Große Elbstraße 7 - Stürme des Lebens (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
480 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-3062-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Große Elbstraße 7 - Stürme des Lebens -  Wolf Serno
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Liebe zwischen Hoffen und Bangen.

Hamburg, 1961. Mit Lucie zur Haiden ist die nächste Generation in das Haus in der Großen Elbstraße eingezogen. Nach dem Wunsch ihrer Mutter soll Lucie ebenfalls Ärztin werden, doch ihr kommen immer größere Zweifel. Helfen möchte sie den Menschen schon, aber das Studium ist ihr zu theoretisch. Dann lernt sie Richard kennen, einen Modeschöpfer, der vorgibt, mehr zu sein, als er ist. Lucies Mutter hält ihn gleich für einen Blender, Lucie hingegen verliebt sich in ihn. Sie gibt ihr Studium auf. Der Haussegen hängt mächtig schief. Dann bricht auch noch die Sturmflut über Hamburg herein und scheint das Haus an der Großen Elbstraße komplett zerstört zu haben ... 

Hamburg zur Zeit der Beatles und der neuen Mode. Der dritte Teil der faszinierenden Familiensaga vom Bestsellerautor Wolf Serno.



Wolf Serno war, bevor er begann, Romane zu schreiben, viele Jahre erfolgreich als Werbetexter und als Dozent tätig. Mit »Der Wanderchirurg« gelang ihm ein internationaler Bestseller. Er lebt mit seiner Frau und zwei Hunden in Hamburg und Nordjütland. Bei Rütten & Loening und im Aufbau Taschenbuch sind von ihm »Große Elbstraße 7 - Das Schicksal einer Familie« und »Große Elbstraße 7 - Liebe in dunkler Zeit« lieferbar.

Prolog


8. April 1949

Liebe Familie zur Haiden, liebe Freunde der Familie, liebe Trauergemeinde«, begann Pastor Ingwersen mit klarer Stimme seine Andacht. Er stand in Kapelle 2 des Ohlsdorfer Friedhofs, neben sich einen üppig mit weißen Lilien geschmückten Sarg, vor sich die dicht besetzten Stuhlreihen mit schwarz gekleideten Menschen. »Wir sind heute hier zusammengekommen, um Abschied zu nehmen von einer Frau, deren Schicksal wohl genauso wechselhaft war wie das Wetter in diesen kühlen Apriltagen. Ein Schicksal, das stets von Sonne und Regen, von Freude und Leid bestimmt wurde. Ja, Frau Doktor Dreyer hatte ein bewegtes Leben, bevor der Herr sie in seinem unergründlichen Ratschluss zu sich nahm. Im Jahre 1872 als Viktoria zur Haiden geboren, hatte sie das Glück, ihren sechsundsiebzigsten Geburtstag noch im Kreise ihrer Lieben begehen zu dürfen. Denn ›Vicki‹, wie sie von ihren Freunden gerufen wurde, war unheilbar krank. Sie litt seit Jahrzehnten an multipler Sklerose und fühlte, dass es zu Ende gehen würde. Die engsten Verwandten sorgten sich sehr um sie. Allen voran Benno, ihr jüngerer Bruder, mit dem sie eine glückliche Kindheit im Haus an der Großen Elbstraße 7 verbrachte. Benno, der ›Luftikus‹, wie sie ihn manchmal nannte, weil er in jungen Jahren sein Zeichentalent dazu nutzte, um die Kneipenwände auf St. Pauli mit, äh, nicht ganz jugendfreien Akten zu verschönern, bevor er mit seiner Anni nach New York auswanderte, um dort ein berühmter Kunstmaler zu werden. Florence, seine Tochter, wuchs dort auf und wurde eine erfolgreiche Augenärztin. Sie zögerte jedoch keine Sekunde, mit dem Vater nach Hamburg zurückzukehren, nachdem sie erfahren hatte, dass Vicki aller Lebensmut zu verlassen drohte – aus Verzweiflung über den Tod von Hannes, ihrem geliebten Mann. Doktor Johannes Dreyer war mit Leib und Seele Arzt gewesen und hatte Vicki darin bestärkt, selbst Medizin zu studieren, ein Wunsch, der ihr als junges Mädchen im Kaiserreich noch verwehrt worden war, weshalb sie zunächst eine Ausbildung zur Erika-Schwester im Allgemeinen Krankenhaus Eppendorf machte. Hannes starb im Jahre 1934, wie die Verstorbene mir neben vielen anderen Dingen anvertraute. Die Gewissheit, ab heute hier in Ohlsdorf an seiner Seite zur letzten Ruhe gebettet zu werden, war ihr ein großer Trost.«

