Die zweite Halbzeit des Lebens (eBook)
380 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7562-7091-0 (ISBN)
ÜBER DEN AUTOR Jochen Bethge arbeitet als Begleiter für Menschen in der zweiten Halbzeit des Lebens in Bremen. Nach einer Banklehre und einem Jurastudium hat er in einer Bank mehr als zwanzig Jahre die Personal- und Rechtsabteilung geleitet. Darauf aufbauend hat er eine Ausbildung zum systemischen Coach und Mediator gemacht. Außerdem haben zahlreiche Persönlichkeitsseminare sein Wissen und seine Erfahrungen ergänzt. 2018 ist sein erstes Buch, Ich wollte nie so werden wie mein Vater, im Eigenverlag veröffentlicht worden. Darin ging es um die Beziehung von Männern zu ihrem Vater. 2019 hat er sein aktives Berufsleben in der Bank beendet. Er genießt neu gewonnene Freiheiten und gibt sein Lebenswissen und Erfahrung an andere Menschen weiter. Er richtet sich ganz bewusst an Menschen in der Mitte des Lebens, da er selbst diese unruhige Phase mit allen Höhen und Tiefen durchlebt hat. Dieser überaus große praktische Erfahrungsschatz in Verbindung mit seinem profunden theoretischen Wissen ist der innere Antreiber für das, was im Leben noch tun möchte.
Auftakt in Eppendorf
GÖTTERDÄMMERUNG ÜBER HAMBURG. Einer der letzten und heftigsten Winterstürme tobte in dieser Nacht über Hamburg. Es war, als ob die Götter mit diesem Inferno ein Zeichen in Christians Leben setzen wollten. Der Regen peitsche kräftig an die Scheiben, der Wind pfiff um das Haus, in dem sie wohnten. Bereits seit Stunden waren die Feuerwehrsirenen zu hören. Als er um zwei Uhr das Fenster zum Innenhof öffnen wollte, drückte der Wind dagegen und die Scheibe zerbarst. Schemenhaft konnte er sehen, dass eine der jungen Buchen umgestürzt war und Tische und Stühle durcheinandergewirbelt waren. Was hatte das zu bedeuten? Sollte das ein Zeichen sein, nun aber endlich etwas in seinem Leben zu ändern? Seit diesem Aufstehen um zwei Uhr hatte er mehr als unruhig geschlafen. Schweißgebadet im Bett gewälzt, üble Gedanken vergeblich vertrieben, unendlich oft auf den Wecker gesehen. Hatte ihm nicht schon sein Freund Jürgen vor langer Zeit gesagt, dass er wohl eine heftige Midlife-Crisis durchmacht? Immer und immer wieder lief in seinem aufgewühlten und konfusen Kopf die gleiche Langspielplatte: „Ich möchte mein Leben zurück. Ruhe und Zufriedenheit im Beruf, endlich wieder Lebensglück mit Stephanie, endlich Frieden mit den Eltern. Und irgendeiner nehme mir auch mein Übergewicht ab. Ich will diesen Rucksack nicht mehr vor dem Bauch tragen. Und den Rucksack der anderen Lebensprobleme auch nicht mehr.“ Schließlich schlief er doch noch ein wenig und wurde brutal um 06:30 Uhr vom nervenden Piepton seines Digitalweckers geweckt. „Das geht so auf die Ohren, der muss demnächst weg.“, sagte er sich. Erst dann realisierte er wieder, was nachts geschehen war. Am liebsten wäre er bei dem Chaos gar nicht aufgestanden. Schon gar nicht, wenn er gewusst hätte, was an diesem Tag noch alles geschehen wird. Wozu die Götter in dieser Nacht die Ouvertüre in seinem Leben gespielt haben. So wie mit dieser Langspielplatte im Kopf ging das nun schon Monate so. Wolfsstunde sagte seine Freundin Bianca dazu, wenn man zwischen zwei und drei Uhr wach wird. Das ist die düsterste Stunde der Nacht, alle Probleme des Lebens türmen sich wie Berge des Himalajas vor einem auf. Unmöglich, sie nachts zu bezwingen. Nachdem er sich aus dem Bett gequält hatte, fiel ihm das kaputte Fenster ein. „Mist, das muss ja auch noch gelöst werden.“ Der Blick nach draußen zeigte eine Spur der Verwüstung im Vorgarten. Unmutig und mit heftigen Kopfschmerzen ging er ins Bad, um erst mal eine eiskalte Dusche zu nehmen. Mit einigen Wechselduschen, dem Duft von Ocean auf der Haut, war er auch heute wieder fit. Beim Blick in den Spiegel fragt er sich, wer denn dieser fremde Mann dort ist. Wo war er hin, der strahlende Christian, wo war die Liebe zu Stephanie, sein Glück im Beruf? Irgendwo musste er in den letzten Jahren auf der Autobahn des Lebens aber eine verdammt falsche Abfahrt genommen haben. Nun merkte er wieder, wie ruhelos und gleichzeitig verbittert er im Leben war. Wo war die Freude am Leben geblieben? Hatte Jürgen mit der Midlife-Crisis vielleicht recht? Was ist das eigentlich? Er nahm sich vor, dazu endlich mal Tante Google zu befragen.
