Hallo, Postler, Hallo, Taxler -  Elfriede Strachota

Hallo, Postler, Hallo, Taxler (eBook)

Kurzgeschichten
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
100 Seiten
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99139-277-4 (ISBN)
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Nach dem Wiener Mundart-Gedichtband 'Hallo, Paradeiser' (2020) und dem Kurzgeschichten-Band 'Hallo, Grete' (2021) beinhaltet 'Hallo, Postler, Hallo, Taxler' im ersten Teil des Buches ein Zeitdokument, das Einblicke in das Postwesen gibt, das es so heute nicht mehr gibt. Elfriede Strachota erzählt im Namen ihres Mannes über das Postlerdasein in den 1950er- bis in die späten 1980er-Jahre. Der zweite Teil des Buches beinhaltet heitere Kurzgeschichten, die Einblicke in die Welt eines Wiener Taxlers der 1970er-Jahre geben.

Elfriede Strachota wurde 1937 in Wien geboren und ist leidenschaftliche Wienerin. Es ist ihr ein Anliegen, das Wienerische lebendig zu halten. In ihren unzähligen Gedichten, die sie im Laufe ihres Lebens geschrieben hat, verwendet sie Ausdrücke, die zunehmend in Vergessenheit geraten. Ihre zumeist humorigen Gedichte stellen einen kleinen Beitrag dar, das Verschwinden des Wiener Dialektes zu verhindern.

Ständchen

Einmal im Jahr zur Faschingszeit war es der größte Wunsch unseres Chefs, einen Ball zu veranstalten. Aber, außer dass er den Wunsch dazu hegte, dass alle Bediensteten mit Anhang auf diesen Ball zu erscheinen hatten, trug er zum Gelingen dieses Balles nichts bei. Wir Briefträger, die ja den direkten Draht zu den Geschäftsleuten hatten, bettelten also schon Wochen vorher um einige Spenden für den Ball. So ergab es sich, dass sich manche Firmen mit einem gewissen Geldbetrag an dem Gelingen des Postballes beteiligten und andere mit Sachspenden, die man als Tombola-Gewinn verwendete. Da gab es dann die unterschiedlichsten Gegenstände zu gewinnen: angefangen von großen Kipferln, Striezeln, Kaffee, Unterhosen, Krawatten, Schreibzeug und noch Vieles mehr. Ich hatte auf meinem Rayon die Firma Rudolf Schweda, eine Taschenfabrik. Von dieser Firma bekam ich immer sehr schöne Artikel für unseren Ball, wie Manikür- oder Necessaires und manchmal sogar Handtaschen. Ich persönlich kaufte für meine Frau sehr oft ein, da ich stets Prozente erhielt. Im Allgemeinen spendeten die Firmen sehr gerne, wenn unsere Postler auf die Betteltour gingen. Es wollte sich doch jeder Geschäftsinhaber mit seinem Briefträger gut stehen.

Als unser Chef in Pension ging, veranstalteten wir vor seinem Haus im sechsten Wiener Gemeindebezirk, in der Stumpergasse, ein großes Spektakel. Wir brachten ihm ein Ständchen. Sämtliche Briefträger in Uniform sowie Beamte in Zivil versammelten sich vor seinem Haus, und da natürlich nicht alle auf dem Gehsteig Platz hatten, bevölkerten wir die Straße und verursachten somit einen Stau. Heute würden sich die Autofahrer wahrscheinlich mächtig aufregen, aus den Autos aussteigen, fluchen und schimpfen. Damals sind die Leute auch aus den Autos ausgestiegen, aber sie haben gelächelt und haben sich mit Freude diese außergewöhnliche Veranstaltung angesehen. Die Musikkapelle der Post spielte groß auf und als unser Chef am Fenster erschien, klatschen wir ihm zu. Fürs Erste war er so gerührt, dass er gar nicht sprechen konnte. Als er dann mit seiner Frau zu uns auf die Straße kam, hielt unser Vertrauensmann eine kleine Ansprache und unser Chef versprach uns, dass nach dem nächsten Fußballmatch all das, was wir konsumieren würden, auf seine Rechnung gehen werde.

