Inselhochzeit im kleinen Friesencafé (eBook)

Spiegel-Bestseller
Ein Inselroman
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
272 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01398-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Inselhochzeit im kleinen Friesencafé -  Janne Mommsen
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Romantik auf Friesisch: Der Spiegel-Bestseller und dritte Teil der fulminant gestarteten Friesencafé-Reihe. Während Julia die Hochzeit von Oma Anita mit Kapitän Hark im kleinen Friesencafé vorbereitet, geht auf Long Island ein Mann am Strand spazieren und lernt Fering. Harks Großcousin Henry soll Trauzeuge sein und aus Amerika anreisen. Kurz vor dem Fest mischt der charismatische Leuchtturmwächter die Hochzeitsgesellschaft ordentlich auf. Denn hier treffen Ruhrpottschnauzen und friesische Gelassenheit aufeinander, unterschiedlicher kann es nicht sein. Hat Henry die Kraft, die Gegensätze zu vereinen? Und ist er überhaupt der, für den man ihn hält? Neben der Arbeit hält die Fernbeziehung mit Finn-Ole Julia auf Trab. Die Verbindung steht vor einer echten Zerreißprobe. Außerdem gibt es da schon länger den Plan, das kleine Friesencafé in eine Pension umzurüsten ... 

Janne Mommsen hat in seinem früheren Leben als Krankenpfleger, Werftarbeiter und Traumschiffpianist gearbeitet. Inzwischen schreibt er überwiegend Romane und Theaterstücke. Mommsen hat in Nordfriesland gewohnt und kehrt immer wieder dorthin zurück, um sich der Urkraft der Gezeiten auszusetzen.

Janne Mommsen hat in seinem früheren Leben als Krankenpfleger, Werftarbeiter und Traumschiffpianist gearbeitet. Inzwischen schreibt er überwiegend Romane und Theaterstücke. Mommsen hat in Nordfriesland gewohnt und kehrt immer wieder dorthin zurück, um sich der Urkraft der Gezeiten auszusetzen.

1


Ich lehne mich an die Kante des großen Konferenztisches und blicke durch die bodentiefe Glasfront vom 38. Stock auf die Upper Bay südlich von Manhattan. Über dem Wasser schwebt ein weißer Schleier, den die Vormittagssonne zum Leuchten bringt, darüber spannt sich ein wolkenloser tintenblauer Himmel. Ein kleines Ausflugsschiff zieht seinen Kurs schnurgerade Richtung Freiheitsstatue, dahinter breitet sich der Atlantik aus.

Mr. Chang und Mr. Fernandez haben sich mit ihren Leuten zur Beratung in getrennte Nebenräume zurückgezogen. Die Verhandlungen sind wie erwartet schnell zu Ende gegangen. Im Grunde war die Sache ziemlich einfach: Mr. Fernandez, Inhaber einer weltweiten Logistikfirma, steckte in finanziellen Schwierigkeiten. Mr. Chang wollte Anteile seines Unternehmens kaufen, um die Transportkosten für seine Firma zu senken, beide profitieren also von dem Geschäft. Da ihr Englisch nicht verhandlungssicher ist, wurde ich als Dolmetscher hinzugezogen. Mein Ruf ist es, nicht nur präzise zu übersetzen, sondern kulturelle Mentalitäten einzubeziehen, dafür zahlt man mich besonders gut. Im Lauf der vier Jahrzehnte, die ich diesen Job mache, habe ich zur Genüge die Missverständnisse kennengelernt, die trotz korrekter Übersetzung auftreten können. So habe ich mir vorhin erlaubt, Mr. Changs Mandarin ins Spanische zu übersetzen, was für den aus Argentinien stammenden Señor Fernandez vertrauter klang als amerikanisches Englisch.

Mr. Fernandez kommt wieder herein. Sein Maßanzug sitzt perfekt, das Gel in seiner Kurzhaarfrisur lässt kein Härchen abstehen. «Muchas gracias», sagt er lächelnd. «Ihr Español ist einfach perfekt.»

Das Geschäft ist anscheinend zu seiner Zufriedenheit gelaufen.

Ich lächele zurück. «Dafür bin ich da.»

«Mr. Chang lässt sich entschuldigen, er ist schon wieder auf dem Weg zum Flughafen.»

Die Masters of the Universe sind immer in Eile.

«Bitte senden Sie die Rechnung an meine Firmenadresse in Buenos Aires.»

«Vielen Dank, ich möchte kein Honorar», widerspreche ich sanft.

Señor Fernandez kneift seine großen braunen Augen zusammen. «Gibt es ein Problem?»

«Fährt zufällig in nächster Zeit einer Ihrer Frachter von New York nach Nordeuropa?», erkundige ich mich statt einer Antwort.

«Einige – wieso?»