CHRISTIAN WINTER WAR MITTLERWEILE 50 JAHRE ALT. Gepflegt sah er immer aus, obwohl er eher unscheinbar wirkte – trotz seiner circa 1,80 Meter Körpergröße und 95 Kilo. In der Freizeit gerne unrasiert, Jeans und Pullover, keine Markenkleidung. Unscheinbar, als ob er sich verstecken wollte und hinter seinem Bart verbergen will, nannte seine Frau das. Mit seiner Frau Stephanie wohnt er im Falkenriedquartier in Hamburg-Eppendorf. Sie waren schon lange begeisterte Hamburger, seit sie vor 14 Jahren aus Gütersloh hierhin gezogen sind. Kein Vergleich. Liebe Gütersloher, ihr habt sicherlich auch eine schöne Stadt. Weltgewandt und bodenständig nennt ihr euch. Aber Hamburg ist eben eine andere Liga. Inzwischen konnten Christian und Stephanie den Stolz auf das Tor der Welt, wie alle Hanseaten auch empfinden. Selbstverständlich glaubten sie, dass Hamburg zu den schönsten Städten der Welt gehört, auch wenn sie als Quiddjes (Zugezogene) von den Hamburgern bezeichnet werden. Für sie war es schon lange die perfekte Stadt, jedenfalls zu der Zeit, als sie dorthin gezogen sind und zwischen ihnen noch alles in Butter war.
Das Falkenriedquartier ist ein modernes Ensemble aus Wohn- und Bürogebäuden, welches auf dem Gelände ehemaliger Fahrzeugwerkstätten vor einigen Jahren gebaut wurde. Sehr modern, mittendrin im Eppendorfer Stadtleben, welches sie beide so liebten. Gegenüber von den modernen Bauten hatten sie ihre Traumwohnung gefunden. Beim Blick nach links hatte Stephanie seinerzeit die langen Wohnkomplexe aus der Gründerzeit entdeckt. Eine unendliche Reihe weißer Reihenhäuser mit blauen Fenstern. In der Mitte Bäume, Blumen und Tische und Stühle, um so mit allen Nachbarn ins Gespräch zu kommen und feiern zu können. So wie sie es nun schon Hunderte Male gemacht haben. Und auch wieder tun werden, wenn die Sturmschäden beseitigt sind. Was für ein Glück, dass sie eine der wenigen zusammengelegten Wohnung bekamen, sodass sie sich auf fast 120 qm austoben konnten. Als sie das erste Mal in ihrer neuen Wohnung saßen, deren Duft riechen konnten, alle Möbel platziert hatten, vom Balkon aus ihren Stadtteil sahen, da feierten sie diesen Abend zusammen. In seiner Erinnerung waren sie da sehr glücklich. Der Piper-Heidsieck Jahrgangschampagner war die richtige Basis, um diesen Tag zu feiern. Christian konnte sich noch an das umwerfende Bukett und den minutenlangen Abgang auf der Zunge erinnern. Und, um anschließend im Schlafzimmer „umwerfend“ viel Spaß zu haben. Sie waren sich nah, wie lange vorher nicht. Da war die Welt noch in Ordnung. Oder war das schon damals nicht so? Zwei Jahre ist das nun her.
