Charlotte Löwensköld (eBook)

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2022 | 1. Auflage
480 Seiten
Manesse (Verlag)
978-3-641-27233-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Charlotte Löwensköld -  Selma Lagerlöf
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Exklusive Neuübersetzung der ersten Literaturnobelpreisträgerin
Die junge Charlotte Löwensköld ist glücklich. Seit fünf Jahren ist sie dem Hilfspfarrer Karl-Artur Ekenstedt versprochen, und nicht im Entferntesten würde sie daran denken, diese Verbindung zu lösen. Auch nicht, als der reiche Bergwerksdirektor Schagerström eines Tages um ihre Hand anhält. Charlotte lehnt den Heiratsantrag entschieden ab, doch der mittellose und asketisch lebende Karl-Artur steigert sich zunehmend in seine Eifersucht hinein. Während Charlotte versucht, sich mit ihm auszusöhnen, beginnt sie immer verzweifelter, um ihr eigenes Glück zu kämpfen ...

Mit Charlotte Löwensköld schuf die Nobelpreisträgerin Selma Lagerlöf ein modernes Meisterwerk, das ein von der Kirche erschaffenes Frauenbild entlarvt, welches die bedingungslose Aufopferung gegenüber dem Mann verlangt.

In frischer Neuübersetzung von Paul Berf.

Selma Ottilia Lovisa Lagerlöf (1858-1940) wurde in der schwedischen Provinz Värmland geboren. Nach ihrem Studium in Stockholm trat sie ihre erste Stelle als Lehrerin in der Hafenstadt Landskrona im Süden des Landes an. Zu dieser Zeit verfasste sie ihren ersten Roman, »Gösta Berling«. Als 1895 die zweite Auflage des Buchs erschien, konnte sie die Lehrtätigkeit aufgeben und sich ganz dem Schreiben widmen. Dank eines Reisestipendiums des Königs und der Schwedischen Akademie lernte sie Europa kennen und reiste bis nach Ägypten und Israel. Wieder in Schweden erlangte sie weiteren literarischen Ruhm mit ihrem Auswandererepos »Jerusalem« (1902/1903) und dem von der Schulbehörde in Auftrag gegeben Lesebuch »Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen« (1906). Zu den wichtigsten Auszeichnungen ihres Lebens gehören die Aufnahme als erstes weibliches Mitglied in die Schwedische Akademie im Jahr 1914 und der Literatur-Nobelpreis, den sie 1909 als erste Frau erhielt. Das Preisgeld ermöglichte es Lagerlöf, den Gutshof Mårbacka zurückzukaufen - ihre Eltern hatten das Anwesen wegen hoher Verschuldung aufgeben müssen. Nach dem Umzug auf das Landgut widmete sie sich neben dem Schreiben vor allem der Landwirtschaft und ihrer kleinen Fabrik, in der sie Hafermehl produzierte.

Die Oberstin

I.

Einst gab es in Karlstad eine Oberstin, die Beate Ekenstedt hieß.

Sie war eine Löwensköld vom Landgut Hedeby und somit eine geborene Freiherrin, und sie war so zart, und sie war so liebenswürdig, und sie war so gebildet, und sie konnte Verse schreiben, die so unterhaltsam waren wie die von Frau Lenngren1.

Sie war klein, hatte aber wie alle Löwenskölds eine aufrechte Körperhaltung und ein interessantes Gesicht. Sie sagte allen, denen sie begegnete, schöne und charmante Dinge. Sie hatte etwas Romantisches an sich, und wer sie einmal gesehen hatte, konnte sie nie mehr vergessen.

Sie kleidete sich exquisit und war immer sehr gut frisiert, und wohin sie auch kam, sie war stets die Frau mit der hübschesten Brosche und dem geschmackvollsten Armband und dem funkelndsten Brillantring. Außerdem hatte sie die kleinsten Füße, die ein Mensch nur haben kann, und unabhängig davon, ob sie nun gerade in Mode waren oder nicht, trug sie ausnahmslos kleine, hochhackige Schuhe, die mit Goldbrokat besetzt waren.

Sie wohnte im vornehmsten Haus Karlstads, und es lag nicht mitten im Häusergewirr in den engen Gassen, sondern am Ufer des Klarälven, sodass die Oberstin von ihrem kleinen Kabinett auf das Wasser des Flusses hinabblicken konnte. Sie erzählte des Öfteren, eines Nachts, als klarer Mondschein auf dem Fluss lag, habe sie direkt unter ihrem Fenster den Wassergeist Nix sitzen und auf seiner Goldharfe spielen gesehen. Und niemand bezweifelte, dass sie richtig gesehen hatte. Warum sollte der Nix Oberstin Ekenstedt kein Ständchen darbringen wollen wie so viele andere auch?

