Die Uhrmacherin − Schicksalsstunden (eBook)

Roman. Die Nummer-1-Bestsellersaga aus der Schweiz
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2022
560 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-25434-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Uhrmacherin − Schicksalsstunden - Claudia Dahinden
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Die Liebe zum Uhrenhandwerk. Ein Verbrechen, das erschüttert. Und eine Suche, die Mut erfordert.
Grenchen in der Schweiz, 1874. Die junge Luzernerin Sarah hat in Grenchen Fuß gefasst und widmet sich mit großer Leidenschaft ihrer Uhrmacherinnenlehre. Als sie das Angebot erhält, für einen Lehraufenthalt ins jurassische Bonfol zu reisen, ist sie Feuer und Flamme. Nur ihr Freund Paul kann ihre Begeisterung nicht teilen - wird die junge Liebe die Bestandsprobe überstehen? Gleichzeitig wird in Grenchen ein Schüler des Internats Breidenstein vermisst und kurz darauf tot aufgefunden. Sarah und ihre Freundinnen ermitteln auf eigene Faust. Doch gelingt es ihr, ihre Lehre nicht aus den Augen zu verlieren?

Filigrane Uhren, raue Berge und eine junge Frau, die sich allen Widerständen entgegenstellt - Band 1 der Saga stand wochenlang an der Spitze der Schweizer Bestsellerliste

Claudia Dahinden lebt gemeinsam mit ihrem Mann in der Kleinstadt Grenchen in der Nordwestschweiz, in der sie auch aufgewachsen ist. Sie studierte Zeitgeschichte und arbeitet heute als freischaffende Autorin, Sängerin und Songwriterin. Wenn sie nicht gerade schreibt, singt oder liest, engagiert sie sich in der städtischen Literarischen Gesellschaft und in ihrer Kirche. Ihre Romane »Die Uhrmacherin - Im Sturm der Zeit« und »Die Uhrmacherin - Schicksalsstunden« standen wochenlang an der Spitze der Schweizer Bestsellerliste.

1


Noch eine Umdrehung, dann war es geschafft.

Sarah legte Daumen und Zeigefinger der linken Hand um den Wecker, verstärkte den Druck ihrer rechten Hand auf den Schraubenzieher und drehte das Schräubchen sorgfältig ein. Lehrmeister Flury hatte seinen Lehrlingen klargemacht, dass diese Stücke sorgsam zu behandeln seien, schließlich seien sie keine billigen amerikanischen Produkte, sondern Qualitätsarbeit aus dem französischen Hause Japy, einem Spezialisten »für ganz ordentliches Handwerk hinter glänzender Fassade«, wie er sich ausgedrückt hatte. Und der faustgroße Wecker mit der ziselierten Messingverkleidung und dem geschliffenen Glas, den Sarah gerade bearbeitete, war wirklich eine Schönheit. Ein letztes Mal anziehen …

Ein dröhnendes Scheppern neben ihr. Sarah zuckte zusammen. Der Schraubenzieher glitt ab und hinterließ einen wüsten Kratzer auf dem glänzenden Metall. Verärgert drehte sie sich um.

»Was hast du wieder angestellt?«

Fabrice, ihr schlaksiger Lehrlingskollege, schien sie nicht zu hören. Sein Kopf mit dem dunklen Haar war immer noch über seinen eigenen Wecker gebeugt; er war ganz in seine Arbeit versunken. Dann, als wären ihre Worte über Umwege doch noch bei ihm angekommen, sah er hoch.

»Tut mir leid.« Er hob den Lärmverursacher – die Weckerglocke, die er in Bearbeitung gehabt hatte – vom Boden auf, betrachtete sie abwesend und beugte sich wieder über sein Tischchen.

Sarah schüttelte den Kopf und inspizierte ihren Wecker. Bis auf den Kratzer sah alles perfekt aus. Was würde Lehrmeister Flury zu diesem Malheur sagen? Wahrscheinlich etwas wie: »Präzision und Sorgfalt sind das Alpha und Omega des Uhrmachers!« Und dabei würde er aussehen wie Moses, der mit den Zehn Geboten vom Sinai herunterstieg.

Sie schmunzelte bei diesem Gedanken. Ihr Lehrmeister liebte die Uhren und das Handwerk über alles, und dafür bewunderte sie ihn. Der Kratzer war nur ein winziges Missgeschick; sie würde nicht gleich in Ungnade fallen. Bisher hatte Flury ausschließlich enthusiastische Lobeshymnen auf seine beiden Erstjahrs-Lehrlinge gesungen.

Sie warf einen Blick aus dem Fenster. Es war dunkel geworden, und nun erklang auch schon die Fabrikglocke. Rasch packte sie ihre Werkzeuge zusammen, schlüpfte in ihren Mantel und begab sich mit allen anderen in Richtung Ausgang.

