Die Köchinnen von Fenley (eBook)

Roman

*****

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2022 | 1. Auflage
512 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-30416-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Köchinnen von Fenley -  Jennifer Ryan
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Jennifer Ryan erzählt in ihrem berührenden Roman von einem Kochwettbewerb der BBC zu Kriegszeiten - und vier Frauen, denen der Wettstreit eine Chance auf ein besseres Leben verspricht. Zwei Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs leidet Großbritannien unter seinen Verlusten: Die Nazis haben Schlachten gewonnen, der Blitzkrieg hat Städte zerstört, und U-Boote haben die Versorgung mit Lebensmitteln unterbrochen. Um den Hausfrauen bei der Lebensmittelrationierung zu helfen, veranstaltet die BBC-Radiosendung 'The Kitchen Front' einen Kochwettbewerb. Der Hauptpreis ist ein Job als erste weibliche Co-Moderatorin der Sendung. Für vier sehr unterschiedliche Frauen wäre der Gewinn des Wettbewerbs eine entscheidende Chance auf ein besseres Leben: Für die junge Witwe Audrey ist es die Chance, die Schulden ihres Mannes zu begleichen und ihren Kindern ein Dach über dem Kopf zu bieten. Für das Küchenmädchen Nell ist es die Chance, die Knechtschaft zu verlassen und die Freiheit zu finden. Für die Gutsherrin Lady Gwendoline ist es die Chance, dem zunehmend feindseligen Verhalten ihres Ehemanns zu entkommen. Und für die ausgebildete Köchin Zelda ist es die Chance, ihre männlichen Kollegen endlich herauszufordern. Doch viel wichtiger als Erfolg ist Solidarität, und bei aller Rivalität werden aus den Konkurrentinnen schlussendlich Freundinnen. Ein herzerwärmendes Buch über vier ganz besondere Frauen.

Jennifer Ryan wurde in England geboren. Vor ihrer Arbeit als Autorin war sie Lektorin in London. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Washington, D.C. und schreibt historische Romane wie »Der Frauenchor von Chilbury«.

Jennifer Ryan wurde in England geboren. Vor ihrer Arbeit als Autorin war sie Lektorin in London. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Washington, D.C. und schreibt historische Romane wie »Der Frauenchor von Chilbury«. Pauline Kurbasik lebt und übersetzt in Bonn aus dem Englischen und Französischen, u. a. Neal Shusterman, Karine Lambert, Abbie Greaves und Lizzy Dent, und unterrichtet an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf Literaturübersetzen.

Mrs Audrey Landon


Willow Lodge, Fenley, England
Juni 1942

Die goldene Frühlingssonne strahlte durch das große Küchenfenster, als eine wilde Bande Jungen ins Haus gestürmt kam, die Dünkirchen spielte und aufeinander schoss.

»Raus mit euch!« Audrey verscheuchte sie mit einem Küchenhandtuch.

Der Duft nach köchelndem Obst – Himbeeren, Erdbeeren und Johannisbeeren – erfüllte die große alte Küche und die schlanke vierzigjährige Frau fügte einen Hauch Zimt und eine Prise Muskatnuss hinzu. Sie trug einen Männerpullover, der in eine Männerhose gesteckt war, und sah abgekämpft und ungepflegt aus; an ihren alten Stiefeln klebte Erde aus dem Gemüsegarten.

Die Holzuhr an der Wand schlug zur halben Stunde und Audrey wischte sich mit der Hand über die Stirn. »Ist das denn die Möglichkeit? Schon halb neun?«

Sie rannte zur Anrichte, um das knisternde Transistorradio lauter zu stellen, das inmitten von Töpfen und einem Haufen frisch geernteter Möhren stand. Die meisten Menschen hatten den Apparat im Wohnzimmer stehen, Audrey hingegen hatte ihren in der Küche platziert, als sie wie eine Besessene mit dem Backen begonnen hatte, um sich ein paar Schillinge dazuzuverdienen. Das war kurz nach Kriegsbeginn vor zwei Jahren gewesen, als das Flugzeug ihres Mannes Matthew über Düsseldorf abgeschossen worden war.

Es wurde keine Spur von ihm gefunden. Häufig versuchte sie, das Bild seiner Leiche zu verdrängen – dieses geliebten Körpers, der ihr so vertraut gewesen war –, die in einem Baum hing oder bei einem Motorbrand verkohlt war, sein Blut vergossen über der siebtgrößten Stadt des Feindes.

Seit seinem Tod arbeitete sie fast rund um die Uhr.

