angegliederter Hauptschule in der Parkstadt. Es gab noch eine weitere Grundschule im alten Ortskern, da gingen die Kinder aus den Villen hin. Diese Grundschule besuchte Roy. Obwohl sie nicht weit auseinanderlagen, waren die beiden Schulen wie verschiedene Planeten.

Sein Vater war von der Schule, der Marc zugeordnet wurde, nicht begeistert. Parkstadt klang zwar schön, fand er, aber mit Park hatte das Ganze so wenig zu tun wie ein englischer Rasen mit einer Motorcross-Strecke. Deshalb brachte er ihn morgens zur Sicherheit mit dem Auto dorthin. Marcs Eltern hatten panische Angst, er könnte entführt werden. In den späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahren waren die Zeitungen voll von schrecklichen Geschichten über verschwundene Kinder. Und auch wenn Marc nicht den klangvollen Geburtsnamen seiner Mutter trug, sondern nur den ganz gewöhnlichen seines Vaters, fürchteten seine Eltern, vor allem aber Großmama, er könne ein ähnliches Schicksal erleiden wie der Sohn der Oetkers oder, schlimmer noch, die Opfer der RAF. Dass eine Entführung oder ein politischer Mord an einem Grundschüler, dessen Vater als Unterabteilungsleiter beim Bundesnachrichtendienst und dessen Mutter als Lehrerin arbeiteten, eher unwahrscheinlich waren, spielte dabei keine Rolle. Seine Eltern waren Nachkriegskinder, sie machten sich alle möglichen Sorgen. Er war ihr einziges Kind, ihm durfte nichts zustoßen. Und sie fürchteten sich vor vielen Dingen.

Für Großmama schienen sowieso überall Gefahren zu lauern. «Wer weiß schon, was sich in so einem Entführerhirn alles abspielt? Solche Leute kommen auf die seltsamsten Gedanken», sagte sie zu Marcs Eltern, als sie erfuhr, auf welche Schule er kam. Marc hatte dort in Wahrheit aber ganz andere Probleme.

«Bist du Bayern oder Sechzig?», hatte ihn am ersten Tag ein Junge aus der Parkstadt gefragt. Er hatte eine zerknautschte Nase, kräftige Oberarme und wirkte recht bedrohlich. Marc stand allein mit ihm im Garderobenraum vor seinem Klassenzimmer und hatte keine Ahnung, was er antworten sollte. Es ging um Fußball, so viel war klar, und genauso klar war, dass er eine Antwort geben musste. Nur spielte Fußball in seinem Leben bis dahin überhaupt keine Rolle, sein Vater schüttelte nur den Kopf darüber.

Für wen sollte er denn um Gottes willen sein? Wofür standen diese Mannschaften? War es gut, für die Besseren zu sein? Immerhin wusste er, dass das die Bayern waren. Oder war es gerade uncool, für die Gewinner zu sein? Was, wenn Marc sich für die entschied, die der andere nicht ausstehen konnte? Was, wenn er stolze Verlierer den Siegern vorzog? Überhaupt, für welche Mannschaft würde der Knautschnasige wohl sein? Seine Gedanken kreisten und kamen zu dem Schluss, dass er wohl am besten für die Besseren wäre. «Sechzig muss die Blumen gießen, Bayern wird die Tore schießen!» – das hatte er irgendwo mal gehört. Blumen gießen war definitiv nichts für coole Typen, damit wollte er nichts zu tun haben. Also war er von da an für die Bayern, auch wenn er leider noch nie ein Spiel von ihnen gesehen hatte. Das war ein weiteres Problem, aber falls Rückfragen kämen, würde ihm schon etwas einfallen.

In Bayern war es insgesamt nicht so einfach für ihn, als Kind von zwei Zugereisten, wie sie hier sagten. Im Kindergarten hatte Marc einen Freund gehabt, er hieß Gerhard. Sein Vater war bei der freiwilligen Feuerwehr. Bei ihm zu Hause wurde man ermahnt, dass es in Bayern nicht «Tschüss» heißt, sondern «Pfiat di». Einmal spielte Marc mit ihm zwischen den Löschfahrzeugen auf der Wache, als ein dicker Feuerwehrmann vorbeikam und plötzlich stehen blieb. Er blickte erst auf Marc, dann zu seinem Freund:

«Griaß di, Gerhard», sagte er, wandte den Kopf, stutzte und sah Marc dann lange an. Schließlich wies er mit dem Kinn in Richtung Marc und fragte Gerhard:

«Is des dei Freind?» Gerhard nickte verlegen. Lange Pause, langer Blick zu Marc, der fühlte, wie er rot wurde. Dann in gleichgültigem Ton, wieder zu Gerhard:

«Is aber koa Bayer, oder?» Gerhard schüttelte stumm den Kopf. Der Feuerwehrmann ging ohne ein weiteres Wort davon.