EPPENDORF WAR ETWAS ANDERES als die Überseestadt, in der sie vorher wohnten. Wenn man sich Eppendorf vom Winterhuder Fährhaus und über die Eppendorfer Landstraße nähert, ist der erste Eindruck wenig erfreulich. Allerweltsbauten an einer lauten, vierspurigen Straße. Schaut man hingegen in die Seitenstraßen, insbesondere in ihrem Viertel, zeigt sich der wahre Charme des Stadtteils. Prächtige Häuser, bunte Geschäfte und nette Gastronomie. Samstags konnten sie, nur fünf Minuten entfernt, auf der anderen Kanalseite auf dem Isemarkt einkaufen. Wochenmärkte gibt es viele, aber keinen unter einem 100 Jahre alten Hochbahnviadukt, so etwas gibt es in Deutschland kein zweites Mal. Marktberühmtheiten sind Fisch Schloh, Confiserie Stolle oder die Kräuterhexe. Die Duftorgie aus frischen Blumen, Obst, Bratwurst, Bonbons, Schokolade, Kräutern und eben auch Fisch war grandios. Besonders schön fand er den Stand von Filzschnitt, wo es Wärmflaschen mit dem Aufdruck „Frostbeule“ gab. Genau das Richtige für Stephanie. Und die Werbung von Bonbon Pingel „wer Pingel nicht kennt, hat das Süße verpennt“ ist einfach der Knaller. Über den Markt zu gehen war immer ein Erlebnis. Überall gab es etwas Interessantes zu sehen, zu riechen und auch zu hören, wenn dort Gitarre oder andere Instrumente gespielt wurden. Und danach bei Hawaii Poke Bowl einen gesunden Snack auf vegetarischer Basis essen. Die bunte Kissenreihe unter rosafarbenen Flamingos mochten sie sehr. Draußen saß man auf lindgrünen Holzbänken. Eine einzigartige Atmosphäre, wenn alle fünf Minuten direkt darüber die Hochbahn quietscht und rattert.
Oder mal eben zu dem Mexikaner, direkt nebenan in Falkenried, zu gehen. Der Eingangsbereich ist mit den Skeletten nicht sehr einladend, aber das Essen ist hervorragend. Legendäres Beef-Tartar in der Marsbar ist auch nicht schlecht. Wunderbar gebaut ist die Bar in dem alten Wärterhäuschen. Und nicht zu vergessen das ehemalige Onkel Pö, in der Musikgeschichte geschrieben worden ist. „Alles klar auf der Andrea Doria“ von Udo Lindenberg, das sich über Hunderttausendmal verkaufte, die Single wurde damals zu einem Klassiker. Die Liedzeile „Bei Onkel Pö spielt ne Rentnerband seit zwanzig Jahren Dixieland" machte die Kneipe dann in ganz Deutschland berühmt. Mittlerweile hat Onkel Pö schon seit über zwanzig Jahren geschlossen. Und hier mittendrin wohnten sie. Leben pur in einem angesagten Hamburger Stadtteil. Das Leben war aufregend, sie fühlten sich hier geborgen.
Selbstverständlich gingen sie gerne zu einem der besten italienischen Lokale der Stadt, wenige Meter entfernt. Die Pasta Arrabiata und die Fischgerichte waren in ganz Hamburg bekannt. Der Wirt Pietro scherzte, er fange die Fische selber, so frisch seien sie. Ein Restaurant mit stilvollem Ambiente, freundlichem Service und einem Weinsommelier mit viel Wissen. Nach dem Hausgrappa und Espresso gingen sie regelmäßig ausgelassen und fröhlich nach Hause.
Der Stadtteil und die Wohnung waren genau das, was sie lange gesucht hatten. Sie fühlten sich angekommen im Leben. Stephanies perfekter Tag beginnt morgens um 06:30 Uhr im historischen Holthusenbad, wo sie regelmäßig 2 000 Meter schwimmt. Bis heute wurde der unnachahmliche Stil und Charme des Gebäudes erhalten. Von dieser frühen Zeit kann...
Erscheint lt. Verlag | 4.7.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Beziehungsprobleme lösen • Eltern Kind Beziehung • Finanzieller Verlust • Finanzplanung • Hamburg Roman • Lebensmitte • Streit in der Familie Erwachsene • Wechseljahre |
ISBN-10 | 3-7562-7091-2 / 3756270912 |
ISBN-13 | 978-3-7562-7091-0 / 9783756270910 |
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