Die Galerie am Potsdamer Platz (eBook)

Roman
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2022 | 1. Auflage
384 Seiten
HarperCollins eBook (Verlag)
978-3-7499-0497-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Galerie am Potsdamer Platz - Alexandra Cedrino
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Alice zieht nach Berlin, um Anschluss an ihre Familie, einstmals angesehene Kunsthändler, zu finden. In der pulsierenden Hauptstadt fühlt sie sich sofort wohl und entdeckt ihr Talent als Fotografin. Und sie verliebt sich stürmisch in den Deutsch-Iren John. Trotz vieler Widerstände plant Alice, die einst legendäre Galerie der Familie am Potsdamer Platz wiederzueröffnen. Dabei begegnet sie Erik, Erbe einer spektakulären Kunstsammlung. Doch ist er wirklich daran interessiert, ihr zu helfen? Es sind unruhige Zeiten, und der Aufstieg der Nationalsozialisten droht bald, all ihre Hoffnungen zu zerstören ...

  • »familiäre Dramen sind [...] die Würze in ihrem Debütroman, der trotzdem noch mehr zu bieten hat. [...] Der Leser erhält Einblicke in die Kunstszene und die Gesellschaft der frühen 1930er-Jahre.« Süddeutsche Zeitung
  • »Aufregende Familienchronik um eine junge Berlinerin.«Grazia
  • »Alexandra Cedrino zeichnet ein fiktives, aber dennoch authentisches Bild einer Elitenfamilie der Jahre 1930 bis 1933 in Berlin. Und einer jungen Frau, die ihren eigenen Weg sucht und findet, auch wenn er hin und wieder in Sackgassen führt.«Wiener Zeitung


Alexandra Cedrino, geboren 1966 in München, stammt aus der Kunsthändlerfamilie Gurlitt. Sie wuchs zwischen Bildern und Büchern auf und lebt heute in Berlin.

Kuckuckskind


November 1930


Eisregen trommelte aufs Autodach, verklumpte sich und lief in Mustern am Fenster hinab. Alice blickte aus dem Fenster und beobachtete Fahrradfahrer, die sich durch den dichten Verkehr schlängelten, und dicke Limousinen, die sich rücksichtslos ihren Weg durch die im elektrischen Licht funkelnden Straßen der Stadt bahnten. Fußgänger überquerten hastig und halsbrecherisch die Fahrbahn inmitten des chaotischen Verkehrs. Gedankenverloren zog Alice Muster in die beschlagene Fensterscheibe.

Was sie wohl am Matthäikirchplatz erwartete? Rosa hatte anscheinend allerlei Ideen, wie sie sich in ihrem neuen Zuhause einrichten sollte. Alice hätte ein Zimmer, das über einen eigenen Eingang verfügte, sodass sie kommen und gehen könnte, wann immer sie wollte. Als sie anbot, Miete zu bezahlen, hatte ihre Tante empört abgewinkt.

»Ich bitte dich, Kind«, hatte sie bei ihrem letzten Treffen in einer kleinen Konditorei ausgerufen und ihr mit dem Handschuh sachte aufs Handgelenk geschlagen. »Rede keinen Unsinn. Richte dich erst einmal ein und überlege, was du mit deiner Zukunft anfangen möchtest.« Sie hatte ihre Handtasche geöffnet und darin herumgekramt. Mit einem kleinen triumphierenden Ausruf hatte Rosa schließlich zwei Schlüssel herausgezogen und sie Alice in die Hand gedrückt. »Der Haus- und der Wohnungsschlüssel. Nimm sie gleich an dich.«

Ob es richtig von Alice gewesen war, in Berlin zu bleiben? Was sie bis jetzt von der Stadt gesehen hatte, gefiel ihr. Quecksilbrig und gefährlich war es, düster, dreckig, billig. Aufregend, schnell und bevölkert von den interessantesten Menschen. Wenn sie irgendetwas erreichen wollte, dann hier. Aber sie musste auch aufpassen. Berlin ernährte sich von Leichtsinn und Gutgläubigkeit. Diese Stadt zog viele an: Glücksritter genauso wie Künstler, Elende wie Verwahrloste, die Hoffnungsvollen und die Optimisten – alle hofften ihr Glück zu machen oder in der Masse unterzutauchen.

Als das Taxi schließlich an den Straßenrand zog und anhielt, schreckte sie aus ihren Gedanken hoch. Überrascht blickte sie auf. Der Matthäikirchplatz lag in der Dämmerung ruhig vor ihr.

Da sie keine Anzeichen machte, auszusteigen, drehte sich der Chauffeur um. »Na, Frolleinchen, Endstation. Weiter jeht es nich’.«

Hastig zog Alice ihre Geldbörse aus der Handtasche.

Der Fahrer winkte ab. »Ist bereits bezahlt.«

Trotzdem ließ Alice es sich nicht nehmen, ihm wenigstens ein Trinkgeld zu geben. Der Chauffeur tippte an seine Mütze und hob ihren kleinen Koffer aus dem Fond, bevor er in der Dämmerung davonbrauste.

