Lauter Sünder / Schöne Aussicht (eBook)

Zwei Stücke
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2022 | 1. Auflage
208 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-61093-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Lauter Sünder / Schöne Aussicht -  Slawomir Mrozek
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Die Erlebnisferien im Romantikhotel stellen sich trotz Schöner Aussicht als ungemütlich heraus; eine heißumkämpfte Position als Seelenhirte in einer kleinen Gemeinde mit Lauter Sündern entpuppt sich als Alptraum.

Slawomir Mrozek, geboren 1930 in Borzecin bei Krakau, studierte Architektur, Kunstgeschichte und Orientalistik. In Polen war er zunächst als Karikaturist erfolgreich, bevor er als Schriftsteller in Erscheinung trat. 1957 erschien sein erstes Buch mit satirischen Erzählungen. Es folgten seine Stücke (darunter ?Tango?, ?Emigranten?, ?Polizei?, ?Striptease?), mit denen er Weltruhm erlangte. In Deutschland gehören sie zu den meistgespielten Theaterstücken überhaupt. 1962 verließ er Polen und beantragte 1968, als Reaktion auf die Niederschlagung des Prager Frühlings, in Frankreich politisches Asyl. Nach langen Jahren in Paris und später in Mexiko kehrte er 1996 in seine Heimatstadt Krakau zurück. Die letzten Jahre lebte er in Nizza, wo er 2013 verstarb.

Slawomir Mrozek, geboren 1930 in Borzecin bei Krakau, studierte Architektur, Kunstgeschichte und Orientalistik. In Polen war er zunächst als Karikaturist erfolgreich, bevor er als Schriftsteller in Erscheinung trat. 1957 erschien sein erstes Buch mit satirischen Erzählungen. Es folgten seine Stücke (darunter ›Tango‹, ›Emigranten‹, ›Polizei‹, ›Striptease‹), mit denen er Weltruhm erlangte. In Deutschland gehören sie zu den meistgespielten Theaterstücken überhaupt. 1962 verließ er Polen und beantragte 1968, als Reaktion auf die Niederschlagung des Prager Frühlings, in Frankreich politisches Asyl. Nach langen Jahren in Paris und später in Mexiko kehrte er 1996 in seine Heimatstadt Krakau zurück. Die letzten Jahre lebte er in Nizza, wo er 2013 verstarb.

Der Morgen des nächsten Tags. Der Vorhang am Fenster ist aufgezogen, man sieht die Kirche gegenüber. Tante Rosa sitzt auf dem Sofa, Rev. Burton, im Bademantel, auf dem Stuhl. Neben Tante Rosa auf dem Sofa ein Paket aus dem Delikatessenladen, in Schmuckpapier eingewickelt, mit einem Band und einer Schleife verschnürt. Tante Rosas Reisetasche steht auf dem Boden. Das Porträt des Priesters an der Wand hängt wieder normal.

TANTE ROSA

Was macht er da so lange?

REV. BURTON

In dieser Phase benutzt er Kölnisch Wasser.

TANTE ROSA

argwöhnisch Woher wissen Sie das?

REV. BURTON

Weil ich annehme, daß er sich schon rasiert hat.

TANTE ROSA

Wasser? Was für ein Wasser?

REV. BURTON

Rasierwasser.

TANTE ROSA

Das weiß ich, aber was für eine Sorte?

REV. BURTON

Keine Ahnung.

TANTE ROSA

Sie kennen ihn schon so lange und wissen das nicht?

REV. BURTON

Wir haben uns gerade gestern kennengelernt.

TANTE ROSA

Gestern erst, und ihr wohnt schon zusammen?

REV. BURTON

Nur seit gestern.

TANTE ROSA

Meinen Sie nicht, daß das zu schnell ist?

REV. BURTON

Es hat sich so ergeben.

TANTE ROSA

Was hat sich ergeben?

REV. BURTON

Die Umstände.

TANTE ROSA

Was für Umstände?

REV. BURTON

Umstände, die nicht von uns abhingen.

TANTE ROSA

Umstände hängen immer von einem anständigen Fräulein ab.

REV. BURTON

Offensichtlich bin ich kein anständiges Fräulein.

TANTE ROSA

Erzählen Sie mir nichts, sonst glaube ich es noch. Arbeiten Sie?

REV. BURTON

Wie bitte?

TANTE ROSA

Haben Sie eine Stellung?

REV. BURTON

Noch nicht.

TANTE ROSA

Was heißt ›noch nicht‹? Das heißt, Sie haben keine.

REV. BURTON

Aber ich werde eine haben.

TANTE ROSA

Wann?

REV. BURTON

Morgen.

TANTE ROSA

Und was machen Sie?

REV. BURTON

Ich bin Psychotherapeutin.

TANTE ROSA

Nicht schlecht. Alle diese Psycho-sonstwas verdienen gut. Wie viel verdienen Sie?

REV. BURTON

Genügend.

TANTE ROSA

Genügend, das heißt zu wenig. Richard hat keine Ahnung von Geld. In der Hinsicht ist er eine Niete.

REV. BURTON

Das macht nichts.

TANTE ROSA

Lieben Sie ihn?

REV. BURTON

Er ist sehr lieb.

TANTE ROSA

Sicher, aber verrückt. Was macht eigentlich ein Psychotherapeut?

REV. BURTON

Er hilft den Leuten bei ihren Problemen.

TANTE ROSA

Das trifft sich ja gut, ich habe Probleme. Können Sie mir helfen?

REV. BURTON

Gern.

