Solo auf See (eBook)

Eine Frau rudert über den Atlantik und entdeckt die Kraft der Einsamkeit
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
240 Seiten
Eden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
978-3-95910-370-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Solo auf See -  Gabi Schenkel
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75 Tage allein auf dem Ozean, auf einem 7,5 Meter langen Ruderboot, nonstop über den Atlantik - das trauen sich die wenigsten Menschen zu. Und doch entschließt Gabi Schenkel sich - gegen den Rat ihres Umfelds -, als Solo-Ruderin an der »Atlantic Challenge« teilzunehmen. Nach zwölf Monaten Vorbereitung geht es los: 5.200 Kilometer allein quer über den Atlantik.  Auf ihrer Reise begegnet sie Zwergwalen und Delfinen, feiert Weihnachten mit einer um den Hals gehängten Lichterkette in einer unendlichen Weite aus Wellen und Wind und erlebt ungeahnte Glücksmomente. Sie durchkämpft Stürme, ersetzt gebrochene Ruder, erleidet Krankheiten, kentert und verbringt Wochen in schier unerträglicher Einsamkeit. Nach mehr als acht Millionen Ruderschlägen steigt Gabi Schenkel in Antigua als einzige weibliche Solo-Ruderin vom Boot. »Solo auf See« ist nicht nur die Geschichte eines großen Abenteuers und einer unglaublichen sportlichen Leistung, sondern auch die eines Lebenswegs voller Hindernisse, voller Höhen und Tiefen und der Suche nach etwas, das uns alle erfüllt und das wir doch nur schwer beschreiben können.

Als ihr die Ankündigung eines Ruderwettbewerbs über den Atlantik in die Hände fällt, kauft sich die Zürcher Osteopathin Gabi Schenkel kurzentschlossen ein kleines Boot und trainiert auf dem Zürichsee. Nur zwölf Monate später startet sie die »Atlantic Challenge« und ist die einzige Solo-Ruderin, die das anspruchsvolle Rennen zu Ende bringt - nach 75 Tagen auf See.

Als ihr die Ankündigung eines Ruderwettbewerbs über den Atlantik in die Hände fällt, kauft sich die Zürcher Osteopathin Gabi Schenkel kurzentschlossen ein kleines Boot und trainiert auf dem Zürichsee. Nur zwölf Monate später startet sie die »Atlantic Challenge« und ist die einzige Solo-Ruderin, die das anspruchsvolle Rennen zu Ende bringt – nach 75 Tagen auf See.

26° 59.32 N, 018° 8.45 W – Neustart


Die erste Nacht ist hereingebrochen, und die wenigen Bissen, die ich zu mir genommen habe, kommen dem optimalen Tagesbedarf vom 3.600 Kilokalorien nicht im Geringsten nahe. Ich habe Essen für neunzig Tage an Bord, für jedes Kilo Körpergewicht sechzig Kalorien pro Tag. Ich trage immer noch die volle Montur, denn trotz meiner flauschigen Fleecedecke ist mir kalt. Mir wurde gesagt, dass es während der ersten drei Wochen manchmal recht kühl sein kann. Das ist tatsächlich so, und die Nähe zum Wasser hilft da in Kombination mit kälteleitendem Aluminium nicht wirklich.

Irgendwann falle ich in einen unruhigen Schlaf und wache kurz vor der Dämmerung auf. Immer noch von starker Übelkeit geplagt, setze ich mich an die Ruder und atme tief die frische Meeresluft ein. Indem ich meinen Blick auf den Horizont richte und mir selbst gut zurede, werde ich langsam ruhiger. Meine Gedanken kreisen um das gebrochene Ruder. Was habe ich falsch gemacht? Was hätte ich anders machen können? Debby, Johns Frau, Teil meiner Wettercrew und Vertrauensperson, schreibt mir eine SMS auf mein Satellitentelefon: »Super gemacht! Du hast viel Boden gut gemacht und hältst den Kurs optimal.«

Ich bin froh, dies zu lesen, auch wenn Lesen den Übelkeitspegel sofort hinaufschnellen lässt. Immerhin scheint mich meine nächtliche Schlafpause nicht total vom Kurs abgebracht zu haben. In meiner Kabine gibt es einen Plotter, einen kleinen, etwa 15 mal 20 Zentimeter großen Bildschirm, der mir die Bootsachse im Vergleich zum Kurs anzeigt. Seit der Abfahrt habe ich kaum ein Auge darauf werfen können. Bei jedem Versuch will sich mein Magen sofort entleeren.

