Ein ganzes Herz voll Weihnachten (eBook)

Geschichten und Rezepte für die schönste Zeit im Jahr

Lea Daume (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
352 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01528-9 (ISBN)

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Ein ganzes Herz voll Weihnachten -
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Erzählungen, die erheitern, wärmen und ans Herz gehen, für die schönste und hellste Zeit im Jahr. Vierzehn Lieblingsautorinnen haben ihre berührendsten Weihnachtsgeschichten aufgeschrieben und ihre festlichsten Rezepte gesammelt. Leise Musik klingt über verschneite Landschaften, Gemütlichkeit erfüllt die Wohnzimmer, es wird geplant und gebastelt, gebacken und verpackt. Wenn die Weihnachtszeit anbricht, zieht eine ganz besondere Stimmung in die Leben und Herzen ein, und es ereignen sich kleine und große Wunder. Es ist die Zeit, Geschichten zu erzählen. Die Geschichte der kleinen Johanna, die an Weihnachten das Geheimnis von warmen Pfeffernüssen und Freundschaft erfährt. Die Geschichte einer unwahrscheinlichen Liebe, die in einer Hütte in Dänemark wahr wird. Die Geschichte der Menschen aus dem kleinen Bücherdorf, die sich am Heiligen Abend an einem Ort begegnen, wo niemand die Anderen erwartet hätte. Oder die Geschichte der Seemänner, die weit weg von ihren Familien, gestrandet in einem fremden Land, ein ganz besonderes Weihnachtsfest erleben. Berührende Weihnachtsgeschichten, liebevoll aufgeschrieben und gesammelt für ein herzerwärmendes Weihnachtsbuch. Und am Ende wird alles gut. Denn am Ende wird Weihnachten sein. Mit Geschichten von Inken Bartels, Julie Caplin, Rebekka Eder, Micaela A. Gabriel, Miriam Georg, Liv Helland, Katharina Herzog, Manuela Inusa, Sandra Lüpkes, Kira Mohn, Kristina Moninger, Kelly Moran, Ines Thorn und Lena Wolf. 

