Trejo (eBook)

Mein Leben. Verbrechen, Erlösung und Hollywood

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022
448 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-29628-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Trejo - Danny Trejo
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In seiner Autobiografie erzählt Hollywoods berühmtester und beliebtester Bösewicht erstmals seine wahre, fesselnde und inspirierende Lebensgeschichte. Nach einer kriminellen Laufbahn voller Verbrechen und Drogensucht, fand er im Gefängnis zu sich, bekämpfte seine Dämonen und erntete nach seiner Freilassung in Hollywood unerwarteten Ruhm als Bad-Boy-Leinwanddarsteller mit einem Herz aus Gold.

Danny Trejo ist einer der bekanntesten, produktivsten und beliebtesten Charakterdarsteller Hollywoods. Berühmt wurde er durch seine Bösewicht-Rollen in Serien wie Breaking Bad, Sons of Anarchy oder die Spy Kids- und Machete-Filme von Kultregisseur Robert Rodriguez. Danny ist daneben auch ein erfolgreicher Restaurantbetreiber. Er besitzt sieben Filialen von Trejo's Tacos, Trejo's Cantina und Trejo's Coffee & Donuts im Großraum Los Angeles und expandiert gerade im Rest der USA.

Kapitel 1

SOLEDAD

1968

Ich fühlte mich wie ausgekotzt, war bis obenhin voll mit H, Pruno, Reds und Whiskey.

Ich war im dritten Jahr von zehn, eine Haftstrafe, die sich für Mexikaner in kalifornischen Knästen schnell in zwanzig Jahre, lebenslänglich oder gar den Gastod verwandeln konnte. Ich hatte schon immer geahnt, dass ich hinter Gittern sterben würde.

Es war der fünfte Mai 1968, also Cinco de Mayo, und ich saß im Soledad State Prison ein. Für einen Mexikaner, einen echten Mexikaner, einen Herzblutmexikaner, steht Cinco de Mayo weder für den Tag der mexikanischen Unabhängigkeit (das ist er ohnehin nicht) noch für den Tag des Sieges der Mexikaner über die Franzosen in der Schlacht von Puebla. Genau genommen ist Cinco de Mayo noch nicht mal der fünfte Mai für sie. Cinco de Mayo bedeutet ganz einfach nur: »Leg schon mal die Kautionskohle bereit.« Da ich ohnehin bereits saß, brauchte ich mir darüber keinen Kopf zu machen.

Die Mexikaner in Soledad warteten schon seit Wochen darauf, sich mal richtig die Kante geben zu können. Da ich der Chef der Turnhalle in Soledad war und diese sich direkt neben den zentralen Laderampen der Haftanstalt befand, ging alles durch meine Hände, was auf diesem Weg reingeschmuggelt wurde. Zigaretten, Speed, H, ja sogar Frauenunterwäsche und Make-up für die, die Spaß dran hatten. Egal, was es war, solange der Preis stimmte, konnte ich es besorgen.

Das Heroin lief komplett über mich, und so war ich in dieser Hinsicht bestens versorgt. Ich hatte auch Hunderte von Pillen auf Lager. Ich bekam sie von Häftlingen, die ihre Medikamente aufhoben, um damit Spielschulden zu bezahlen, Schmuggelware zu kaufen oder sich persönlichen Schutz zu sichern. Darüber hinaus besaß ich noch ein paar Liter Whiskey, zwei Unzen Gras und zwei Chargen Pruno, sprich Knastschnaps, den wir schon Wochen zuvor angesetzt hatten. Eine Connection in der Küche hatte uns die Zutaten besorgt: Rosinen, Orangen, Zucker und Hefe. Wir kippten die Mische in Müllsäcke, knoteten diese fest zu, schlugen sie anschließend in alte T-Shirts ein und schoben sie in Warmluftschächte, wo das Zeug dann gärte. Als der Pruno fertig war, siebten wir ihn durch lange Socken.

Wir legten schon früh am Vortag des Cinco de Mayo los und zechten die ganze Nacht durch. Am nächsten Morgen, als ich gerade ein einigermaßen angenehmes Level erreicht hatte, meldete sich der Captain über die Lautsprecheranlage. Zur Feier des Tages sollte es für alle eine Veranstaltung auf dem Hof geben: ein Baseballspiel zwischen dem Team eines lokalen Junior College und einer Knastmannschaft.

