Sommerleidenschaft (eBook)
262 Seiten
Cursed Verlag
978-3-95823-955-5 (ISBN)
Kapitel 1
Die Temperatur hatte einen neuen Rekord erreicht. In dem kleinen, schäbigen Auto war die Sommerhitze unerträglich. Die Klimaanlage röchelte und keuchte, konnte aber nur wenig Linderung verschaffen. Regelmäßig wurden Fahrer und Beifahrer von einer Wolke heißer Motorluft eingehüllt.
Scot Salvatore kauerte sich auf dem abgewetzten Beifahrersitz zusammen, atmete tief ein und versuchte, seine Verärgerung im Zaum zu halten.
Natürlich hatten sie sich diesen Mietwagen nicht ausgesucht – ihnen war angeboten worden, was im Showroom in der Seitenstraße übrig gewesen war. Scheiß drauf, für mehr hatte ihr Geld nicht gereicht. Und offensichtlich war dieses Auto eine kleine Extraüberraschung für sie: zwei Idioten, die dachten, es wäre nicht nur als Hühnerstall zu gebrauchen. Es rumpelte über die unebenen Straßen der Wüste Nevadas, spuckte Gift aus dem Auspuff und drohte alle 15 Minuten, den Geist aufzugeben und sie stranden zu lassen. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, dass es ein lebendes, bösartiges Wesen war.
»Hier ist meilenweit kein Schild«, murmelte er und drehte die schmuddelige Karte in den Händen. »Wir haben die letzte Raststätte vor Stunden verlassen und das hier sollte der direkte Weg nach Las Vegas sein. Wo hätten wir noch mal links abbiegen müssen?«
»Woher soll ich das wissen«, fauchte Jerry Harrison. Schweiß tropfe unter seinem langen, kastanienbraunen Pony hervor, der ihm von der Hitze an der Stirn klebte. »Wir müssen bald anhalten, ich bin am Ende. Diese verdammte Straße ist so holprig, als würde man durch Sirup fahren. Mein Kopf ist bleischwer und ich kann mich nicht konzentrieren, weil die Sonne so blendet.«
Scot biss sich auf die Lippe und versuchte, nicht ebenfalls wütend zu werden. »Wir können jetzt nicht aufgeben, Jerry. Die Sonne geht bald unter und dann sinken auch die Temperaturen. Und wir suchen uns ein Motel oder so was für die Nacht. Dafür haben wir doch noch genug Geld, oder?«
Jerry schüttelte den Kopf und schnalzte frustriert mit der Zunge. Winzige Stückchen des billigen Vinyl-Lenkrads waren abgeblättert und klebten an seinen Händen. »Es ist so verdammt heiß.«
Scot blickte in die trübe Ferne, um einen Orientierungspunkt oder etwas Ähnliches zu entdecken. Der Horizont hüpfte auf und ab, während sie über den unebenen Boden polterten. »Haben wir uns verfahren?«
Jerry antwortete ihm nicht.
Scot seufzte innerlich. Natürlich hatten sie sich verfahren. Keiner von ihnen war je so weit außerhalb ihrer Heimatstadt gewesen; sie hätten sich nicht einmal vorstellen können, dass dieser Teil des Wüsten-Highways überhaupt existierte. Im letzten Ort, den sie durchquert hatten, hatte es nichts weiter als ein paar kleine, mit Buden gesäumte Straßen und definitiv keinen Schlafplatz für die Nacht gegeben. Seitdem – nichts mehr.
Wenn alles nach Plan gelaufen wäre, hätten sie jetzt auf dem Weg nach Las Vegas sein müssen: Die Straße in ihre Zukunft. Eine reiche Stadt, eine Unterkunft, ein Job für sie beide. Ein Leben für sie beide. An diese Reise waren viele große Erwartungen gebunden: Dinge, die sie sich selbst versprochen hatten, Dinge, auf die sie gehofft, auf die sie gesetzt hatten… Aber diese Dinge würden so schnell nicht Wirklichkeit werden, wenn Scot das beurteilen sollte. Er war enttäuscht. Nein, mehr als das. Desillusioniert, erschöpft und er befürchtete inzwischen, dass das alles ein schrecklicher Fehler war.
