Das kleine Bücherdorf: Winterglitzern (eBook)
352 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01372-8 (ISBN)
Katharina Herzog ist die deutsche Autorin für Liebesromane mit Fernweh-Garantie. Sie liebt es, ihre Leser an Sehnsuchtsorte wie Amrum, die Amalfiküste, Juist und New York zu entführen und diese Schauplätze auch selbst zu bereisen. Mit ihren Romanen schrieb sie sich nicht nur in die Herzen ihrer Leser, sondern eroberte auch die Bestsellerlisten. Katharina Herzog lebt mit ihrer Familie, Pferd und Hund bei München und plant schon ihre nächste Reise.
Katharina Herzog ist die deutsche Autorin für Liebesromane mit Fernweh-Garantie. Sie liebt es, ihre Leser an Sehnsuchtsorte wie Amrum, die Amalfiküste, Juist und New York zu entführen und diese Schauplätze auch selbst zu bereisen. Mit ihren Romanen schrieb sie sich nicht nur in die Herzen ihrer Leser, sondern eroberte auch die Bestsellerlisten. Katharina Herzog lebt mit ihrer Familie, Pferd und Hund bei München und plant schon ihre nächste Reise.
25 Jahre später
Kapitel 1 Graham
«Fertig?»
Finlay schüttelte den Kopf. Dann senkte er seinen brünetten Schopf wieder in Richtung des Blocks, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Seine Zungenspitze schaute ein Stück zwischen seinen Lippen hervor, wie immer, wenn er sich konzentrierte. Seinen Arm hatte er so auf dem Schreibtisch platziert, dass Graham nicht erkennen konnte, was er schrieb. Er sah nur die ersten beiden Zeilen.
Liebe Mama! Ich weiß, dass Du jetzt im Himmel wohnst, aber ich hoffe trotzdem, dass Du meinen Brief bekommst …
Graham drehte den Kopf weg und blinzelte. Drei Jahre war Patricia nun schon tot, aber weder war der Schmerz weniger geworden, noch hatte Graham gelernt, mit ihm zu leben - so wie es ihm von wohlwollenden Mitmenschen prophezeit worden war, die keine Ahnung hatten, dass man die große Liebe nur einmal im Leben fand. Morgens wachte er mit dem Gedanken an Pat auf, und abends schlief er damit ein. Auch im Buchladen erinnerte ihn alles an sie.
The Reading Fox stand in goldenen Buchstaben auf dem flaschengrünen Metallschild über der Tür. Wie der Bau eines Fuchses breitete sich der Laden, ausgehend von einer zweigeschossigen Galerie, auch nach hinten zum Garten hin aus. Die engen Gänge führten zu kleinen Zimmern mit niedrigen Decken, die Namen trugen, die noch von Grahams Schwiegervater, dem alten Fox, stammten: das Transportmittelzimmer, das Schottlandzimmer oder das Schnulzenzimmer - je nachdem, welche Bücher sich in den hohen Regalen stapelten. Pat hatte alle Räume passend zu ihrem Thema dekoriert. Im Krimizimmer hingen Pistolen an der Wand und ein Stück Seil, das angeblich ein Original-Galgenstrick war. Im Musikzimmer hatte sie ein Skelett an die Decke gehängt, das Geige spielte, und am Fenster stand dort ein Klavier. Die letzten Noten, die sie gespielt hatte, standen noch aufgeschlagen darauf. Es war das Hauptthema des französischen Klassikers Die fabelhafte Welt der Amélie.
Auch sonst hatte Graham nichts im ‹Fuchsbau› verändert. Nicht einmal die alte Registrierkasse hatte er gegen ein moderneres Modell ausgetauscht, obwohl sich das riesige Ding zickiger verhielt als eine Hollywood-Diva.
Weil das Musikzimmer das größte Zimmer im Fuchsbau war und sich darin neben dem Klavier auch ein Ungetüm von Schreibtisch befand, das sicher schon den Zweiten Weltkrieg erlebt hatte, ließ Graham Finlay dort den Brief an seine Mutter schreiben.
