Die kleine Enzyklopädie von (fast) allem (eBook)
400 Seiten
Goldmann Verlag
978-3-641-29428-1 (ISBN)
Eine verblüffende Reise durch Wissenschaft, Kunst, Kultur, Spirituelles und Weltliches, die Weiten und unendlichen Tiefen des Menschseins. Eine definitiv vollständige Enzyklopädie unserer Welt und eine wahre Schatztruhe voller wissenswerter, verrückter und überraschender Fakten. Noch nie war Allgemeinwissen so unterhaltsam - viel Spaß beim Entdecken, Staunen und Schmunzeln!
Jonn Elledge ist freier Journalist und Kolumnist. Er schreibt unter anderem für The Guardian, New Statesman und Wired. In seinem wöchentlichen Newsletter von (fast) allem - dem Newsletter of (Not Quite) Everything - versammelt er kuriose, besorgniserregende und unterhaltsame Neuigkeiten. Er lebt im Londoner Osten, wo er viel zu viel Zeit damit verbringt, über die Benennungskonventionen für U-Bahnhöfe nachzudenken.
Einleitung:
Ein paar wissenswerte Kleinigkeiten
Eine meiner weniger selbstzerstörerischen Angewohnheiten besteht darin, meine Tage mit Podcasts oder Hörbüchern in den Ohren auf langen ziellosen Spaziergängen durch die weniger schicken Viertel der Stadt zu vertrödeln und mal hier, mal da herumzugucken. Vor ein paar Jahren stieß ich bei einem dieser Bummel auf etwas, das mich zutiefst amüsierte: ein Doppelhaus, dessen eine Hälfte innerhalb der Grenzen von London stand, die andere außerhalb. Ich war derart entzückt von der Vorstellung, dass irgendwer irgendwo beschlossen hat, die Grenze von Greater London mitten durch ein bestehendes Bauwerk zu legen, dass ich ein Bild davon auf Twitter postete und diese Grenzlinie zu einer der dümmsten erklärte, die ein Mensch je auf einer Karte gezogen hätte.
Die Reaktionen darauf korrigierten diese Zuschreibung augenblicklich. Die Leute überschlugen sich förmlich, mir von Cromatyshire zu erzählen, einer historischen Grafschaft aus 23 Parzellen, die über den Norden Schottlands versprenkelt waren, als sei jemandem ein Teller in Scherben gegangen, und dies aus keinem anderen Grund als dem, dass ein Landbesitzer im 17. Jahrhunderts den König überredet hatte, ihn aufzuwerten. Oder über den Northwest Angle (»Nordwestwinkel«), einen kleinen Zipfel von Minnesota, der an Kanada hängt und vom Rest seines amerikanischen Bundesstaats durch einen großen kalten See getrennt ist – nur weil jemand bei einem Vertragsabschluss 1783 die falsche Karte verwendet hatte.
Und dann wäre da noch Baarle-Hertog, ein belgisches Städtchen, das aus 26 separaten Fleckchen Land besteht und als zersplitterte Exklave in der holländischen Gemeinde Baarle-Nassau liegt. Die unterschiedlichen Ausschankgesetze beider Länder haben ein allabendliches Ritual zur Folge dergestalt, dass Restaurantbesucher in den Niederlanden beim Herannahen der Sperrstunde aufgefordert werden, doch bitte rasch hinüber auf die diesbezüglich liberalere belgische Seite der Grenze zu wechseln. Das schrägste unter all diesen Dingen ist vielleicht das Hotel Arbez in La Cure, ein paar Kilometer nördlich von Genf, das zur Hälfte auf französischem und zur Hälfte auf Schweizer Staatsgebiet liegt. Während des Zweiten Weltkriegs sollen die Angehörigen der lokalen Résistance die obere Etage belegt haben, weil es den Nazis nicht gestattet gewesen sei, die Stiegen der souveränen Schweiz zu benutzen. Diese Anekdote wird gerne und immer wieder erzählt, aber ich glaube trotzdem kein Wort davon.
Mein Lieblingsfall unter all den geographischen Skurrilitäten, die ich dabei kennengelernt habe, ist womöglich Bir Tawil, ein etwa 2000 Quadratkilometer großes Stück Land in der Wüste zwischen Sudan und Ägypten, das von keinem der beiden Staaten beansprucht wird. Man kann sich nicht über den Grenzverlauf einigen. Ägypten bevorzugt eine gerade Linie entlang des 22. Breitengrads, Sudan plädiert für eine stärker gewundene, die zunächst südöstlich des Breitengrads verläuft und sich dann nördlich davon weiterschlängelt.
