Die Sonnenblumenschwestern (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2022
768 Seiten
Limes Verlag
978-3-641-29171-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Sonnenblumenschwestern - Martha Hall Kelly
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Drei Frauen, die inmitten eines gespaltenen Landes um alles kämpfen müssen, was ihnen lieb und teuer ist ...
1861: Georgeanna stammt aus gutem Hause, für Ballabende hat die junge New Yorkerin aber nichts übrig. Ihr Traum ist es, Krankenschwester zu werden. Als der Bürgerkrieg ausbricht, meldet sie sich mit als Erste für die Lazarette an der Front. Die Sklavin Jemma kämpft auf einer Plantage in Maryland täglich ums Überleben. Unerwartet bekommt sie die Chance zur Flucht - doch dafür müsste sie ihre Schwester zurücklassen. Währenddessen versucht die Plantagenbesitzerin Anne-May ihr Gut vor den Truppen aus dem Norden zu verteidigen und fasst deshalb einen riskanten Plan: Sie wird Spitzel im Auftrag des Südens.
Die drei ahnen nicht, dass sich ihre Schicksale schon bald untrennbar miteinander verflechten werden ...

»Ein großartiger Roman, der die Frauen feiert, die vor uns kamen, die für das kämpften, was sie für richtig hielten, und die zu Heldinnen wurden, die ihrer Zeit voraus waren.« Lisa Wingate

»Die Sonnenblumenschwestern« hat Ihnen gefallen? Dann lesen Sie auch »Und am Ende werden wir frei sein«, das packende Debüt von Martha Hall Kelly.

Martha Hall Kelly ist ausgebildete Journalistin und war lange Zeit als Werbetexterin tätig, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Ihr Debüt »Und am Ende werden wir frei sein« eroberte die internationalen Bestsellerlisten und wurde allein in den USA über eine Million Mal verkauft. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Connecticut und auf Martha's Vineyard.

Kapitel 1


MARY WOOLSEY


Charleston, South Carolina

1859

Niemand konnte ahnen, was der blonde Junge in seinem grob gezimmerten Pferdekarren gerade durch die Straßen von Charleston steuerte.

Mutter, meine jüngere Schwester Georgy und ich waren auf Einladung von Pastor Cox von der African Free Church zu einem dreiwöchigen Besuch nach South Carolina gekommen. Den gestrigen Morgen hatten wir damit verbracht, durch das bilderbuchhaft elegante und kultivierte Viertel zwischen Stadtvillen und Palmen einherzuschlendern, um den Damen unsere Aufwartung zu machen und Mutters eierschalfarbene Visitenkarte auf diversen silbernen Tabletts zu hinterlassen.

Mrs. Charles Woolsey, 8 Brevoort Place, New York City.

Obwohl sich uns wirklich nichts auf unangenehme Weise aufdrängte, hielt uns doch jedes schwarze Gesicht, das uns an der jeweiligen Haustür freundlich empfing, unmissverständlich vor Augen, dass das System der Sklaverei hier noch fest etabliert war. Allerdings bestärkte uns das nur in unserem Entschluss, den Kampf fortzuführen.

Auf unserem Heimweg vom sonntäglichen Gottesdienst spazierten wir durch die vom Duft der Kräuselmyrte erfüllte Luft, als ein Junge mit einem Pferdekarren neben uns hielt. Er trug ein sauberes weißes Hemd und eine Hose aus Stoff vom heimischen Webstuhl. Mit dem Hinterrad seines Wagens war etwas nicht in Ordnung, denn es rumpelte bei jeder Umdrehung, weshalb er nicht viel schneller vorankam als wir.

»Wir haben uns ein wenig verirrt«, rief Mutter dem Jungen zu. »Kannst du uns zeigen, wo das Charleston Hotel ist?«

»Ich muss in dieselbe Richtung, Ma’am. Ich führe Sie hin.«

Mir gefiel sein Südstaatenakzent. Der Junge, er war etwa zwölf Jahre alt, machte einen gutmütigen Eindruck. Er hatte sehr helle Haut, und sein weißblondes Haar schimmerte in der Sonne. Das erinnerte mich an meine eigenen strohblonden Töchter, die ich bei unserer Freundin Mrs. Wolcott im Hotel gelassen hatte, wo sie bestimmt schon an der Tür standen und auf meine Rückkehr warteten. Obwohl wir nur knapp zwei Stunden fort gewesen waren, vermisste ich sie bereits entsetzlich.

»Wo wohnst du denn?«, erkundigte Mutter sich bei dem Jungen.