Inken Bartels, geboren 1974 in Eckernförde, hat viele Jahre freiberuflich für diverse Frauenzeitschriften gearbeitet und ist heute Ressortleiterin bei der «Für Sie» und «Petra». Mit ihrem Mann und den beiden Söhnen lebt sie in Hamburg. Zum Schreiben zieht sie sich gerne in ihr kleines Wochenendhäuschen an der Schlei zurück. Dort kennt sie jede Badestelle und jeden Landgasthof. Inken Bartels kocht leidenschaftlich gerne, und sie hat den Roman mit etlichen Rezepten und Zitaten zum Thema Essen angereichert. Julie Caplin lebt im Südosten Englands, liebt Reisen und gutes Essen. Als PR-Agentin hat sie in zahlreichen Großstädten auf der ganzen Welt gelebt und gearbeitet. Mittlerweile widmet sie sich komplett dem Schreiben. Mit ihrer Romantic-Escapes-Reihe landet sie regelmäßig auf den Bestsellerlisten. Die Romane sind auch unabhängig voneinander ein großes Lesevergnügen. Rebekka Eder ist ein Pseudonym. Die Autorin wurde 1988 in Kassel geboren und hat Theaterwissenschaft und Germanistik in Erlangen, Bern und Berlin studiert. Schon während des Studiums begann sie, Romane zu schreiben. Nachdem sie als Journalistin und Werbetexterin arbeitete, machte sie ihre Leidenschaft zum Beruf. Heute lebt und schreibt sie auf dem nordhessischen Land. Sie ist fasziniert von verblichenen Fotografien, gut gehüteten Familiengeheimnissen und der uralten Sprache der Blumen. Micaela A. Gabriel wurde in Hamburg geboren und wuchs in München und Lugano/Tessin auf, wo sie als Teenager ihre ersten Schreibversuche unternahm. Nach Sprachenstudium und Zeitungsvolontariat arbeitete als Redakteurin. Als Romanautorin gelangen ihr unter ihrem Mädchennamen Micaela Jary zahlreiche Bestseller-Erfolge. Unter dem Pseudonym Michelle Marly stand sie mit ihrem Roman 'Mademoiselle Coco und der Duft der Liebe' fast ein Jahr lang auf der Bestsellerliste und schrieb damit den Auftakt zu der beliebten Aufbau-Reihe 'Frauen zwischen Kunst und Liebe'. MIRIAM GEORG, geboren 1987, ist die Autorin des Zweiteilers «Elbleuchten» und «Elbstürme». Beide Bände der hanseatischen Familiensaga wurden von Leserinnen und Lesern gefeiert, sie schafften auf Anhieb den Einstieg auf die Bestsellerliste und wurden zum Überraschungserfolg des Jahres. Die Autorin hat einen Studienabschluss in Europäischer Literatur sowie einen Master mit dem Schwerpunkt Native American Literature. Wenn sie nicht gerade reist, lebt sie mit ihrer gehörlosen kleinen Hündin Rosali und ihrer Büchersammlung in Berlin-Neukölln.  Liv Helland liebte schon immer das Meer, deshalb spielten dort viele der Geschichten, die sie sich als Kind gerne ausdachte. Sie studierte deutsche und englische Literatur und arbeitete als Journalistin und Übersetzerin, bevor sie das Bücherschreiben für sich entdeckte. Da sie nicht nur ein großer Fan der Nordsee ist, sondern auch sehr gerne Krankenhausserien im Fernsehen schaut, lag es nahe, über eine Klinik auf einer friesischen Insel zu schreiben. Katharina Herzog ist die deutsche Autorin für Liebesromane mit Fernweh-Garantie. Sie liebt es, ihre Leser an Sehnsuchtsorte wie Amrum, die Amalfiküste, Juist und New York zu entführen und diese Schauplätze auch selbst zu bereisen. Mit ihren Romanen schrieb sie sich nicht nur in die Herzen ihrer Leser, sondern eroberte auch die Bestsellerlisten. Katharina Herzog lebt mit ihrer Familie, Pferd und Hund bei München und plant schon ihre nächste Reise.   Manuela Inusa wurde 1981 in Hamburg geboren und ist gelernte Fremdsprachenkorrespondentin. Aber schon als Kind wollte sie Autorin werden. Nach ersten Erfolgen im Selfpublishing kam der große Durchbruch mit der «Valerie Lane»-Reihe. Auch mit den «Kalifornischen Träumen» eroberte sie die Spiegel-Bestsellerliste. In ihrer neuen Reihe nimmt sie uns mit ins idyllische Lake Paradise im Herzen der USA, einen fiktiven Ort mit vielen liebenswerten Figuren und berührenden Schicksalen.