Grund dafür ist, dass beide Länder ein Gebiet nördlich des
22. Breitengrads für sich reklamieren, namentlich das Hala’ib-Dreieck, in dem es lukrative Ölvorkommen gibt. Eine Begleiterscheinung des ganzen Hin und Her ist, dass keiner das Land haben will, das südlich des Breitengrads liegt, und das ist Bir Tawil. Und so liegt es dort in der Wüste, das einzige bewohnbare Stückchen Land der Erde, das kein anderer Nationalstaat haben will. Den Nomaden, die dort leben, scheint das egal zu sein.
Aber nicht nur die Geographie hält derlei Anomalien bereit. Um ein Beispiel aus einem ganz anderen Gebiet menschlichen Seins zu nehmen: Stellen Sie sich doch einmal die folgende Frage, bei der Sie vermutlich mit einer klaren und eindeutigen Antwort rechnen würden: Wie viele Könige mit Namen Edward oder Eduard hatte England?
Der jüngste englische König dieses Namens ist allgemein bekannt als Eduard VIII. (Regierungszeit und Abdankung 1936). Aus dieser Bezeichnung würde man sehr vernünftig zu dem Schluss kommen, dass die Antwort auf die Frage »acht« lautet.
Stimmt nicht. Wenn Sie eine Liste der englischen Monarchen durchgehen, ist der König, der dort als Eduard I. (1272-1307) genannt wird, entweder der dritte, oder aber eher noch der vierte König Eduard, den Sie dort finden. Und er hätte das gewusst, weil der Eduard vor ihm, Eduard der Bekenner (1042–1066),
a) Englands Schutzpatron und
b) der Mann war, nach dem er selbst benannt worden war.
Warum nennen wir dann Eduard I. »Eduard I.«, wenn er ganz offensichtlich ganz und gar kein Erster war? Zu diesem Usus gekommen ist es offenbar während der Herrschaft von Eduard II. (1307–1327) und Eduard III. (1327–1377), denn wenn Sie drei Könige namens Eduard hintereinander haben, hilft er ein bisschen Klarheit darüber zu schaffen, über wen Sie gerade reden.
Hängen geblieben ist diese Benennung, als die Historiker schließlich irgendwann zu einem späteren Zeitpunkt aufhörten, Monarchen mit Beinamen wie »der Eroberer« zu versehen und dazu übergingen, sie vermittels Ordinalzahlen zu benennen und diese mit römischen Ziffern zu notieren.
Ob das geschah, weil das Schema bereits fest etabliert war, oder ob es eine bewusste Entscheidung von wem auch immer war, die Geschichte der englischen Königsfamilie erst mit der Eroberung durch die Normannen von 1066 zu beginnen, ist erstaunlich schwierig, genau auszumachen.
In jedem Fall hatte England nicht acht, sondern zehn oder elf Könige mit Namen Eduard.1 Jeder Versuch, eine genauere Zahl als diese herzuleiten, würde eine Auseinandersetzung nötig machen mit Fragen wie etwa, was als England zählt oder wer als König zu bezeichnen ist, und dafür haben wir hier leider keinen Platz.
Das Internet, das muss gesagt werden, ist sehr gut für unseren Zugang zu Informationen, aber sehr schlecht für unsere Konzentration beim Sammeln derselben.
Das hier ist ein Buch über Geschichten wie die soeben vorgestellten: Abstecher in die Seitengassen von Wissenschaft und Kultur, scheinbar simple Tatsachenrecherchen, die rasch abdriften in Diskussionen darüber, wie und woher wir Dinge wissen, und warum das, was wir für richtig halten, sich allzu oft als falsch erweist. Ich möchte das vergnügliche Gefühl entstehen lassen, sich im Text zu verlieren wie in einer Online-Enzyklopädie: immer tiefer in ein warmes Bad aus Kuriositäten einzutauchen, während man sich von Link zu Link klickt, bis man mit einem Mal realisiert, dass man soeben 20 Minuten damit zugebracht hat zu lesen, welche Vorstellungen die Azteken mit der Himmelsrichtung »Süden« verbanden, obwohl man nur rasch wissen wollte, wie alt die Sonne ist.
