Die Krauter von Ahlen-Falkenberg und Sussex - Teil 1 (eBook)
312 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7568-6477-5 (ISBN)
Jost Dröge, geboren 1954 in Bremerhaven, wuchs dort als zweites von drei Kindern in traditioneller Arbeiterfamilie auf. Der Vat war Kupferschmied auf der Lloyd-Werft, die Mutter Hausfrau. Nach dem Schulbesuch begann er mit 16 Jahren eine Verwaltungsbeamtenlaufbahn in Hannover, welche er jedoch nicht beendete. Sein Studium schloss er als Diplom-Religionspädagoge und Diakon ab. Nach zwei Jahren in der kirchlichen Jugendarbeit trat er aus der Kirche aus und begann, Sozialpädagogik zu studieren, welches er als Diplomsozialpädagoge abschloss. 1982 bis 2019 arbeitete er in sechs Stationen der Sozialarbeit in der Heimerziehung, bei der Bewährungshilfe, dem Jugendamt, der Jugendstraffälligenhilfe, der Behindertenarbeit und der ambulanten Jugendhilfe. Nebenberuflich absolvierte er ein Magister-Studium der Philosophie und der Neueren deutschen Literatur an der Fernuniversität Hafen von 1986 bis 1992. Seit 1968 verfasste er diverse Kurzgeschichten und Romane. Davon veröffentlicht wurden Metagrom (1997, Fouqué), Tod in der Lune (2010), Eisbrandung (2010), Willbrock (2014), Der Dom (2017), Gowinder (2019), Binda (2021) und Die Krauter von Ahlen-Falkenberg Teil 1 und Teil 2 (2022), die alle bei Books on Demand veröffentlicht wurden. Mit Leidenschaft schreiben, allein im individuellen Raum. Aber auch mit Lust am Lesen aller Literaten im Gestern und Heute. Mit hoher Motivation, Anregungen anzunehmen und neue Projekte zu beginnen. Nur nicht recht geeignet für Vermarktung oder Selbstinszenierung. Lesungen finden daher nur dort statt, wo es die Ehefrau, die Familie, die Freunde es anmahnen und es promoten. Daher auch sehr glücklich verheiratet, mit zwei tollen (Stief)-Söhnen und zwei der allerbesten (Stief)-Enkelinnen auf diesem Planeten.
Kapitel 1
1913 – 1933 – Moosfritz
Als der erste Weltkrieg ausbrach, war Friedrich Koperna zu Falkenberg gerade einmal 15 Jahre alt und in der Schule nannte man ihn Moosfritz, nicht weil er grüne Haare hatte, denn sie waren schwarz, ebenso wie seine Augen, sondern, weil er immer irgendein Grünzeug an seiner Kleidung mit sich herumschleppte. Das war zwar der Tatsache geschuldet, dass er sich vor und nach der Schule mehr im Moor und in den Wäldern aufhielt als bei den Treffpunkten der Kinder und Jugendlichen im Dorf, aber auch, weil er bei Raufereien immer der erd- und flora- und damit eben auch moosnaheste Teilnehmer, was wiederum seiner mangelnden körperlichen Größe zuzuschreiben war.
Mutter Mimmi Koperna zu Falkenberg, Enkelin der legendären Anna Freifrau Osterna von Finteln, war eine zwar sehr zarte, aber resolute Persönlichkeit, ebenfalls schwarzhaarig wie ihr Sohn, allerdings mit wasserklaren, blauen Augen (man sprach seinerzeit vom Schneewittchentyp, prädestiniert für Tuberkulose), aus denen Friedrich nur ein einziges Mal Tränen herausschießen sah.
Dieses eine Mal allerdings in Sturzbächen, als die kleine Familie (Friedrich hatte keine Geschwister, ungewöhnlich für die damalige Zeit und wir kennen die Ursachen dafür nicht) 1918 erfuhr, dass der Vater Lothar Koperna zu Falkenberg, als Offizier an der Front in den französischen Ardennen gefallen war. Besonders bitter, denn Mimmi war eine Nachfahrin einer französischen Ahnenlinie, hatte den Krieg gegen die Franzmänner schon immer verurteilt und Lothar zu bewegen versucht, sich an diesem Krieg nicht zu beteiligen.
Von ihrer Großmutter wusste Mimmi, dass ihr Großvater in direkter Linie aus dem Familienzweig von Gamrath Osterna stammte, der von seinem Freund Claas Störtebeker aus dem Elsass vor der Verfolgung der päpstlichen Ordensritter gerettet worden war.