«Könnten Sie anstelle eines Honorars meinen Wagen mitnehmen?»

Señor Fernandez sieht nun neugierig aus. «Sie wollen ihn in Europa verkaufen?»

«Nein, ich mache dort Urlaub.»

«Sie vertrauen den Mietwagenfirmen da drüben nicht?»

«Doch, schon. Aber ich fahre ein ganz besonderes Auto, von dem ich mich nur ungern trenne.»

«Verstehe, was ist es für einer? Ein Jaguar E-Type aus den Sechzigern oder ein Camaro?»

«Etwas kleiner, aber das Jahrzehnt stimmt.»

Er gibt mir zum Abschied seine Handynummer. Der Deal ist besiegelt.

 

In der Tiefgarage ist es drückend warm. Mit dem Autoschlüssel in der Hand wandere ich an den gängigen Modellen der oberen Mittelklasse vorbei, hin und wieder steht hier ein teurer Sportwagen. Ganz hinten auf dem Besucherparkplatz wartet auf mich das schönste Auto der Welt: mein altweißer 63er VW Käfer mit dem dunkelroten Faltdach. Die kreisrunden Scheinwerfer sehen aus wie Kinderaugen. Alles an dem Wagen ist abgerundet, die Motorhaube, die Heckscheibe, allein der aufgesetzte Blinker auf dem geschwungenen Kotflügel ist ein Kunstwerk, dazu kommt das Trittbrett mit der Gummibeschichtung.

Als ich die Tür öffne, empfängt mich der typische Käfergeruch, der auch nach Jahrzehnten nicht verflogen ist. Am Armaturenbrett ist eine kleine Blumenvase befestigt, in die ich zwei Vergissmeinnicht gesteckt habe. Ich drehe den Zündschlüssel um, der Boxermotor springt sofort an. Er klingt immer ein wenig angestrengt, funktioniert aber absolut zuverlässig. Den Wagen habe ich vor einem halben Jahr in New Mexico gekauft. Im Wüstenklima hatte Rost keine Chance. Klar, der Lack von vor sechs Jahrzehnten ist von der Sonne verblichen, aber diese Patina hat für mich was.

Ich tuckere aus der Tiefgarage in die Fulton Street, die im Schatten der umliegenden Hochhäuser liegt. Vor mir fährt ein Truck mit der lila Aufschrift «FedEx». Normalerweise würde ich jetzt über den Teddy-Roosevelt-Drive nach Hause fahren. Ich lebe in Williamsburg in einer geräumigen Dreizimmerwohnung, die Rose und ich gekauft haben, lange bevor in diesem Teil von Brooklyn alles unbezahlbar wurde.

Dort will ich jetzt nicht hin.

In meiner Wohnung halte ich mich eigentlich nur zum Schlafen auf, und das auch nur unter der Woche. Meist arbeite ich in meinem kleinen Büro in der Lower East Side bis in den späten Abend hinein. Freie Wochenenden, wie das, welches mir gerade bevorsteht, sind für mich eine Bedrohung. 52-mal im Jahr befinde ich mich im freien Fall, Samstag und Sonntag erscheint mir mein Leben sinnlos und leer, unabhängig davon, ob draußen ein Blizzard tobt oder die New Yorker Sommerhitze alles lahmlegt. Das Wochenende auch noch mit Arbeit vollzuschaufeln, ist auch keine Lösung, das habe ich längst probiert – bis ich vom Stress krank wurde.

Immerhin bin ich 67.

Mir fehlt Rose immer noch, seit ihrem Tod vor über zwanzig Jahren fehlt sie mir. Es hört einfach nicht auf. Immer waren wir füreinander da, konnten uns aufeinander verlassen. So eine Nähe kannst du durch nichts ersetzen. Rose und ich waren ein Dream-Team, wir hatten den gleichen Humor, waren beide sehr unordentlich, haben leidenschaftlich gerne gekocht. Am Herd haben wir immer Neues ausprobiert, israelische Küche, georgische, französische, deutsche, was uns einfiel.

Als ich auf die Brooklyn Bridge abbiege, befinde ich mich plötzlich im prallen Sonnenlicht. Neben mir funkelt das Wasser des East River. Ich schiebe das Faltdach mit dem verchromten Hebel zurück. Sofort knattert der Fahrtwind hinein und verwirbelt meine Haare. «Convertible for poor», hatte es der Verkäufer genannt, «Cabrio für Arme.» Die Hochhäuser des Financial Districts werden im Rückspiegel immer kleiner. Neben mir überholt ein Pick-up, der afroamerikanische Fahrer deutet auf meinen lärmenden Käfer und hebt lächelnd den Daumen. Ich winke zurück.