Auf der Außenseite der Kabine sind Kompasse montiert, ein mechanischer und ein digitaler, der mit dem Autopiloten verbunden ist. Diese kontrolliere ich alle paar Sekunden, um den Kurs mehr oder weniger zu halten. Dass ich dabei beim mechanischen Kompass immer 180 Grad dazuzählen muss, beschäftigt meinen Kopf. Ein weiteres Übelkeitsablenkungsmanöver. Ich lächle schwach. Es ist wie beim Laufen, da beschäftige ich mich jeweils in schwierigen Momenten auch mit Rechnen. Zeit pro Kilometer auf die Endzeit hinaufgerechnet. Mir wird beim Gedanken an die Berechnung der Überquerungsendzeit wieder mehr übel, und mein Blick heftet sich wieder auf die nächsten Wellen.

Sie sind groß, der Wind ist stark, und ich bin bereit, dem Ganzen eine Art Neustart zu geben. Gestern war ich so nervös, dass ich kaum etwas genießen konnte. Okay, ich gebe zu, seekrank zu sein und ein gebrochenes Ruder sind nicht unbedingt Dinge, die in die Kategorie »Genuss« fallen. Trotzdem habe ich den ersten Tag hinter mich gebracht.

Und heute ist ein neuer Tag. Die Stunden vergehen wie im Flug, mein Appetit bleibt komplett aus, doch ich bringe mich dazu, den gesamten Inhalt meiner Snacktüte zu essen. Nussriegel in allen Variationen in kleinen Bissen scheinen eher in meinem Magen zu bleiben als größere Mengen. Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich weiß, dass ich nicht tagelang nur 1.300 Kalorien zu mir nehmen kann. Ich sehe den mahnenden Zeigefinger meines Arztes in der Schweiz, ich höre Nik und Luuk, die beiden Söhne von Debby und John, wie sie mir im Sommer beinahe täglich gesagt haben: »Du brauchst die Kalorien.«

Es ist später Nachmittag, und ich fühle mich schwach. Ob dies von den fehlenden Kalorien kommt, dem kurzen Schlaf oder dem allgemeinen Stress? Ich weiß es nicht, und es ist mir egal. Ich will mich einfach besser fühlen. Leidend und stöhnend lege ich mich neben meiner Ruderposition auf Deck. Wenn ich mich etwas origamimäßig falte und drapiere, ist es beinahe bequem. Eine Hand versucht mit festem Griff an der Reling, den Körper etwas zu stabilisieren. Ich bin froh, diese festen Verstrebungen zu haben. Die meisten Ozeanruderboote haben anstelle von meinen Halt gebenden Aluminiumstangen lediglich leicht lose Seile.

Die andere Hand findet widerwillig den Weg in den Plastiksack mit den Resten der Tortilla von Nadine und dem Trockenfleisch, das meine Eltern aus der Schweiz mitgebracht hatten. Blindlings breche ich kleine Stücke ab und beiße dann doch nur die Hälfte ab. Alle meine Ampelsignale stehen gleichzeitig auf Grün und Rot. Mein Körper und mein Kopf wissen, dass die Kalorien wichtig sind. Trotzdem sagen sie gleichzeitig »Stopp!«, sträuben sich bis zum Erbrechen dagegen, und ich betätige mich weiter in der Fischfutterproduktion. Immerhin darf das Wasser, das ich in kleinen Schlucken trinke, die unsichtbare innere Grenze überqueren und bleibt im System. Kurz vor dem Eindunkeln fliegt das letzte Stück Tortilla ohne Umweg über meinen Magen direkt ins Wasser. Bis jetzt finde ich dieses Abenteuer alles andere als cool.

Mit viel Wissen und noch mehr offenen Fragen reiste ich Ende Juli 2019 mit dem Zug und siebzig Kilogramm Gepäck nach Südholland, wo mein Boot in der Marina Numansdorp auf mich wartete. John und Mark Slats, der inzwischen von seiner Weltumsegelung zurückgekehrt war, hatten bereits eine Testfahrt unternommen und der Prüfung für das Seetauglichkeitszertifikat beigewohnt. Sie hatten mir Videos von beidem geschickt, und ich war beruhigt zu sehen, wie schnell sich mein Boot wieder aufrichtet, wenn es, zum Beispiel durch eine Welle, »auf den Kopf« gedreht wird. Trotzdem hoffte ich schon damals, dass mir das nicht passieren würde.

Meine Freundin Nadine begleitete mich und blieb ein paar Tage. John, seine Frau Debby und ihre beiden Söhne waren auch dabei, als wir das graue Boot in einer kleinen Zeremonie feierlich auf den Namen Miss Universe tauften. Den Namen hatte ich schon früh ausgesucht, denn das Universum würde mich ja stets umgeben. Boote tragen fast immer weibliche Namen, und entsprechend konnte ich mir den Wortwitz nicht verkneifen, als ich an den Funkspruch »This is Miss Universe« dachte.

Für die nächsten vier Wochen würde sie mein Zuhause sein. Ich schlief in der Kabine, unternahm kurze bis lange Ausfahrten und richtete sie nach und nach ein. Zum Glück waren John und Debby jeden Tag mit Rat und Tat dabei. Nicht nur bei wertvollen Fahrten in alle erdenklichen Ausstattungs- und Handwerksgeschäfte, auch mit ihrem umfangreichen Wissen und ihrer Erfahrung standen sie mir bei.

