Rosas Theater (eBook)
240 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491685-9 (ISBN)
Rosa von Praunheim, geboren 1942 in Riga, gilt als wichtiger Vertreter des postmodernen deutschen Films in den Genres Dokumentar-, Autoren- und Avantgardefilm. Vor allem mit seinem Dokumentarfilm »Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt« (1971) wurde er öffentlicher Wegbereiter und Mitbegründer der politischen Schwulen- und Lesbenbewegung in der BRD. Sein Werk umfasst zahlreiche Filme, Bücher, Hörspiele und Theaterstücke. 2015 erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Für seine Verdienste um den deutschsprachigen Film und als »Wegbereiter der Schwulenbewegung in Westdeutschland« erhielt Rosa von Praunheim den Ehrenpreis des Saarbrücker Filmfestivals, den Max Ophüls Preis 2020.
Rosa von Praunheim, geboren 1942 in Riga, gilt als wichtiger Vertreter des postmodernen deutschen Films in den Genres Dokumentar-, Autoren- und Avantgardefilm. Vor allem mit seinem Dokumentarfilm »Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt« (1971) wurde er öffentlicher Wegbereiter und Mitbegründer der politischen Schwulen- und Lesbenbewegung in der BRD. Sein Werk umfasst zahlreiche Filme, Bücher, Hörspiele und Theaterstücke. 2015 erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Für seine Verdienste um den deutschsprachigen Film und als »Wegbereiter der Schwulenbewegung in Westdeutschland« erhielt Rosa von Praunheim den Ehrenpreis des Saarbrücker Filmfestivals, den Max Ophüls Preis 2020.
1. Teil
HEINER
kommt mit einer großen ausgestopften Ziege mit Rollen auf die Bühne Also ich wähle AFD, das sage ich hier ganz laut und mutig, auch wenn das
hier jemand nicht passt. Warum? Weil ich …
BOŽI
kommt dazu, nackt mit Hitlerbärtchen und einem blutenden Tuch um die Geschlechtsteile – schreit Ich bin gebissen worden, Scheiße, das tut weh. Fasst sich an den Verband – geht ab.
HEINER
Also wir leben in einer freiheitlichen Demokratie, und ich werde doch wohl sagen dürfen, was ich denke und fühle.
Singt:
AFD. AFD
Arschlöcher für Deutschland
Das sind wir gerne
Jeder Hund schnuppert zuerst am Arsch
Und genießt den Duft der Kacke
Das ist Natur und Kühe pupsen oft und gern
Und verschmutzen die Luft
AFD AFD
Bald sind wir stark genug
Deutschland stolz und stark zu machen
Deutschland stolz und stark zu machen
Wow Wow, how how–juhuuuuu–huhuuuu
Geht ab.
Boži kommt wieder rein, angezogen wie ein Neunjähriger mit kurzen Hosen, und versucht, in das Maul der großen Ziege zu pinkeln, kommt aber nicht an sie ran.
BOŽI
ruft Hansi, hilf mir doch, das klappt nicht mit der Ziege.Heiner kommt auch in kurzen Hosen – Boži stellt sich auf seine Schulter und klappt das Maul der Ziege auf und pinkelt hinein – das Maul klappt zu, und Boži fällt schreiend herunter und läuft weg.
HEINER
in kurzen Hosen Das war nicht lustig, hier entschied sich das Schicksal Deutschlands. Hätte Hitler seinen Schwanz behalten, wäre alles ganz anders gekommen.
Projektion – wir sehen Boži und Heiner in einem Schützengraben als Soldaten im 2. Weltkrieg, und Heiner mit einer Flasche Alkohol in der Hand erzählt betrunken:
Der Führer hat keinen Schwanz und auch nur ein Ei
– kann sich vor Lachen nicht halten.
Stimme eines Richters vom Band oder Videoprojektion: Ich verurteile Sie wegen Beleidigung des Führers zum Tode
Man hört Gewehrsalven, und Heiner schleppt sich von der Bühne.
