Mit dir bis ans andere Ende der Welt (eBook)

Roman | Ein bewegender Familienroman von der Autorin des New-York-Times-Bestsellers 'Wenn du mich heute wieder fragen würdest'
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
464 Seiten
Eisele eBooks (Verlag)
978-3-96161-152-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mit dir bis ans andere Ende der Welt -  Mary Beth Keane
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Greta Cahill und ihre Schwester Johanna kennen nichts anderes als das einfache Landleben im Irland der 1960er Jahre. Doch während Greta sich dort zuhause fühlt, träumt Johanna von einem Leben unterwegs, ungebunden und frei. Als in der Familie ein Unglück geschieht, finden sich die beiden auf einem Schiff Richtung New York wieder - eine Reise, die ihr Leben für immer verändern wird.

MARY BETH KEANE ist irischer Abstammung und machte ihren Master of Fine Arts an der University of Virginia. Ihr Roman Wenn du mich heute wieder fragen würdest hielt sich mehrere Wochen am Stück auf den vorderen Plätzen der New York Times Bestsellerliste, derzeit arbeiten die Produzenten von American Beauty an einer Umsetzung des Stoffs als TV-Serie. Mit dir bis ans andere Ende der Welt ist ihr Debütroman, der nun erstmals auf Deutsch erscheint. Mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen lebt Mary Beth Keane in der Nähe von New York.

MARY BETH KEANE ist irischer Abstammung und machte ihren Master of Fine Arts an der University of Virginia. Ihr Roman Wenn du mich heute wieder fragen würdest hielt sich mehrere Wochen am Stück auf den vorderen Plätzen der New York Times Bestsellerliste, derzeit arbeiten die Produzenten von American Beauty an einer Umsetzung des Stoffs als TV-Serie. Mit dir bis ans andere Ende der Welt ist ihr Debütroman, der nun erstmals auf Deutsch erscheint. Mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen lebt Mary Beth Keane in der Nähe von New York.

2007

UM GENAU 6.16 Uhr an einem Freitagmorgen blickte der Pförtner der Champion-Tiefgarage vom Neun-Zoll-Monitor seines Fernsehers auf und sah Michael Ward auf den Baustellenparkplatz an der Ecke 30th Street und Tenth Avenue fahren. Der ist immer der Erste, dachte der Pförtner, während er zur Garageneinfahrt schlenderte und sich unter die Leuchtstoffröhre stellte. Als Michael zu ihm hinübersah, nickte der Pförtner ihm zu. Michael hob den Arm und erwiderte das Nicken. Gleich war Schichtwechsel bei den Sandhogs oder Sandschweinen, wie die Tunnelarbeiter von New York City genannt wurden, und wie jeden Morgen beobachtete der Pförtner die ankommenden Autos in der Hoffnung, dass es zu viele sein würden und einige daher gezwungen wären, in seiner Tiefgarage zu parken.

Wenn nichts Gutes im Fernsehen lief, schaute der Pförtner von seinem Stuhl in die Morgendämmerung hinaus und zählte erst die parkenden Autos der Sandhogs und dann die aussteigenden Männer, die sich kurz reckten, bevor sie hinter dem Aluminiumzaun verschwanden, der die Baustellengrenze markierte. Von seinem Stuhl aus konnte er allerdings beim besten Willen kein Bauwerk erkennen. Als er Michael dabei zusah, wie er die Anti-Diebstahl-Kralle am Lenkrad seines kleinen roten Corolla befestigte und dann um das Auto herumlief, um sich zu vergewissern, dass alle Türen verriegelt waren, fiel dem Pförtner wieder ein, dass Mr. Zan von der Verwaltung gesagt hatte, dass die Sandhogs nicht bauten, sondern gruben. Sie gruben tief unter der Stadt, unter den U-Bahn-Tunneln, dem Hudson River, der East Side, Roosevelt Island und Queens. »Stell dir den höchsten Wolkenkratzer vor, den du hier bisher gesehen hast«, hatte Mr. Zan gesagt. »Und jetzt stell dir vor, er würde nicht nach oben, sondern nach unten ragen. So tief graben sie.« Als der Pförtner fragte, warum, zuckte Mr. Zan mit den Schultern. Wer wusste das schon? In Amerika gruben sie, nur um etwas zu tun zu haben.

