Fräulein vom Amt - Die Nachricht des Mörders (eBook)
416 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491509-8 (ISBN)
Ein Foto von ihrer mit Kopfhörern vor einem Schaltschrank sitzenden Großmutter hatte es Regine Bott schon als Kind angetan. Dem Begriff des »Fräulein vom Amt« begegnete sie damals zum ersten Mal, und der Beruf der Telefonistin ließ sie nicht mehr los. Dorothea Böhme begegnete Regine Bott hingegen erst Jahrzehnte später. Und siehe da: Auch das Leben von Dorotheas Großmutter bot so einiges an Romanstoff, stellte sie doch die damaligen Geschlechterrollen auf den Kopf. Die Idee, gemeinsam als Charlotte Blum eine Serie um das Fräulein vom Amt Alma Täuber und ihre unkonventionelle Freundin Emmi zu schreiben, war geboren. Die beiden Autorinnen sind gemeinsam nicht nur schreibend unterwegs, sondern treten auch regelmäßig im Rahmen einer Lesebühne zusammen auf. Sie leben mit ihren Familien in Stuttgart und Kornwestheim.
Ein Foto von ihrer mit Kopfhörern vor einem Schaltschrank sitzenden Großmutter hatte es Regine Bott schon als Kind angetan. Dem Begriff des »Fräulein vom Amt« begegnete sie damals zum ersten Mal, und der Beruf der Telefonistin ließ sie nicht mehr los. Dorothea Böhme begegnete Regine Bott hingegen erst Jahrzehnte später. Und siehe da: Auch das Leben von Dorotheas Großmutter bot so einiges an Romanstoff, stellte sie doch die damaligen Geschlechterrollen auf den Kopf. Die Idee, gemeinsam als Charlotte Blum eine Serie um das Fräulein vom Amt Alma Täuber und ihre unkonventionelle Freundin Emmi zu schreiben, war geboren. Die beiden Autorinnen sind gemeinsam nicht nur schreibend unterwegs, sondern treten auch regelmäßig im Rahmen einer Lesebühne zusammen auf. Sie leben mit ihren Familien in Stuttgart und Kornwestheim.
Plötzlich sieht sich [das Fräulein vom Amt] in rasante Mordermittlungen verstrickt.
eine spannende Geschichte [...], angereichert mit vielen historischen Details.
[...] sehr unterhaltsam geschrieben [...].
3
»Erbarmen«, stöhnte Emmi dumpf. »Mach das Licht aus. Bitte, mach das Licht aus.« Sie hielt ihr Gesicht fest in die Daunen gepresst und versuchte, die Zipfel des Kopfkissens über ihren Hinterkopf zu ziehen.
»Dein Kater muss wirklich schlimm sein, Wölkchen, wenn du dich nicht einmal daran erinnern kannst, dass diese Wohnung keinen Strom hat.« Ruckartig zog Alma am Kissen, was ihrer Freundin ein erneutes Jammern entlockte. »Das ist die Morgensonne. Du musst aufstehen.«
»Kann nicht«, kam es aus den Daunen.
Mit einem vorwurfsvollen Zungenschnalzen zog Alma die Decke zurück. »Stell dich ans Fenster und atme tief ein. Die Temperaturen sind jetzt noch erträglich. Ein bisschen frische Luft, danach geht es dir gleich besser. Du kannst es dir nicht leisten, krankzufeiern. Sei froh, dass du in diesen Zeiten eine Anstellung hast.«
»Ich feiere nicht. Ich feiere sowieso nie mehr.«
»Unsinn. Mach dich fertig, Wölkchen.«
»Bin krank.«
»Reiß dich zusammen.«
»Bin krank!«
»Ach Wölkchen.« Alma strich ihrer Freundin sanft über das Haar, nahm eine ihrer blonden Locken auf und drehte sie sich um den Finger. »So schlimm?«
»Schlimmer.«
Dass der Beginn des neuen Arbeitstages für ihre Freundin ein Waterloo werden würde, hatte sich schon in den frühen Morgenstunden angekündigt; denn Alma hatte kolossale Mühe gehabt, Emmi unfallfrei und lautlos – die Meier hatte nun mal Ohren wie ein Luchs – die Stiege hinaufzubugsieren. Genauso große Mühe hatte es Alma gekostet, ihre Freundin von Kapplers Automobilmechaniker zu lösen, der die Spendierhosen angehabt und Emmi immer wieder »seine Gertrude Hoffmann« genannt hatte. Alma errötete immer noch, wenn sie daran dachte, dass ihre Freundin gestern Nacht nicht weit davon entfernt gewesen war, Loïe Fullers berühmten Schleiertanz aufs Parkett zu legen.
Im Gegensatz zu Alma musste Emmi heute jedoch arbeiten, was unter anderem darin bestand, im Hotel de Hollande mit der Hausdame die Tischdekoration für die Veranstaltungen der kommenden Woche zu besprechen.