Boži kommt auf die Bühne in Hitler-Montur, Lederhosen und schwarzem Hemd, er pupst laut.
BOŽI
Entschuldigung, ich hab’s mit dem Magen, mein Leben lang
Singt:
Ein Leben voller Pupse
Das ist wie Musik
Die schönste Melodie
Kommt aus unseren Ärschen
Das ist gesund, da wird man wieder munter
Tanzt, dreht seinen Po zum Publikum und furzt eine kleine Melodie – geht ab.
HEINER
in Chauffeurs Uniform Ich war Hitlers Bodyguard und auch sein Chauffeur.
Auf den vielen langen Autofahrten holte der Führer meinen Schwanz raus und rieb ihn kräftig. Ich fühlt mich geehrt, dass das große Genie mir einen runterholte, und ich spritzte meinen Samen in sein Gesicht, und er schaute ganz verdattert und sagte nur:
»Fahr nicht zu schnell. Du fährst immer zu schnell. Noch darf ich nicht sterben, ich habe noch eine große Aufgabe zu erfüllen. Ich muss Deutschland wieder groß machen, und ich muss fünfzig Millionen Menschen töten, das ist mein Schicksal.«
Boži kommt dazu.
BOŽI
Also ich muss etwas richtigstellen. Ich habe nie homosexuelle Aktivitäten ausgeübt, im Gegenteil, Männer, die Sex ausüben, waren mir ein Graus und Sex vor der Ehe sowieso nicht. Frauen sind dazu da, viele Kinder zu kriegen. Kinder sind Krieger, und die braucht Deutschland.
Singt:
Kinder für den Krieg
Blond und stark mit leuchtendem Blick
Und entschlossen im Schritt
Kinder für den Weltkrieg
Damit sie leuchten und brennen
Wie die Weihnachtsbäume
Kinder sind so mutig und so stolz
Und sie sterben lautlos
Und sie sterben wie die Fliegen
Plötzlich wütend schreiend:
Mein Sexleben geht keinen was an, ich habe alle erschießen lassen, die über mich Lügen verbreitet haben und mich erpressen wollten mit ihrem Klatsch und Tratsch. Nach dem Krieg wollten alle mit mir gefickt haben oder meinen Arsch geleckt haben. Am dreistesten sind diese primitiven Amerikaner, die verbreitet haben, dass ich an Coprophilia und Urophilia leide. So was Ekelhaftes.
Heiner kommt dazu.
HEINER
Was ist das Coprophilia und Urophilia?
BOŽI
windet sich, schämt sich, das auszusprechen Das ist so furchtbar, so entsetzlich, das kann ich dir nicht übersetzen, das ist so grauenhaft, so pervers. Es ist schrecklich, sich vorzustellen, dass das ein Mensch machen kann bzw. daran Genuss haben kann. Das muss doch fürchterlich stinken, und gesund kann das doch auch nicht sein.
HEINER
Und warum hast du es dann getan?
BOŽI
Nein, ich habe das doch nicht gewollt, das ist mir nur so rausgerutscht.
HEINER
Du meinst aus Gelis Arsch rausgerutscht. Ich habe gelesen, dass du deine junge unschuldige Nicht Geli gezwungen hast, sich über dich zu setzen, um dich dann zu bepinkeln und zu bescheißen.
BOŽI
Kannst du dir das vorstellen, dass das der heilige Führer der deutschen Nation getan haben soll. Das ist eine schreckliche Diffamierung und beleidigt alle Deutschen, das hieße ja, dass alle Deutschen sich vom Führer haben bepinkeln und bescheißen lassen.
HEINER
Da hast du nicht ganz unrecht – im übertragenen Sinne natürlich.
BOŽI
Und deswegen wählst du die AFD?
HEINER
singt Lügenpresse Lügenpresse
Sie erfinden alles, um uns zu töten
Diese Kröten
Mach es wie Trump und kotze ihnen ins Gesicht.
Eine neue Zeit bricht an.
Schluss mit der Demokratie.