Jeder wohlgeborene Reisende, der nach Karlstad kam, begab sich zur Oberstin, um ihr seine Aufwartung zu machen. Alle waren sofort entzückt von ihr und fanden es hart, dass sie in einer Kleinstadt begraben war. Man erzählte sich, Bischof Tegnér2 habe ein Gedicht für sie geschrieben und der Kronprinz habe erklärt, sie besitze den Charme einer Französin. Selbst General von Essen und andere, die noch die Zeit König Gustavs III.3 erlebt hatten, mussten zugeben, Diners wie die, zu denen sie bei Oberstin Ekenstedt eingeladen wurden, hatten sie nirgendwo sonst erlebt, weder was das Essen, noch was die Bewirtung oder Konversation betraf.

Die Oberstin hatte zwei Töchter, Eva und Jaquette. Es waren anmutige und freundliche Mädchen, und wo immer sie auf der Welt gelebt hätten, wären sie bewundert worden und beliebt gewesen, aber in Karlstad würdigte sie niemand auch nur eines Blickes. Dort wurden sie von ihrer Mutter völlig in den Schatten gestellt. Wenn sie auf einen Ball kamen, wetteiferten die jungen Herren darum, mit der Oberstin tanzen zu dürfen, wohingegen Eva und Jaquette sitzen bleiben und ein Dasein als Mauerblümchen fristen mussten. Und wie gesagt, nicht nur der Nix brachte vor dem Haus der Ekenstedts ein Ständchen dar, doch nie sang jemand unter den Fenstern der Töchter, immer nur unter dem der Oberstin. Junge Poeten verfassten Verse für B. E., aber nicht einer dichtete ein paar Strophen für E. E. oder J. E. Böse Zungen behaupteten, als einmal ein Leutnant um die Hand der kleinen Eva Ekenstedt anhielt, habe er einen Korb bekommen, weil die Oberstin der Meinung gewesen sei, er habe einen schlechten Geschmack.

Die Oberstin hatte auch einen Oberst, einen prächtigen und guten Mann, dem man überall sonst mit Hochachtung begegnet wäre, nur in Karlstad nicht. In Karlstad verglich man den Oberst mit der Oberstin, und wenn man ihn neben seiner Gattin sah, die so brillant und ungewöhnlich und einfallsreich und spielerisch lebhaft war, fand man, dass er aussah wie ein Bauer. Die Leute, die in seinem Haus zu Gast waren, machten sich nicht die Mühe, zu hören, was er sagte, sie schienen ihn gar nicht zu sehen. Es war nicht etwa so, dass die Oberstin all denen, die sie umschwärmten, auch nur den kleinsten ungehörigen Annäherungsversuch gestattet hätte; an ihrem Lebenswandel war nichts auszusetzen, aber ihren Mann aus der Versenkung zu holen, daran dachte sie nie. Vermutlich fand sie, dass es am besten zu ihm passte, unbemerkt zu bleiben.

Doch diese charmante Oberstin, diese gefeierte Oberstin hatte nicht nur einen Mann und zwei Töchter, sondern auch einen Sohn. Und diesen Sohn liebte sie, ihn bewunderte sie, ihn zog sie bei jeder erdenklichen Gelegenheit ins Licht. Ihn zu vernachlässigen oder zu übersehen war für alle, die im Hause Ekenstedt zu Gast waren, unmöglich, sofern sie darauf hoffen wollten, ein weiteres Mal eingeladen zu werden. Allerdings soll auch nicht verschwiegen werden, dass die Oberstin allen Grund hatte, auf ihren Sohn stolz zu sein. Er war weder unverschämt noch aufdringlich wie andere verwöhnte Kinder. Er schwänzte nicht die Schule, und er spielte den Lehrern keine Streiche. Er war romantischer veranlagt als seine Schwestern. Noch ehe er acht war, konnte er richtig hübsche Verse schmieden. Manchmal lief er zu seiner Mutter und erzählte ihr, er habe den Nix spielen gehört und gesehen, wie die Elfen auf den Wiesen von Voxnäs tanzten. Er hatte feine Züge und große, dunkle Augen und war in jeder Hinsicht ganz das Kind seiner Mutter.

Obwohl er allen Platz im Herzen der Oberstin einnahm, konnte man nicht unbedingt sagen, dass sie eine schwache Mutter war. Zumindest musste Karl-Artur Ekenstedt lernen, zu arbeiten. Er bedeutete ihr mehr als jedes andere von Gott erschaffene Wesen, aber gerade deshalb kam es überhaupt nicht infrage, dass er mit etwas anderem als den besten Noten, die man bekommen konnte, aus dem Gymnasium heimkam. Und allen fiel auf, solange Karl-Artur in eine bestimmte Klasse ging, lud die Oberstin keinen der Lehrer ein, die ihn unterrichteten. Nein, niemand sollte sagen können, dass Karl-Artur gute Noten bekam, weil er der Sohn von Oberstin Ekenstedt war, die so grandiose Diners gab. Ihr seht, die Oberstin hatte Stil.