Audrey hatte den Wunsch schon lange aufgegeben, ein normaler Mensch sein zu wollen. In jeder freien Minute backte sie, unternahm alles, um sich ein Zubrot zu verdienen, oft bis spät in die Nacht. Sie hatte drei hungrige Söhne, jede Woche flatterten Mahnungen ins Haus, das zu allem Überfluss eine alte, einsturzgefährdete Villa war – so etwas wie Normalität war schon vor Jahren durch die staubigen Fenster entwichen. Und bei all der Arbeit waren weder die Schweine und die Hühner mit eingerechnet noch ihr großer Garten, in dem sie nun reichlich Obst und Gemüse erntete – die wertvollen zusätzlichen Lebensmittel, aus denen sie ihre Pies und Kuchen machte.

Erschöpfung, Desillusionierung und dieses panische Gefühl, dass gerade alles außer Kontrolle geriet, hatten sich in ihrem Herzen eingenistet.

Der Kinder wegen tat sie alles, um ihre Angst im Zaum zu halten. Sie umarmte die trauernden Jungen, während sie ihr eigenes Leid in sich hineinfraß. Mitten in der Nacht brach es jedoch aus ihr hervor. Weinen in der Öffentlichkeit war verpönt – Mr Churchill hatte den Menschen eingebläut, kollektive Verzweiflung würde das Land in die Knie zwingen.

Für Großbritannien sah es nicht gut aus. Aller Propaganda zum Trotz konnten die BBC Radio News der Ernst der Lage nicht überspielen. Die Briten waren nicht auf den Krieg vorbereitet gewesen. Ihre Städte waren von der Luftwaffe zerstört worden, ihre Truppen kämpften erbittert in Nordafrika und die U-Boote der Nazis blockierten den Import von Waffen, Metallen und – am gravierendsten – Lebensmitteln.

Die Stimme des Moderators, Mr Ambrose Hart, erfüllte den Raum mit der hohen Decke. »Wir präsentieren Ihnen das Programm Kitchen Front, die Kochsendung, die den britischen Hausfrauen dabei hilft, an der Küchenfront – also am heimischen Herd – in diesen Kriegszeiten das Beste aus den Lebensmittelrationen zu machen.«

»Bin mal gespannt, welchen Unsinn Ambrose Hart heute verzapft«, sagte Audrey zu sich selbst und kostete von den köchelnden Beeren. Sie waren überreif. Sie hatte noch einen Teelöffel Zucker hinzugefügt, um etwas nachzuhelfen, denn die Säure der roten Johannisbeeren wurde durch die Süße der anderen Früchte nicht vollständig ausgeglichen. Die Regierung verteilte zusätzlichen Zucker zur »Marmeladenherstellung«, wenn man auf seine Marmeladenration verzichtete. Der Großteil des Zuckers wurde für die Pies verwendet, die Audrey backte und verkaufte – was den drei Jungen gar nicht gefiel. Häufig hatte die Familie wochenlang weder Zucker noch Marmelade.

Aber sie brauchte das Geld.

Vor einigen Monaten hatte die Bank das Darlehen zurückgefordert und damit gedroht, das Haus zu beschlagnahmen. Die Summe konnte sie jedoch einfach nicht aufbringen, trotz ihrer Witwenrente. Sie konnte das Haus auch nicht verkaufen, es war ihr Zuhause – und das von Matthew. Und außerdem war es in einem viel zu schlechten Zustand, ein Teil des Dachs war eingestürzt.

Letztendlich hatte sie dort um Hilfe bitten müssen, wo es ihr am wenigsten behagte – und das zerfraß sie seitdem.

»Ein Brotomelett«, säuselte Ambrose Hart im Radio, »macht aus einem einzigen Ei ein Frühstück für eine vierköpfige Familie. Dafür weicht man zehn Minuten lang zwei Messkappen Brotkrumen in Milch aus Milchpulver ein, rührt sie in ein geschlagenes Ei – oder ebenso viel Eipulver – und brät es dann wie ein normales Omelett.«

»Brotomelett? Etwas Besseres fällt Ambrose nicht ein?«, sagte Audrey, als ihr ältester Sohn, ein schlaksiger Fünfzehnjähriger, hereinkam, der in ein Buch schaute.

Alexander war ihr Erstgeborener, das A vom ABC der Landons, wie man sie nannte. B war Ben, ein wilder Elfjähriger, und C war der achtjährige Christopher, der seit einem Bombeneinschlag ins Nachbarhaus vor einem Jahr panische Angst vor allem hatte. Die anderen Jungen hatten sich von dem Schock erholt, der kleine Christopher jedoch schlief immer noch jede Nacht bei ihr im Bett. Er wollte das auch so beibehalten, obwohl die nächtlichen Luftangriffe inzwischen abnahmen. Die nervenaufreibenden nächtlichen Wanderungen zu ihrem behelfsmäßigen Anderson-Bunker im Garten mit ein paar Brötchen aus Hafermehl als Verpflegung verblassten langsam zu Erinnerungen und Audrey hoffte, das würde auch so bleiben.