Die Sonne war vor zwanzig Minuten aufgegangen, doch ihre Strahlen hatten den westlichsten Abschnitt der 30th Street noch nicht erreicht. Als Michael Ward im schwachen Lichtschein auf seine Armbanduhr schaute, konnte er kaum die Zeiger erkennen. Außerdem hatte er das Gefühl, etwas vergessen zu haben, aber was war es nur? Dieses nagende Gefühl überkam ihn neuerdings öfter, wie ein Härchen, das immer wieder seine Haut streifte, ohne dass er es entdecken konnte. Er blieb mitten auf dem Parkplatz stehen. Bestimmt fiel es ihm gleich ein. Er ging den Morgen noch einmal durch: Er war aufgestanden, hatte Greta in der Küche getroffen, war die einsamen Kurven des Palisades Parkway entlanggefahren … Plötzlich fragte er sich, warum er stehengeblieben war. Er blickte an sich hinunter und sah sein Lunch-Paket in einer Plastiktüte in seiner Faust baumeln. Greta hatte alles ordentlich eingepackt, so wie immer; sogar die Limonadendose hatte sie mit zwei Lagen Alufolie umwickelt. »Damit sie schön kalt bleibt«, sagte sie fast jeden Morgen, wenn sie ihm sein Lunch-Paket gab. Den Trick hatte sie 1969 gelernt, als ihre älteste Tochter Julia in den Kindergarten kam. Seit Julia ihr erzählte, was sie in den anderen Brotdosen gesehen hatte, wickelte Greta Limonadendosen stets in Alufolie ein. Michael arbeitete nun seit siebenunddreißig Jahren im Tunnel, aber er hatte es nie übers Herz gebracht, Greta zu sagen, dass in dieser Tiefe eh alles kalt wurde, Folie hin oder her.

Die übrigen Sachen, die er für seine Schicht brauchte, befanden sich in seinem Spind. Der Zahlencode für sein Schloss stand auf einem Zettel in seiner Brieftasche – Gretas Idee, eine gute sogar. In den letzten Monaten hatte er doch tatsächlich ein paar Mal auf dem Zettel nachschauen müssen. Neulich hatte er sogar vergessen, dass der Code in seiner Brieftasche war, und das Schloss mit einem Vorschlaghammer aufbrechen müssen. Seine Schichtkollegen hatten gewitzelt, er bräuchte wohl eine Eselsleiter für die Eselsbrücke; vielleicht auf dem Handrücken oder auf einem Zettel am Lenkrad. Schnell sagte er die Zahlen auf: 26 rechts, 3 links, 9 rechts. Doch das nagende Gefühl ging nicht weg – als hätte man ihm einen Teil seines Morgens gestohlen, ohne dass er genau sagen konnte, was fehlte.

Er ging weiter über den halb leeren Parkplatz. Von der Explosion am Vortag hatte er noch immer ein schwaches Brummen im Ohr und er drückte, wie schon so oft an diesem Morgen, mit der flachen Hand fest dagegen, um das Geräusch wegzusaugen.

»Vielleicht wirst du traurig werden«, hatte Greta gestern nach dem Abendessen gesagt. »Das kann einen schon traurig machen, wenn etwas zu Ende geht.« Er hatte gelacht, sich fast an seinem Tee verschluckt. Heute Morgen hatte sie dann allen Ernstes gefragt, ob es eine Abschiedsparty geben würde. Auf welche Ideen sie manchmal kam! Doch als er die Straßen von Recess hinter sich gelassen und den Palisades Parkway erreicht hatte, ging ihm diese Möglichkeit nicht mehr aus dem Kopf. Keine Torte oder Luftballons, aber auf irgendeine Überraschung musste er sich vermutlich gefasst machen. Kaum einer hatte so lange durchgehalten wie er. Auf der Fahrt zur Arbeit hatte er wie jeden Morgen – und das machte er wirklich das ganze Jahr hindurch – die Autofenster heruntergekurbelt, um den Hudson einzuatmen, der auf seinem Weg zum Atlantik nach Süden strömte. Michael hatte in seinem Leben schon viele Flüsse gesehen, aber dieser war ehrfurchtgebietend. Breit, gewaltig, geschunden – der Hudson war etwas Besonderes. In seinen Nachtschichtjahren hatte der Hudson ihn jeden Morgen nach Hause getragen. Wenn er dann am Steuer saß und ihm die Augenlider zufielen und er den brennenden Staub aus dem Tunnel wegblinzeln musste, ließ er den Tacho auf neunzig sinken und folgte dem Geräusch und Geruch des Flusses.

Als Michael zu der niedrigen, fensterlosen Baracke der Sandschweine hinüberschaute, die zwischen all den Hochhäusern aus Backstein und Sandstein wie ein Schandfleck wirkte und Schweinestall genannt wurde, konnte er natürlich nicht erkennen, ob irgendetwas anders war als sonst – jedenfalls nicht aus dieser Entfernung und mit diesem Brummen im Ohr. Die Baracke sah still aus. Michael musste unwillkürlich lachen, der Klang unterbrach das gleichmäßige Knirschen seiner neuen Schuhe auf dem Kies. Das hätte glatt aus Gretas Mund kommen können, dass etwas still aussah.

