Aber Großmutter, warum...? (eBook)
100 Seiten
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99139-209-5 (ISBN)
Auguste Reichel, MAS, MSc Geb. 1948. Berufliche Tätigkeitsbereiche Psychotherapeutin in freier Praxis in St. Pölten, Supervisorin, Lehrende für Kreativen Tanz und Integrative Bewegungstherapie (IBT), Leitung von bewegungs- und tanztherapeutischen Gruppen und Bewegungstheater Projekten. Autorin Bis 2018 Lehrtherapeutin für Integrative Therapie am Departement für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit an der Donau-Universität Krems. www.reichel-reichel.at
WARUM?
Ich schütte meine Worte
Gedanken und Sätze
In einen großen Bottich
Lasse sie gären
Und heranreifen
Dann presse ich sie aus,
Fülle sie in bauchige Flaschen
Und trinke die Essenz
Zur Verdauungsförderung
Die Reste aus dem Bottich
Schütte ich auf den Kompost der Geschichte
Und lasse die Erde, die daraus entsteht
Für die nächste Generation
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Das Buch ist wie ein Haus
Dieses Buch ist wie ein Haus, ein Haus der Erinnerungen. Es ist gebaut aus Geschichten - und Gedankensteinen, es birgt vielfältige Erfahrungen und Reflexionen.
Im Eingangsbereich finden Sie das WARUM, die Einleitung und Orientierung.
Im nächsten Raum finden Sie „Bilder“ über DIE ROLLEN DER GROSSMÜTTER, von damals und heute.
Der Raum SPÜREN UND ERINNERN erfasst Sie mit Düften, Stimmen und Blicken, erinnert an Kleider und hautnahe Begegnungen mit den Großmüttern. Warum sinnliche und körperliche Erinnerungen deutlicher sind als andere, wird erklärt.
In diesem Raum könnten Sie einen Notizblock nehmen und ihre eigenen Gedanken aufschreiben.
Im dritten Raum steht ERZÄHLEN an der Tür. Hier hören/lesen Sie die Geschichten der erwachsenen 30 Enkel und Enkelinnen über ihre Großmütter. Die Erinnerungen wurden über Fragebögen erfasst und sind nicht nach wissenschaftlichen Kriterien ausgewählt. Durch die Nummerierungen am Ende der Zitate und Erzählungen (1 bis 30) sind die Urheber*innen auffindbar. Die Geschichten sind anonymisiert, die Vornamen der Großmütter mit Zustimmung der Erzähler*innen original.
Die Dialoge zwischen Rotkäppchen und ihrer Großmutter laden Sie zum Innehalten ein. Das Rotkäppchen bringt die Warum-Fragen zur Großmutter. Die Gespräche zwischen Rotkäppchen und der Großmutter schildern auch den Schreibprozess der Großmutter-Autorin.
Poetische und nachdenkliche Texte vertiefen manche Szenen. Sie können die Erinnerungsräume in beliebiger Reihenfolge erkunden und sich zu eigenen Erinnerungen anregen lassen. Schreiben Sie sie auf, für die nächste Generation!
Diese Symbole führen Sie zu diesen Textstellen.
Schreiben statt schweigen
Wie beeinflussen Großmuttermythen gegenwärtige und zukünftige Rollen von älteren Frauen und Großmüttern? Wie wirken Erinnerungen an die eigenen Großmütter in den nächsten Generationen und Familien weiter? Welche Erwartungen werden an Großmütter in unserer Zeit geknüpft? Was sind die Unterschiede zwischen der Generation der Großmütter, die in den Weltkriegen geboren wurden, zu den heutigen Großmüttern des 21. Jahrhunderts? Warum, warum, warum … fragen wir die, die nicht mehr antworten können?
Sie antwortet nicht mehr. Sie hat geschwiegen, weil sie niemand gefragt hat. Sie hat ihre Gedanken, Träume und Erlebnisse mit ins Grab genommen. Es sind nicht nur die schrecklichen Geschichten, die verschwunden sind, es sind auch die lustvollen, abenteuerlichen Erfahrungen, die nicht mehr erzählt wurden: ihre Liebesgeschichten, ihre Ängste und Erfolge, ihre Nöte und Freuden.
Durch die fehlende Kommunikation fühlen sich viele Großmütter und Großväter abgelehnt. Im höheren Alter drängen belastende, unausgesprochene Gefühle nach außen, zeigen sich manchmal durch Verwirrung und negatives Verhalten. Wenn niemand zuhört, bildet sich Angst und verdunkelt das seelische Erleben, es kann krank machen. Großmütter haben auch etwas Geheimnisvolles an sich, sie wecken manchmal Neugier und Abwehr.
Die Großmütter in diesem Buch sprechen nicht mehr selbst, sondern durch die Erinnerungen ihrer Enkel*innen, die teilweise schon selbst Großmütter sind. Ich widme dieses Buch den Großmüttern, die zwischen 1870 und 1940 geboren sind, zwei Kriege erlebt und überlebt haben. Sie sind vermutlich im Alter zwischen 40 und 60 Jahren Großmütter geworden, als Frauen und Mütter, die im Krieg um ihre Söhne und Ehemänner bangten, andere sind in die Nachkriegszeit mit beginnendem Wohlstand hineingewachsen. Das Alter der Großmütter und der Enkel*innen wurde hier nicht erhoben. So sind die Erinnerungen gefühlt zeitlos. Die Nachwirkungen der Kriege sind dennoch in den Erzählungen spürbar.