»Hier und da.« Er hielt sein Gesicht in die Sonne. »Und Sie? Sie klingen, als wären Sie aus Virginia.«

Mutter lächelte. Es freute sie sehr, wenn jemand den Tonfall ihrer früheren Heimat erkannte. »Richtig geraten. Ich bin zwar schon als Mädchen von dort weg, aber wahrscheinlich hat sich der Akzent ein bisschen gehalten. Inzwischen lebe ich in New York. Wir sind als Gäste von Pastor Cox von der African Church hier. Kennst du ihn?«

»Nein, Ma’am.«

Als wir weitergingen, war in der Stille lediglich das Rumpeln des beschädigten Wagenrads zu hören.

»Es war eine wunderschöne Eucharistiefeier«, sprach Mutter weiter. »Mehr als dreihundert Gläubige.«

Lächelnd drehte er sich zu ihr um. »Ich wette, Sie waren die einzigen Weißen dort.«

»Ja. Doch man hat uns mit offenen Armen empfangen.«

»Früher ist meine Ma jeden Sonntag mit mir in die Kirche gegangen. Aber jetzt ist sie tot.«

Der Junge kramte ein Stück Brot aus einer blechernen Proviantdose, die zu seinen Füßen stand, aß einen Bissen und steckte den Rest unter die Plane auf dem Karren.

»Gehst du zur Schule?«, fragte Mutter.

»Nein, Ma’am. Leute wie mich nimmt keine Schule auf.«

»Das kann ich mir nicht vorstellen«, erwiderte Georgy.

Mein Blick wanderte zur Ladefläche des Karrens, wo sich unter der Plane fast unmerklich etwas bewegte.

»Wo willst du hin?«, erkundigte ich mich.

Er wies auf ein weißes Gebäude ein Stück voraus. »Zum Markt. Wie jeden Sonntag. Samstags mache ich meine Runde, und am nächsten Tag komme ich her, damit meine Ware noch frisch ist.«

»Was denn für eine Runde?«

»Überallhin, Ma’am. Stammkundschaft. Da gehe ich nur selten leer aus.«

Der Junge steuerte auf ein weißes Gebäude mit hohen schwarzen Torflügeln zu. Wir folgten ihm. Es war ein gewaltiges Bauwerk, über dessen Eingang in vergoldeten Buchstaben das Wort MARKT funkelte. Eine scharlachrote Fahne flatterte im Wind.

Der Junge zeigte auf ein Dach in der Ferne. »Ihr Hotel ist ein Stück weiter die Straße hinauf und dann nach rechts.«

»Du warst uns eine große Hilfe«, sagte Mutter.

Als der Junge auf das eiserne Tor zufuhr, öffnete ein beleibter, rotbärtiger Mann mit einem Bambusstock in der Hand die darin eingelassene Tür.

»Moment mal, mein Junge«, meinte er und klopfte mit dem Stock gegen den Karren. »Herrje, du sollst mit deiner Ladung doch hintenrum kommen und nicht zum Haupteingang.«

»Pa braucht mich zu Hause.«

Der Junge drehte sich auf dem Bock um und schlug die Plane zurück. Im Karren lagen drei farbige Kinder unterschiedlichen Alters. Sie waren nur mit zerschlissenen Windeln bekleidet. Das älteste Kind, ein etwa neun Monate altes Mädchen, hielt sich am Rand des Karrens fest und zog sich daran hoch.

»Mein Gott!«, entfuhr es mir, denn der Anblick traf mich völlig unvorbereitet.

Das Kind streckte – die weltweit immer gleiche Sprache der Babys – die Ärmchen nach mir aus, woraufhin ich es aus dem Karren hob. Ich drückte es an mich und roch seinen wundervollen Babygeruch nach Milch, Seife und Unschuld. Bis vor Kurzem hatte jemand die Kleine liebevoll versorgt.

Die beiden anderen Kinder lagen noch im Karren auf den rauen Brettern. Eines war höchstens ein paar Tage alt.

Der Junge reichte dem Mann an der Tür ein zusammengefaltetes Stück Papier.

»Wo sind ihre Mütter?«, fragte ich, erschüttert bis ins Mark. »Die Kinder haben nicht einmal eine Decke. Wann haben sie zuletzt etwas gegessen?«

Der Wachmann studierte das Papier und trat dann auf den Karren zu. »Nur Mädchen? Es sollte doch ein Junge dabei sein.«

»Darüber müssen Sie mit Pa reden.«

Der Wachmann beugte sich über den Karren und hob ein Baby heraus. »Das hier ist aber ziemlich mickrig.«

Der Junge zuckte die Achseln. »Ich nehme mit, was man mir gibt. Das große hat den ganzen Weg geschrien.«

Ich hielt das Mädchen fester und schmiegte sein Köpflein ganz sacht an meine Schulter.

Der Wachmann übergab dem Jungen ein Bündel Geldscheine, die dieser in die Hüfttasche steckte. Dann ruckte er an den Zügeln und fuhr davon.