New York war als die Stadt berühmt, die niemals schlief, doch Michael hatte festgestellt, dass jeden Morgen eine gewisse Zeit lang, fünfzehn Minuten vielleicht, eine einzigartige Stille herrschte, in der sich diese fünfzehn Minuten ausdehnten, bis sie sich wie eine Stunde anfühlten – eine Zeitspanne, in der es keine Autos auf der Straße gab, kein Gehupe, keine Gassigänger, niemanden, der den Bürgersteig abspritzte oder fegte, keine klackernden Absätze, keine quietschenden Bremsen, keine Horden von Büroangestellten, die zur Arbeit hasteten, denn dafür war es noch zu früh. Die ersten Pendlerzüge trudelten gerade erst ein. Zwischen der George-Washington-Brücke und der 30th Street war er vorhin höchstens zehn Autos begegnet, und als er nun von seinem eigenen Wagen zum Herzen der Baustelle spazierte, hätte er trotz des verdammten Brummens in seinem Ohr schwören können, dass er zwei Straßen weiter den Hudson gegen die Uferbefestigung plätschern hörte.

Als er sich der Baracke näherte – sie beherbergte die Spinde und Duschen sowie einen kleinen Tisch in der Ecke, den sie scherzhaft den Pausenraum nannten – wappnete er sich dafür, zu lächeln und ein paar Hände zu schütteln. Wenn er ihnen bloß zunickte und obendrein rot wurde, würden sie ihn die ganze Schicht lang wegen seiner Verlegenheit aufziehen. Und wenn sie sich danach bei Gewerkschaftspicknicks, Gedenkfeiern oder anderen Anlässen über den Weg liefen, natürlich auch. Vielleicht hatten sie ja sogar einen Scherzpokal für ihn anfertigen lassen. Sein Sohn James hatte so ein Ding mit einem Baseball-Spieler auf einer Klopapierrolle. Auf der Goldplakette stand: FÜR EINE RICHTIGE SCHEISS-SAISON.

Als er nach dem Türknauf der Baracke griff, dachte er: Greta hat recht. Eine Torte wäre eigentlich angebracht. Wer sonst außer ihm war bei dem Wassertunnelprojekt von Anfang an mit dabei? Sogar als der Bauauftrag von einer Firma zur nächsten zog und die Baustelle von Bezirk zu Bezirk wanderte, war Michael geblieben. Wer sonst außer ihm hatte siebenunddreißig Jahre durchgehalten? Ihm fiel jedenfalls niemand ein. Einige schafften zwanzig, manche dreißig Jahre. Aber mehr als dreißig hatte sonst keiner auf dem Buckel. Ja, mit einer Torte musste er wahrscheinlich rechnen, aber er war fest entschlossen, sich nichts anmerken zu lassen und beim Reinkommen direkt zu seinem Spind zu gehen, wie sonst auch. Bestimmt taten sie so, als wäre nichts, bis er seinen Spind öffnete.

Drinnen schien alles wie immer zu sein. Die Duschen liefen, Dampfschwaden und Seifengeruch durchzogen den langgestreckten Raum. Sechs schmutzverkrustete Regenjacken hingen an den Haken, die sich über eine ganze Wand erstreckten. Darunter reihten sich schmutzverkrustete Gummistiefel mit Stahlkappen. Unzählige Male hatte er ihnen gesagt: Macht euer Zeug sauber, bevor ihr duschen geht. Es war einfacher. Logischer. Aber nein, Tag für Tag ließen sie die verdreckten Sachen liegen und rannten sofort unter die Dusche, und wenn der Dreck dann auf ihre sauberen Hemden spritzte, fluchten sie wie der Teufel. Und wenn sie nach Hause kamen, fluchten ihre Ehefrauen. Beim Hereinkommen sah er zwei Männer von der Nachtschicht am Tisch sitzen, der...

Erscheint lt. Verlag 29.9.2022
Übersetzer Heike Reissig
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1960er • Amerika • Auswandern • Auswandern Roman • Auswandern USA • Buch • Familien-Geschichte • Familienkonflikte • Familienroman • Familien-Roman • Frauen • FÜR SIE • Generationenroman • Historischer Roman • Identität • Immigration • Irland • Kindle • Liebesgeschichte • Migration • Neuerscheinung 2022 • New York • Roman • Schwestern
ISBN-10 3-96161-152-1 / 3961611521
ISBN-13 978-3-96161-152-2 / 9783961611522
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