Lothar, ein Epigone der Kopernas aus Stade-Wiepenkathen, war mit seiner Mimmi sehr wurzelverzweigt im Stammbaum verwandt, denn in beider, teils aristokratischen, unteren Verästelungen in den Wurzelballen tauchten in der fernen Vergangenheit beide Namen mit unterschiedlichen Umlauten auf.
Die Urzelle der Kopernas waren die Herthainseln, von denen keiner der Familienmitglieder damals wusste, wo sie sich befanden. Aus Familiensagen hörte man den Tenor, die Herthainseln seien untergegangen wie Rungholt, vielleicht sogar nur ein anderer Name für die gleiche Insel im norddeutschen Watt.
Lothar jedenfalls kam seiner Vaterlandspflicht nicht gerade gerne, aber doch mit dem Respekt vor der Obrigkeit nach. Die oberste Heeresleitung kannte ihn von seinem kaiserlichen Wehrdienst, den er für fünf Jahre geleistet hatte, lange bevor er Mimmi kennenlernte, und schätzte ihn wegen seiner Verlässlich- und Tugendhaftigkeit, weniger wegen seiner Qualitäten als kämpfender Soldat, die ihn seinerzeit immerhin zum Leutnant hatte aufsteigen lassen.
Aufgrund seiner Würde als Gutsbesitzer der Falkenbergs hatten die obersten Heerführer ihn als mittleren Leitungsoffizier angefordert, auch wenn seine Frau Mimmi die einzige Erbin des Gutes von Ahlen-Falkenberg war und Lothar Koperna nur eingeheiratet.
Das Gut galt als einer der größeren Arbeitgeber der Region, denn die Familie besaß nicht nur den zweitgrößten Torfabbaubetrieb im Elbe-Weser-Dreieck, nur von einem Teufelsmoorer Torfwerk übertroffen, sondern auch eine Torf-Köhlerei, eine Heidschnuckenbeherdung, einschließlich Käserei und im Herbst eine der größten Heidelbeerplantagen in Norddeutschland, an deren Wirtschaftlichkeit jener Gutsherr Lothar einen durchaus prägenden Einfluss beigetragen hatte.
Lothar Koperna hatte seine spätere, noch sehr junge Frau bei der Beerdigung ihrer Eltern, seiner entfernten Verwandten, eben jener zu Falkenbergs kennengelernt. Anna Freifrau Osterna von Finteln, deren Ehemann und Eltern die Schwindsucht dahingerafft hatte, war gezwungen gewesen, ganz allein das Gut zu bewirtschaften, da sie weder Geschwister noch weitere Kinder, außer Benno von Finteln hatte.
Bis zu ihrem natürlichen Tod mit fast einhundert Jahren, gelang ihr das so respektabel, dass sie in den regionalen Kreisen des neunzehnten Jahrhunderts sehr anerkannt und respektiert war und das, obwohl man es einer Frau weder zutraute noch, jedenfalls aus kirchlicher Sicht, erlauben konnte.
Ihr einziger Sohn Benno, der Vater von Mimmi, hingegen war eher schwach und wirtschaftete das Gut so weit herunter, dass sich die Ländereien dann doch auf einen eher bäuerlichen Torf- und Obstbetrieb reduzierten, was nicht nur seinem Unvermögen, sondern auch der gesellschaftlichen Umbruchsituation zwischen reinem Bauernstaat und der industriellen Revolution in Nordeuropa geschuldet war.
Mimmis Eltern konnten daher den Hof seinerzeit nur noch bescheiden bewirtschaften. Das lag vor allem daran, dass die Braun- und Steinkohle um die Jahrhundertwende dem Moortorf als Brennstoff in der aufkeimenden Industrie, und teilweise auch in den Privathäusern einer zunehmenden Urbanisierung in Deutschland den Rang abliefen.
Das Ahlen-Falkenberger Gut entwickelte sich von einer freigräflichen Monopolregion in eine verarmte, bäuerliche Eigenwirtschaft, nicht zuletzt der mangelnden Fruchtbarkeit und einer Sensibilität gegen Lungenerkrankungen geschuldet, die nichts vorweisen konnte als moorige Ländereien, die Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts niemand mehr als Wert empfand. Die Wälder waren zwar groß aber eben auch moorig. Holzschlag war nur an wenigen Stellen möglich, in denen die Zugpferde nicht im Sumpf versanken.