In meiner Familie war der Käfer kein Auto, sondern ein Familienmitglied, das am liebsten in der Garage ruhte. Mein Vater war ein notorischer Angeber, er besaß in den Sechzigern einen chromglänzenden Chevrolet, der mir wie ein rollender Ozeanriese vorkam. Den kleinen frechen Käfer fand ich viel cooler.

Ich nehme den Interstate Highway, der ans andere Ende von Long Island führt. Rechts geht es nach Coney Island, dem berühmten Strand mit dem Vergnügungspark. Ich habe meine frühe Kindheit zwischen Achterbahnen und Riesenrädern verbracht. Unser Viertel wurde «Little Odessa» genannt, wegen der vielen Immigranten, die hier wohnten. Von ihnen habe ich akzentfrei Russisch gelernt, ansonsten kann ich über das Viertel wenig Positives sagen. Die Kriminalität war hoch, die Straßen wurden beherrscht von Drogenbanden, gegen die die Polizei machtlos war. Wir Kinder mussten immer aufpassen, nicht zwischen die Fronten zu geraten.

Dort zieht mich nichts mehr hin.

Souverän schnurrt mein Auto Meile für Meile den Asphalt runter. Der Vorbesitzer hat netterweise ein Radio mit Kassettenrekorder in den Wagen eingebaut (den es 1963 noch nicht gab, aber so streng bin ich da nicht, mein Auto ist kein Museum). Bei einem Antiquitätenhändler in der Lower East Side habe ich einen Stapel Musik-Kassetten gekauft, die man sonst kaum noch bekommt. Ich lege die Beachboys mit «Surfin’ USA» ein, später einige Soul-Hits aus meiner Teeniezeit. Dann komme ich zu der Kassette, die jemand Wichtiges für mich eingesprochen hat. Ich will unbedingt jene Sprache reaktivieren, die ich vor Jahrzehnten oft gehört, aber selbst kaum gesprochen habe. Um rauszufinden, was die männliche Stimme sagt, muss ich genau hinhören:

«Hü gongt et? – How are you? – Wie geht es?»

Okay, das kannte ich noch. Der Sprecher übersetzt alles auch auf Deutsch, denn das haben wir häufiger als Englisch miteinander gesprochen.

«Min eilunn feer mei ik liis. – I love my Feer Island. – Ich liebe meine Insel Föhr.»

Ich versuche es laut zu wiederholen, bin aber nicht sicher, ob die Aussprache richtig war. Also spule ich zurück. Noch mal. Plötzlich wird die Sprecherstimme rasend schnell und hoch, wie in alten Mickymaus-Filmen. Es ist nichts mehr zu verstehen. Bandsalat!

Ich drücke schnell die Stopptaste und fahre auf einen Parkplatz. Dort fische ich einen Kugelschreiber aus dem Handschuhfach und fädle das Kassettenband wieder ein. Gott sei Dank, es funktioniert wieder.

«God dat wi a woss ha. – Nice to have Springtime. – Schön, dass wir Frühling haben.»

Dad stammte von einer kleinen deutschen Insel namens Föhr, dort wurde diese seltene Sprache gesprochen. Wir hatten damals viel Besuch von Exil-Föhrern, von denen und von Dad habe ich mir einiges abgehört. Auch wenn nicht viel hängen geblieben ist, der Klang ist mir sofort wieder vertraut.

«Man dring, wat beest du brat wurdn», war der immer gleiche Spruch von Dads Freunden. «Mann, Junge, was bist du groß geworden!» Dabei bin ich seit meinem 15. Lebensjahr bei 1,80 Meter stehen geblieben. Das ist nun schon über fünfzig Jahre her, seitdem habe ich nicht mehr Fering gesprochen. Aber nun bin ich wild entschlossen, es aufzufrischen. Allein das harte «r» ist eine Herausforderung. Ich rolle es...

Erscheint lt. Verlag 14.2.2023
Reihe/Serie Die kleine Friesencafé-Reihe
Die kleine Friesencafé-Reihe
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bestseller 2023 • Bestseller-Autor • Café • Das kleine Friesencafé • Deutsche Literatur • Deutsche Romane • Familiengeschichte • Föhr • Frauenromane • Geschenke für Frauen • Insel • Inselroman • kleine geschenke für frauen • last minute geschenke • liebesbücher • Liebesgeschichten • Liebesroman • Liebesromane deutsch • Nordfriesische Inseln • Nordsee • Nordseeinsel • Romane Liebe • Roman Frauen • Roman für Frauen • Roman Liebe • Roman Nordsee • Schleswig-Holstein Bücher • spiegel bestseller • Spiegel Bestsellerliste aktuell • Urlaubslektüre • Urlaubsroman
ISBN-10 3-644-01398-5 / 3644013985
ISBN-13 978-3-644-01398-8 / 9783644013988
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