Die Bayern, das war ein schwieriges Kapitel. Marc ging manchmal mit Gerhard und dessen Mutter einkaufen. An der Wursttheke stellte Marc sich auf Zehenspitzen und rief der Verkäuferin zu: «I bin a Bayer, mei Vater is a Preiß!» Das hatte ihm Gerhards Mutter so beigebracht. Darauf brach die Verkäuferin über dieses Unglück beinahe in Tränen aus und rief ihren Kolleginnen zu: «Mei, der arme Bua hat an Preiß zum Vater. Gebt’s ihm Wurstradl!» Es gab meistens Gelbwurst, manchmal sprang sogar ein Wiener Würstel dabei raus. Gerhard bekam auch immer was, obwohl sein Vater, wie er betonte, bestimmt kein Preiß, sondern im Gegenteil ein waschechter Bayer sei. In Gerhards Familie wurde gerne und viel gegessen. Das sah man auch. Gerhards Mutter nahm deshalb gleich noch ein halbes Pfund Gelbwurst für Gerhards Vater mit nach Hause. Er war Mitglied einer Faschingsgruppe, in die nur echte Bayern aufgenommen wurden. Echte Bayern waren diejenigen, die über Generationen im Ort, zumindest aber in Bayern ansässig waren, anständige Berufe wie beispielsweise Feuerwehrmann hatten, viel Gelbwurst aßen und denen niemals ein «Tschüss» über die Lippen kam. Gerhard zog ein paar Jahre später weg. Marc war traurig darüber. Er zog irgendwo aufs Land, wo nur echte Bayern lebten. Marc wusste nicht, ob er als Preiß ihn dort überhaupt besuchen kommen durfte.

Er versuchte, sich zu erinnern, wie der Junge damals in der Garderobe reagiert hatte, als er sagte, dass er für die Bayern sei, und ob die Antwort, die er gab, richtig oder falsch gewesen war. Vielleicht wäre sein Leben ganz anders verlaufen, wenn er damals Sechzig gesagt hätte, dachte Marc. Roy hatte sich noch weniger als er für Fußball interessiert. Aber das ließ er sich nicht anmerken. Wenn irgendwo über Fußball gefachsimpelt wurde, konnte er alle glauben machen, dass er sich wahnsinnig gut auskennt. So etwas fiel Marc bis heute schwer. Was Fußball betraf, hatte sich in seinem Leben im Grunde nicht viel geändert, seit dem Moment in der Garderobe.

Marcs Vater hatte vor sehr vielen Dingen große Angst. Das war bei Rolf Berger offensichtlich berufsbedingt. Beim Bundesnachrichtendienst war es quasi eine Einstellungsvoraussetzung, immer das Schlimmstmögliche anzunehmen. Die Sowjetunion war ständig auf dem Sprung, die Bundesrepublik zu überrennen oder in eine atomare Fallout-Zone zu verwandeln. Jeder Kollege beim BND konnte ein von der Stasi eingeschleuster Spion sein. Vor Markus Wolf und der gefürchteten Hauptabteilung Aufklärung des MfS hatten dort alle großen Respekt, auch wenn sie das niemals zugegeben hätten. Die Nachbarn in der Doppelhaussiedlung könnten ihre Gespräche auf der Terrasse oder im Garten belauschen, fand Marcs Vater. Vielleicht wohnten da ja sogar Agenten, die auf ihn angesetzt waren. Rolf Berger reduzierte daher den nachbarschaftlichen Austausch auf das absolut notwendige Minimum. Im Garten sprach er nur im Flüsterton. Überhaupt ging es ihm immer darum, sich so unauffällig wie möglich zu verhalten.

Der BND hatte seine Zentrale in einem benachbarten Vorort, und immer, wenn sein Vater Marc zur Grundschule brachte, kamen sie an einem Bus vorbei, der heimlich in einer Seitenstraße auf die Mitarbeiter des Geheimdienstes wartete, die mit der S-Bahn zur Arbeit fuhren. Die Spione stiegen daraufhin möglichst schnell in diesen Bus, der sich, kaum waren alle an der Bushaltestelle versammelt, langsam aus seinem Versteck bewegte. Ab und zu wartete er auch an einer anderen Stelle, vermutlich, um ausländische Agenten auf diese raffinierte Weise zu täuschen. Aber immer rollte er am Ende verlässlich an der Haltestelle vor und nahm die Beamten auf, wie ein Raumschiff, das sie auf ihren eigenen Planeten brachte, auf dem andere Gesetze herrschten als in der normalen Welt. Marc fand die ganze Geheimniskrämerei als Kind aufregend. Obwohl er natürlich keine Ahnung hatte, was sein Vater beim BND machte. Er durfte auch gar nicht wissen, dass er dort arbeitete. Wenn die Frage aufkam, welchen Beruf sein Vater habe, hatte Marc zu antworten, er sei «Angestellter im öffentlichen Dienst». BND-Mitarbeiter und ihre Familien durften niemals sagen, dass sie beim BND arbeiteten. Es gab sogar eine eigene Behörde, die extra zu deren Tarnung geschaffen wurde, das «Bundesamt für Vermögensaufgaben».

Die Scheibenwischer hatten aufgehört zu schlagen. Ein Drängler war endlich vorbeigefahren, und der Regen ließ nach. Marc musste lachen, weil die Sache mit dem Bus so typisch war für das ganze Räuber-und-Gendarm-Getue der Leute...

Erscheint lt. Verlag 14.2.2023
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1980er • Achtzigerjahre • Adel • Aufstieg • Autofiktionaler Roman • Berlin • bester Freund • Biographischer Roman • Chancen • Christian Berkel • Deutsche Literatur • Disco • Diskothek • Edgar Selge • Erbe • Fernsehen • Film • Freundschaft • Freundschaftsroman • Gegenwartsliteratur • Helmut Dietl • Jugend • Klassismus • Kunst • Künstler • Leben • Lebensmitte • Loriot • Matthias Brandt • Möglichkeiten • Mord mit Aussicht • München • Party • Reichtum • Rivalität • Roman Neuerscheinung 2023 • Roman von Schauspieler • Ruhm • Schauspieler • Schickimicki • Soziale Unterschiede • Theater
ISBN-10 3-644-01409-4 / 3644014094
ISBN-13 978-3-644-01409-1 / 9783644014091
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