Sie wusste, dass sie Alexander zu viel zumutete – und dass es nur eine Frage der Zeit war, bis auch er einberufen würde. Sie würde ihn nicht aufhalten können. Er würde in die Fußstapfen seines Vaters treten und Mitglied der Air Force werden. Sie betete, dass ihr Sohn seinem Vater nicht auch ins Grab folgen würde.

Unbewusst prägte sie sich sein Gesicht ganz genau ein.

»Mein Schatz«, sagte sie, während sie sauber gescheuerte Möhren samt Grün klein schnitt. »Kannst du mir bitte die Rationsbücher bringen und mir sagen, was wir diese Woche noch bekommen?«

Alexander zog vier kleine schwarze Hefte aus einer Stofftasche. Weil in ihrem Haushalt alle älter als sechs waren, hatten sie alle die gleichen Rationsbücher für »Erwachsene«, die von der örtlichen Lebensmittelverteilungsstelle in der nahe gelegenen Stadt Middleton ausgegeben wurden. Die Jungs erhielten Extraportionen Milch, konzentrierten Orangensaft und eine Orange, wenn es welche gab; Erwachsenen war es verboten, Orangen zu essen. Weniger beliebt war der Lebertran, den ebenfalls alle Kinder bekamen, den sich Ben allerdings schlicht weigerte anzurühren. Audrey hatte gehört, dass einige Mütter damit Fisch brieten, wenn das Bratöl zur Neige ging.

Alexander blätterte durch jedes Heft, fand die richtige Woche und kontrollierte die Kästchen, die gestempelt oder ausgeschnitten waren. »Wir haben schon alles verbraucht, bis auf die Margarine und dieses fiese Trockeneipulver. Gott sei Dank haben wir die Hühner.«

Audrey ging zu ihm und schaute nach. »Oh Gott, ich brauche mehr Butter. Der Freiwilligendienst der Frauen braucht Homity-Pies für die mobile Großküche. Dafür kann ich keine Margarine nehmen. Dieses Zeug schmeckt schrecklich, weil sie da inzwischen Walöl reinmischen.«

»Das wird niemanden stören, Mum. Es ist doch bloß der FdF.« Er nahm die Margarine in die Hand. »Niemand erwartet Haute Cuisine von einem Imbisswagen. Jeder weiß, dass Homity-Pies nur aus in Teig eingebackenem Gemüse und Resten bestehen.«

»Sie müssen trotzdem genießbar sein.« Ihr kam eine Idee. »Wie viel Milch haben wir noch?«

Er blickte in die Vorratskammer. »Zwei halbe Liter, allerdings riecht die eine Milch ein wenig sauer.« Er streckte den Kopf aus der Kammer. »Wir brauchen unbedingt einen Kühlschrank. Der in Fenley Hall soll riesig sein.«

»Und woher sollen wir das Geld dafür nehmen? Wir haben ohnehin kaum genug, um über die Runden zu kommen. Hol jetzt bitte ein Marmeladenglas – da drüben auf der Kommode neben dem Radio stehen ein paar – und schütte die Sahne von der guten Milch dort hinein, dann dreh den Deckel gut zu und schüttele es.«

Alexander befolgte die Anweisungen und erst als er das Glas schüttelte, fragte er: »Wie lange muss ich das machen, Mum?«

»Ungefähr zwanzig Minuten. Beweg dich nicht von der Stelle. Bald schon solltest du ein Klümpchen Butter entdecken. Du siehst, wie es immer größer wird, bis es das ganze Fett der Milch aufgenommen hat. Dann kannst du die überschüssige Milch abgießen – aber nicht wegschütten, die ist für deine Brüder – und ich kann die Butter für mein Gebäck verwenden.«

»Das ist ja ein toller Trick!« Mit der freien Hand nahm er sich sein Buch, mit der anderen...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2022
Übersetzer Pauline Kurbasik
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2. Weltkrieg • Bake Off • BBC • Bonnie Garmus • Eine Frage der Chemie • Fenley • Frauenfreundschaft • Frauenrechte • Frauenroman • Frauenromane 2022 • Frauenromane 2024 • Frauenunterhaltung • Geschenkbuch für Mütter • Geschenke für Frauen • Geschlechterkampf • Historischer Roman • Kitchen Impossible • Kochwettbewerb • Lebensmittel-Rationalisierung • Rivalität • Standesunterschiede • THE TASTE
ISBN-10 3-462-30416-X / 346230416X
ISBN-13 978-3-462-30416-9 / 9783462304169
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