Allerdings konnte er das nicht laut aussprechen. Jerry hatte einen Ausweg aus der Hölle gefunden, in der sie beide gelebt hatten, und angeboten, ihn mit Scot zu teilen. Es wäre undankbar gewesen, abzulehnen, oder nicht? Jerry wusste, was er tat. Scot sollte nicht an ihm zweifeln.
»Jerry?«
»Halt einfach weiter nach dieser Abbiegung Ausschau«, knurrte Jerry.
Scot sah wieder nach vorn, aber das Luftflimmern verschleierte ihm die Sicht und er musste heftig blinzeln, um klar zu sehen. Seine Konzentration war eine vernünftige Ausrede für sein Schweigen und er schämte sich, dass er froh darüber war. Ob es Jerry genauso ging?
Die nächsten 30 Kilometer waren ermüdend. Es war heiß, sie schwitzten und die ganze Zeit herrschte diese schwierige, unausgesprochene Anspannung. Das Licht am goldenen Himmel wurde langsam dunkelorange, als sich der Tag dem Ende neigte. Trockener Wind schlug gegen die Fenster, während das Auto weiterratterte. Die Temperatur sank, aber nur ein oder zwei Grad. Im Inneren war davon kaum etwas zu spüren.
Scot wischte sich etwas Schweiß aus den Augen und gähnte laut.
Jerry blickte schnell zu ihm und rutschte auf seinem Sitz herum. »Scot…«
»Sieh mal! Ist da vorn etwas?« Scot beugte sich nach vorn. Die Scheinwerfer waren eine weitere Enttäuschung, nur zwei dünne, blasse Strahlen, die zusammen mit ihnen auf und ab hüpften und in der nahenden Dunkelheit nur wenig Licht spendeten. Als wäre das Auto ebenso neugierig wie er, ruckte es besonders heftig, sodass Scot nach vorn geschleudert wurde und sich an der Windschutzscheibe beinahe die Stirn einschlug. »Hey, vorsichtig!«
»Als hätte ich irgendeine Kontrolle über dieses verdammte Auto.« Jerry spähte ebenfalls nach vorn. »Ist das ein Schuppen oder so was?«
»Halt an!«, schrie Scot beinahe. »Orientieren wir uns. Ich glaube, das ist mehr als ein Schuppen. Vielleicht ein Motel oder so was. Der Weg zweigt ab, also muss schon mal jemand hier langgefahren sein.« Auf der Karte gab es keinen Hinweis darauf, zumindest nicht auf dieser Straße. Vielleicht hatte er sie falsch gelesen. Vielleicht war das alles erst gebaut worden. Ach, wen interessierte das schon?
»Dieser Schrotthaufen springt vielleicht nie wieder an«, warnte Jerry. »Wir sollten es nicht riskieren.«
»Egal.« Scot schüttelte ungeduldig den Kopf. »Du hast ihn schon ein paar Mal wieder in Gang bekommen, oder nicht? Du hast wirklich ein Händchen für Motoren.«
»Ich weiß nicht, das war nur Glück.« Jerry sah ihm nicht in die Augen. »Wir können es uns nicht leisten, hier festzusitzen. Hast du ein Schild gesehen? Du hast gesagt, dass du gut navigieren kannst.«
Scot war so erschöpft, dass er nicht auf die Kritik einging. »Ich denke, dass wir von hier aus laufen können, Jerry. Sieht für mich nach einem Motel aus.«
Erneut beugten sich beide nach vorn und betrachteten die Formen vor sich am Horizont. Jerry verspannte sich und seine Knöchel traten am Lenkrad weiß hervor. »Scheiße«, flüsterte er. »Da ist auf jeden Fall irgendwas.«
Scot verspürte eine Mischung aus Aufregung und Erleichterung. »Es ist nicht groß, aber sie können uns sicher bis morgen unterbringen. Gott, ich will einfach was anderes als Kartoffelchips essen, ein kühles Getränk haben, duschen…«
»Und schlafen«, unterbrach Jerry ihn begeistert. »Schlafen, bitte. Stundenlang.«
»Denkst du ans Bett?«, fragte Scot verschmitzt. »Ich meine, wir teilen uns doch ein Zimmer, oder? Du kannst mir in der Dusche den Rücken waschen.«
Jerrys Gesicht errötete stärker als vor Hitze. »Nur Schlaf«, erwiderte er grob.
