Miss Bennet (eBook)

Roman
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2023 | 1. Auflage
704 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-29802-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Miss Bennet -  Janice Hadlow
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Eine bezaubernde Hommage an Jane Austen
Mary Bennet weiß von klein auf, dass sie keine Schönheit ist - besonders im Vergleich zu ihren vier Schwestern, die mittlerweile alle verheiratet sind. Sie selbst sucht noch nach ihrem Platz im Leben, als sie nach dem Tod des Vaters zusammen mit ihrer Mutter den Familiensitz Longbourn verlassen muss. Mary zieht zunächst von einer Schwester zur anderen, bevor sie bei ihrer Tante in London unterkommt. Dort blüht sie förmlich auf und findet erstmals Gefallen an Bällen und Abendeinladungen. Schon bald macht ihr der reiche Erbe Will Ryder den Hof. Doch Mary ist fest entschlossen, ihrem Herzen zu folgen - und das schlägt für den stillen Anwalt Tom Hayward ...

Janice Hadlow hat am Londoner King's College Geschichte studiert und über zwanzig Jahre für die BBC gearbeitet. Sie lebt in Edinburgh und hat mit »Miss Bennet« ihr Romandebüt vorgelegt.

Kapitel 2


Mary konnte sich nicht erinnern, wann genau sie herausgefunden hatte, dass sie unansehnlich war. Vermutlich hatte sie es noch nicht bemerkt, als sie als kleines Mädchen mit Jane und Elizabeth gespielt und sich beim Herumtollen im Garten ihr Kleid mit Grasflecken beschmutzt hatte oder als sie sich alle vor dem Kamin im Kinderzimmer gedrängt und die Füße gewärmt hatten. Vermutlich hatte sie es auch noch nicht gewusst, als Mrs Hill, die Haushälterin ihrer Mutter, ihr morgens das Gesicht gewaschen und eine saubere Schürze über das Kleid gezogen hatte. Ganz sicher hatte sie es nicht gewusst, als sie und ihre älteren Schwestern an den Backtagen in die Küche gerannt waren, um sich eine warme Brotrinde zu erbetteln und diese dann draußen im Garten zu essen, kichernd, als könnten sie nie wieder aufhören. Damals, dachte sie, damals war sie glücklich gewesen. Aber im Alter von sieben oder acht Jahren kam ihr allmählich der Verdacht, dass irgendetwas nicht stimmte. Ihre Mutter musterte sie oft mit einem Blick, mit dem sie Jane oder Lizzy nie ansah, in ihm lag etwas zwischen Ärger und Verwunderung. Richtig einordnen konnte Mary ihn nicht, aber sie bemerkte ihn immer häufiger. Gefolgt von einer Aufforderung.

»Komm mal her, mein Kind, und lass dich anschauen.«

Mary erhob sich daraufhin von ihrem Stuhl und ging durch den Salon zu Mrs Bennet hinüber, verunsichert von ihrem bohrenden Blick. Dann wurden die Bänder in ihrem Haar zurechtgezupft, die Schärpe neu gebunden und an ihrem Kleid gezogen, mal in diese, mal in jene Richtung. Aber was auch immer Mrs Bennet störte, keiner ihrer Eingriffe bewirkte ein zufriedenstellendes Ergebnis. Dann schürzte sie die Lippen, wandte missmutig den Blick ab und scheuchte ihre Tochter schließlich wortlos an ihren Platz zurück. Mary wusste bald, dass sie für ihre Mutter eine Enttäuschung war, wenn auch zunächst nicht, wieso.

Da sie ein kluges Kind war, begriff sie allerdings schnell, was all diese Seufzer und finsteren Blicke und abfälligen Gesten zu bedeuten hatten. Ebenso wenig entging ihr, dass sich Mrs Bennet für ihr Äußeres nie so begeisterte wie für das ihrer älteren Schwestern.

»Jane ist ein wahrer Engel«, verkündete ihre Mutter oft, wenn sie ihre Älteste mit unverhohlenem Stolz betrachtete. »Schon ihr Anblick ist eine Wonne.«

Jane senkte dann immer den Kopf, weil sie in ihrer Bescheidenheit bei jedem Kompliment errötete. Den Blick ihrer Schwester Elizabeth mied sie, da diese sie stets zum Lachen bringen wollte, wenn sich Mrs Bennet zu solchen Lobeshymnen verstieg. Elizabeths Auftreten war nicht in gleichem Maße nach dem Geschmack ihrer Mutter, da ihre dunklen Augen und das strahlende Lächeln zu viel über ihren lebhaften Charakter verrieten. Sie hatte eine zu spöttische Meinung der Welt gegenüber, um als wahre Schönheit zu gelten. Nichtsdestotrotz entgingen Mrs Bennets scharfem Auge Lizzys Reize nicht. Sooft sie ihre zweite Tochter auch für ihre vorwitzigen Kommentare und ihren unabhängigen Geist tadelte, an ihrem Äußeren hatte sie nie etwas auszusetzen.