Da sein Sohn noch immer nicht zum Ende kommen wollte, stand Graham auf und ging zum Klavier hinüber. Er setzte sich auf den mit Leder bezogenen Hocker und legte die Hände auf die Tasten. Geduldig hatte Pat ihm gezeigt, welche Tasten er drücken musste, sie hatte sogar seine Finger geführt, bevor auch sie lachend hatte zugeben müssen, dass er ein hoffnungsloser Fall war. Wenn er die Augen schloss, konnte er sich für einen Moment einbilden, dass sie wieder neben ihm saß.
«So, jetzt!» Die Zungenspitze war wieder zwischen Finlays Lippen verschwunden und hatte Platz für ein zufriedenes Lächeln gemacht. «Ich muss nur noch unsere Adresse auf den Briefumschlag schreiben.»
«Glaubst du, Mummy weiß die nicht mehr?»
«Sicher ist sicher!» Finlay zog den Umschlag zu sich heran. Finlay Erskine, Harbour Road 8, Swinton-on-Sea, schrieb er in seiner großen runden Kinderschrift darauf. Dabei drückte er die Spitze seines Schreiblernfüllers so fest auf, dass die i-Punkte zu kleinen Löchern wurden.
Graham sah auf die Uhr. Er würde froh sein, wenn dieser Tag endlich vorbei war! Leider war es erst eins. Er nahm seine Brille ab und massierte sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel.
Endlich schraubte Finlay den Füllfederhalter zu. Er faltete den Brief zwei Mal und steckte ihn in den Umschlag. «Jetzt müssen wir nur noch den Luftballon aufblasen!», verkündete er.
Den Luftballon hatten sie schon gestern gekauft. Er war herzförmig, und Wir vermissen dich, stand in goldenen Schreibschriftbuchstaben auf dem perlmuttfarbenen Plastik. Graham hätte nie gedacht, dass der griesgrämige alte Pebbles so etwas in seinem Sortiment hatte. Aber im Grunde gab es von Zahnseide über Unterwäsche bis hin zu Äpfeln nichts, was er in seinem vollgestopften Gemischtwarenladen nicht führte. Zum Glück! Newton Steward, die nächstgrößere Stadt, lag über zehn Meilen von Swinton entfernt.
«Wo sollen wir ihn steigen lassen? Vor der Tür?»
«Nein!» Finlay sah Graham empört an. Seine runden braunen Augen mit den langen, dichten Wimpern ähnelten denen seiner Mutter viel zu sehr. «Hier unten kann er überall hängen bleiben. Wir müssen auf den Hügel fahren!»
Graham schluckte den Kloß in seiner Kehle hinunter. Auch von dort würde der Luftballon den Weg zu Pat nicht finden. Aber das konnte er Finlay nicht sagen. Er griff nach seinem an den Ellbogen schon etwas abgewetzten Tweedmantel und wickelte sich seinen Wollschal - eines der letzten Geschenke von Pat - um den Hals. Dann hängte er ein Schild mit der Aufschrift Closed in die Glastür, und gemeinsam mit Finlay verließ er den Laden, um ins Auto zu steigen und sich auf den Weg zum Swinton Hill zu machen.
Am Morgen hatte es geschneit, doch jetzt waren nur noch die fünf Bergspitzen der Range of an Awful Hand weiß bestäubt. Wie eine uneinnehmbare Festung erhob sich Swinton Manor auf dem Hügel und wachte über das gleichnamige Städtchen zu seinen Füßen. Beim Näherkommen kam man jedoch nicht umhin zu bemerken, dass das Herrenhaus, in dem einst einer der ältesten Clans Schottlands residiert hatte, seine besten Tage schon lange hinter sich hatte. Zu allen anderen Jahreszeiten konnten dicht belaubte Efeustränge den bröckelnden Putz kaschieren, doch jetzt, wo diese nur noch dürre, braune Zweige waren, sah man den Verfall des Gebäudes deutlich. Eine Fensterscheibe im ersten Stock hatte sogar einen Riss, das war bei Grahams letztem Besuch im Herbst noch nicht so gewesen.
Er parkte den Mini vor dem Anwesen, und sie stiegen aus. Sofort begann der Wind an dem Luftballon zu zerren und ließ ihn unternehmungslustig tanzen. Gut, dass Graham die Schnur, an der er befestigt war, vor der Abfahrt noch fest um Finlays Handgelenk gebunden hatte! Sein Sohn hätte ein riesiges Drama veranstaltet, wenn sich der Luftballon im falschen Moment losgerissen hätte. Schon seit Tagen plante Finlay, ihn an Patricias Todestag steigen zu lassen. Für diesen feierlichen Moment hatte er sogar Musik ausgesucht.