Emmi hob das Kissen an und lugte mit zusammengekniffenen Augen hervor. »Kopf … tut weh. Du musst für mich … gehen«, flüsterte sie undeutlich. Eine Haarsträhne klebte ihr im Mundwinkel, und sie bewegte kaum die Lippen.
»Du siehst schrecklich aus«, konstatierte Alma.
»Danke«, krächzte Emmi. Abrupt hielt sie ihre Hand vor den Mund. Mit aufgerissenen Augen stürzte sie Richtung Waschtisch; und während Alma ihr über den Rücken strich und die Haare aus dem Gesicht hielt, versprach sie Emmi mit lauter Stimme hoch und heilig, ihr Bestes zu tun, um die Mamsell im Hotel de Hollande davon zu überzeugen, dass das Fräulein Wolke heute leider unabkömmlich sei und daher ihre Vertretung habe schicken müssen.
Dass Alma allerdings nicht die geringste Kompetenz in Sachen Tischdekorationen vorweisen konnte, würde sie selbstverständlich verschweigen. Sie hatte vor, das Ganze schnell und begleitet von zustimmendem Kopfnicken zu absolvieren. Denn Almas Tagesplan sah einen weiteren Termin vor, den sie sich verbot, wegen des körperlichen Zustands ihrer Freundin zu verschieben. Emmi war wichtig. Sicher war sie das.
Die Tote bei den Kolonnaden trotz alledem auch.
Zu Almas großer Überraschung hatte die Hausdame Frau Weißhaupt, eine hochgewachsene Frau mit durchgedrücktem Kreuz und einer Frisur, die schon seit zwanzig Jahren aus der Mode war, nicht einmal mit der Wimper gezuckt, nachdem sie von Emmis »wichtigem Termin bei der Konkurrenz« erfahren hatte. Den Namen des vermeintlichen Rivalen hatte Alma im Gespräch gekonnt umschifft, genauso wie sie es meisterte, ihre eigenen, nicht vorhandenen Referenzen in Sachen Dekoration zu verschweigen. Während aus dem Nebenraum, dem Gelben Salon, die abgehackten Klänge einer übenden Kapelle herüberrumpelten, erging sich Frau Weißhaupt in Details über Blütenkelche, Stiellänge und Farbexplosionen, während Alma sich fleißig Notizen machte, ab und zu ein zustimmendes »Exakt!« oder ein »Sie haben ein hervorragendes Auge!« ausrief und ansonsten nur nickte. Die ganze Angelegenheit kostete sie fast eine Stunde, aber ein Gutes hatte es jedenfalls: Alma hatte ihrer Freundin die Anstellung gerettet, und da das Hotel in der Sophienstraße lag, konnte sie ohne großen Umweg ihren Tagesplan fortsetzen und auf direktem Weg zur Otto-von-Vincenti-Straße laufen.
Denn dort stand das Gebäude des Amtsgerichts, in dem neben dem Gerichtsarzt, den Rechtsanwälten, Dolmetschern, Notaren und Gerichtvollziehern auch die Kriminalpolizei zu finden war. Alma wollte Nägel mit Köpfen machen und nicht erst den Umweg über die Polizeihauptwache im Amtshaus gehen.
Als sie vor dem Eingang stand, bekam sie automatisch ein schlechtes Gewissen. Ein Haus voller Leute, die Finger in tiefe Wunden legten, in die Seelen von Menschen leuchteten, deren geheimes Inneres offenlegten. Da sie in letzter Zeit aber nicht ein einziges Mal die Straßenbahn ohne Fahrschein benutzt hatte, holte sie tief Luft, grüßte freundlich einen Herrn, der ihr entgegenkam und seinerseits den Hut lupfte, nahm die fünf Stufen so selbstsicher wie irgend möglich und trat ein.
»Ich möchte zur Abteilung der Kriminalpolizei«, teilte sie dem Beamten am Tresen mit, der einige Formulare vor sich liegen hatte, die er akribisch zu studieren schien. Unwillkürlich umfasste sie ihre Handtasche fester, als zwei Polizisten an ihr vorbeigingen, die einen nach Alkohol stinkenden Mann abführten.
»Ihr werdet es alle noch sehen!«, rief der Betrunkene. »Ihr werdet es bereuen, mir nicht geglaubt zu haben!«
Alma sah ihm hinterher und fragte sich, ob der Mann nur ausnüchtern musste oder ob er nach Illenau in die Heilanstalt gehörte.
»Worum geht es?«, unterbrach der Beamte am Empfang ihre Gedanken, ohne jedoch aufzublicken. Die Spitzen seines Oberlippenbartes zeigten zackig nach oben, aus seinem Tonfall jedoch troff die Langeweile.
»Die Tote bei den Kolonnaden.«
Jetzt erst sah er zu ihr auf. Er legte seinen Stift zur Seite und musterte Alma von Kopf bis Fuß. »Was haben Sie denn mit einem Kriminalfall zu tun, Fräulein?«, fragte er.
Nun waren sie beim unangenehmen Teil ihrer Meldung, sie hatte gehofft, ihre vage Zeugenaussage erst vor einem Mitarbeiter der Kriminalpolizei machen zu müssen.