Meine erste Fahrt war geprägt von starkem Wind. An sich ein willkommenes Phänomen, das auf dem Atlantik von Vorteil sein würde. Leider durfte ich zunächst mit 15 Knoten Gegenwind losrudern, und bei der Rückfahrt hatte der Wind gedreht. Überhaupt waren meine Tage von schwierigen Windverhältnissen geprägt. Die Region hat viele Untiefen, und es war wichtig, nicht zu schnell von Böen darauf getragen zu werden. Einmal wollte ich eine kurze Übungsfahrt absolvieren, um mit dem Autopiloten vertraut zu werden. John war auch an Bord, und Debby fuhr mit dem kleinen Beiboot ihrer Segeljacht mit etwas Abstand mit. Zum ersten Mal spürte ich die Kraft des Windes, als plötzlich die Steuerung nicht mehr das machte, was ich wollte.

Wie öfters in dieser Vorbereitung kam es mir vor, mich wie eine blutige Anfängerin beweisen zu müssen. Es war kein gutes Gefühl. Ja, ich war dabei, neue Dinge zu lernen, und dies hieß auch, dass ich Fehler machte und es beim nächsten Mal hoffentlich besser machen würde. Doch mich belastete dieser Leistungsdruck, den ich mir einerseits selbst auferlegte und der andererseits wohl auch ein bisschen von außen kam. Nicht nur einmal erntete ich zweifelnde Blicke oder sogar verbale Einwände, ob eine physisch halbe Portion imstande sei, einen solchen Kraftakt zu bewältigen. Ich hatte schon viel bewältigt, und irgendwie schien ich wie das Batterie-Häschen aus der Werbung mit einer schier unzerstörbaren Energie ausgestattet zu sein, die mir den Anstrich eines Overachievers gab. Irgendwie schien alles wie am Schnürchen zu laufen. Doch das war die Perspektive von außen. Nicht nur brauchte es von mir einen enormen Kraftaufwand, der dafür sorgte, dass ich mich manchmal fragte, ob ich bis zum Start im Dezember durchhalten würde, auch der Stress zehrte an meinen Nerven. Dies konnte ich meist gut verstecken. Kein Wunder, dass John überrascht und wohl etwas vor den Kopf gestoßen war, als ich nach einem anstrengenden Tag im Kampf gegen den Wind in Tränen ausbrach und mich für 24 Stunden zurückzog.

Immerhin hat mein kleines Zuhause eine Kabinentür, die ich jederzeit schließen kann. Mit verquollenem Gesicht erhielt ich just in diesem Moment des Rückzugs einen Anruf von Sandra vom Team der Swiss Ocean Dancers, dem Viererteam um Tatiana, das im Dezember ebenfalls am Start sein würde. Sandra kümmerte sich unter anderem um den Flaggenschein und die Funklizenz für ihr Boot und hatte diesbezüglich einige Fragen. Da ich diese Pendenzen bereits erledigt hatte, konnte ich ihr das Prozedere erklären. Beim anschließenden Austausch über den Stand der Dinge in der Vorbereitung und dem damit in Verbindung stehenden Druck klagte sie mir ihr Leid, wie viel sie zu bewältigen hatte. Meine Bemerkung, dass ich nicht nur ihr Aufgabenpaket, sondern auch alle anderen allein bearbeitete, schien sie nicht gehört zu haben. Nach dem Anruf fühlte ich mich noch leerer und ließ die Schultern hängen. Als letzten Kraftakt des Tages verfasste ich eine Antwort an einen potenziellen Sponsor und legte mich schlafen.

Das Verhalten von Wolken, Regen und Gewittern ist je nach Lokalität verschieden. Meine Wohnorte in der Schweiz und die Zeit, die ich in den Bergen verbracht hatte, haben mich für diese Regionen gut vorbereitet und das Wetter deuten und antizipieren lassen. Dunkle Wolken mit leichtem Wind lassen im Normalfall genügend Raum und Zeit, sich gemächlich nach...

Erscheint lt. Verlag 6.5.2022
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Abenteuer • Abenteuer-Reise • Allein • Atlantic Challenge • Atlantik • Atlantiküberquerung • Ausdauer • Boot • challenge • Durchhaltevermögen • Eden Books • einsam • Einsamkeit • Extremsport • female empowerment • Feminismus • Frauen • Grenzen • Herausforderung • Meer • Memoir • Regatta • Reise • Rekord • Ruderboot • Rudern • Rudersport • Ruderwettbewerb • Sachbuch • Schweiz • Segeln • Solo • Solo-Ruderin • Sport • Talisker Whisky Atlantic Rowing Challenge • Transatlantik • Wahre GEschichte • Wassersport
ISBN-10 3-95910-370-0 / 3959103700
ISBN-13 978-3-95910-370-1 / 9783959103701
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