Ingwersen hielt inne und ließ seinen Blick über die erste Reihe der Trauernden schweifen. Er musterte Benno, einen hageren Mittsiebziger, der einen schwarzen Stetson trug, und die neben ihm sitzende Florence, eine blonde, immer noch schöne Frau um die fünfzig. An ihrer Seite saß ein Herr mit grau melierten Locken, der den Arm um ein etwa zehnjähriges Mädchen gelegt hatte. Es handelte sich um Aron von Stolten, Florence’ Ehemann, mit Lucie, der gemeinsamen Tochter. Die Kleine trug ein schwarzes Käppi, unter dem zwei kurze blonde Zöpfe hervorlugten. Ihre Augen waren braun wie die des Vaters. Sie blickte ernst und konzentriert, ganz anders, als Ingwersen es von Mädchen ihres Alters kannte.

Er fuhr fort: »Benno ging während des Dritten Reiches in die Schweiz nach Genf, weil die Nationalsozialisten seine Kunst als entartet einstuften und ihm Bilder geraubt hatten, doch Florence blieb an Vickis Seite. Gemeinsam durchstanden die Frauen die Nazizeit mit all ihren Nöten, Schikanen und Bombennächten und versteckten im Keller einen Mann, der Halbjude war und sich Götz Vahrenfeld nannte, in Wahrheit aber Aron von Stolten hieß. Aron, der von allen, die ihm nahestanden, ›Ari‹ gerufen wurde, gehörte zu jenen tapferen Männern der Jewish Agency of Israel, die verzweifelten Juden heimlich aus Deutschland hinaushalfen, um sie nach Palästina ins Gelobte Land zu bringen. Mit Ari in seinem Kellerversteck saßen beide Frauen wahrlich auf einem Pulverfass – immer dann, wenn die Geheime Staatspolizei das alte Haus auf den Kopf stellte, um ihn zu finden. Doch gottlob gelang es der Gestapo nie. Ari hatte einen guten Schutzengel.«

Wieder legte Ingwersen eine Pause ein. Die kleine Lucie nickte lebhaft, als wolle sie jedes seiner Worte bekräftigen.

»Aber es gab auch Erfreuliches in dieser düsteren Zeit. Ein ganz besonderes Ereignis war die Geburt von Lucie, Florence’ Tochter, die 1938 das Licht der Welt erblickte und gleich zwei Väter hatte: Ari, den leiblichen Vater, den sie ›Daddy‹ nannte, und Finn Flögl, den sie ›Papa‹ rief. Finn war ein guter Freund der Familie und ist es bis heute geblieben. Damals war er Laboraufseher im Universitätskrankenhaus Eppendorf und kannte Vicki noch aus Cholerazeiten. Florence bat ihn, die Vaterrolle für Lucie zu übernehmen, denn Ari musste aus verständlichen Gründen im Verborgenen bleiben. Wenn er sich öffentlich zu seiner Tochter bekannt hätte, wäre er noch am selben Tag von den Nazis ins Konzentrationslager gesteckt worden. Finn jedoch stellte sich selbstlos zur Verfügung, obwohl dies für ihn mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden war. Er erwies sich als treuer Weggefährte in schweren Zeiten.«

Ingwersen blickte auf. In der zweiten Reihe saß ein älterer Mann mit Halbbrille. Er lächelte und strich sich mit der Hand über den eisgrauen Schnäuzer. Offenbar Finn Flögl.