Im Freien begrüßte sie als Erstes die Januarbise, die scharf durch die dünne Wolle schnitt. Sarah schob die Hände tiefer in die Taschen, dankbar, dass sie der Pulk der anderen Arbeiter ein wenig vor der Kälte abschirmte. Am Gasthof Bären vorbei bewegte sich die Schlange der Arbeiter in Richtung Löwenkreuzung und weiter gen Südbahnhof. Sarah wandte sich derweil nach rechts und beschleunigte ihre Schritte. Nur heim in die warme Stube!

Wie ein erlösender Hort tauchte Rosas Häuschen am rechten Straßenrand auf, fast verdeckt von einer gewaltigen Föhre, deren Nadeln sich wie winzige weiße Speere spreizten. Sarah öffnete die Haustür, und sofort wehte ihr süßer Duft entgegen – Rosinen, Mürbeteig, ein Hauch Vanille. Neugierig trat sie in die Küche, wo sich ihre Schlummermutter lächelnd zu ihr umdrehte. »Wie ist es gegangen? Neues Jahr, neues Glück?«

»Fast. Neben Fabrice zu arbeiten war wieder einmal nichts für schwache Nerven. Aber sag: Was backst du da? Ich dachte, es gibt deine berühmte Wintersuppe.«

Rosa wies auf einen Topf, dem weißer Dampf und der Geruch von Lauch und Gewürznelken entwich. »Die ist fertig. Gerade bereite ich die Dreikönigskuchen für Schneiders vor, uns habe ich auch einen gemacht. Die kennt ihr in Luzern, oder nicht?«

»Natürlich. Darauf freue ich mich schon!«

Sarah hängte ihren Mantel und den blauen Kittel in die Garderobe. Wie vertraut ihr dieser Anblick geworden war! Erst ein halbes Jahr war es her, seit sie mit der Lehre zur Uhrmacherin begonnen hatte, erst neun Monate, seit sie im April des vergangenen Jahres nach Grenchen gezogen war – ein Jahr, das seit fünf Tagen der Vergangenheit angehörte. Was mochte 1874 für sie bereithalten?

Rosa trug eben die Suppenschüssel ins Esszimmer, die schwarzbraunen Haare kreuz und quer aus dem lockeren Dutt herausstehend, mit geröteten Wangen und einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht. Sarah lächelte zurück. Immer noch staunte sie darüber, wie schnell Rosas Häuschen ihr ein Heim geworden war. Bei Schneiders waren sie Arbeitskolleginnen gewesen, doch Rosa hatte sie so hurtig unter ihre Fittiche genommen wie eine Mutterhenne ihr mageres Küken – obschon bei Rosas Kochkünsten kein Küken lange mager blieb!

Rosa schöpfte zwei Teller Suppe, und Sarah griff in das Körbchen, das schon auf dem Tisch bereitstand, und legte sich eine dicke Scheibe von Rosas selbst gebackenem Roggenbrot neben den Teller. Nach einem kurzen Tischgebet machten sie sich über das noch warme Brot und die Lauchsuppe her, die wunderbar schmeckte und Sarahs müde Glieder wärmte. In Windeseile war der Teller leer, und sie seufzte zufrieden.

»Wie war das mit dem schlechten Anfang?«, fragte Rosa nun nach.

»So schlimm ist es nicht. Ein kleines Missgeschick.«

»Bist du denn mit der Arbeit an diesem Ding – wie heißt es schon wieder – fertig geworden?«

»Pendelwecker. Fertig ja, aber Fabrice hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Kurz bevor ich fertig bin, lässt das drollige Genie etwas fallen, ich rutsche vor Schreck ab und hinterlasse einen Kratzer auf der Messingfassung. Abgesehen davon wäre der Wecker perfekt. Ich hoffe, Lehrmeister Flury sieht das auch so.«

Rosa tätschelte ihr die Schulter. »Das wird er! Und jetzt schau in dein Zimmer. Ich habe dir für Sonntag das blaue Kleid abgeändert, das deine Mutter dir zu Weihnachten geschenkt hat.«

»Hast du? Wie herrlich!«

Sarah eilte in ihr Zimmer. Da hing es am bemalten Bauernschrank, aus warmem nachtblauem Mohair und mit feiner cremefarbener Spitze an den Ärmeln, die nun nicht mehr an einen Puttenengel erinnerten. Als sie das Kleid in Luzern anprobiert hatte, hatte sie alle Selbstbeherrschung aufbringen müssen, um es würdig entgegenzunehmen.