Schluss mit der Wahrheit.
Und Deutschland wird wieder groß
Und riesengroß
Und alle diese Affen zurück
In den Urwald
Keckert wie ein Affe.
BOŽI
als Hitler Also ich finde, dass die AFD nicht weiß, wo hinten und vorne ist. Selbst in unseren Anfängen waren wir besser. Wir haben uns nicht dafür entschuldigt, die Juden, die Neger und die Mischvölker ausrotten zu wollen, die psychisch Kranken und die Schwulen. Na, die Schwulen, das kam später. Ich muss gestehen, dass ich Männer immer sehr attraktiv fand und Frauen furchtbar, das waren alles Hexen, außer meiner Mutter natürlich.
HEINER
Und dein Vater?
BOŽI
Mein Vater war eine wirkliche Autorität. Er war streng und hat mich oft verprügelt, aber das hat mich stark gemacht, und das habe ich wie Winnetou lautlos ertragen.
HEINER
Und da war das Gerücht, dass da jüdisches Blut in deiner Familie war – deine Großmutter väterlicherseits, Anna Schicklgruber, arbeitete in der angeblich jüdischen Familie Frankenberger, bekam ein uneheliches Kind, deinen Vater. Und der Jude Frankenberger bezahlte als Patenonkel Alimente.
BOŽI
schreit Alles Lügen, infame Lüge, und das Schlimme ist, ich habe selbst geglaubt, dass das wahr sein könnte. Was für ein Widerspruch. Hitler, der Judenvernichter, hat selbst jüdisches Blut, das wäre eine Schande gewesen, bis Gott sei Dank lange nach meinem Tod die Historiker das ganz und gar widerlegt haben. Atmet auf.
HEINER
Was ist mit der Inzucht in der Familie deiner Mutter. Dein Vater und deine Mutter waren ja auch verwandt. Und was ist mit der Syphilis?
BOŽI
Also wenn, dann hat meine Mutter nur ein klein bisschen Syphilis gehabt, das hatten ja viele in meiner Familie. Die Schwester meiner Mutter, die Hannitante, die war ja geistig zurückgeblieben.
HEINER
Und in der Familie deines Vaters waren ja viele verblödet, einige landeten in der Psychiatrie, wie Aloisa Veit, die immer mit einem Totenschädel ins Bett ging und die deine Ärzte dann umbringen ließen.
Auf der Videoleinwand sieht man eine psychisch kranke verwahrloste Frau, die mit einem Totenschädel herumspaziert, den ihr ein Pfleger versucht abzunehmen.
BOŽI
Die hat die Ärzte doch selbst drum gebeten. Und übrigens Genie und Wahnsinn liegen nahe beieinander. Ich bin natürlich ein Genie geworden. Ich habe in Auftrag gegeben, meinen Schädel zu vermessen, und meine Ärzte haben bestätigt, dass er Ähnlichkeiten zu Napoleon und Friedrich dem Großen aufweist.
HEINER
Projektion ganze Figur Hitler Und andere Ärzte haben herausgefunden, dass du eine kleine Stirn hast, eine Hühnerbrust, eine hässliche Nase, breite Hüften und schmale...
Erscheint lt. Verlag | 26.10.2022 |
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Zusatzinfo | 5 sw-Abbildungen |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Lyrik / Dramatik ► Dramatik / Theater |
Schlagworte | Adonis • AIDS • Alfred Biolek • Bettwurst • Coming out • Dramatik • europäisches Kino • gay • Gender • Hape Kerkeling • Heaven • Hitlers Ziege • Homosexualität • in der er lebt • Jeder Idiot hat eine Oma • Komödie • LGBTQ+ • nicht der homosexuelle ist pervers • Outing • Rosas Rache • Rosas Welt • Schwule Literatur • Schwules Theater • sondern die Situation • Zwei Fleischfachverkäuferinnen |
ISBN-10 | 3-10-491685-3 / 3104916853 |
ISBN-13 | 978-3-10-491685-9 / 9783104916859 |
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