Alice wandte sich zum Haus um und blickte an der Fassade hoch. Mit dem Koffer in der Hand stieg sie die Stufen zur Haustür hinauf. Unschlüssig studierte sie das glänzende Klingelschild. Für ein so großes Haus gab es erstaunlich wenige Mietparteien. Im Hausflur ging das Licht an, und gerade als Alice sich dazu durchgerungen hatte, den Schlüssel zu benutzen, wurde die Haustür aufgerissen. Erschrocken stolperte sie eine Stufe zurück. Mit einem spöttischen Lächeln blickte eine Frau auf sie herab. Hinter ihr stand ein eleganter Mann, der ihr über die Schulter sah.

»Sie erlauben?« Trotzig hob Alice das Gesicht und drängte sich an den beiden vorbei in den Hausflur.

Das Paar wich zur Seite und lief auf die Straße. Als Alice sich noch einmal umwandte, waren die beiden in der Dämmerung verschwunden, und die Tür fiel hinter ihr ins Schloss.

»Alice, mein Liebling, da bist du ja!«

Rosa nahm ihr den kleinen Koffer ab und überreichte ihn dem neben der Tür stehenden Mädchen.

Noch während sie den Mantel auszog, konnte Alice Stimmen und Gläserklirren hören. Als sich im nächsten Moment die Tür öffnete, erkannte sie, dass die angrenzenden Räume voller Gäste waren.

»Habe ich mich im Tag geirrt?«, fragte sie verwirrt.

»Nein, nein, Kleines. Ich habe ein paar Freunde eingeladen.« Rosa strahlte sie an. »Zur Feier des Tages.«

Alice blickte zweifelnd an ihrem Kleid herab. Obwohl es das beste war, das sie dabeihatte, würde es dem kritischen Blick einer Gesellschaft kaum standhalten. Wie hätte sie ahnen sollen, dass sie hier in Berlin Kleider für Gesellschaften brauchte! Die hingen alle in ihrem Schrank in Wien. Wenn Colette sie sich nicht bereits unter den Nagel gerissen hatte. Sie würde ihr schreiben und sie bitten, ihr die Kleider zu schicken. Und sie informieren, dass sie sich erst einmal eine andere Mitbewohnerin suchen musste.

Alice setzte ein kleines Lächeln auf und ergab sich in ihr Schicksal. An Rosas Seite betrat sie den überhitzten Salon. Einige Paare tanzten zu den Klängen eines Grammofons, während sich die meisten in kleinen Gruppen unterhielten.

Wer sind all diese Menschen, fragte sie sich, während Rosa sie durch die Menge zog. Als sie die Mitte des Salons erreicht hatten, griff Rosa nach einem Glas und schlug mit einem kleinen Dessertlöffel klirrend an dessen Rand.

»Liebe Freunde! Ich bitte um einen kurzen Moment eurer Aufmerksamkeit«, rief sie.

Die Gespräche ebbten ab. Jemand stellte das Grammofon aus.

Besorgt blickte Alice Rosa an und entschied, dass es wohl am besten wäre, sich möglichst unauffällig in die Menge zurückzuziehen. Doch Rosa griff nach ihrer Hand und hielt sie fest.

»Liebe Freunde«, wiederholte sie. »Ich möchte euch jemanden vorstellen.«

Alice versuchte, sich unauffällig aus dem Griff ihrer Tante zu winden. »Rosa, bitte …«, flüsterte sie.

Rosa verstärkte ihren Griff und lachte. »Hier ist ja jemand schüchtern.«

Die Gesellschaft stimmte wohlwollend in das Lachen ein.

Nun gut, dachte Alice. Wenn Rosa sich nicht aufhalten ließ, musste sie die Sache mit Anstand hinter sich bringen. Aber Dankbarkeit hin, Dankbarkeit her, sie war keine Kuh, die man am Nasenring vorführen konnte.

»Und deswegen, liebe Freunde, bitte ich euch alle, heute meine Nichte Alice zu begrüßen!«

Die Gäste klatschten höflich.

Rosa hob die Hand. Hat sie denn noch nicht genug, dachte Alice, als sie den Kopf neigte und die Lippen zusammenpresste.

»Besonders hoffe ich«, fuhr ihre Tante fort, »dass Helena, ihre Großmutter, sie ebenfalls in der Familie willkommen heißt.«

Alice erstarrte.

Die Menge teilte sich. Und da stand sie: Helena Waldmann. Wie aus dem Boden gewachsen, und ihr Blick verhieß nichts Gutes.

*

Alice nippte an ihrem Glas. Sollte sie die Wohnung wieder verlassen, noch bevor sie eingezogen war? Oder wollte sie sich noch die Rechtfertigung Rosas anhören? Am liebsten hätte sie ihre Tante geohrfeigt wegen ihrer … ja, wegen was genau? Hereingelegt hatte sie sie. Sie vor allen lächerlich gemacht, sie vor fremden Menschen gedemütigt. Es war ein Schock gewesen, sowohl für sie selbst als auch für die alte Frau. Sie hatte tief durchgeatmet und versucht, ihrer Großmutter selbstbewusst gegenüberzutreten, war einen Schritt auf sie zugegangen und hatte ihr die Hand entgegengestreckt.