Sie werden eine Liste finden mit den längsten Flüssen der Welt und eine Diskussion über die Anzahl an Ländern auf der Erde, die sich jeweils ziemlich schnell zu einer Reflexion über die Frage auswachsen, warum diese allem Anschein nach so realen, greifbaren Dinge in Wirklichkeit flüchtig, veränderlich und sowohl dem Einfluss menschlichen Wirkens als auch Streitereien um Begrifflichkeiten unterworfen sind. Ein Blick auf einige der dümmeren Kriege der Menschheit wird zu einer wissenschaftlichen Abhandlung über menschliche Torheit, einige Anmerkungen zu Unabhängigkeitstagen und zu einer Debatte darüber, ob im Laufe der Geschichte wirklich jedes Reich irgendwann untergegangen ist, während Beiträge zu den größten und kleinsten Ländern der Welt in eine Fußnote zu der Frage münden, wie man es hinbekommen könnte, das durchschnittlichste Land zu finden.
Es gibt einen Abschnitt über raumfahrende Tiere, eine sehr kurze Geschichte Hollywoods anhand seiner größten Filme und die gesamte Geschichte des Universums in ein paar hundert Worten. Es gibt sogar etwas über die Fußballweltmeisterschaft zu lesen – wenngleich es, weil ich der wohl unfußballerischste Typ auf dem Planeten bin, darin eher um die Beziehungen zwischen England und Schottland, die Geopolitik der 1940er-Jahre und eine nette Geschichte über kriminelle Machenschaften geht, die durch einen knuffigen Hund vereitelt wurden, die leider ein unerwartet tragisches Ende nahm.
Stellen Sie sich vor, Tristram Shandy hätte eine Enzyklopädie geschrieben oder den Reiseführer Per Anhalter durch die Galaxis gäbe es wirklich, allerdings auf 300 Seiten beschränkt und verfasst von einem alternden Nerd, den eine globale Pandemie zwingt, in seiner kleinen Wohnung in London auszuharren. Das ist der Band, den Sie in Händen halten.
Aber nun los – wir haben den gesamten Hort an menschlichem Wissen durchzuackern, fangen wir am besten endlich damit an.
1Um die Dinge noch ein bisschen zu verkomplizieren, war England seit 1707 übrigens Teil des Vereinigten Königreichs. Und das hatte in der Geschichte seines Bestehens definitiv nur zwei Eduards. Aber wenn Sie schon mal dabei sind: England ist nicht das einzige Königreich, bei dem die Nummerierung verrücktspielt. Auf der anderen Seite des Kanals in Frankreich folgte auf Ludwig XVI. (1774–1792) nach einer recht ereignisreichen zeitlichen Lücke Ludwig XVIII. (1814–1824). Die Nummer XVII war feierlich reserviert für den bemitleidenswerten Sohn des vorhergehenden Ludwigs, der während der Französischen Revolution zweieinhalb Jahre aus seiner Gefängniszelle heraus »regierte«, bevor er mit zehn Jahren an Skrofulose starb. Nach derselben Logik gibt es einen Kaiser Napoleon I....
Erscheint lt. Verlag | 23.11.2022 |
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Übersetzer | Susanne Kuhlmann-Krieg |
Zusatzinfo | ca. 10 s/w-Abbildungen |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | THE ALMANAC/COMPENDIUM OF (NOT QUITE) EVERYTHING |
Themenwelt | Literatur ► Comic / Humor / Manga ► Humor / Satire |
Schlagworte | 2022 • allgemeinwissen buch • Allgemeinwissen Erwachsene • eBooks • Enzyklopädie • Fakten Buch • Kleines Geschenk • lustiges Buch • lustiges Buch für Frauen • lustiges Buch für Männer • lustiges Geschenk • Neuerscheinung • Rätsel • rätselbuch erwachsene • unnützes Wissen • unnützes wissen buch • WC-Pedia • Weltwissen • Wen liebte Goethes "Faust"? • wie gut ist ihre allgemeinbildung? • Wie Hitler das Skateboard erfand |
ISBN-10 | 3-641-29428-2 / 3641294282 |
ISBN-13 | 978-3-641-29428-1 / 9783641294281 |
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