Scot hatte das Gefühl, als wäre er geschlagen worden.
Das Auto kam ruckelnd zum Stehen. Der Lärm um sie herum verstummte, bis nur noch das Zischen des überhitzten Motors und das Flüstern des Sands und der Steine auf der Straße zu hören waren.
Jerry fluchte leise. »Scot. Ich hab es nicht so gemeint.«
»Kein Problem.« Scot wusste, dass er nicht aufrichtig klang.
Jerry umfasste sein Handgelenk. »Mir ist einfach so verdammt heiß und ich bin müde, aber ich sollte es nicht an dir auslassen. Ich weiß, dass du nervös bist, den ersten Schritt zu machen…«
»Alles gut. Wirklich, wenn ich es doch sage.« Scot fühlte sich immer unwohler. Jerrys Handfläche war feucht, aber die Berührung jagte Scot trotzdem eine Gänsehaut über den Rücken.
»Alles wird gut«, fuhr Jerry mit lauterer Stimme fort. »Ich sorge dafür, schon vergessen? Es liegt nur an diesem verfluchten Auto, und der Hitze, und dass mein Kopf so sehr wehtut, dass es sich anfühlt, als würden Kugellager aus meiner Stirn schießen und das schon, bevor wir irgendwo…«
»Dann lass uns einfach dorthin fahren. Ist das okay für dich?«
Jerry seufzte tief und gequält. Scot hatte diesen Laut schon oft gehört, seit sie weggelaufen waren. Er wandte sich ab und starrte aus dem Fenster.
Jerry drehte ruckartig den Schlüssel im Zündschloss und das Auto erwachte glucksend zum Leben. »Wahnsinn.« Er zuckte mit den Schultern und lachte angespannt. »Du hattest wohl recht, ich hab ein Händchen für Motoren.«
Scot brummte und krümmte sich tiefer in seinen Sitz. Das Auto hopste weiter über die unebene Straße, während es röchelnd auf den niedrigen Schatten vor ihnen zuhielt. Je näher sie kamen, desto sichtbarer wurde das Gebäude, als würde es auf sie zukommen und sie begrüßen. Es war ebenerdig, lag einige Meter hinter der Straße und war stockfinster. Der Vorgarten war kahl und das Gelände mit einem niedrigen Holzzaun eingefasst. Ein zerschlissenes Schild hing schief an einem Pfahl in einer Ecke des Zauns. Einige der Halterungen waren kaputt. Unter dem Staub und Dreck waren nur wenige Buchstaben zu erkennen: M, A und WELL'S, zusammen mit der halb verblassten Cartoonzeichnung eines Betts und eines Bestecksets.
Scot betrachtete es neugierig. Der Rest war offensichtlich über die Zeit verblasst. So viel zu seiner Theorie eines Neubaus. Ein überdachter Weg führte zur Seite des Hauptgebäudes, was auf Motelzimmer im hinteren Bereich deutete. Im Dunkeln und durch das dürftige Licht ihres Autos tanzten die...
Erscheint lt. Verlag | 22.7.2022 |
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Übersetzer | Anne Sommerfeld |
Verlagsort | Taufkirchen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Erotik • gay • GayRomance • heiß • Homoerotik • Homosexuell • Liebe • M/M • Motel • Mystery • Nevada • Paranormal • Polyamorie • Romance • Schwul • sinnlich • Supernatural • Wüste |
ISBN-10 | 3-95823-955-2 / 3958239552 |
ISBN-13 | 978-3-95823-955-5 / 9783958239555 |
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