Inken Bartels, geboren 1974 in Eckernförde, hat viele Jahre freiberuflich für diverse Frauenzeitschriften gearbeitet und ist heute Ressortleiterin bei der «Für Sie» und «Petra». Mit ihrem Mann und den beiden Söhnen lebt sie in Hamburg. Zum Schreiben zieht sie sich gerne in ihr kleines Wochenendhäuschen an der Schlei zurück. Dort kennt sie jede Badestelle und jeden Landgasthof. Inken Bartels kocht leidenschaftlich gerne, und sie hat den Roman mit etlichen Rezepten und Zitaten zum Thema Essen angereichert. Julie Caplin lebt im Südosten Englands, liebt Reisen und gutes Essen. Als PR-Agentin hat sie in zahlreichen Großstädten auf der ganzen Welt gelebt und gearbeitet. Mittlerweile widmet sie sich komplett dem Schreiben. Mit ihrer Romantic-Escapes-Reihe landet sie regelmäßig auf den Bestsellerlisten. Die Romane sind auch unabhängig voneinander ein großes Lesevergnügen. Rebekka Eder ist ein Pseudonym. Die Autorin wurde 1988 in Kassel geboren und hat Theaterwissenschaft und Germanistik in Erlangen, Bern und Berlin studiert. Schon während des Studiums begann sie, Romane zu schreiben. Nachdem sie als Journalistin und Werbetexterin arbeitete, machte sie ihre Leidenschaft zum Beruf. Heute lebt und schreibt sie auf dem nordhessischen Land. Sie ist fasziniert von verblichenen Fotografien, gut gehüteten Familiengeheimnissen und der uralten Sprache der Blumen. Micaela A. Gabriel wurde in Hamburg geboren und wuchs in München und Lugano/Tessin auf, wo sie als Teenager ihre ersten Schreibversuche unternahm. Nach Sprachenstudium und Zeitungsvolontariat arbeitete als Redakteurin. Als Romanautorin gelangen ihr unter ihrem Mädchennamen Micaela Jary zahlreiche Bestseller-Erfolge. Unter dem Pseudonym Michelle Marly stand sie mit ihrem Roman "Mademoiselle Coco und der Duft der Liebe" fast ein Jahr lang auf der Bestsellerliste und schrieb damit den Auftakt zu der beliebten Aufbau-Reihe "Frauen zwischen Kunst und Liebe". MIRIAM GEORG, geboren 1987, ist die Autorin des Zweiteilers «Elbleuchten» und «Elbstürme». Beide Bände der hanseatischen Familiensaga wurden von Leserinnen und Lesern gefeiert, sie schafften auf Anhieb den Einstieg auf die Bestsellerliste und wurden zum Überraschungserfolg des Jahres. Die Autorin hat einen Studienabschluss in Europäischer Literatur sowie einen Master mit dem Schwerpunkt Native American Literature. Wenn sie nicht gerade reist, lebt sie mit ihrer gehörlosen kleinen Hündin Rosali und ihrer Büchersammlung in Berlin-Neukölln.  Liv Helland liebte schon immer das Meer, deshalb spielten dort viele der Geschichten, die sie sich als Kind gerne ausdachte. Sie studierte deutsche und englische Literatur und arbeitete als Journalistin und Übersetzerin, bevor sie das Bücherschreiben für sich entdeckte. Da sie nicht nur ein großer Fan der Nordsee ist, sondern auch sehr gerne Krankenhausserien im Fernsehen schaut, lag es nahe, über eine Klinik auf einer friesischen Insel zu schreiben. Katharina Herzog ist die deutsche Autorin für Liebesromane mit Fernweh-Garantie. Sie liebt es, ihre Leser an Sehnsuchtsorte wie Amrum, die Amalfiküste, Juist und New York zu entführen und diese Schauplätze auch selbst zu bereisen. Mit ihren Romanen schrieb sie sich nicht nur in die Herzen ihrer Leser, sondern eroberte auch die Bestsellerlisten. Katharina Herzog lebt mit ihrer Familie, Pferd und Hund bei München und plant schon ihre nächste Reise.   Manuela Inusa wurde 1981 in Hamburg geboren und ist gelernte Fremdsprachenkorrespondentin. Aber schon als Kind wollte sie Autorin werden. Nach ersten Erfolgen im Selfpublishing kam der große Durchbruch mit der «Valerie Lane»–Reihe. Auch mit den «Kalifornischen Träumen» eroberte sie die Spiegel–Bestsellerliste. In ihrer neuen Reihe nimmt sie uns mit ins idyllische Lake Paradise im Herzen der USA, einen fiktiven Ort mit vielen liebenswerten Figuren und berührenden Schicksalen.