»Versuchst du mir dieses Kuckuckskind unterzuschieben?«, hatte Helena sich an Rosa gewandt, ohne Alices Hand zu ergreifen.

Alice stand da wie erstarrt und spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen schoss. Schlagartig waren alle Gespräche verstummt. Sie hatte die Hand sinken lassen und zu Rosa geblickt. Diese drückte kurz ihren Arm, bevor sie ihrer Schwiegermutter antwortete. Was genau sie auf diese Beleidigung erwiderte, konnte Alice durch das Rauschen in ihren Ohren nicht verstehen. Mit brennenden Wangen hatte sie zwischen den beiden Frauen gestanden, die sich ein Wortgefecht lieferten. Die Umstehenden schienen das Geschehen in vollen Zügen zu genießen. Wie ein Gegenstand, um den man sich zankt, war sie sich vorgekommen. Mit einem heftigen Ruck hatte sie schließlich ihren Arm aus Rosas Griff befreit, die es jedoch nicht zu bemerken schien, so sehr war sie auf Helena fixiert. Alice hatte ihren Herzschlag bis in den Hals hinein gespürt. All die Unsicherheit und die Wut der letzten Tage kochten erneut in ihr hoch. Mit einem lauten Krachen hatte sie den Champagnerkelch, den ihr Rosa vor wenigen Minuten in die Hand gedrückt hatte, auf den Boden geworfen. Schlagartig hatte sich Stille über die Menge gesenkt, als sich unvermittelt eine Hand auf ihre Schulter legte. Sie war erschrocken herumgefahren und hatte einem groß gewachsenen, schlanken Mann ins Gesicht geblickt. Erstaunt stellte sie fest, dass ein kleines Lächeln um seine Mundwinkel spielte.

Er hatte sie am Ellbogen gepackt und von den beiden sich streitenden Frauen in die angrenzende dunkle Bibliothek gezogen. Dort hatte er sie vor dem Regal stehen lassen, um den Schalter einer Tischlampe zu suchen. Danach schloss er die Tür und ging zu einer kleinen, gut bestückten Hausbar. Er hatte zwei Gläser mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit gefüllt und ihr eines in die Hand gedrückt, bevor er sich in einen der Sessel fallen ließ. Dann hatte er einen großen Schluck genommen und zu Alice aufgeblickt, die immer noch reglos am Regal stand und ihn anstarrte.

»Setz dich.« Der Mann trug einen gut sitzenden, dezenten Anzug, das Sakko offen über einem hellen Hemd und einer Weste. Er lockerte den Krawattenknoten. »Bitte, setz dich«, wiederholte er. »Du machst mich nervös, wenn du da so stehst.«

Mit aller Gelassenheit, die ihr noch zur Verfügung stand, erwiderte sie: »Sagt wer?«, bevor sie seiner Aufforderung nachkam. Dann nahm sie einen großen Schluck, ohne zu schmecken, was sie trank.

»Wenn ich richtig mit meiner Vermutung...

Erscheint lt. Verlag 24.5.2022
Reihe/Serie Die Galeristinnen-Trilogie
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1. Weltkrieg • 2. Weltkrieg • 50er Jahre Trilogie • Belletristik • belletristische bücher • Berlin • Bilder • brigitte riebe die schwestern vom ku'damm • Café Engel • café engel buch • Carmen Korn • carmen korn jahrhundert trilogie • carmen korn zeitwende • Das Mädchen aus der Severinstraße • Das Savoy • Die Ärztin • Die Charité • Die Schokoladenvilla • Die Schwestern vom Ku'damm • die schwestern vom ku'damm jahre des aufbaus • die schwestern vom ku'damm wunderbare zeiten • die töchter einer neuen zeit • Dreißigerjahre • Familie • Familiendrama • Familiengeschichte • Familienroman • Familiensaga • Familiensaga Buch • Familiensaga Deutschland • Familiensaga Roman • familiensaga trilogie • Fotografie • Frauen • frauen einer neuen zeit • Frauenunterhaltung • Galerie • Große Elbstraße • Hannah und ihre Brüder • Heimat ist ein Sehnsuchtsort • Historischer Roman • Hotel Quadriga • Impressionismus • Jahre aus Seide • Kastanienjahre • kinder einer neuen zeit • korn carmen trilogie • Kranichland • Kuhdamm 56 • kuhdamm 59 • Kunst • Kunsthandel • Kunstszene • Leas Spuren • Liebe • literarisch • Malerei • Nationalsozialismus • Roman • roman 20 jahrhundert • roman berlin • roman bücher • Roman Frauen • Roman für Frauen • Seidenstadt Saga • Tage des Lichts • Träume aus Samt • Tuchvilla • Weimarer Republik • Zeit aus Glas
ISBN-10 3-7499-0497-9 / 3749904979
ISBN-13 978-3-7499-0497-6 / 9783749904976
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