Ausgerechnet am Cinco de Mayo eine Gruppe Zivilisten auf den Yard eines kalifornischen Gefängnisses marschieren zu lassen, ist so ziemlich die beschissenste Idee, die man haben kann. Mehr als die Hälfte der Gefangenen war schon frühmorgens total drauf. Bekamen die dann noch alle Hofgang wegen einer Veranstaltung wie diesem Baseballspiel, bedeutete das mehr Wachen, mehr Sicherheitsvorkehrungen, mehr Knarren. Mehr von allem.

Nach der Lautsprecherdurchsage kam tatsächlich der Befehl zum Hofgang, und alle mussten aus ihren Zellen raus. Draußen hielt ich mein Gesicht in die Sonne und ließ mich kurz von den warmen Strahlen verwöhnen, doch als ich meine Augen schloss, wurde mir übel. Der Pruno machte mir Probleme. Ich ging zu der Tribüne am Baseballfeld und pflanzte mich auf Höhe des dritten Laufmals neben zwei meiner Kollegen aus Jugendknasttagen, Ray Pacheco und Henry Quijada. Ray war ein echter Hulk, ein Monsterathlet. Wir hatten uns mit dreizehn kennengelernt, bei Footballspielen auf der Straße. Kurz darauf war Ray bei der White-Fence-Gang eingestiegen. Henry war ein großer, schlanker Bursche aus Azusa. Beide saßen in einer anderen Abteilung von Soledad als ich, in Rainier.

Wir machten es uns bequem und warteten darauf, dass das Spiel zwischen den College-Boys und unseren Jungs losging. Erst als ich aufs Feld schaute, wurde mir bewusst, dass es keinen Zaun gab – nur drei Meter Luft trennten uns von den Studenten. Die Mannschaften machten sich warm, anschließend nahmen die Spieler ihre Positionen ein. Ein großer weißer Bursche mit dem Look von Mickey Mantle spielte die dritte Base bei den College-Jungs. Ich weiß noch, wie ich mir bei seinem Anblick dachte, dass er hinter Gittern einen heiß begehrten Puppenjungen abgegeben hätte.

Er kaute auf einem riesigen Stück Kaugummi herum.

Ray sah mich an und sagte: »Mann, was würde ich jetzt für ein bisschen Chicle geben.«

Kaugummi war etwas Besonderes. Im Kahn gab es keinen, schon gar nicht den von der supersüßen Sorte, die das College-Bübchen gerade zwischen seinen Zähnen zermalmte.

Ray mutierte zum Kleinkind. »Ich will Kaugummi!«

Er war aus Atascadero, einem Hochsicherheitsknast mit Schwerpunkt forensische Psychiatrie, nach Soledad gekommen. Verurteilt hatte man ihn wegen Doppelmordes. Er hatte seine Ex und deren Lover auf dem Gewissen. Das Gericht war aufgrund von Rays brutalem Vorgehen der Meinung gewesen, dass bei der Tat »außergewöhnliche Umstände« vorgelegen hätten. Ich erinnere mich nicht an die Einzelheiten, aber es war wirklich schlimm gewesen – so schlimm, dass es in der Zeitung steht, aber man nach zwei Zeilen angewidert weiterblättert. Für einen Mexikaner der alten Schule wie Ray gab es so etwas wie eine Ex-Freundin eigentlich gar nicht. War er einmal mit einer Frau zusammen, gehörte sie ihm, für immer und ewig. Die Morde waren derart barbarisch, dass man bei Gericht befand, der Täter müsse geistesgestört sein. Ray wurde für »schuldig, aber psychisch krank« befunden. Im Austausch für seine Bereitschaft, Elektroschocktherapien und Psychopharmaka-Experimente über sich ergehen zu lassen, erhielt er eine reduzierte Strafe von sieben Jahren.

Die Behandlungen verschlechterten jedoch nur seinen Geisteszustand.

In Soledad schlich ich mich manchmal von hinten an ihn ran und zischelte ihm ins Ohr, Zzzzziiiischhhh, als würde ihm gerade wieder jemand ein paar Hundert Volt durch den Schädel jagen. Normalerweise machte er sich nicht viel daraus, aber als ich ihn an diesem Morgen angezischt hatte, war mir schnell klar geworden, dass er nicht in der Stimmung für Scherze war.