Finlay nahm Graham bei der Hand und führte ihn zu einer Stelle auf dem Hügel, von der man über die Marschwiesen, die ihr Heimatstädtchen umgaben, bis zum Meer schauen konnte. «Hier lassen wir den Luftballon fliegen! Bestimmt hat sich Mama eine Wolke direkt über dem Meer ausgesucht. Sie war doch immer so gern am Meer.» Finlay löste seine Hand aus der von Graham und ließ sich das Handy geben. Obwohl er erst acht war, konnte er schon besser damit umgehen als sein Vater! Pat würde sich im Grab umdrehen, wenn sie das sehen könnte, dachte Graham.
Finlay drückte auf dem Handy herum, und die ersten Takte von My Heart Will Go On erklangen. Graham unterdrückte ein Aufstöhnen. Er hätte wirklich gerne gewusst, wer Finlay all das in den Kopf gesetzt hatte. Bestimmt Gertie. Mick und Tessa ließen ihre Tochter viel zu viel fernsehen. Aber dann schaute er zu seinem Sohn hinunter, der die Schnur des Luftballons fest in beiden Händen hielt und dessen Blick sich irgendwo zwischen den Wolken verlor.
Er ist ein toller Kerl geworden, ich wünschte, du könntest ihn sehen, sagte Graham stumm in das schimmernde Blau hinein. Dann wartete er auf ein Zeichen. Auf einen Sonnenstrahl, der hinter einer Wolke hervorblitzte, einen plötzlichen Windstoß, eine Möwe, darauf, dass der Akku seines Handys plötzlich den Geist aufgab und Céline Dion unterbrach, auf irgendetwas, das ihm sagte, dass Pat wirklich auf einer der Wolken saß und auf sie hinunterschaute. Doch nichts geschah, außer dass sich weiter unten auf der Straße der alte Bus seines Vaters den Hügel hinaufkämpfte. Und das konnte er beim besten Willen nicht als Zeichen deuten.
«Sollen wir den Luftballon schnell fliegen lassen?», fragte er Finlay. Hatten sich seine Augen gerade noch feucht angefühlt, war nun jeglicher Drang zu weinen verschwunden. «Dein Großvater kommt.»
Doch leider tat ihm Finlay nicht den Gefallen zu nicken. «Gran kann ruhig dabei sein», sagte er stattdessen.
Graham seufzte. Schade! Der alte Haudegen hatte die Gabe, allein durch seine Anwesenheit die erhabensten Augenblicke zu zerstören.
So war es auch dieses Mal. «Du hast vergessen, den Laden abzusperren!», erklärte sein Vater, sobald er sie erreicht hatte. «Dabei treibt sich schon seit heute Morgen eine höchst verdächtige Person im Dorf herum und schaut sich überall um.» Paul Erskines hatte die dichten Brauen vorwurfsvoll zusammengezogen.
Graham seufzte erneut, dieses Mal aber unüberhörbar. Sein Dad las leidenschaftlich gerne Krimis, und er bedauerte nichts mehr, als dass die Verbrechensrate von Swinton-on-Sea schon seit Jahrzehnten bei quasi null Prozent lag. Das hielt ihn aber nicht davon ab, überall Verbrechen zu sehen. Seit Paul Erskines im Ruhestand war, spielte er sich als Hüter über Recht und Ordnung auf.
«Und was sollte diese höchst verdächtige Person stehlen? Den Reiseführer aus dem Jahr 1950, der an der...
Erscheint lt. Verlag | 1.10.2022 |
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Reihe/Serie | Das schottische Bücherdorf |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Alice im Wunderland • Antiquariat • Bibliophil • Bücherliebe • Buchhändler • Buchladen • Cozy • Dorf • Dorfbewohner • Großbritannien • Highlands • kleiner Buchladen • Lewis Carroll • Liebe braucht keine Ferien • Liebesroman • Liebesromane deutsch • Meine wundervolle Buchhandlung • schottische Romane • Schottland • Schottland Romane • Unterhaltung • Unterhaltungsliteratur • wigtown • Witwer |
ISBN-10 | 3-644-01372-1 / 3644013721 |
ISBN-13 | 978-3-644-01372-8 / 9783644013728 |
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