Dank der fürsorglichen Rosa verströmte der Ofen in ihrem Zimmer bereits wohlige Wärme, und ein selbst geknüpfter Teppich schirmte ihre Füße von der Bodenkälte ab. Sarah strich über die frisch bezogene Bettdecke und warf einen Blick auf das Regal über dem Pult, das Rosas Schwager Ruedi ihr gezimmert hatte. Viel hatte sie nicht aus Luzern mitgebracht: die Uhr, die Vater Pfyffer ihr nach Hannes’ Tod geschenkt hatte, ihr Reiseschachspiel. Und daneben lag natürlich die Taschenuhr, die sie mit Paul gebaut hatte.

Sorgfältig hängte Sarah ihren blauen Kittel über ihren Stuhl und legte die Kleider für den morgigen Tag heraus, wusch sich und schaute kurz aus dem Fenster. Eisblumen zierten wie hellgraue Stickerei die nachtdunklen Scheiben, und in der Ferne schimmerte das gedämpfte Licht einer Petroleumlampe durch den Nebel. Die hellgrüne Kirchturmspitze schien in der Luft zu schweben. Wie anders war dieser Abend im Vergleich zu ihrem ersten in Grenchen! Der Blick auf Grenchens Gotteshaus war ihr inzwischen so vertraut wie die spitzen Türme der Hofkirche in Luzern, die sie von ihrem Elternhaus aus sehen konnte. Und wie im fernen Luzern tickte auch in diesem Zimmer nun silberhell die Pfyffersche Uhr.

Sie hatte ihr Schicksal in die eigenen Hände genommen und für ihre Lehre alles auf eine Karte gesetzt. Und es hatte sich gelohnt: Schon nächste Woche fand ihr Halbjahresgespräch mit Lehrmeister Flury statt, dem sie zuversichtlich entgegensah. Müde, aber zufrieden kuschelte Sarah sich unter die duftende Bettdecke. Der Morgen durfte kommen!

Die Kirchenglocken läuteten durch den frostigen Morgen, während Sarah neben Rosa die Kirchstraße hocheilte. Sie waren spät dran, aber zum Glück strebten noch andere der hohen Holztür zu. Leise betraten sie das Gotteshaus, bekreuzigten sich, beugten hastig die Knie und ließen sich erleichtert in Rosas bevorzugter Reihe nieder.

Wie immer herrschte eine erwartungsvolle Stille, nur unterbrochen vom Rascheln der gestärkten Unterröcke und dem Scharren der Füße in den klobigen Winterschuhen. Sarah warf einen Blick auf die Tafel mit den Kirchenliedern und suchte sie aus dem roten, in Leder gebundenen Gesangsbuch heraus. Sie legte nach wie vor nicht viel Wert auf den wöchentlichen Messebesuch, aber sie hatte Vater versprochen, ihren christlichen Pflichten nachzukommen. Und heute war es ihr leichtgefallen, aus dem Bett zu kommen: Paul hatte geschrieben, dass er nach Grenchen fahren und sie nach der Messe zu einem Spaziergang samt Kaffee und Kuchen im Restaurant Hallgarten abholen würde. Seit sie zusammen Silvester gefeiert hatten, hatten sie sich nicht mehr gesehen. Die Kammfabrik in Mümliswil, bei der Paul arbeitete, hatte das Jahr mit einem Großauftrag begonnen, und Paul hatte wie alle anderen über die Zeit arbeiten müssen. Umso mehr freute sie sich auf das Wiedersehen.

Pfarrer Walser, der eben mit den Ministranten die Kirche betrat, unterbrach ihren Gedankengang. Er wirkte besorgt. »Die heutige Bibelstelle stammt aus Matthäus 5,11«, verkündete er. »›Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, so sie daran lügen.‹ Liebe Gemeinde, diese Zeit ist da.« Blass und ernst blickte er von der Kanzel auf seine Schäfchen herab. »Unserem Bischof wurden in Solothurn die Fenster eingeworfen. Und das ist noch harmlos, wenn wir an das Schicksal unserer Glaubensgeschwister im Berner Jura denken. In Bonfol wurden dreizehn Personen...

Erscheint lt. Verlag 14.12.2022
Reihe/Serie Die Uhrensaga
Die Uhrensaga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2022 • Cyril Schäublin • eBooks • Geheimnis • Grenchen • Historische Romane • historische romane neuerscheinungen 2021 • Historischer Roman • Katherine Webb • Neuerscheinung • Neuheiten 2022 • Petra Durst-Benning • Saga • Schicksal • Schweiz • Spannung • Starke Frau • Susanne Goga • Uhrenhandwerk • Unruh Film • Weihnachten Buch • Weihnachtsgeschenke
ISBN-10 3-641-25434-5 / 3641254345
ISBN-13 978-3-641-25434-6 / 9783641254346
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