»Sagen Sie nicht, Sie haben die Dame gekannt«, sagte der Beamte jetzt und grinste. Die Bartspitzen zitterten anzüglich, dieses Mal korrespondierend zu seiner Stimme.
Alma erinnerte sich an den Artikel; die Polizei vermutete, dass die Tote eine … Käufliche war. Hättest du wohl gern, dachte sie bei sich, erwiderte aber laut: »Nein, Sie denn?«
»Also … ich … natürlich nicht!«, stotterte der Beamte indigniert.
»Ich denke, es wäre am besten, Sie würden mir ins Büro folgen, Fräulein«, hörte Alma in diesem Moment jemanden amüsiert sagen. Sie drehte sich zur Seite; den Mann, der dort stand, hatte sie gar nicht kommen hören. Er war jung, höchstens fünf Jahre älter als sie, und trug keine Uniform. Seine dunklen Haare waren in einem ordentlichen Seitenscheitel frisiert, die Weste über dem Hemd sauber gebügelt, aber nicht mehr neu. Kein reicher Schnösel, allem Anschein nach hatte er sich seine Stellung erarbeitet. Eine feine Narbe kroch als dünne Linie auf seiner rechten Gesichtshälfte vom Mundwinkel bis zur Augenbraue. Er schien also im Krieg gewesen zu sein.
Er nickte dem Beamten an der Anmeldung zu, dann wandte er sich an Alma. »Hier entlang, bitte.«
Als er ihr dabei kurz in die Augen sah, machte etwas in ihrem Bauch einen kleinen Satz. Nur eine kaum merkliche Bewegung, aber trotzdem nicht zu ignorieren. Verlegen rückte sie ihren perfekt sitzenden Sommerhut zurecht, wusste aber nicht, was sie sagen sollte. Nicht einmal ein Dank kam ihr über die Lippen. Das war neu. Sie würde das beobachten müssen.
»Entschuldigen Sie bitte meinen Kollegen, aber dass jemand einfach so hereinspaziert, noch dazu ein so hübsches Fräulein«, an dieser Stelle verhaspelte er sich kurz, »ist mehr als nur ungewöhnlich«, beendete er seinen Satz, führte sie weiter die Treppe hinauf in den zweiten Stock und öffnete schließlich eine Tür am Ende des bescheiden ausgeleuchteten Korridors. »Willkommen in Zimmer 5.« Abgestandene, warme Luft waberte in den Flur. Allem Anschein nach wurde hier nicht oft gelüftet.
Sechs Schreibtische standen in dem großen Raum, einen weiteren vermutete Alma hinter einer hohen Trennwand, in der man eine Tür angebracht hatte. Fünf der Tische überquellend mit Papieren und Akten, einer sauber aufgeräumt. Dieser war als einziger besetzt.
»Guten Tag, die Dame!«, grüßte ein gedrungener Mittvierziger, der gerade einen Stapel Akten auf einen Rolltisch legte und danach mit dem Finger prüfend über die Schreibtischplatte fuhr.
»Bitte, setzen Sie sich doch.« Hastig rückte Almas Begleiter einen Stuhl für sie heran, schob einige der Akten vom überquellenden Schreibtisch in das Regal daneben, ignorierte den bestürzten Blick seines Kollegen, der diese Art aufzuräumen offenbar für ein Sakrileg hielt, und setzte sich dann mit Stift und Papier ihr gegenüber.
Alma strich ihren Rock glatt, nahm Platz und schlug die Beine unter. Ihre Handtasche hielt sie im Schoß mit beiden Händen umklammert; ihr Rettungsboot auf einer ungewissen Fahrt ins Innere einer Behörde.
»Wie ist denn Ihr Name?«, fragte der junge Beamte. Im gleichen Moment schien er sich an seine Manieren zu erinnern und schob schnell hinterher: »Schiller, Ludwig Schiller mein...
Erscheint lt. Verlag | 1.8.2022 |
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Reihe/Serie | Alma Täuber ermittelt | Alma Täuber ermittelt |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Historische Kriminalromane | |
Schlagworte | 1920er Jahre • 20er Jahre • Anne Stern • Auftragsmord • Babylon Berlin • Baden-Baden • Bäderstadt • Bücher Bestseller 2022 • bücher für frauen • Buchgeschenk für Frauen • Casino • Die Telefonistinnen • Emanzipation der Frau • Entspannung Geschenk für Frauen • Frauenschicksal • Fräulein Gold • Glücksspiel • Goldene Zwanziger • Helene Sommerfeld • Historischer Kriminalroman • Historischer Roman • Krimi Bestseller 2022 • Krimi Neuerscheinung 2022 • Kurstadt • Pferdewetten • Polizeiärztin Magda Fuchs • Telefonistin • Volker Kutscher • Weihnachtsgeschenk • Weimarer Republik |
ISBN-10 | 3-10-491509-1 / 3104915091 |
ISBN-13 | 978-3-10-491509-8 / 9783104915098 |
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