TANTE ROSA

Erstens: Mein Neffe hat sich taufen lassen.

REV. BURTON

Das ist kein Problem.

TANTE ROSA

Für Sie nicht. Über wessen Probleme reden wir, über meine oder über Ihre?

REV. BURTON

Über Ihre.

TANTE ROSA

Also, das ist mein Problem Nummer eins. Können Sie mir helfen?

REV. BURTON

Ich fürchte, nein. Nach der Verfassung hat jeder das Recht, sich die Religion auszusuchen.

TANTE ROSA

Vielleicht nach der Verfassung, aber nicht meiner Meinung nach. Das heißt, Sie können nicht helfen. Also kommen wir zu Problem Nummer zwei: Nicht genug, daß er sich hat taufen lassen, er mußte auch noch christlicher Priester werden.

REV. BURTON

Wenn er sich hat taufen lassen, konnte er kein Priester einer anderen Religion werden. Dazu müßte er sich umtaufen lassen, zu irgendeinem anderen Glauben übertreten und erst dann …

TANTE ROSA

unterbricht sie Ich frage nicht, ob er Priester werden konnte oder nicht. Es geht darum, daß er Priester wurde. Ich frage Sie, ob Sie in dieser Angelegenheit was unternehmen können.

REV. BURTON

Nein.

TANTE ROSA

Irgendwie scheint mir, daß Sie nicht so viel verdienen, wie Sie sagen.

REV. BURTON

Haben Sie noch irgendwelche Probleme?

TANTE ROSA

Ob ich noch irgendwelche Probleme habe? Wenn Sie hören wollen, daß ich keine habe, dann fragen Sie doch, ob ich Glück habe. Er ist Priester geworden, aber kein katholischer, sondern irgendein protestantischer.

REV. BURTON

Was macht das für einen Unterschied?

TANTE ROSA

Da fragen Sie noch? Das ist mein Problem Nummer drei.

REV. BURTON

Warum?

TANTE ROSA

Weil katholische Priester nicht heiraten dürfen, protestantische dürfen aber.

REV. BURTON

Und das soll ein Problem sein? Sie sollten sich schämen. Sie hätten es lieber, wenn er nicht heiraten würde?

TANTE ROSA

Um Gottes willen, ich verbiete ihm das nicht. Denken Sie, ich möchte einen Päderasten als Neffen haben? Für wen halten Sie mich!

REV. BURTON

Na wo liegt dann das Problem?

TANTE ROSA

Er soll nur heiraten, aber es kommt drauf an, wen. Wen heiratet er? Eine Japanerin oder eine Chinesin? Bitte sehr, warum nicht eine Chinesin? Eine Farbige? Warum nicht. Eine Eskimofrau? Jederzeit. Er heiratet nur nicht, wissen Sie, wen?

REV. BURTON

Ich weiß es nicht.

TANTE ROSA

Eine Jüdin.

REV. BURTON

Warum nicht?

TANTE ROSA

Haben Sie je einen protestantischen Priester mit einer jüdischen Frau gesehen? Das gibt es nicht.

REV. BURTON

Und das ist Ihr Kummer?

TANTE ROSA

Kummer? Sie nennen das Kummer und nichts weiter? Wollen Sie, daß ich eine Herzattacke bekomme? Dann hören Sie sich an, was mein Problem Nummer vier ist. Mein Problem Nummer vier ist, daß ich im Morgengrauen aufstehe, mir ein Taxi nehme, auf den Flughafen fahre, von New York aus hierherfahre, um meinen Neffen zu sehen, und wen sehe ich? Sie.

REV. BURTON

Was ist so schrecklich an mir?

TANTE ROSA

An Ihnen persönlich – nichts. Aber an Ihnen zusammen mit Richard – alles. Nachdem er sich hatte taufen lassen, dachte ich: Das ist ein Unglück, aber jetzt wird er wenigstens keine Nichtjüdin heiraten, weil er überhaupt nicht heiraten darf. Er wird sich zwar nie mehr mit einer ordentlichen Jüdin vermählen, aber auch nicht mit einer dummen Schickse. Das war mein einziger Trost. Und wo ist er jetzt, dieser mein Trost, na wo, sagen Sie mir!

REV. BURTON

Da, wo er war. Richard will mich überhaupt nicht heiraten, und ich will ihn auch nicht heiraten.

Pause.

TANTE ROSA

Ist das wahr?

REV. BURTON

Das ist wahr. Wir schlafen noch nicht einmal zusammen.

TANTE ROSA

Wissen Sie, was?

REV. BURTON

Was?

TANTE ROSA

Sie sind eine absolut gute Psychotherapeutin.

Rev. Bloom kommt im Pyjama herein.

REV. BLOOM

Tante Rosa! Was machst du hier!?

TANTE ROSA

Wieso? Ich habe dir Käsekuchen gebracht.

REV. BLOOM

Aber ich habe dir doch gesagt, daß zwischen uns alles aus ist.

TANTE ROSA

Natürlich, das hast du gesagt.

REV. BLOOM

Na dann … na dann …

TANTE ROSA

Na dann...

Erscheint lt. Verlag 25.5.2022
Übersetzer Christa Vogel
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte 20. Jahrhundert • Anthologie • Atmosphäre • Drama • Dramen • Erlebnisferien • Ferien • Hotel • Polen • Romantik • Sammlung • Theaterstück • Urlaub
ISBN-10 3-257-61093-9 / 3257610939
ISBN-13 978-3-257-61093-2 / 9783257610932
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