Rebekka Eder


Der Geschmack von Pfeffernüssen


Hamburg, 1801


Am frühen Morgen des Heiligen Abends bemerkte Josephine Thielemann, dass sie allmählich ihren Vater vergaß. Sie öffnete das Fenster zur Rosenstraße und atmete den Duft der frischen Rundstücke ein, die ihr Onkel in der Bäckerei im Erdgeschoss gerade aus dem Ofen holte. Obwohl es ihre Mutter ihr verboten hatte, beugte sie sich weit über die Fensterbank und schaute zum Nachbarhaus hinüber. Es war ein milder Dezembermorgen, und der ehemalige Schuhmacherladen nebenan hüllte sich in Dunkelheit. «Guten Morgen, Vater», flüsterte sie zu ihrem alten Elternhaus hinüber. Sie stellte sich vor, wie er in seinen Laden hinunterschlurfte, um sich am Leder und den Schnürbändern zu schaffen zu machen. Wie er die Fensterläden öffnete und Josephine entdeckte, sie mit verschlafenem Lächeln anblinzelte und ihr zuwinkte. Doch diesmal konnte sie sein Gesicht in ihrer Vorstellung kaum erkennen. Es war, als wäre der Morgen viel zu dunkel.

Vater hatte die gleiche Haarfarbe wie sie gehabt, zimtbraun, hatte ihre Mutter sie immer genannt. Er war leicht gekrümmt gelaufen, so tief beugte er sich tagtäglich über seine Schuhe, und stets hatte ihn der herbe Geruch von Leder umgeben. «Na, du kleiner Wirbelwind?», hatte er gern zu ihr gesagt. Josephine klammerte sich an all diese Erinnerungen, doch das Gesicht ihres Vaters blieb im Verborgenen. Ihr traten die Tränen in die Augen. In der morgendlichen Finsternis war niemand, gestand sie sich ein. Alles schlief – und ihr Vater war seit drei Jahren tot.

Plötzlich wurden die Fensterläden des Nachbarhauses aufgestoßen, heftig schepperten sie gegen die Hauswand. Josephine zuckte zusammen.

«Bonjour, ma chère!», rief viel zu laut Louise Martin zu ihr hinüber.

Hastig wischte sich Josephine die Tränen weg. «Guten Morgen», murmelte sie.

Das Strahlen des französischen Dienstmädchens von nebenan ließ nach. «Warum so betrübt, bist du mit dem falschen Fuß aufgestanden?», fragte sie mit sanft neckender Stimme. Ihr Deutsch war in den letzten Jahren tadellos geworden, nur ganz leicht hörte Josephine noch den melodischen Klang aus der Ferne in ihren Worten mitschwingen.

«Doch, ganz ausgezeichnet!», verkündete Josephine trotzig und zog sich zurück in die kleine Kammer. Mit verschränkten Armen setzte sie sich auf ihr Bett.

Es gehörte sich nicht, so ungezogen zu sein, das wusste Josephine.

Louise Martin war immer furchtbar nett zu ihr. Doch sie konnte ihr nun einmal nicht verzeihen, dass sie nach Vaters Tod mit ihrer französischen Madame in das alte Haus der Thielemanns gezogen war. Dabei war der Schuhmacherladen doch Josephines Zuhause! Dort, wo Vater ihre Füße für neue Schuhe ausgemessen und Mutter sie dabei unter der Fußsohle gekitzelt hatte, dort, wo sie an Heiligabend würzig süße Pfeffernüsse verschlungen hatten – dort lebte nun eine französische Edeldame mit ihrem Dienstmädchen. Sie bereiteten Gerichte zu, deren Düfte Josephine nicht kannte, sie nutzten eine Sprache, die Josephine nicht verstand. Immer wenn Louise die Fensterläden gegen die Hauswand krachen ließ, zuckte Josephine zusammen, als schwinge Louise eine Axt.

Nein, Louise und die Madame gehörten nicht in den Schuhmacherladen. Und Josephine gehörte nicht in die Bäckerei ihres Onkels. Auch nach drei Jahren nicht. Ein paar Wochen nach Vaters Tod hatte Mutter noch versucht, das Schuhmachergeschäft weiterzuführen. Doch die Kunden kehrten ihr schnell den Rücken. Also verkaufte sie zuerst alle Schuhe, die Vater noch gefertigt hatte. Dann ihre eigenen Kleider. Ihre Hüte. Die Vorhänge. Den Sessel. Den Wohnzimmertisch. Das Kellerregal. Die Kommode. Henriettes Schrank. Idas Bett. Josephines Puppen. Als Onkel Fritz ihnen anbot, zu ihm in die Bäckerei zu ziehen, hatten sie kaum noch Besitztümer. Bei dem Gedanken, ihr Zuhause zu verlassen, war Josephine steif vor Schreck geworden. Zwar hallte es längst in den leeren Räumen, doch sie sagte sich, es wäre Vaters Stimme, die man zwischen diesen Wänden noch ganz leise hören konnte.