Das Fußballspielen hat uns Postler zusammengehalten und wir trieben auch viel Schabernack. Zum Beispiel kann ich mich erinnern, dass wir einen Zeugwart hatten, der nach jedem Match unsere Dressen und Schuhe in einen Rucksack packte, um sie zu Hause zu reinigen. Er bekam dafür nichts bezahlt. Es war nur so, dass für ihn Essen und Trinken bei jedem Match kostenlos war. Vor allem auf das Trinken legte er großen Wert und zumeist war er, wenn er seinen Rucksack schulterte und sich auf sein Moped schwang, etwas angeheitert. Einmal packten wir ihm große Steine in seinen Rucksack ein. Da war es für ihn natürlich äußerst schwierig, auf dem Moped die Balance zu halten. Ein ums andere Mal sagte er, als er so hin und her schwankte, dass er gar nicht verstehen würde, warum ihm heute das Fahren so schwerfallen würde – so viel hätte er ja auch wieder nicht getrunken. Natürlich kam er erst zu Hause drauf, dass wir ihm Steine in seinen Rucksack gelegt hatten. Aber er war uns nicht böse. Er war ein gutmütiger Mensch. Immer wieder erzählte er, dass er, bevor er zur Post kam, gelernter Zuckerbäcker war und immer wieder versprach er, dass er für uns etwas backen würde. Wir haben es aber nie erlebt, dass er uns etwas mitbrachte. Eines Tages forderte ich ihn auf – als ehemaligen Zuckerbäcker und Fachmann auf diesem Gebiet, der er war –, mir zu sagen, was das für eine Mehlspeise sei, die ich ihm zum Kosten darbot. Genüsslich ließ er den Kuchen auf seiner Zunge zergehen, doch musste er noch einige Stücke verkosten, bevor er sich zu einer Antwort durchringen konnte. Ich kann mich nicht mehr erinnern, zu welchem Ergebnis er gekommen war, jedenfalls war es so, dass ich ihn, nachdem er etliche Stückerln intus hatte, davon in Kenntnis setzte, dass es sich um Hundekuchen handeln würde. Daraufhin lief er wortlos aufs Klo. Ja, ja, der Kubalek Rudi war schon eine besondere Type. Wenn er in der Früh beim Sortieren der Post nießen musste, schrie er dazu jedes Mal: „Rocho!“ Da wussten wir, der Rudi war am Tag zuvor wieder einmal völlig blau.

Wir hatten schon einmalige Typen bei uns am Postamt. Da gab es zum Beispiel auch den Kollegen Fredl Reinisch. Der konnte wie ein Holzhacker in sich ‚hineinfressen‘. Ich beneidete ihn. Er ließ sich jeden Tag von der Bedienerin zwei Topfengolatschen, zwei große Milchstollen und zwei Leberkässemmeln bringen, die er in einem Aufwaschen verschlingen konnte. Fredl war nur ein Meter fünfzig groß und so dünn, dass wir uns einen Spaß daraus machten, seine Gesichtshaut zwischen Daumen und Zeigefinger zirka zehn Zentimeter nach außen zu ziehen.

Ebenfalls ein Meter fünfzig groß, aber mehr breit als hoch, mit einem gewaltigen Bauch, sodass man meinen konnte, er würde sich nicht einmal bücken können, war mein Kollege Poldi Haitl, von uns liebevoll Stamperl genannt. Er war ein brillanter Kegler, spielte bei der Postmannschaft und war außerdem ein exzellenter Tischtennisspieler. Wer ihn ansah, hätte nie vermutet, dass sich dieser kleine Dicke, so behände bewegen konnte.