»Finn Flögl war nicht der Einzige, der viel Mut bewies, um Vicki und Florence in ihrem Kampf gegen Hitlers Häscher zu unterstützen; es waren auch die alten Gefährtinnen aus dem Eppendorfer Krankenhaus, wie Schwester Annerose, zu der die Verstorbene ein besonders enges Verhältnis hatte, außerdem die Leute von St. Pauli, die sie über Benno, ihren Bruder kennengelernt hatte. In ihren Schilderungen spielte dabei Willi Höller, der Wirt von Höller’s Hölle, eine besondere Rolle, ebenso wie Vira, die zusammen mit ihrem Sohn ›Schatzi‹ nach Höllers Tod die Gaststätte weiter betrieb. Es gibt noch viele andere Menschen, die den Lebensweg der Verstorbenen säumten, von ihnen seien hier Edith Göbe, ›Aale-Edith‹, erwähnt, die noch heute auf der Reeperbahn ihre Ware verkauft, Harald, der Friseur, den jedermann ›Tütchen‹ nennt, nicht zu vergessen Chang und JinJin aus dem ehemaligen Chinesenviertel, dazu Christian Warlich, der Tätowierkünstler, Frederik Rosen, der dänische Widerstandskämpfer, und Günter Discher, der Swing-Boy, der so oft Moonglow von Benny Goodman auf dem Trichtergrammophon spielte. Sie alle ließen es sich nicht nehmen, heute der Verstorbenen das letzte Geleit zu geben, sie waren treue Freunde, ganz im Sinne der Lehre unseres Heilands. Denn so steht es im Buch Jesus Sirach, Kapitel 6, Vers 14 und 15 geschrieben …« Ingwersen breitete die Arme aus und deklamierte:

»Ein treuer Freund ist ein starker Schutz,

wer ihn findet, hat einen Schatz gefunden.

Für einen treuen Freund gibt es keinen Gegenwert,

seine Kostbarkeit lässt sich nicht aufwiegen …«

Er nannte weitere Beispiele aus der Bibel, zog immer wieder die Parallele zum Leben der lieben Verstorbenen und befahl Gott Vickis unsterbliche Seele an. Dann hieß er die Trauergemeinde aufstehen, segnete sie und betete mit ihr laut das Vaterunser.

Danach ließ er die Gesangbücher aufschlagen und Lied 37 anstimmen:

Von Gott will ich nicht lassen,

Denn er lässt nicht von mir,

Führt mich auf rechten Straßen,

Da ich sonst irrte sehr …

Zum Abschluss sagte er: »Nun mag noch jeder von Ihnen sein eigenes Lied für die Verstorbene haben, ein Lied, das gemeinsame Erinnerungen an schöne Stunden weckt. Wir wollen es im Stillen singen.«

Er wartete zwei Minuten, die er dazu nutzte, in seinen Unterlagen auf dem Altar zu blättern, denn er hatte an diesem Tag noch zwei weitere Trauerandachten zu halten, und führte die Hinterbliebenen anschließend hinaus aus der Kapelle zur Grabstätte. In der ersten Reihe schritten Benno, Florence und Ari, die sich untergehakt hatten. Florence, die während der ganzen Zeit die Tränen tapfer zurückgehalten hatte, fing plötzlich an zu weinen.

»Weine nicht, Flo, meine Liebste«, flüsterte Ari an ihrer Seite. »Vicki wäre es nicht recht, dich so verzweifelt zu sehen.«

»Ja, ja,...

Erscheint lt. Verlag 11.10.2022
Reihe/Serie Geschichte einer Hamburger Arztfamilie
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Albert Schweitzer • Beatles • Bernhard-Nocht-Institut • Christian Dior • Der Wanderchirurg • Elbleuchten • Große Elbstraße • Hamburg • Jungfernstieg • Krankenhaus • Kubakrise • Lambarene • Mode • Modeschöpfer • Reeperbahn • Sechziger Jahre • Sturmflut • Wolf Serno
ISBN-10 3-8412-3062-8 / 3841230628
ISBN-13 978-3-8412-3062-1 / 9783841230621
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