Sie wollte ihn nicht zurücklassen. Doch kein Kopfschütteln, kein Armeverschränken, kein Stampfen und kein Weinen halfen. Auch das Betteln ihrer Schwestern hatte keinen Erfolg. Sie trugen die wenigen Dinge, die sie noch besaßen, zu der einen Haustür hinaus und zur nächsten wieder hinein. Vaters Bruder hieß sie fröhlich in Thielemanns Backhus willkommen, richtete seiner Schwägerin und ihren drei Mädchen zwei Zimmer ein und schlug seine eigene Schlafstätte in der Backstube auf – zwischen Feuerofen und Arbeitsplatte.

Von da an taten er und Mutter den ganzen Tag nichts anderes, als zu backen und ihre dummen Rundstücke zu verkaufen. Sie gingen am frühen Abend schlafen und standen mitten in der Nacht auf, nur um erneut zu rühren und zu kneten. Natürlich mussten Josephine und ihre Schwestern mit anpacken. Jede von ihnen stand zu einem anderen Zeitpunkt auf und legte sich zu einem anderen Zeitpunkt hin, damit den ganzen Tag über genug vermengt und geformt wurde, um die Stammkunden zu versorgen.

Schon drangen fremde Stimmen aus dem Erdgeschoss an Josephines Ohr. Die ersten Kunden waren da – Josephine hatte viel zu lange geschlafen. Eigentlich sollte sie längst in der Backstube helfen und Teig für neue Rundstücke formen. Und doch blieb sie noch einen Moment am Fenster sitzen und starrte vor sich hin. Wie konnte sie nur Vaters Gesicht vergessen? Der Schmerz über seinen Tod war noch frisch, und schon verlor sie sein Lächeln! Was würde als Nächstes aus ihrem Gedächtnis verschwinden? Und wie viel würde von ihm übrig bleiben, wenn Josephine irgendwann erwachsen wäre? Sie musste etwas tun! Und zwar sofort. Wenn es eine Chance auf Erinnerung gab, dann doch sicher an Heiligabend.

Früher hatten sie an diesem Tag die schönsten Schuhe gefertigt, das Geschäft eine Stunde früher als sonst geschlossen und sich dann um die kleine Tanne in der Stube versammelt. Damit er nicht zu viel Platz in der Kammer mit dem Kamin, den alten Stühlen und dem Sofa einnahm, hing der Baum, wie in so vielen anderen Haushalten auch, kopfüber von der Decke. Josephine liebte die Vorstellung, in Wahrheit wäre es die Familie Thielemann, die kopfstand, der Weihnachtsbaum aber stünde richtig herum. Von seinen Zweigen hingen fünf Kerzen, für jeden ein glänzender Apfel und zahlreiche kleine Pfeffernüsse herab. Josephine brauchte nur die Hand zu heben, eine zu pflücken und sie sich in den Mund zu stecken, um den würzigen Geschmack nach Zimt und Mandeln, Muskat und Weihnachten auf der Zunge zu spüren. «Nimm dir noch eine!» Aufmunternd hatte Vater sie angesehen. «Ich weiß doch, wie gern du sie magst. Das haben wir beide gemeinsam.»

«Pfeffernüsse!», flüsterte Josephine vor sich hin. Ihr Herz klopfte schneller, sie klatschte in die Hände. Vielleicht würde die Erinnerung zurückkommen, wenn sie heute Abend Pfeffernüsse naschte, wie früher mit ihrem Vater!