Mary hegte die Hoffnung, dass Mrs Bennet eines Tages ähnlich anerkennende Worte für sie finden würde. Wenn sie ein bestimmtes Alter erreicht hätte, würde das schon passieren, dachte sie. Aber selbst wenn sie besondere Aufmerksamkeit auf ihr Äußeres verwendete und darauf achtete, dass ihre Strümpfe gerade saßen, ihr Gesicht gewaschen und ihr Haar ordentlich gekämmt war, blieb ihre Mutter stumm. Monat um Monat wartete Mary auf den Moment, in dem Mrs Bennet etwas an ihr bemerkenswert finden würde. Vielleicht wären ihre Augen hübsch oder ihre Haltung anmutig; vielleicht wäre auch ihr Haar das Schönste an ihr. Mary war gleichgültig, was Mrs Bennet an ihr gefallen würde, Hauptsache, sie könnte sich endlich wie ihre Schwestern im Glanz der mütterlichen Anerkennung sonnen.

Mary war zehn, als ihr endlich klar wurde, dass sie vergeblich wartete. Es geschah an einem warmen Nachmittag, als Mrs Bennet mit ihrer Schwester Mrs Phillips Tee trank. Jane und Lizzy hatten sich sofort verdrückt, als sie ihre Tante kommen hörten. Nun hockte Mary auf dem Sofa, wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger und wünschte sich verzweifelt fort. Weder ihre Mutter noch ihre Tante beachteten sie. Die Unterhaltung plätscherte dahin und widmete sich solchen Fragen wie etwa, ob wohl der Koch von Lady Lucas kündigen würde – und das ausgerechnet vor der Einmachsaison! – und ob die Frau des Pfarrers noch diese Woche niederkommen würde. Erst als Mrs Phillips die Stimme senkte und den Kopf vorbeugte, um eine besonders delikate Klatschgeschichte loszuwerden, wurde sich Mrs Bennet plötzlich der Anwesenheit ihrer Tochter bewusst.

»Mary, geh doch in die Küche und hol noch etwas Zucker. Nimm das Schälchen mit. Sofort, bitte!«

Froh über diese Befreiung erledigte Mary ihre Aufgabe so langsam wie möglich, trödelte im Flur und fuhr mit den Füßen über die Bodenfliesen, um zu sehen, wie viel Staub von ihnen aufwirbelte. An der Tür zum Salon blieb sie stehen, um sich das Kleid glatt zu streichen, als sie plötzlich in dem Gemurmel ihren Namen vernahm. Ihr war klar, dass sie schnell den Raum betreten sollte – Mrs Hill hatte ihr oft erklärt, dass man beim Lauschen selten etwas Gutes über sich zu hören bekam –, trotzdem blieb sie wie angewurzelt stehen.

»Ich finde, Mary sieht heute besser aus«, stellte Mrs Phillips soeben fest.

Mrs Bennet schnaubte. »Nett von dir, das zu sagen, Schwesterherz, aber ich kann dir leider nicht zustimmen. Für ein so junges Mädchen hat sie wirklich keinerlei Reiz. Ganz anders als Jane und Lizzy, deren Äußeres nie unkommentiert bleibt.«

»Die beiden sind in der Tat sehr hübsch«, stimmte Mrs Phillips ihr pflichtschuldig zu. »Und ich bezweifle, dass Mary je so bewundert werden wird wie sie. Dennoch, meine liebe Schwester, frage ich mich schon, ob du sie nicht zu streng beurteilst. Vielleicht bekommt ihr der Vergleich nicht. Wenn Jane und Lizzy nur etwas weniger schön wären, könntest du Mary vielleicht auch schätzen.«

»Ich wünschte von ganzem Herzen, du hättest recht, aber ich fürchte, das hat nichts mit Vergleichen zu tun. Mary ist einfach reizlos, Punkt. Ich mache Mr Bennets Seite dafür verantwortlich. Wir Gardiners konnten uns schon immer eines bemerkenswerten Aussehens rühmen.«