Das Spiel begann. Ich war platt, fühlte mich unfassbar mies wegen der Mischung aus Angesetztem, Weed, Pillen und Whiskey. Die Sonnenstrahlen, die mir ein paar Sekunden zuvor noch so gutgetan hatten, fühlten sich nun an, als hätte jemand ein riesiges Brennglas über meiner Stirn montiert. Auch die Jungs auf den Sitzen neben, hinter und vor mir waren besoffen, high und/oder schlecht gelaunt. Ich konnte die Spannung spüren, merkte, dass da etwas vor sich hin köchelte, das bald schon sieden würde. Es war eine Art Verlangen, der Durst nach Gewalt. Aggressionen und Angst setzen Pheromone frei. Wenn sie einmal ausgedünstet sind, gibt es kein Zurück mehr. Und in diesem Moment, auf der Tribüne am Baseballfeld, war die Luft voll von ihnen.

Im zweiten Inning schrie Ray zu dem Burschen an der dritten Base: »¡Dame chicle, pinche güero!«

Der College-Boy tat so, als wäre nichts. Er drosch nur ein ums andere Mal seine Faust in den Handschuh und walkte weiter den Kaugummi in seinem Mund durch. Kau. Kau. Schmatz. Schmatz. Fast schon wie ein wiederkäuendes Rind.

»Tu nicht so, als würdest du mich nicht hören, Bitch! Schmeiß mir einen Kaugummi rüber!«

Der Baseman reagierte nicht. Er starrte einfach geradeaus, schlug mit seiner Rechten in den Handschuh an seiner Linken und kaute schmatzend weiter. Irgendwann murmelte er etwas in unsere Richtung. »Wir sollen nicht mit euch sprechen.«

»Was?«

»Man hat uns gesagt, dass wir nicht mit den Insassen sprechen sollen.«

Kau. Kau. Schmatz. Schmatz.

Mit jedem knatschenden Geräusch aus dem Mund des Typen an der dritten Base wurde Ray wütender. Fast konnte ich das Klicken des Schalters hören, der in seinem Schädel umgelegt wurde. Es war wie bei einem großen Weißen Hai mit zurückgerollten Augen. Er knirschte mit den Zähnen, mahlte mit den Kiefern, dass es knackte, als würde er in seinem Inneren gerade ganze Armeen von Dämonen bekämpfen. Als läge er wieder auf der Bahre, angeschnallt und mit einem Lederriemen zwischen den Zähnen, während mehrere Hundert Volt durch seinen Schädel rasten. Zurück in der Zwangsjacke, die er vier Monate lang hatte tragen müssen. Ray war durch, jenseits von Gut und Böse.

»Fick dich, Bitch. Wir sind es also nicht mal wert, dass du mit uns sprichst, oder wie?«

»Man hat uns gesagt, wir sollen keinen Kontakt mit euch aufnehmen.«

Ich wusste, dass es sinnlos war, doch ich versuchte trotzdem, Ray zu beruhigen. Ich erzählte ihm allen möglichen Bullshit.

»Leg dich besser nicht mit dem Burschen an, Kumpel. Der kann Karate«, sagte ich. Oder: »Die haben extra einen Scharfschützen zum Schutz von diesem Kerl abgestellt.«

Ich hätte es besser wissen sollen. Einem zugedröhnten Killer zu sagen, dass er sich lieber nicht mit XYZ anlegt, ist für ihn wie eine Einladung, sich mit XYZ anzulegen.

Der Junge an der dritten Base hatte die Hosen gestrichen voll. Mit jedem Inning rutschte er weiter Richtung zweite Base. Irgendwann war es so weit, dass der dritte Baseman, der Shortstop, und der zweite Baseman nebeneinander im Zentrum des Infields standen. Diese Burschen wollten nur noch weg. Sie wollten mit ihren Freundinnen abhängen, mit ihren Pick-ups durch die Gegend cruisen, Bier trinken oder an irgendeinem Kanalufer rumlümmeln und Countrymusik hören. Alles, außer mit einer Bande von Dieben und...

Erscheint lt. Verlag 14.9.2022
Co-Autor Donal Logue
Übersetzer Daniel Müller
Sprache deutsch
Original-Titel My Life of Crime, Redemption, and Hollywood
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte 2022 • Biografie • Biographien • Bösewicht • Drogen • eBooks • Erfolgsgeschichte • Gefängnis • Hollywood • Hollywoodstar • Kunst • Machete • Neuerscheinung • Robert Rodriguez • Schauspieler • Verbrechen
ISBN-10 3-641-29628-5 / 3641296285
ISBN-13 978-3-641-29628-5 / 9783641296285
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