Endlich sprang sie auf, kleidete sich geschwind um, huschte die schmale Stiege hinunter und betrat die Backstube. Das Feuer im riesigen Steinofen loderte ihr wohlig heiß entgegen, auf der langen Arbeitsplatte wuchsen Teiglinge langsam, aber stetig über sich hinaus, und durch den Türbogen konnte sie in den Verkaufsraum von Thielemanns Backhus blicken: auf die Regale, die sich bis zur Decke erstreckten und von goldenen Rundstücken und knusprig glänzenden Broten überquollen, die rote Vitrine, in der bunte Küchlein und sahnige Torten leuchteten. Den gewaltigen Tresen in der Mitte sah sie zwar nur von hinten, doch sicherlich hatte Mutter bereits sämtliche der winzigen Schubladen aufgezogen und sie mit Küchlein, gebackenen Apfelringen, Makronen, Haselnussstangen und Biskuits gefüllt. In der Luft lagen aufgewirbeltes Mehl und der unentwirrbare Duft unzähliger Leckereien. Und obwohl Josephine dieser Bäckerei niemals verzeihen würde, dass sie nun statt des Schuhmacherladens ihr Zuhause sein wollte, konnte sie nicht anders, als genüsslich einzuatmen. Doch irgendein Geruch störte die köstliche Harmonie …

«Oh», entfuhr es ihr. Mit einem Sprung war sie beim Ofen, streifte sich die Handschuhe über, öffnete die Klappe und zog ein Blech heraus. Genau richtig, dachte sie: Einen Moment länger, und die handflächengroßen Plätzchen wären zu dunkel geworden.

«Habt ihr heute Geduldzettel?», polterte eine laute Bassstimme aus dem Verkaufsraum herüber.

«Fiete, wie schön, dass du da bist!», rief Mutter dem Eintretenden entgegen. Wie konnte sie an diesem dritten Heiligen Abend ohne Vater so fröhlich klingen?, fuhr es Josephine durch den Kopf. «Natürlich haben wir Geduldzettel!», rief Mutter. «Nicht wahr, Fritz?»

Sogar von hier hinten in der Backstube konnte Josephine hören, dass Onkel Fritz erschrocken einatmete. «Die Geduldzettel … Herrje!»

Seine Schritte kamen schnell näher, doch Josephine ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, während sie die Plätzchen vorsichtig auf einen Rost schob, damit sie auskühlten.

«Josephine!» Onkel Fritz hinter ihr seufzte erleichtert auf. «Du bist ein Engel, weißt du das? Was sollten wir nur ohne dich machen?»

Ohne zu antworten, streifte sich Josephine die Handschuhe ab und drehte sich zu ihm um. Obwohl er älter war als Vater, sah er erstaunlich jugendlich aus. Seine Augen leuchteten mit seinen...

Erscheint lt. Verlag 13.9.2022
Co-Autor Inken Bartels, Julie Caplin, Rebekka Eder, Micaela A. Gabriel, Miriam Georg, Liv Helland, Katharina Herzog, Manuela Inusa, Sandra Lüpkes, Kira Mohn, Kristina Moninger, Kelly Moran, Ines Thorn, Lena Wolf
Übersetzer Vanessa Lamatsch, Christiane Steen
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Anthologien
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Adventsgeschenk • Adventsgeschichten • besinnliche Weihnachtsgeschichten • Familie • Freundschaft • Geschenkbuch für Frauen • geschenkidee weihnachten • Geschichten fürs Herz • kleine geschenke für frauen • Liebe • Liebesgeschichten • Lieblingsautoren • Nikolaus • Weihnachten • Weihnachtsanthologie • Weihnachtsbuch • Weihnachtsbücher • Weihnachtsbuch Erwachsene • Weihnachtsgeschenk • Weihnachtsgeschenk Buch • Weihnachtsgeschichten • Weihnachtsgeschichten Erwachsene • Weihnachtsgeschichten für Erwachsene • Weihnachtsgeschichten für Kinder • Weihnachtsromane • Wichtelgeschenk • Winter
ISBN-10 3-644-01528-7 / 3644015287
ISBN-13 978-3-644-01528-9 / 9783644015289
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