Mrs Phillips schenkte sich Tee nach und hielt nach dem Zuckerschälchen Ausschau. »Mir tut das Mädchen furchtbar leid. Es dürfte nicht leicht sein, das einzige hässliche Entlein unter so vielen Schwänen zu sein.«

»In der Tat, für mich ist Mary wirklich eine große Enttäuschung und ruiniert meine Nerven. Andererseits geht es mir immer gleich besser, wenn ich meine anderen Töchter betrachte. Wo bleibt sie nur mit dem Zucker?«

Mary trat in den Raum, den Blick zu Boden gerichtet. Ihre Finger krampften sich um das Zuckerschälchen, als sie es auf den Tisch stellte. Ihre Tante lächelte sie an, während Mrs Bennet sie nicht weiter beachtete, als sie sich wieder zurückzog. Ihr Herz klopfte wild in ihrer Brust; die Worte ihrer Mutter hatten sie getroffen wie ein Schlag. Jetzt wusste sie also Bescheid, dachte sie, als sie die Treppe hochstieg. Sie war reizlos – wie eine gekochte Kartoffel, eine Bahn ungebleichter Baumwolle oder ein weißer Teller. In ihrem Zimmer zog sie sich den Stuhl vor den Ankleidetisch und ging mit dem Gesicht ganz nah an den Spiegel heran. Das Glas war alt und fleckig, aber das Spiegelbild war doch hinreichend klar, sodass Mary sich gut erkennen konnte. Ein zartes Gesicht schaute sie an, rund und blass. Genau, dachte sie, wie ein weißer Teller. Ihre grauen Augen unter den hellen Brauen waren weder groß und blau wie die von Jane noch dunkel und klug wie die von Lizzy. Ihre Gesichtszüge waren ebenmäßig, aber nicht besonders. Ihr Mund war schmal, die Lippen dünn. Etwas Ängstliches lag in ihrer Miene, fand Mary; sie schien nicht jeden Moment in Gelächter ausbrechen zu wollen wie Lizzy. Und ihr Haar war hellbraun, nicht goldschimmernd wie Janes. Nichts an ihr, schloss sie, erregte Aufmerksamkeit oder würde jemandem Vergnügen beim Betrachten bereiten. Ihre Mutter hatte recht: Sie hatte weder Reiz noch Glanz. In der Hoffnung, vielleicht doch noch etwas Besonderes zu entdecken, sah sie erneut in den Spiegel. Als sie nichts fand, nahm sie das große Tuch, das über der Stuhllehne hing, und drapierte es sorgfältig über den Spiegel. Eine einzelne Träne rann über ihr Gesicht, aber sie machte sich nicht die Mühe, sie wegzuwischen.

Jane und Lizzy erzählte sie nichts von dem, was sie gehört hatte. Vermutlich wussten sie es ohnehin. Ihr selbst kam ihre Reizlosigkeit nun so offensichtlich vor, dass es ein Rätsel war, wieso sie sie nicht eher bemerkt hatte. Sie erwartete auch kein Mitleid von ihren Schwestern. Die beiden würden nicht nachvollziehen können, wie sie fühlte. Wie sollten sie auch? Ihre Schönheit war ein Teil von ihnen wie ihre Arme und Beine, und so würden sie in deren Schutz in die Zukunft springen und tanzen. Sie selbst hingegen würde stumpf vor sich hin trotten, freudlos einen Fuß vor den anderen setzen, ohne jede Anmut. Von Mrs Bennet hatte sie gelernt, dass man ohne Schönheit kein wahres, dauerhaftes Glück erlangen konnte, und nie wäre sie auf die Idee gekommen, diesen Glaubenssatz zu hinterfragen.

Mary war immer ein schüchternes, unsicheres Mädchen gewesen, aber jetzt dachte sie an kaum mehr etwas anderes als den schlechten Eindruck, den sie hinterlassen musste. Die überschwängliche Begeisterung, mit der sie einst mit ihren Schwestern herumgetollt war, war verflogen. Wenn Jane und Lizzy durch den Garten tobten, lächelten alle und fanden sie zauberhaft; wenn sie selbst...

Erscheint lt. Verlag 18.1.2023
Übersetzer Claudia Franz, Britta Evert
Sprache deutsch
Original-Titel The Other Bennet Sister
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2023 • eBooks • Frauenromane • Frauen Schwestern • historisch • Historische Liebesromane • Liebe • Liebesromane • London • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2023 • Roman • Romane für Frauen • Taschenbuch
ISBN-10 3-641-29802-4 / 3641298024
ISBN-13 978-3-641-29802-9 / 9783641298029
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