In seinem Abgangszeugnis am Gymnasium von Karlstad wurde Karl-Artur mit der Bestnote Laudatur benotet, genau wie seinerzeit Erik Gustav Geijer4. Im Anschluss in der Universitätsstadt Uppsala das Abitur zu machen war für ihn genauso ein Kinderspiel wie für Geijer. Die Oberstin hatte den kleinen, dicken Professor Geijer natürlich viele Male gesehen und als Tischherren gehabt, und es stimmte, er war begabt und interessant, aber sie konnte sich den Gedanken nicht verkneifen, dass Karl-Artur ein ebenso schlauer Kopf war, der eines Tages mit Sicherheit auch ein berühmter Professor werden und es so weit bringen musste, dass Kronprinz Oskar und Provinzgouverneur Järta und Oberstin Silfverstolpe5 und all die anderen Berühmtheiten in Uppsala seine Vorlesungen besuchen und ihm lauschen würden.

Im Herbstsemester 1826 kam Karl-Artur nach Uppsala. Und das ganze Semester über und in all den Jahren, die er an der Universität verbrachte, schrieb er einmal in der Woche nach Hause. Kein einziger dieser Briefe wurde vernichtet, die Oberstin bewahrte sie alle auf. Sie las sie immer wieder, und bei den traditionellen Sonntagsessen, zu denen die ganze Familie zusammenkam, las sie den anderen stets den zuletzt eingetroffenen Brief vor. Das konnte sie ruhig tun, denn sie hatte allen Grund, stolz auf ihren Sohn zu sein.

Die Oberstin hegte den leisen Verdacht, dass ihre Verwandten erwarteten, Karl-Artur würde weniger vorbildlich sein, sobald er auf sich allein gestellt war. Deshalb war es für sie ein Sieg, ihnen vorlesen zu können, dass Karl-Artur billige möblierte Zimmer mietete und auf dem Markt Butter und Käse kaufte, um von seinen Essensvorräten leben zu können, und dass er jeden Morgen um fünf Uhr aufstand und täglich zwölf Stunden arbeitete. Hinzu kamen die vielen ehrerbietigen Worte, die er in seinen Briefen verwendete, und all die Ausdrücke von Bewunderung, die er seiner Mutter widmete! Die Oberstin ließ sich nicht dafür bezahlen, wenn sie Dompropst Sjöborg, der mit einer Ekenstedt verheiratet war, und Ratsherrn Ekenstedt, einem Onkel ihres Mannes, und den Cousins Stake, die in dem großen Eckhaus am Markt wohnten, vorlas, dass Karl-Artur, der sich nun in der Welt umsah, nach wie vor der Meinung war, seine Mutter hätte das Zeug zu einer Dichterin von Rang gehabt, wenn sie es nicht als ihre Pflicht betrachtet hätte, nur für ihren Mann und ihre Kinder zu leben. Nein, sie ließ sich dafür nicht bezahlen, das tat sie gern umsonst. Sosehr sie auch daran gewöhnt war, auf vielfältige Weise gefeiert zu werden, konnte sie seine Worte doch niemals vorlesen, ohne dass ihr Tränen in die Augen traten.

Der größte Triumph wurde der Oberstin jedoch kurz vor Weihnachten beschert, als Karl-Artur schrieb, er habe das Geld, das sein Vater ihm mitgegeben hatte, als er nach Uppsala aufbrach, nicht ausgegeben, sondern werde etwa die Hälfte davon wieder mit nach Hause bringen. Da waren sowohl der Dompropst als auch der Ratsherr einigermaßen verblüfft, und der größere der Cousins Stake schwor, so etwas sei noch nie vorgekommen und werde mit Sicherheit auch nie wieder vorkommen. Die ganze Familie war sich einig, dass Karl-Artur ein Wunder war.

Sicher, dadurch, dass Karl-Artur den größten Teil des Jahres die Universität besuchte, war für die Oberstin eine schmerzliche Lücke entstanden, aber sie hatte ja so viel Freude an seinen Briefen, dass sie sich im Grunde gar nicht wünschen konnte, es wäre anders. Wenn er eine Vorlesung des großen Dichters Atterbom6 besucht hatte, ließ er sich so unglaublich interessant über Philosophie und Dichtung aus. Und wenn ein solcher Brief eingetroffen war, träumte die Oberstin oft von...

Erscheint lt. Verlag 5.10.2022
Reihe/Serie Manesse Bibliothek
Nachwort Mareike Fallwickl
Übersetzer Paul Berf
Sprache deutsch
Original-Titel Charlotte Löwensköld
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2022 • eBooks • Ehe • Familiensaga • Feminismus • Liebe • Liebesromane • Mehr Klassikerinnen • Neuerscheinung • Neuerscheinungen Bücher 2022 • Nobelpreis • Rache • Roman • Romane Neuerscheinungen 2022 • Schweden • Skandinavien • slowburn • slowburnromance • Smalltown Romance • Weltliteratur
ISBN-10 3-641-27233-5 / 3641272335
ISBN-13 978-3-641-27233-3 / 9783641272333
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