Das „Schweigegebot“ galt im und nach dem Krieg, schreckliche Erlebnisse wurden verdrängt, zu vieles war unbeschreiblich. Oft äußerte sich das „Vergessene“ im höheren Alter über physische und psychische Traumafolgestörungen (EICHHORN & KUWERT, 2011). Zusammenhänge mit den erlebten Traumata können im geduldigen Zuhören und therapeutischen Bearbeiten erfasst werden.
Sie hatten es wesentlich schwerer als wir, wir, die Großmütter des 21. Jahrunderts. Die Erfahrungen der Frauen und Kinder, die in Kriegszeiten gelebt haben, sollen nicht vergessen werden, sie zeugen von Überlebensmut, aber auch vom Leid, die menschengemachte Kriege verursachen.
Die Frage im Buchtitel: „Aber Großmutter, warum?“ bleibt vielfach unbeantwortet und wie ein Rätsel in der Luft hängen. Ich möchte Sie ermutigen, rechtzeitig ihre Eltern und Großeltern zu fragen: Es können sich neue Welten öffnen und mehr Verständnis füreinander entstehen.
Warum schreibe ich? Weil ich selbst Großmutter bin und viele Fragen an meine Großmütter unbeantwortet blieben.
Bin ich Oma oder Großmutter?
Mit 62 Jahren erhielt ich den Titel “OMA“ nach der Geburt unseres ersten Enkels verliehen. „Oma“ sei für Kinder besser auszusprechen als Großmutter, sagte man mir. Stimmt, O-M-A sind drei angenehme Laute, sie klingen nach Kuchen und Geborgenheit. Kuchen kann ich nicht backen, Geborgenheit gebe ich gerne meinen inzwischen sechs Enkel*innen. Sie bringen mich in Bewegung, sind neugierig und spielfreudig, sie lieben meine Geschichten. Ich bin gerne Oma auf Abruf oder zu geplanten Zeiten. In der Oma-Rolle erinnere ich mich wieder an die eigene frühere Zerrissenheit zwischen Muttersein, Beruf, Beziehung und persönlicher Freiheit. Aus der Großelternperspektive sehe ich, wie anstrengend, erfüllend und herausfordernd die Elternarbeit ist. Es zeigt mir, wie wenig flexible außerfamiliäre Unterstützung es für Eltern gibt. Der Spagat zwischen Familien- und eigenen Interessen bleibt bestehen, da im Hintergrund das unerfüllbare Mutterideal lauert. Ich kann jetzt als Großmutter-Oma über meine Zeit weitgehend selbst bestimmen und entscheiden, wieviel Partner-Familien-Freundschaft-Kulturzeit ich mir geben und nehmen will. Ich bin nicht mehr für Erziehung verantwortlich und die Freude mit den Kindern ist wesentlich größer als die Sorge um sie. Mitfühlen und Mitdenken bleibt, Mit- und Einmischen ist nicht sinnvoll.
Will ich wie eine „Oma“ aussehen? Wie schaut eine „richtige Oma“ aus? Als Oma ließ ich mir die Haare nicht mehr färben, sie waren bereits weiß und ich ließ sie wachsen. Einige Jahre später, nach einem Clownseminar, flocht ich meine Haare einseitig zu einem Zopf und färbte ihn blau. Ich will nicht dem beigen Oma-Klischee entsprechen, will ein bisschen auffallen.
Meine Großmütter waren während des Krieges Mütter, hatten viele Kinder geboren, einige verloren. Sie arbeiteten am Bauernhof mit. Ich als O-M-A habe unvergleichlich mehr Freiheit, Wohlstand und bin schon einige Jahre älter als meine Großmütter geworden sind.
Was mich als O-M-A glücklich macht
Es macht mich glücklich, wenn ich ein kleines Kind tragen darf, wenn es auf meinem Bauch einschläft, wenn ich mit dem Atem des Kindes mit atmen kann, es beruhigt auch mich. Es ist beglückend, die Bewegungslust eines kleinen Kindes mit zu erleben, wie es sich herantastet an die große Welt, neugierig und auch schmerzhaft die Grenzen kennenlernt. Zu sehen, wie Kinder sich vom Liegen zum Sitzen, zum Stehen, zum Gehen entwickeln, lässt mich immer wieder staunen über diese unglaubliche Körperleistung hin zur Aufrichtung. Die ersten Schritte, das Wegbewegen von der sicheren Basis der mütterlichen, väterlichen oder auch großelterlichen Basis, ist ein Abenteuer, das sich nie wieder im Leben wiederholen kann.
Ich liebe es, mit den Enkel*innen Bilderbücher anzuschauen, Geschichten zu erfinden und Rollenspiele zu probieren, das regt die eigene Fantasie an. Jahr für Jahr werden die Enkel*innen größer und reifer, stellen Fragen und wollen mehr von der Welt und meiner und ihrer Geschichte wissen. Das eigene Älterwerden spiegelt sich im Heranwachsen der Kinder, die gelebten Jahre werden im Längenwachstum der...
Erscheint lt. Verlag | 25.8.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
ISBN-10 | 3-99139-209-7 / 3991392097 |
ISBN-13 | 978-3-99139-209-5 / 9783991392095 |
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