Ach, was hatten wir doch für urige Typen auf unserem Postamt. Ich denke da auch an den Ebner Fritzl, der schon lange nicht mehr unter uns weilt. Ich war als junger Spunt sehr stolz darauf, dass mich dieser Briefträger manchmal, wenn ich mit meinem Zustellgang fertig war, dazu aufforderte, in das Gasthaus in die Siebenbrunnengasse zu kommen. Als ich das erste Mal dieses Lokal betrat, waren vor mir schon einige Kollegen dort eingekehrt und hatten sich eine Kleinigkeit zum Essen bestellt. Als ich neben Fritzl zu sitzen kam, konnte ich mich nicht genug wundern, wieviel Maggie er sich in seine Suppe schüttete. Dieses Lokal wurde von uns Briefträgern sehr häufig frequentiert, nämlich immer dann, wenn wir zeitig mit der Zustellung fertig waren und nicht so bald aufs Postamt zur Abrechnung gehen wollten, damit man nicht wissen sollte, dass wir schon so zeitig den Zustellgang beendet hatten.

Es kam nicht nur einmal vor, dass der Wirt sein Lokal zusperrte, während wir noch an seinen Tischen saßen und er nach Hause ging, um sein Mittagsschläfchen zu halten. Fritzl genoss das volle Vertrauen des Wirtes und daher durfte unser Fritz sich selbst und uns mit den Getränken bedienen. Manchmal saßen wir so lange, bis der Wirt von seinem Mittagsschlaf zurückkam und wir dann auch gleich zahlten, was in seiner Abwesenheit konsumiert wurde. Gingen wir früher, sperrten wir das Lokal ab und Fritzl schrieb alles genau auf, was konsumiert wurde – das wurde dann am nächsten Tag beglichen. Manchmal erlaubten wir uns mit Fritzl, der schon ein altes Postross war, den Spaß, dass wir ihm während er aufs Klo ging und seine Suppe bereits serviert wurde, irrsinnig viel Maggie hineintaten. Wenn er vom Klo zurückkam und sich vor seine Suppe setzte, war es das Erste, dass er die Maggieflasche zur Hand nahm und wieder unheimlich viel Maggie in seine Suppe schüttete. Wir alle warteten dann gespannt auf sein Gesicht, sobald er den ersten Löffel zu sich nahm. Wir hatten schon darauf gehofft, dass er sein Gesicht zu einer Grimasse verzerren würde. Aber nichts dergleichen geschah. Ohne mit der Wimper zu zucken, löffelte er seine Suppe, die ihm zu schmecken schien. Nachdem wir ihm solcherart ein paarmal die Suppe sozusagen versalzen wollten und er nicht, wie von uns erwartet, darauf reagierte, unterließen wir weitere Maggie-Attacken. Dieser Spaß ging für uns nicht auf. Der Ebner Fritzl konnte eben Unmengen von Maggie vertragen.

Eine ganz besondere Type war auch der Molik Hans. Er war ein Gelderer und ich war sehr stolz darauf, dass er mir eines Tages das Du-Wort angetragen hatte. Er war ebenfalls, so wie der Ebner Fritz, ein altes Postross und in seiner Sturm- und Drangperiode, wie ich von den Kollegen erfahren hatte, kein unbeschriebenes Blatt. Er heiratete sehr spät und sagte zu seiner Frau, die er sehr liebte und die aus ihm einen anderen Menschen machte: „Du warst nicht meine Erste, aber Du wirst bestimmt meine Letzte sein.“ Als wir wieder einmal mit dem Fußballclub unterwegs waren – wir spielten auch manchmal in der Provinz – und den Sieg über Gebühr gefeiert hatten, schrie plötzlich ein Kollege, der schon etwas mehr als angeheitert war: „Alle Frauen sind Huren!“ Der Hans bedeutete diesem Kollegen, er soll sein blödes Mundwerk halten und sich ein bisschen zurücknehmen, da ja auch einige Frauen anwesend waren. Der Kollege aber schrie weiter durch die Gegend, dass alle Frauen Huren wären. Daraufhin wurde Hans sehr zornig und fragte: „Meinst Du damit auch meine Frau?“ Der Angesprochene erwiderte. „Ich habe alle Frauen gesagt und da ist die deine auch dabei.“ Da wurde Hans, ein Riegel von einem Mann derart zornig, dass er den...

Erscheint lt. Verlag 31.8.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-99139-277-1 / 3991392771
ISBN-13 978-3-99139-277-4 / 9783991392774
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