Der Wachmann eilte mit fordernd ausgestreckter Hand auf mich zu. »Ich hab keine Zeit, Rücksicht auf Leute wie Sie zu nehmen. Geben Sie schon her.«

Ich wich zurück. »Auf gar keinen Fall, Sir.«

»Die Frauenzimmer aus dem Norden können einem den letzten Nerv töten! Haben Sie hundert Dollar, um die Kleine zu kaufen?«

Ich griff nach dem Täschchen an meinem Handgelenk. »Ich stelle Ihnen sofort einen Schuldschein aus.«

Als ich an dem Täschchen nestelte, nutzte der Mann die Gelegenheit, um mir die Kleine aus den Armen zu reißen. Sie weinte ganz gotterbärmlich, bäumte sich auf und reckte die Händchen nach mir. Doch der Wachmann übergab sie an einen schmuddeligen Komplizen, der sie, weit von sich gehalten, wegtrug.

Als wir ihm folgen wollten, knallte der Wachmann uns das Tor vor der Nase zu. »Bei der Auktion sind keine Damen erlaubt«, verkündete er durch die Gitterstäbe. »Hier herrschen raue Sitten, das ist nichts für zarte Gemüter.« Mit diesen Worten verschwand er in der Menge im Inneren.

Eine Hand um das Gitter geschlossen, beobachtete ich, wie die Kinder außer Sichtweite geschafft wurden. Die andere Hand hatte ich entsetzt vor den Mund geschlagen. Welcher Mensch konnte dieses Weinen hören, ohne tiefes Mitgefühl zu empfinden? Irgendwo gab es jetzt drei Mütter, die ihre geliebten Töchter vermissten und Höllenqualen ausstanden.

Ich wandte mich an Mutter. »Gestern haben wir den ganzen Tag damit verbracht, der besseren Gesellschaft von Charleston unsere Aufwartung zu machen. Wir müssen jemanden um Hilfe bitten.«

Mutter betrachtete weiter die versammelte Menschenmenge. »Wen denn? Hier geht es um Geld, Mary. Diese Plantagenbesitzer werden die Sklaverei niemals freiwillig aufgeben. Wir können nichts anderes tun, als einen Präsidenten zu wählen, der diesem Treiben den Garaus macht.«

Mit dem Übel der Sklaverei waren wir nur allzu gut vertraut. Schließlich hatten wir Dr. Cheevers Vorträge im Cooper Institute besucht, mehrfach Onkel Toms Hütte gelesen und am Morgen im Charleston Courier die Annoncen für die Sklavenauktion zur Kenntnis genommen. Allerdings hatte uns nichts auf das Grauen vorbereitet, dieses entsetzliche Spektakel mit eigenen Augen zu sehen.

Mit zunehmendem Unbehagen betrachteten wir den von Menschen wimmelnden Markt, wo nun die Auktion begann. Ein niedriger Raum ging in einen Hof über, in dem sich ein Backsteingebäude erhob. Hinter den vergitterten Fenstern drängten sich schwarze Gesichter. In dem langen Raum nahm ein Auktionator seinen Platz auf einer grob gezimmerten Bühne ein. Er ließ die Lederpeitsche gegen den Schaft seines Stiefels schnalzen. Wie immer, wenn Geld im Spiel ist, lag eine angespannte Stimmung in der Luft. Der Mann wirkte mit seiner karierten Hose und dem schäbigen Strohhut wie ein Strolch. Er zupfte an seinem gelblichen Kinnbart.

»Gentlemen, sind Sie bereit?« Seine Stimme hallte von den Steinwänden wider.

Die Bieter scharten sich in Grüppchen um die Bühne. Es waren gut situiert wirkende Herren, so wie wir sie...

Erscheint lt. Verlag 10.8.2022
Übersetzer Karin Dufner
Sprache deutsch
Original-Titel Sunflower Sisters
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2022 • Amerikanischer Bürgerkrieg • Black History • Buchclub • Caroline Ferriday • Die vier Winde • eBooks • Familie • Frauenschicksal • Freiheitskampf • Geschichte der Afroamerikaner • Glasperlenmädchen • Große Gefühle • Hardcover Neuerscheinung 2022 • Historische Romane • Historischer Roman • Krankenschwester • Kristin Hannah • Lesekreis • Libellenschwestern • Lisa Wingate • Maryland • Neuerscheinung • New York • New York Times Bestseller • Person of Colour • Plantage • poc • Roman • Romane • Schwestern • Sklaverei • Starke Frauen • Südstaaten • taschenbuch neuerscheinung 2024 • Und am Ende werden wir frei sein • wahre Begebenheiten • Widerstand • Zusatzmaterial
ISBN-10 3-641-29171-2 / 3641291712
ISBN-13 978-3-641-29171-6 / 9783641291716
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