Familie Osterna von Finteln zu Falkenberg konnte mit den wenigen Erträgen beim Obst- und Beerenanbau und den eingeschränkten Torfabbau gerade mal die kleine Familie ernähren, die aus den Eltern, Mimmi und zwei Mägden, zwei Knechten, miteinander verbandelt und deren zehn Kindern bestand.
*
Dass Mimmi Koperna zu Falkenberg, geborene von Finteln, wie so viele ihrer Ahninnen, nur ein Kind zur Welt bringen würde, jedenfalls mit ihrem geliebten Lothar Koperna zu Wiepenkathen, schien von einer höheren Macht gesteuert, wenn es sich nicht um mysteriöse fratilitätsbeeinträchtigenden Genmutationen oder anderen Kalibrationen der Osternas von Finteln zu Falkenbergs und/oder der Kopernas aus dem Alten Land bei Stade-Wiepenkathen handelte.
Die Eltern von Mimmi, Benno und Wanda Osterna von Finteln zu Falkenberg, waren gemeinsam mit der Lorenbahn unterwegs, als die Schienen einer Moorbrücke brachen und beide von der Lorenlok in den sumpfigen Boden gedrückt wurden. Wanda und Benno ertranken und die siebzehnjährige Mimmi ließ durch die Knechte und Mägde die Bauernschaft aus Ihlienworth, Moorausmoor und St. Jost zusammentrommeln, da sie und ihr Gesinde allein nicht in der Lage waren, die Lok und die darunterliegenden Leichen der Eltern zu bergen.
Unter den Helfern war auch Lothar Koperna, der bei Verwandten in Ihlienworth zu Besuch war, weil dort eine Schwester von ihm in einen bäuerlichen Hof einheiratete. Die vormalige Verwandtschaftslinie der Kopernas aus Stade-Wiepenkathen mit den Osternas zu Finteln aus Falkenberg war zu diesem Zeitpunkt noch nicht offenbar und wurde erst sehr viel später durch einen unserer Hauptprotagonisten Friedrich (also der Moosfritz und älteste Sohn von Mimmi) aufgedeckt.
Lothar war Sohn einer Landgutfamilie aus dem südlichen Hadelner Land, die sich seit Generationen auf den Obstanbau wie Kirschen, Birnen, Äpfel, Zwetschgen ausgerichtet hatte und nicht nur deren Vermarktung betrieb, sondern auch edle Brände daraus destillierte. Lothar war der zweitälteste Sohn von insgesamt zwölf Kindern, hatte vier weibliche und sieben männliche Geschwister und galt eher als verträumter Nichtsnutz, denn als geschäftiger Bauer.
Die Eltern hatten daher gemeint, dass der Militärdienst ihn zu einem Mann würde reifen lassen. Obwohl er Offizier der mittleren Befehlsebene wurde, liefen alle seine jüngeren Brüder ihm den Schneid ab. Nach seinem Wehrdienst wurde er häufig als Abgesandter der Familie zu diversen Anlässen genötigt, denn eine seiner Stärken war das Schöngerede. Er schrieb Gedichte und war mehr am alten Klavier beim Komponieren beobachtet worden, denn auf den Obstwiesen oder gar in der Destille, denn Alkohol verabscheute er, anders als sein älterer Bruder Heinrich.
Nun bei den Falkenbergs angekommen, half er nicht nur dabei, die Eltern von Mimmi zu bergen und die Lorenbahn wieder ins Lot zu bringen, sondern kaufte nun andererseits dem Küster der Ahlen-Falkenberger Kirche den Schneid ab (vielleicht aus Vergeltung gegenüber seinen Brüdern), indem er die Beerdigung durch eine feine Interpretation der Brandenburgischen Konzerte von Johann Sebastian Bach begleitete.
Mimmi hatte ihre Trauer durch diese Musik derart tiefgreifend empfunden, dass sie tags darauf wieder Mut fasste und sich schwor, den Betrieb in Gedenken an die Eltern auch alleine, mit dem vorhandenen Gesinde, zu erhalten.
Da sie noch nicht volljährig war und keine seriösen Vormünder zur Verfügung standen, beschlossen die Familienräte in Übereinstimmung mit dem Oberlandesgerichtsrat zu Stade, dass der siebenunddreißigjährige Lothar Koperna diese Aufgabe übernehmen würde, bis Mimmi das Geschäft...
Erscheint lt. Verlag | 2.9.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
ISBN-10 | 3-7568-6477-4 / 3756864774 |
ISBN-13 | 978-3-7568-6477-5 / 9783756864775 |
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